In Hong Kong und Umgegend
Am 5. Februar 1885 verließen wir Shanghai. Der Dampfer „Kow Shing“ lichtete um drei Uhr Nachmittags die Anker und wir befanden uns auf der Reise nach Hong Kong. Der „Kow Shing,“ ein neuer, elegant eingerichteter Dampfer, stand unter dem Kommando des Kapitän Webster und gehörte zu der Linie „Messageries Maritimes“ (Französische Postdampfer). Er fuhr aber unter der englischen Flagge und war auch wirklich ein englisches Schiff, das nur von den „Messageries Maritimes“ gechartert worden war.
Der französisch-chinesische Krieg war die Ursache davon, denn während desselben hätte ein unter französischer Flagge segelndes Schiff allerlei Unannehmlichkeiten zu bestehen gehabt. Shanghai war gegen französische Schilfe blockiert und die Dampfer-Compagnie daher genötigt, derartige Maßregeln zu ergreifen, um ihre Frachten und Postsachen nach Shanghai und Yokohama befördern zu können.
Kapitän Websters Renommee als Schiffs-Offizier ist längst begründet, und seine sonstigen Vorzüge werden mit Vergnügen gewiss von Allen attestiert werden, die je mit ihm in Berührung kamen. Unsere drei Tage dauernde Reise von Shanghai nach Hong Kong war eine höchst genussreiche. Wir sahen Foo-Chow, das von den Franzosen kurz vorher bombardiert worden war und passierten Amoy auf Sehweite. Das Wetter war wunderschön, die See spiegelglatt und die Behandlung auf dem Schiffe ausgezeichnet. Außer uns waren nur noch zwei Kajüten-Passagiere an Bord, Kaufleute von Shanghai, die eine Geschäftsreise machten. Der eine war Makler und der andere ein Tuchhändler. Sie verdienten unter allen Umständen die Krone als klatschsüchtige Schwätzer. Von Morgens an, sobald sie sichtbar wurden, bis sie sich Nachts zu Bette legten, taten sie nichts als Klatschen und sich um andere Leute kümmern. Ihr Geklatsch verschonte Niemanden und umfasste soziale, kommerzielle, politische und religiöse Themata. Niemand entging ihrer Kritik und ihrer Zunge; weder die unschuldige Jungfrau, noch die würdige Matrone, ja selbst die eigenen Töchter und Gattinnen wurden von den rücksichtslosen Kreaturen unbarmherzig durch die Hechel gezogen. Wir hörten Unterhaltungen zwischen ihnen, die geradezu empörend waren, und hielten uns auch schon nach einer Bekanntschaft von nur wenigen Stunden vollständig entfernt von ihnen; wir zogen die Gesellschaft des Kapitän Webster, der uns mit seinen Seemanns-Geschichten unterhielt, vor. Derselbe ist ein jovialer alter Seebär und erzählte uns mit besonderer Vorliebe von aufregenden Dampfer-Wettfahrten zwischen Shanghai und Tien-tsin, aus der Zeit, als der „Kow Shing“ noch der „Tien-tsin“ Linie angehörte. Natürlich ging der „Kow Shing“ in den Erzählungen des Kapitäns stets als Sieger hervor, und hatte seit jener Zeit den Titel „der große Unbesiegbare“ erhalten. Auf dem „Kow Shing“ war man vorzüglich aufgehoben. Die Kajüten waren groß und luftig, der Speise-Salon elegant möbliert und der Wandschrank des Kapitäns, zu dem wir freien Zutritt hatten, war angefüllt mit den besten Marken französischer und italienischer Weine, den vorzüglichsten Bieren Englands und Deutschlands und den weltberühmten Produkten amerikanischer Destillerien.
Die Speisen waren in großer Menge vorhanden und ausgezeichnet zubereitet. Das Küchen-Personal, lauter Chinesen, bestand aus hübschen Leuten, die außerordentlich gefällig und geschickt in der Zubereitung der Speisen waren, welche sie auch sehr geschmackvoll zu servieren verstanden. Unser Appetit verließ uns nie, so dass das Hammelfleisch von Shanghai und das japanische Rindfleisch, das dem besten amerikanischen gleichkam, an uns große Verehrer fanden. Der Koch, Yee Loi, sah bald, dass das genannte Fleisch für uns ganz besonderen Reiz besaß und kaum hatte er diese Entdeckung gemacht, als er sein Bestes versuchte und alle seine kulinarischen Kenntnisse in Requisition brachte, um zu zeigen, in wie vielen verschiedenen Arten er diese beiden Fleischsorten zu servieren verstand. Er erntete unseren Dank und natürlich auch noch substantiellere Anerkennung seiner Kochkunst.
Die Mannschaft, welche Kapitän Webster in Tien-tsin eingemustert hatte, bestand aus lauter ausgesuchten Leuten. Sie waren seefest und brillant einexerziert, so dass sie im Falle der Not sich gewiss als zuverlässig erwiesen haben würden.
Eine Eigentümlichkeit des Charakters der Chinesen ist ihre Clan-Anhänglichkeit, die mehr oder weniger Jeden in seinem Benehmen gegen Andere beeinflusst. Sowie irgendwo Chinesen aus verschiedenen Landesteilen aufeinanderstoßen, gibt es sofort Unfrieden, und A Verträglichkeit, oder harmonische Tätigkeit, sind außer Frage. Sie zanken und streiten fortwährend und vernachlässigen darüber ihre Arbeit, auch wenn sie noch so wichtig ist, nur um sich in einen Wortstreit einzulassen. Auch ist es nichts Ungewöhnliches, dass sie sich tätlich aneinander vergreifen. Nie können sie friedlich mit einander leben und meistens verursacht ihre gegenseitige Feindseligkeit ernstliche Konflikte. Es ist deshalb bei der Anwerbung einer Schiffs-Mannschaft von höchster Wichtigkeit, dass Alle aus derselben Stadt sind, weil man sonst nie vor Ruhestörungen sicher ist. Diese würden unfehlbar folgen, wenn ein einziger Mann aus einer anderen Stadt darunter wäre. „Ich würde unter keinen Umständen eine gemischte Mannschaft mitnehmen,“ sagte Kapitän Webster, der schon viele Jahre lang auf den östlichen Gewässern gefahren war; „denn es ist unmöglich ein Schiff ordentlich zu führen, wenn die Leute aus verschiedenen Landesteilen kommen.“ Ein Chinese aus Tien-tsin wird sich niemals mit einem solchen aus Shanghai, oder Amoy, befreunden, und die Anstellung von Bewohnern Cantons und Swatows in ein und derselben Dienstbranche würde höchst unbefriedigende Resultate erzielen. Die Gehässigkeit gegen Leute aus einem anderen Landesteile kommt nur der gegen alle Ausländer gleich.
Am Morgen des dritten Tages unserer Reise kamen die unzähligen kleinen Inseln in Sicht, die um Hong Kong herum zerstreut liegen. Dieser Teil des chinesischen Meeres gleicht der bezaubernden Suwonada von Japan, da derselbe ebenfalls mit reizenden kleinen Inseln in den merkwürdigsten Gestaltungen bedeckt ist. Heller Sonnenschein und ein klarer blauer Himmel lachten über uns, als wir in die enge Fahrstraße einfuhren; wir sahen daher dieses schöne Panorama in prachtvollster Beleuchtung und so deutlich, dass uns keine einzige der zahllosen Schönheiten verloren ging. Die Haupteinfahrt in den Hafen von Hong Kong, vom Norden her, ist sehr eng und außerordentlich gefährlich. Die Einfahrt erscheint so schmal, dass man glaubt, selbst mit dem kleinsten Dampfer nicht durchfahren zu können. Erst als wir ganz nahe herangekommen waren, wurde der glitzernde Streifen Wasser breiter und breiter, und bald hatten wir die Einfahrt hinter uns und warfen Anker im Hafen von Hong Kong, an der Seite des großen Dampfers „Djemnah,“ der, ebenfalls den „Messageries Maritimes“ gehörig, nach Marseille bestimmt und im Begriff war, noch an demselben Nachmittag um 3 Uhr abzusegeln. Unser Anker wurde um punkt 10 Uhr fallen gelassen, so dass wir die Reise in 67 Stunden zurückgelegt hatten.
Das Verdeck des „Djemnah“ bot ein äußerst malerisches Bild. Hunderte von französischen Soldaten, Turcos und Zouaven aus Algiers, sowie reguläre Infanterie und Kavallerie aus dem Mutterlande, lagerten in größeren und kleineren Gruppen umher und boten mit ihren verschiedenen, aber durchweg kleidsamen, Uniformen ein farbenprächtiges und schönes Bild. Die Meisten waren krank, und ein sofortiger Wechsel des Klimas war nötig, um ihre zerrüttete Gesundheit wieder herzustellen. Viele waren in den jüngst in Tongking mit den Chinesen geschlagenen Schlachten verwundet worden und wurden nach Hause geschickt, wo sie bessere Pflege und ärztliche Behandlung erhalten konnten, als im Felde.
Der Anblick von Hong Kong, mit dem großen Victoria Park im Hintergrunde, sowie dem von mindestens hundert Schiffen bedeckten Hafen, welche die Flaggen fast aller Nationen der Welt zeigten und den Tausenden von kleinen einheimischen Fahrzeugen, war wahrhaft großartig. Der Hafen ist einer der schönsten der weit und ist zehn Quadratmeilen groß.
Wir begaben uns in ein kleines chinesisches Boot, das ganz aussah wie ein japanischer Sampan, und in wenigen Minuten setzten wir unseren Fuß ans Land und betraten Hong Kong. Das Hong Kong Hotel, an dessen Eigentümer, einen Amerikaner, Namens Greeley, aus Washington D. C., wir Empfehlungsbriefe hatten, war so überfüllt, dass wir unser Quartier im Victoria Hotel, welches von einem Chinesen, in Verbindung mit einem ostindischen Parsen geführt wird, aufschlagen mussten. Hier überraschten uns die äußerst eleganten Zimmer, die uns angewiesen wurden. Wir bewohnten zwei große Frontzimmer im zweiten Stock, deren Fenster nach der Queens Road, der Haupt-Geschäftsstraße, hinausgingen. Von der Veranda, auf die wir direkt aus unseren Zimmern traten, konnten wir das rege Leben und Treiben dieser höchst interessanten Stadt genau beobachten und studieren; stundenlang konnten wir, ohne zu ermüden, dort sitzen und die stets wechselnden Szenen vor unseren Augen vorüberziehen lassen.
Hong Kong ist eine englische Kolonie, für die das Mutterland kolossale Summen Geldes verwendet hat. Eigentlich heißt die Stadt Victoria, der Name wird aber nur höchst selten gebraucht, und mit Hong Kong bezeichnet man sowohl die Stadt als auch die Insel.
Die Regierungs-Gebäude und die Kasernen sind große, imposante Bauten. Im europäischen Viertel sieht man viele schöne Geschäftshäuser und Privat-Wohnungen, die der Stadt das Ansehen von Wohlhabenheit und Gedeihen geben.
„Happy Valley,“ das reizend in einer wundervollen Vertiefung zwei Meilen vom Mittelpunkte der Stadt gelegen ist, bietet einen höchst interessanten Anblick. Eine Anzahl von Friedhöfen liegen auf einer Seite der Fahrstraße, während auf der anderen eine Rennbahn dem Auge einen angenehmen Ruhepunkt bietet.
Die öffentlichen Gärten sind sehr groß und prachtvoll angelegt. Fast die ganze Bevölkerung dieser Metropole des Ostens kommt hier des Abends zusammen und lauscht der von den vortrefflichen Militär-Kapellen gelieferten Musik. Die Konzerte beginnen fast immer mit einem Militär-Marsch, worauf hübsche Tanzmusik und Selektionen aus Opern folgen. Den Schluss bildet stets die englische National-Hymne : „God save the Queen!“
„Wir bestiegen den Victoria Peak, der ungefähr 1714 Fuß hoch ist und gleich hinter der Stadt steil aufsteigt, indes mühten wir uns nicht mit Bergsteigen ab, sondern ließen uns von je vier Coolies in Sänften herauf und herunter tragen. Der Ausflug nach dem Gipfel des Berges ist sehr lohnend, denn die Aussicht auf die zu Füssen liegende Landschaft ist geradezu großartig.
Die Stadt-Viertel, in welchen die Eingeborenen wohnen, enthalten ungefähr 150.000 Einwohner und stehen weit über denen in Shanghai. Die Häuser sind größer und die Straßen breiter und reiner gehalten, da sie unter der Obhut eines tüchtigen und strengen Gesundheitsrates stehen. Der allgemeine Eindruck ist entschieden ein bedeutend freundlicherer, als der von Shanghai.
In zahllosen kleinen Booten, die an den Ufern liegen, wohnen Tausende von Familien und gedeihen dort ganz wunderbar.
Die Bedeutung Hong Kongs geht aus den folgenden statistischen Angaben hervor:
Im Jahre 1883 betrug die Gesamt-Bevölkerung ungefähr 160.000 Personen, darunter 7.990 Britten und andere Ausländer. Von den letzteren waren indessen nur 3.040 wirkliche Bewohner der Stadt, da die im Dienste befindlichen Beamten und andere nur zeitweilige Einwohner eigentlich nicht mitgerechnet werden sollten.
Die Ostinder und andere Mischlinge zählten 1.722 Köpfe.
Über 25.000 Schilfe mit einem Gesamt-Tonnengehalt von 5.000.000 liefen im Hafen ein.
Hong Kong ist ein Freihafen, es ist daher nicht möglich, den genauen Betrag der Ein- und Ausfuhr anzugeben; man hält ihn jedoch für ebenso groß als den von Shanghai.
Die Einkünfte der Kolonie für das Jahr 1885 betrugen $1.212.188 und die Ausgaben $1.150.801.
Der französisch-chinesische Krieg war die Ursache davon, denn während desselben hätte ein unter französischer Flagge segelndes Schiff allerlei Unannehmlichkeiten zu bestehen gehabt. Shanghai war gegen französische Schilfe blockiert und die Dampfer-Compagnie daher genötigt, derartige Maßregeln zu ergreifen, um ihre Frachten und Postsachen nach Shanghai und Yokohama befördern zu können.
Kapitän Websters Renommee als Schiffs-Offizier ist längst begründet, und seine sonstigen Vorzüge werden mit Vergnügen gewiss von Allen attestiert werden, die je mit ihm in Berührung kamen. Unsere drei Tage dauernde Reise von Shanghai nach Hong Kong war eine höchst genussreiche. Wir sahen Foo-Chow, das von den Franzosen kurz vorher bombardiert worden war und passierten Amoy auf Sehweite. Das Wetter war wunderschön, die See spiegelglatt und die Behandlung auf dem Schiffe ausgezeichnet. Außer uns waren nur noch zwei Kajüten-Passagiere an Bord, Kaufleute von Shanghai, die eine Geschäftsreise machten. Der eine war Makler und der andere ein Tuchhändler. Sie verdienten unter allen Umständen die Krone als klatschsüchtige Schwätzer. Von Morgens an, sobald sie sichtbar wurden, bis sie sich Nachts zu Bette legten, taten sie nichts als Klatschen und sich um andere Leute kümmern. Ihr Geklatsch verschonte Niemanden und umfasste soziale, kommerzielle, politische und religiöse Themata. Niemand entging ihrer Kritik und ihrer Zunge; weder die unschuldige Jungfrau, noch die würdige Matrone, ja selbst die eigenen Töchter und Gattinnen wurden von den rücksichtslosen Kreaturen unbarmherzig durch die Hechel gezogen. Wir hörten Unterhaltungen zwischen ihnen, die geradezu empörend waren, und hielten uns auch schon nach einer Bekanntschaft von nur wenigen Stunden vollständig entfernt von ihnen; wir zogen die Gesellschaft des Kapitän Webster, der uns mit seinen Seemanns-Geschichten unterhielt, vor. Derselbe ist ein jovialer alter Seebär und erzählte uns mit besonderer Vorliebe von aufregenden Dampfer-Wettfahrten zwischen Shanghai und Tien-tsin, aus der Zeit, als der „Kow Shing“ noch der „Tien-tsin“ Linie angehörte. Natürlich ging der „Kow Shing“ in den Erzählungen des Kapitäns stets als Sieger hervor, und hatte seit jener Zeit den Titel „der große Unbesiegbare“ erhalten. Auf dem „Kow Shing“ war man vorzüglich aufgehoben. Die Kajüten waren groß und luftig, der Speise-Salon elegant möbliert und der Wandschrank des Kapitäns, zu dem wir freien Zutritt hatten, war angefüllt mit den besten Marken französischer und italienischer Weine, den vorzüglichsten Bieren Englands und Deutschlands und den weltberühmten Produkten amerikanischer Destillerien.
Die Speisen waren in großer Menge vorhanden und ausgezeichnet zubereitet. Das Küchen-Personal, lauter Chinesen, bestand aus hübschen Leuten, die außerordentlich gefällig und geschickt in der Zubereitung der Speisen waren, welche sie auch sehr geschmackvoll zu servieren verstanden. Unser Appetit verließ uns nie, so dass das Hammelfleisch von Shanghai und das japanische Rindfleisch, das dem besten amerikanischen gleichkam, an uns große Verehrer fanden. Der Koch, Yee Loi, sah bald, dass das genannte Fleisch für uns ganz besonderen Reiz besaß und kaum hatte er diese Entdeckung gemacht, als er sein Bestes versuchte und alle seine kulinarischen Kenntnisse in Requisition brachte, um zu zeigen, in wie vielen verschiedenen Arten er diese beiden Fleischsorten zu servieren verstand. Er erntete unseren Dank und natürlich auch noch substantiellere Anerkennung seiner Kochkunst.
Die Mannschaft, welche Kapitän Webster in Tien-tsin eingemustert hatte, bestand aus lauter ausgesuchten Leuten. Sie waren seefest und brillant einexerziert, so dass sie im Falle der Not sich gewiss als zuverlässig erwiesen haben würden.
Eine Eigentümlichkeit des Charakters der Chinesen ist ihre Clan-Anhänglichkeit, die mehr oder weniger Jeden in seinem Benehmen gegen Andere beeinflusst. Sowie irgendwo Chinesen aus verschiedenen Landesteilen aufeinanderstoßen, gibt es sofort Unfrieden, und A Verträglichkeit, oder harmonische Tätigkeit, sind außer Frage. Sie zanken und streiten fortwährend und vernachlässigen darüber ihre Arbeit, auch wenn sie noch so wichtig ist, nur um sich in einen Wortstreit einzulassen. Auch ist es nichts Ungewöhnliches, dass sie sich tätlich aneinander vergreifen. Nie können sie friedlich mit einander leben und meistens verursacht ihre gegenseitige Feindseligkeit ernstliche Konflikte. Es ist deshalb bei der Anwerbung einer Schiffs-Mannschaft von höchster Wichtigkeit, dass Alle aus derselben Stadt sind, weil man sonst nie vor Ruhestörungen sicher ist. Diese würden unfehlbar folgen, wenn ein einziger Mann aus einer anderen Stadt darunter wäre. „Ich würde unter keinen Umständen eine gemischte Mannschaft mitnehmen,“ sagte Kapitän Webster, der schon viele Jahre lang auf den östlichen Gewässern gefahren war; „denn es ist unmöglich ein Schiff ordentlich zu führen, wenn die Leute aus verschiedenen Landesteilen kommen.“ Ein Chinese aus Tien-tsin wird sich niemals mit einem solchen aus Shanghai, oder Amoy, befreunden, und die Anstellung von Bewohnern Cantons und Swatows in ein und derselben Dienstbranche würde höchst unbefriedigende Resultate erzielen. Die Gehässigkeit gegen Leute aus einem anderen Landesteile kommt nur der gegen alle Ausländer gleich.
Am Morgen des dritten Tages unserer Reise kamen die unzähligen kleinen Inseln in Sicht, die um Hong Kong herum zerstreut liegen. Dieser Teil des chinesischen Meeres gleicht der bezaubernden Suwonada von Japan, da derselbe ebenfalls mit reizenden kleinen Inseln in den merkwürdigsten Gestaltungen bedeckt ist. Heller Sonnenschein und ein klarer blauer Himmel lachten über uns, als wir in die enge Fahrstraße einfuhren; wir sahen daher dieses schöne Panorama in prachtvollster Beleuchtung und so deutlich, dass uns keine einzige der zahllosen Schönheiten verloren ging. Die Haupteinfahrt in den Hafen von Hong Kong, vom Norden her, ist sehr eng und außerordentlich gefährlich. Die Einfahrt erscheint so schmal, dass man glaubt, selbst mit dem kleinsten Dampfer nicht durchfahren zu können. Erst als wir ganz nahe herangekommen waren, wurde der glitzernde Streifen Wasser breiter und breiter, und bald hatten wir die Einfahrt hinter uns und warfen Anker im Hafen von Hong Kong, an der Seite des großen Dampfers „Djemnah,“ der, ebenfalls den „Messageries Maritimes“ gehörig, nach Marseille bestimmt und im Begriff war, noch an demselben Nachmittag um 3 Uhr abzusegeln. Unser Anker wurde um punkt 10 Uhr fallen gelassen, so dass wir die Reise in 67 Stunden zurückgelegt hatten.
Das Verdeck des „Djemnah“ bot ein äußerst malerisches Bild. Hunderte von französischen Soldaten, Turcos und Zouaven aus Algiers, sowie reguläre Infanterie und Kavallerie aus dem Mutterlande, lagerten in größeren und kleineren Gruppen umher und boten mit ihren verschiedenen, aber durchweg kleidsamen, Uniformen ein farbenprächtiges und schönes Bild. Die Meisten waren krank, und ein sofortiger Wechsel des Klimas war nötig, um ihre zerrüttete Gesundheit wieder herzustellen. Viele waren in den jüngst in Tongking mit den Chinesen geschlagenen Schlachten verwundet worden und wurden nach Hause geschickt, wo sie bessere Pflege und ärztliche Behandlung erhalten konnten, als im Felde.
Der Anblick von Hong Kong, mit dem großen Victoria Park im Hintergrunde, sowie dem von mindestens hundert Schiffen bedeckten Hafen, welche die Flaggen fast aller Nationen der Welt zeigten und den Tausenden von kleinen einheimischen Fahrzeugen, war wahrhaft großartig. Der Hafen ist einer der schönsten der weit und ist zehn Quadratmeilen groß.
Wir begaben uns in ein kleines chinesisches Boot, das ganz aussah wie ein japanischer Sampan, und in wenigen Minuten setzten wir unseren Fuß ans Land und betraten Hong Kong. Das Hong Kong Hotel, an dessen Eigentümer, einen Amerikaner, Namens Greeley, aus Washington D. C., wir Empfehlungsbriefe hatten, war so überfüllt, dass wir unser Quartier im Victoria Hotel, welches von einem Chinesen, in Verbindung mit einem ostindischen Parsen geführt wird, aufschlagen mussten. Hier überraschten uns die äußerst eleganten Zimmer, die uns angewiesen wurden. Wir bewohnten zwei große Frontzimmer im zweiten Stock, deren Fenster nach der Queens Road, der Haupt-Geschäftsstraße, hinausgingen. Von der Veranda, auf die wir direkt aus unseren Zimmern traten, konnten wir das rege Leben und Treiben dieser höchst interessanten Stadt genau beobachten und studieren; stundenlang konnten wir, ohne zu ermüden, dort sitzen und die stets wechselnden Szenen vor unseren Augen vorüberziehen lassen.
Hong Kong ist eine englische Kolonie, für die das Mutterland kolossale Summen Geldes verwendet hat. Eigentlich heißt die Stadt Victoria, der Name wird aber nur höchst selten gebraucht, und mit Hong Kong bezeichnet man sowohl die Stadt als auch die Insel.
Die Regierungs-Gebäude und die Kasernen sind große, imposante Bauten. Im europäischen Viertel sieht man viele schöne Geschäftshäuser und Privat-Wohnungen, die der Stadt das Ansehen von Wohlhabenheit und Gedeihen geben.
„Happy Valley,“ das reizend in einer wundervollen Vertiefung zwei Meilen vom Mittelpunkte der Stadt gelegen ist, bietet einen höchst interessanten Anblick. Eine Anzahl von Friedhöfen liegen auf einer Seite der Fahrstraße, während auf der anderen eine Rennbahn dem Auge einen angenehmen Ruhepunkt bietet.
Die öffentlichen Gärten sind sehr groß und prachtvoll angelegt. Fast die ganze Bevölkerung dieser Metropole des Ostens kommt hier des Abends zusammen und lauscht der von den vortrefflichen Militär-Kapellen gelieferten Musik. Die Konzerte beginnen fast immer mit einem Militär-Marsch, worauf hübsche Tanzmusik und Selektionen aus Opern folgen. Den Schluss bildet stets die englische National-Hymne : „God save the Queen!“
„Wir bestiegen den Victoria Peak, der ungefähr 1714 Fuß hoch ist und gleich hinter der Stadt steil aufsteigt, indes mühten wir uns nicht mit Bergsteigen ab, sondern ließen uns von je vier Coolies in Sänften herauf und herunter tragen. Der Ausflug nach dem Gipfel des Berges ist sehr lohnend, denn die Aussicht auf die zu Füssen liegende Landschaft ist geradezu großartig.
Die Stadt-Viertel, in welchen die Eingeborenen wohnen, enthalten ungefähr 150.000 Einwohner und stehen weit über denen in Shanghai. Die Häuser sind größer und die Straßen breiter und reiner gehalten, da sie unter der Obhut eines tüchtigen und strengen Gesundheitsrates stehen. Der allgemeine Eindruck ist entschieden ein bedeutend freundlicherer, als der von Shanghai.
In zahllosen kleinen Booten, die an den Ufern liegen, wohnen Tausende von Familien und gedeihen dort ganz wunderbar.
Die Bedeutung Hong Kongs geht aus den folgenden statistischen Angaben hervor:
Im Jahre 1883 betrug die Gesamt-Bevölkerung ungefähr 160.000 Personen, darunter 7.990 Britten und andere Ausländer. Von den letzteren waren indessen nur 3.040 wirkliche Bewohner der Stadt, da die im Dienste befindlichen Beamten und andere nur zeitweilige Einwohner eigentlich nicht mitgerechnet werden sollten.
Die Ostinder und andere Mischlinge zählten 1.722 Köpfe.
Über 25.000 Schilfe mit einem Gesamt-Tonnengehalt von 5.000.000 liefen im Hafen ein.
Hong Kong ist ein Freihafen, es ist daher nicht möglich, den genauen Betrag der Ein- und Ausfuhr anzugeben; man hält ihn jedoch für ebenso groß als den von Shanghai.
Die Einkünfte der Kolonie für das Jahr 1885 betrugen $1.212.188 und die Ausgaben $1.150.801.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Reise um die Welt im Jahr 1884-1885