Innsbruck, den 4. November 1902. - im Viertakt eines Automobils - Lebenskräfte - Raumüberwindung - Saftumsatz - Wollust des Dahinrollens.

Acht Stunden lang unausgesetzt im gesund-regelmäßigen Viertakt eines Automobils durch einen unsagbaren schönen, sonnigen Herbsttag dahingefahren, – ein Genuß, der nicht zu schildern ist. Alle Lebenskräfte wachen auf, alles Verhockte, Verstockte, Faule, Grämliche wie weggeblasen, alle guten Geister der Kraft und Gesundheit mobil. Bewegung! Kraft- und Saftumsatz! Rhythmus und Raumüberwindung! Es ist eine rauschartige Steigerung des Lebensgefühls. Was konnte ich, dies auszudrücken, Besseres tun, als meiner Frau immer und immer wieder die Hände zu küssen?! Verse machen ist schön, – dies ist noch schöner. Was kann es Herrlicheres geben, als gemeinsam sich durch die wechselreiche Schönheit einer mit allen Reizen ausgestatteten Gegend dahintragen zu lassen, von einer durch Menschenhand bemeisterten Kraft, die rhythmisch tätig ist? Wer die Wollust dieses Dahinrollens kennt, ersehnt sich nicht mehr die Kunst des Fliegens. Fest auf der Erde, aber wie im Sturme dahin. Jede Falte des Geländes benützend, Hügel hurtig hinauf und brausend hinab, jetzt zwischen Wiesen und junger Saat, nun durch Wälder, Flüssen entlang, über Brücken hin, Felsentore hindurch, hinter davontrabenden Herden her, in das Gassenwinklicht einer alten Stadt hinein, über Märkte weg voll Buden und Gewimmel, Schlössern, Burgen, Parks vorüber und vorbei an Pflügern und Hirten – immer den Bergen zu und plötzlich vor ihnen, da man sie doch vor wenigen Stunden grau und verschwommen, wie in einer Ferne sah, die sich dem Hinstrebenden nur immer weiter zu entziehen schien. Wem ich gut bin, dem wünsch’ ich diesen Genuß, dieses Glück.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine kleine Herbstreise im Automobil