Zwanzigstes Kapitel - Sevilla.

Ecija. - Sandwege. - Ansicht von Sevilla. - Die lustige Stadt. - Einrichtung der Häuser. - Unser Gasthof. - Spaziergänge. - Die Kathedrale. - Der Alcazar. - Das Haus des Pilatus. - Die große Tabakfabrik. - Der Carneval in Sevilla. - Eine Tertulla in Triana.




Am andern Tage dachten wir daran, die alte Kalifenstadt zu verlassen; die Diligence von Madrid nach Sevilla kam ungefähr um zehn Uhr Morgens an, um nach einer Rast von sechs Stunden weiter zu fahren. Wir ließen auf der Post drei Plätze für uns belegen und in guter Erwartung, daß der Wagen nicht besetzt sei, packten wir unsere Koffer zusammen und rüsteten uns zum Aufbruch. Glücklicher Weise waren mit der Diligence nur zwei Passagiere gekommen, so daß wir nicht nur unsere drei Plätze, sondern sogar die Berline erhalten konnten, ein Zufall, für den wir sehr dankbar waren. Nach freundlichem Abschied von unserm Wirthe bestiegen wir Nachmittags den Eilwagen, der wegen der anfänglich guten Chaussee nur mit sechs Maulthieren bespannt war. Die Straße von Cordova nach Sevilla führt mitten durch die große Ebene, welche die Sierra Nevada von der Sierra Morena scheidet, den Guadalquivir haben wir beständig zur Rechten auf eine Entfernung von drei bis vier Stunden. Es war schon dunkel, als wir durch die Ansiedelung La Carlota fuhren, welche wie La Carolina von ehemaligen deutschen Auswanderern bevölkert ist; Ackerbau, Feld- und Stierzucht ist hier sehr blühend und zeigt, was fleißige Hände zu leisten im Stande sind. Gegen Mitternacht fuhren wir ziemlich lange abwärts und erreichten endlich unsern Bekannten aus Granada, den Xenil wieder, der hier nicht weit von der alten berühmten Maurenstadt Ecija in den Gualdalquivir mündet. Obgleich wir hier ein paar Stunden rasteten, auch der Mond so freundlich war, uns zu leuchten, so konnten wir doch leider nicht viel von der interessanten Stadt sehen, von der Hailbronner in seinem reizenden Buche »Morgenland und Abendland« sagt: »Schon der ganze äußere Anblick dieser Stadt hatte mich im höchsten Grade frappirt, und diese vielen Thürme, halb gothisch, halb arabisch, dort gleich der Giralda a jour durchbrochen, hier eine aufgesetzte Glockenspitze, dort maurische Lasurmosaik, hier gothische Schnörkelformen, alles gemalt und wunderbarlich, das Minaret überall mit den kleinen Säulenverzierungen, mit dem Ernst des christlichen Campanile verbunden. Und diese arabischen Moscheenbögen und Säulengänge, dann alle Häuser, selbst die allerkleinsten, mit dem niedlichsten Patiogitter, und das orientalische Leben, alles an den Gitterfenstern, in den Fontainenhöfen; und wieder diese Mantilla's, diese Augen, diese Schönheit, wodurch Ecija selbst in Andalusien berühmt ist, alles eigenthümlich, alles reizend, so daß ich oft sinnend stehen blieb, ob ich mich denn wirklich in Europa befände. So zog ich fort durch die lange Hauptstraße, als ich mich plötzlich auf dem Marktplatze der Stadt befand, der so ganz, aber auch in allen Theilen maurisch ist, daß ich mich nicht erinnere, selbst im Orient etwas Ähnliches gefunden zu haben. Hier kann man sich eine vollständige Vorstellung von dem Leben der ehemaligen Besitzer machen, nur sind die Schranken des Harems gefallen, und die meistens dreistöckigen Häuser zeigen ihre Arkaden offen, die durchaus von arabischen weißen Marmorsäulen getragen werden und als Vorhalle und Schutz für die hinten liegenden Zimmer dienen. Man kann sich keine Idee von der Zierlichkeit machen, welche diese unzähligen Säulchen, diese Bögen, die vielen, noch sehr gut erhaltenen gemalten Wände und Bovedas und die hübschen Arabesken dem ganzen reich belebten Bilde verleihen.«

Wir suchten den Marktplatz auf und bewunderten ihn selbst bei der Dämmerung des flimmernden Mondenlichts. Bald rollten wir weiter und da uns auch hier wieder einer der Reisenden, der mit uns von Cordova gekommen, verließ, so konnten wir es uns in dem breiten Wagen bequem machen und Jeder sich zum Schlafen auf eine Bank legen. Da wir von Ecija aus langsam aufwärts fuhren durch tiefen Sand, wobei der Wagen angenehm schaukelte, so wiegte selbst mich, der ich bei der Nachtfahrt selten schlafe, diese angenehme Bewegung in festen Schlummer und ich erwachte erst wieder, als die Sonne hell und glänzend aufstieg.

Noch immer schlich der Wagen langsam durch den tiefen Sand und als ich zum Fenster hinausblickte, bemerkte ich meinen guten Horschelt, der, wie er mir lachend zurief, schon seit mehreren Stunden zu Fuß neben dem Wagen herging, und der mir viel Schönes erzählte von der Pracht der Sterne und wie der Morgen so wunderbar erschienen sei. Mayoral, Zagal und Delantero schritten ebenfalls neben dem Wagen her, den jetzt acht Maulthiere mühsam fortschleppten. Es war eine kahle, trostlose Haide, über die wir fuhren, der Sandweg, von außerordentlicher Breite, lief, wie versuchsweise, bald hierhin, bald dorthin. Nach einigen Stunden fuhren wir auf einem festeren Wege und geschwinder abwärts, erreichten Carmona mit feiner malerischen maurischen Schloßruine auf steilem Berge gelegen; am Fuß seiner Wallmauern windet sich die Stadt malerisch herum. Gegen eilf Uhr hielten wir Frühstücks halber in dem freundlichen Alcalà de Guadayra, das ebenfalls von einem trotzigen Schlosse überragt wird. Hinter diesem Städtchen öffnete sich nun wieder vor unsern freudig erstaunten Augen das weite Thal des Guadalquivirs, der sich schlangenartig dahinwindet durch eine ausgedehnte fruchtbare Ebene, die bis zum Meere durch keine bedeutende Höhe mehr unterbrochen wird. Die ganze Fläche ist mit unzähligen Olivenbäumen besäet, zwischen denen einzelne weiße Meierhöfe hervorblicken, die mit ihren grünen Orangengärten wie Oasen in den grauen Flächen der Getreidefelder daliegen. Während wir unter lustigem Peitschenklange auf einer ziemlich guten Straße hinabrollen, senken sich neben uns und dem Flusse zu unserer Rechten die letzten Hügelreihen ins Thal, die mit Waldungen und größeren Ortschaften bedeckt sind. Endlich erhebt sich vor uns ein dichter Olivenwald und nachdem wir ihn hinter uns gelassen, sehen wir mit wahrem Entzücken das Ende unserer Fahrt dicht vor uns liegen, das große, schöne, lustige Sevilla, zwischen grünen Baumreihen weiß hervorglänzend mit seinen unzähligen Kirchen und Thürmen. Über alles das hinaus aber ragt die prächtige Giralda, jener herrliche maurische Thurm der Kathedrale, den wir aus Beschreibungen und Bildern her kennen und den wir mit lautem Ausrufe begrüßen.

Die Straße, die sich bisher recht brav gehalten, wird wie gewöhnlich dicht vor der Stadt schlecht und uneben. Zuweilen fahren wir durch tiefe Risse hindurch, zuweilen schaut der kleine Delantero wie fragend rückwärts, und wenn der Mayoral mit dem Kopfe nickte, galoppiren die Pferde unter einem scharfen Winkel geraden Wegs den Straßendamm hinab und dann rollen wir eine Zeitlang auf dem weichen Wiesengrunde, der sich neben der Chaussee hinzieht. Bald haben wir eine kleine Vorstadt Sevilla's erreicht und mit ihr den riesenhaften arabischen Aquädukt, der das Wasser von Alcalà hereinleitet, an dessen fast schwarzen Pfeilern und Bogen, wo das Wasser herabtropft und wehende Schlingpflanzen wuchern, wir eine halbe Stunde vorüberfahren, um die Alameda zu erreichen, wo wir uns links wenden, noch eine Zeitlang längs der alten Saracenenmauer vorüber fahren, dann rechts in die schöne Stadt abbiegen, welche uns, besonders da es Sonntag ist und herrlicher Sonnenschein, aufs Heiterste und Freundlichste empfängt. Die weißen Häuser glänzen; durch die offenstehenden Thore sehen wir beim Vorüberfahren in die reizenden Patios, wo Orangen blühen und Springbrunnen plätschern, wo schöne Mädchen sitzen, mit den großen glänzenden Augen die bestaubten Fremden anschauend, die durch das Wagengerassel und durch den lebhaften lärmenden Verkehr in den Straßen fast betäubt, durch das Sonnenlicht und den Glanz auf den weißen Häusern und den schwarzen Augen fast geblendet, endlich wie träumend auf dem Posthofe ankommen.

Woher es wohl kommen mag, daß Sevilla von allen spanischen Städten und ebenfalls von vielen nichtspanischen die fröhlichste und heiterste Physiognomie hat, ist mir nie recht klar geworden und wird für mich und Manchen, der gerade so denkt, räthselhaft bleiben: Barcelona, Valencia, Madrid und nicht zu vergessen Granada haben ebenfalls belebte Straßen, Cadiz sieht sogar immer geputzt aus und macht den Eindruck, wie ein Sonntagnachmittag im Sommer; aber in keiner von all diesen Städten fühlt man sich so behaglich, flanirt man so angenehm und vergnügt, wie hier in Sevilla. Granada in seinem Ernste, mit seinen gewaltigen, trüben Erinnerungen, die sich uns auf Schritt und Tritt aufdrängen, mit den heute noch so leserlichen Schriftzügen, welche die alten vergangenen Zeiten auf Berg und Thal hinterlassen, Granada, welches den Fremden trotz seiner Trümmer zu fesseln versteht, ihm nach kurzer Zeit wie eine Heimath erscheint, könnte mit dem ewigen Rom verglichen werden, die liebe Stadt, so heimisch für ein stilles, denkendes, ruhiges Gemüth. Sevilla aber ist ein kleines, spanisches Paris, und für den, der das Leben in vollen Zügen genießen will, für ein lustiges, übersprudelndes Gemüth, und nirgends fühlt sich die malerische Majotracht besser zu Hause, als hier in den Gassen von Sevilla; nirgendwo paßt sie aber auch besser hin und wenn wir einen dieser jungen, frischen Andalusier über den Platz galoppiren sehen, stolz um sich blickend, als gehöre ganz Spanien sein, wenn sich dann bedächtig droben an einem Balkon ein vergittertes Fenster öffnet und ein schöner Mädchenkopf sichtbar wird, vielleicht dahinter das alte Gesicht einer mürrischen Duenna oder eines alten Gemahls, so haben wir die Staffage, welche allein auf die Straßen von Sevilla paßt. Ebenso, wenn wir Nachts umherwandeln, wenn der glänzende Mond am Himmel die schmalen, krummen Straßen nicht erleuchtet, sondern nur dazu dient, die Schatten der eigensinnig hervorspringenden Häuserecken noch dunkler und schwärzer zu machen, so finden wir es ganz begreiflich, irgendwo Stimmen flüstern zu hören, oder den Klang einer Guitarre mit den bekannten eigenthümlichen Accorden den Gesang begleitend, dessen Thema immer ein und dasselbe ist:

Amor que non pena,
Non pida placer,
Quo ya lo condena,
Su poco querer:
Mejor es perder,
Placer por dolores,
Que estar sin amores.

Es ist wunderbar, wie große Geister es verstehen, den Charakter einer Zeit, eines Landes, einer Stadt wieder zu geben, die ihnen ferne lag, die sie vielleicht nie gesehen; so der große Meister Rossini in seinem herrlichen Barbier. Wandelt man durch die Gassen Sevilla's, eine dieser frischen, lebenslustigen Melodieen summend, so ist es gerade, als könnten diese hier und nirgend anderswo erdacht sein. Gerade so freundlich, so neckisch und zuthunlich wie sie erscheinen Häuser, Plätze, Straßen und die ganze Bevölkerung Sevilla's.

Obgleich die Stadt durch und durch spanisch oder vielmehr ächt andalusisch ist, so hat sie doch keinen scharf ausgeprägten Charakter, erinnert weder an die vergangene Zeit, noch an die oftmals geschmacklose Architektur unserer Tage. Sie ist, wo man sie betrachten mag, gleich jung, gleich frisch, ohne einen oftmals faden Anstrich der Neuheit. Sevilla hat viele und prachtvolle alterthümliche Bauwerke, aber sie treten nicht hervor, sie dominiren nicht, und das einzige von ihnen, welches man beständig vor Augen hat, der wunderbare Thurm der Kathedrale, die Giralda, blickt mit seinen reizenden arabischen Formen und Verzierungen so fröhlich und glücklich auf das Häusermeer, wie ein vergnügter Großvater, der sich beständig neu verjüngt im Anblick des Glücks seiner Kinder.

Die Straßen Sevilla's sind enge und gewunden, aber freundlich durch die Reinlichkeit, die in ihnen herrscht, und durch die Häuser, welche sie bilden, die weder groß noch klein sind, und von denen keines dem andern gleicht, obgleich sie alle einen unverkennbaren Familienzug haben. Bald sehen wir gerade Linien mit hellen, freundlichen Bogenfenstern, bald vorspringende Erker mit kunstreich verschlungenen Gittern; hier haben wir einen kleinen Balkon, dem ein Weinstock, der sich am Hause emporrankt, Schatten gibt, dort springt ein anderer weit in die Straße vor und von der Höhe seiner Thüre über die Brüstung herab hängt ein bunter Teppich oder eine Strohmatte, so ein kühles Plätzchen bildend. Viele Häuser, namentlich an kleinen Plätzen, haben im untern Stock auf Säulen ruhende Façaden, in deren Hintergrunde sich Läden aller Art befinden. Öfters bemerkte ich an einer dieser Säulen etwas wie ein kleines, grün angestrichenes Jalousielädchen, das Zeichen einer Barbierstube, wie bei uns die kupfernen Becken, und sehr zahlreich sind in Sevilla die Nachkommen Figaro's. In allen spanischen Städten, die wir noch gesehen, namentlich aber hier ist man überrascht von der Reinlichkeit der Straßen und Häuser; hat man doch so viel gehört vom Schmutze des Südens und manches gesehen und gerochen, wenn man Italien besucht. Aber auch hierin unterscheiden sich diese beiden Länder zum Vortheil Spaniens. Gewiß ist die hiesige Sauberkeit in Allem eine Erbschaft der orientalischen Vorfahren. Man betrete das ärmlichste Häuschen eines spanischen Handelsmanns oder Handwerkers, man wird den finstersten Winkel des Hauses, Flur und Treppe reinlich finden, wogegen es in Italien, namentlich in Rom häufig genug vorkommt, daß wir die prächtigen Marmortreppen eines dortigen Palastes kaum betreten können, ohne uns zu beschmutzen. Blendend weiß angestrichen sind hier in Sevilla die Fronten der Häuser und haben dadurch ebenso wie die von Cadiz ein beständig festtägliches Ansehen, sind aber noch freundlicher geputzt, mit zierlichen Balkons vor allen Fenstern, auf denen sich Sträucher und Blumen befinden. Namentlich aber haben fast sämmtliche Häuser in Sevilla ein großes, zierliches Gitterthor, durch welches man in die reizenden Patio's blickt. Dieß ist nun der Theil des Hauses, in welchem die Familie drei Viertheile des Jahres wohnt und auf dessen Bau und Ausschmückung der Hausherr die größte Sorgfalt verwendet. Schon in Barcelona und Cordova erwähnte ich dieser kleinen, reizenden Höfe, aber was dort Anfänge sind, findet man hier in schönster und prachtvollster Vollendung. Es ist das Cavädium der antiken Wohnungen, derselbe Patio, den man in Damaskus findet, und die Bauanlage, die allen Gebäuden des tiefen Südens gemein ist. Von den Mauern des Hauses gebildet, hat er unten ringsumher einen Bogengang mit Säulen von Marmor, und oftmals sieht man eine ähnliche Colonnade sich im zweiten und dritten Stock wiederholen. Diese oberen Etagen werden von der Familie während der kälteren Jahreszeit bewohnt. Der Fußboden des Patio ist mit Steinplatten bedeckt und in der Mitte erhebt sich der unentbehrliche marmorne Springbrunnen, der mit seinem klaren, frischen Wasser die heiße Luft abkühlt, und mit seinem Murmeln dem still vor sich hin Träumenden anmuthige Geschichten zu erzählen weiß. Neben Orangen, Citronen und Granaten, deren Stämme im Boden wurzeln und welche den Hof mit einem dichten Laubdach überziehen, sieht man Pflanzen und Gewächse, wie sie gerade die Jahreszeit mit sich bringt, in Kübeln und Töpfen die Ecken zieren, künstliche Lauben über bequeme Ruheplätze bildend.

Der Patio der Sevillaner dient aber den Hausbewohnern nicht nur für gewisse Stunden des Tages, er ist namentlich im hohen Sommer Schlaf- und Wohnzimmer und vor allen Dingen Empfangssalon. In den Gemächern, die auf den Bogengang münden und deren Thüren mit leichten Draperien verhängt sind, befinden sich die Betten der Hausbewohner und der Corridor selbst, dessen Fußboden oft mit Matten belegt ist, enthält häufig das kostbarste Ameublement; an den Wänden hängen werthvolle Bilder, und zwischen Tischen, Sophas, Fauteuils befindet sich häufig ein schöner Flügel, oder auch ein einfaches Fortepiano. Mit dem Patio durch eine weite Bogenthüre in Verbindung, findet man hinter demselben bei reichen Familien auch noch einen kleinen Garten, voll seltener, blühender Pflanzen, schmalen, verschlungenen Wegen, natürlicher Weise nicht ohne murmelndes Wasser, das Ganze angelegt wie die Wintergärten bei uns.

Wie die Spanier überhaupt die gastfreieste, freundlichste und zuvorkommendste Nation sind, so gewährt jeder Hauseigenthümer durch das breite Gitter an der Straße nicht nur jedem Vorübergehenden bereitwillig den Anblick aller seiner Herrlichkeiten, sondern, wo wir uns als Fremde irgend einem dieser Höfe auffallend näherten, wurde uns das Gitter geöffnet und wir auf die freundlichste Art der Welt zum Eintritt eingeladen. Diese Zuvorkommenheit ist aber in Spanien so allgemein, weil von keiner Seite Mißbrauch damit getrieben wird. Der Spanier bewundert die kleinen Schätze seines Freundes und Nachbarn, er ergötzt sich an den duftigen Blüthen und Blumen, aber wie ich hier oft versichern hörte, würde es einem Spanier in öffentlichen oder Privatgärten selbst ohne alle Aufsicht nie einfallen, irgend eine Pflanze zu berühren oder gar eine Blume abzureißen. Leider ist dieß bei uns nicht immer der Fall, und wo ein Schloßbesitzer zutrauensvoll seine Zimmer und Gärten dem Publikum öffnet, da hört man auch häufige Klagen über Mißbrauch einer solchen Erlaubniß. Namentlich gibt es viele Damen, denen das Abreißen von Blumen zur wahren Leidenschaft geworden ist, dabei denkend, eine mehr oder weniger wird dem Besitzer nicht schaden. Das ist freilich wahr, aber Zwölf machen ein Dutzend und eine abgerissene Blüthe dient der neuen Besitzerin ja auch nur zur Befriedigung eines augenblicklichen Gelüstes; bald ist sie verwelkt und läßt ihr Köpfchen hängen.

In ihrem Patio lebt nun wie gesagt eine spanische Familie ein wahres Götterleben; wenn das Laubdach des Hofes nicht vollkommenen Schutz gegen die Sonne gewährt, so zieht man während der heißen Tageszeit noch ein Zeltdach von Leinwand über den Hof. Neben dem Brunnen wird der Tisch gedeckt, Wein- und Wasserflaschen werden in die kühle Fluth gestellt, und nach dem Diner zieht sich Alles in die anstoßenden Gemächer zurück, um die hier in Spanien so nothwendige Siesta zu halten. Abends kommt dann Besuch, eine Tertulla wird improvisirt und nach dem Clavier oder zum Guitarren- und Castagnettenklang getanzt.

Auch die Kaffeehäuser und Gasthöfe haben alle einen solchen Patio. Wir wohnten in der Fonda de la Europa, und obgleich die Jahreszeit noch nicht so weit vorgeschritten war, um die Abende und Nächte im Freien zubringen zu können, so nahmen wir doch häufig unser Frühstück unter einem der Bogengänge des Hofes, und während wir das Plätschern des Springbrunnens hörten, sahen wir vor uns die dichtbelaubten Zweige eines prächtigen Orangenbaums. Auch hier waren die Rückwände der Arkaden mit Bildern behängt, und befanden sich in den Ecken ein paar, übrigens defekte Statuen.

»Und Marmorbilder stehn und sehn dich an.«

An öffentlichen Plätzen und Spaziergängen ist auch Sevilla, wie die meisten spanischen Städte, reich; von den ersteren ist außer dem Markt, an dem das schöne und zierliche, aber leider unvollendete Rathhaus mit seinem massiven derben Sitzungssaale liegt, hauptsächlich bemerkenswerth die Plaza del Duque mit Baumreihen besetzt und der Sammelplatz der vornehmen Welt Sevilla's. Außerhalb der Stadt, an der Seite des Flusses befinden sich lange und breite Alleen, deren Mittelpunkt am Thor von Xerez die Alameda Cristina bildet. Hier ist eine steinerne Terrasse, zu welcher vier Stufen hinaufführen und die ringsumher mit Marmorbänken besetzt ist, und unter dem Schatten alter mächtiger Bäume einen kleinen Salon bildet. In Sommernächten gehört es zum guten Ton der eleganten Welt, sich hier zu versammeln, Eiswasser zu trinken und den Spaziergängern zuzuschauen, welche die breiten Alleen der Hauptwege füllen. Doch muß man nicht glauben, daß die vornehme Welt Sevilla's ein ausschließliches Anrecht auf diese Terrasse hat oder nur zu haben glaubt; bei uns freilich würde der Anblick des Adels leider ein verehrungswürdiges Publikum ferne halten, hier aber, wo sich die Gräfin oder Herzogin durchaus nicht in ihrem Range gekränkt fühlt, wenn sich irgend ein Bürgermädchen, eine Maja oder selbst eine Gitana von dem jenseits des Guadalquivir liegenden Triana neben sie setzt, sind alle Stände wohlthuend durch einander gemischt, und Jeder freut sich gleichmäßig an der Gluth des Abendhimmels, an der Kühle der Luft und am Duft der Blumen, lauter schöne Sachen, die ja der Schöpfer zu Jedermanns Vergnügen werden ließ.

An der Alameda Cristina liegt die uralte Torre del oro, ein sonderbares Gebäude, über dessen Ursprung die Ansichten verschieden sind. Eine aufmerksame Untersuchung der Konstruktionen im Innern beweist den römischen Ursprung jedoch unzweifelhaft. Die Araber veränderten später vielfach die äußere Form und ließen aus der gewaltigen polygonischen untern Trommel in der Mitte einen zweiten Aufbau von kleinerem Durchmesser aufsteigen, dem die Christen endlich die oberste Laterne aufsetzten. Neben dem Zweck, den Fluß zu beherrschen, der in alten Zeiten von hier aus mit einer Kette gesperrt werden konnte, diente die Torre del oro zur Schatzkammer, denn der Name »Goldthurm« soll daher stammen, weil hier Peter der Grausame seine Schätze aufbewahrte. Das schöne breite Wasser, das rege Leben zu den Füßen dieses Colosses, die schönen schattigen Spaziergänge, die das Flußufer begleiten, und die lebendige Silhouette der Vorstadt Triana mit der hochgesprengten Brücke, die beide Ufer verbindet, macht zumal Morgens oder zur Neige des Tages, wenn die Sonne flach über den glänzenden Spiegel des Guadalquivir und die zahllosen darauf hin und her schwimmenden Schiffe hingleitet, ein unvergeßliches Bild.

Wenn wir den langen Alleen folgen, die sich aufwärts vom Guadalquivir hinziehen, so erreichen wir den Stierplatz, der aber der Wintermonate wegen nicht nur für uns einsam und öde war, sondern zufällig jetzt kaum zugänglich, da an ihm gebaut wurde. Schon früher erwähnte ich, daß der hiesige Stierplatz der einzige in Spanien sei, wo ein Theil der Logenreihen aus Stein und zwar aus weißem Marmor bestehe; gewöhnlich ist nur der untere Stock gemauert und an diesen schließen sich leichte Bretterverschläge. Auch hier war bis jetzt nur ein Theil der Arena zu beiden Seiten des königlichen Salons damit versehen; doch hatte man angefangen, die noch fehlenden Logenreihen aus Marmor und Backstein zu ergänzen, und wenn der Stierplatz von Sevilla einmal auf diese Art vollendet ist, so wird er ein prächtiges Bauwerk sein, ähnlich den alten römischen Amphitheatern. Sonderbar erschienen mir an der äußeren Mauer starke Pferdeknochen, die hier hervorragend eingemauert waren und am Tage des Stiergefechtes wohl zum Anbinden zahlreicher Reitthiere dienten.

Wie von ferne schon der hohe Thurm der Giralda als Wahrzeichen der Stadt über die in gewaltiger Breite sich ausdehnende Häusermasse hervorragt und die Aufmerksamkeit des Fremden fesselt, so ist es, nachdem man in der Stadt angelangt ist, in ähnlicher Weise der Fall, man hat das Bestreben, baldmöglichst Bekanntschaft mit denjenigen Monumenten zu machen, die sich schon von Weitem als die bedeutendsten angekündigt, und bezeichnend ist es für flache und ebene Gegenden, daß dort das Streben in die Höhe bei den Thürmen oft bis zu den äußersten Gränzen der Möglichkeit getrieben ist, während in gebirgigen die Thürme meist zum niedrigen Glockenhause zusammensinken.

Die Giralda ist aber auch etwas einziges in ihrer Art und weit bezeichnender für Sevilla, das sonst keinen hohen Thurm mehr hat, als der Campanile für Florenz oder der Markusthurm für Venedig. Sehr alt, wurde die Giralda schon im Jahr 1196 von Al Geber, einem tüchtigen maurischen Baukünstler, von dem die Wissenschaft der Algebra herrühren soll, der Moschee angefügt, die bereits an der Stelle der heutigen Kathedrale bestand und von der noch zwei Seiten der Umfassung des daran stoßenden Pomeranzenhofs in gut erhaltenem Zustande auf uns gekommen sind. Auf einer Grundfläche von fünfzig Fuß Länge und Breite erhob sich damals der Thurm in einer Höhe von zweihundertfünfzig Fuß, ganz aus Backsteinen hergestellt und innerhalb mit einer in flacher Steigung den vier Seiten folgenden Rampe, die bequem auf die oberste Plateforme führte; sonderbarer Weise verdickt sich die äußere Umfassungswand nach oben, während der innere massive Kern gleiches Maaß behält, so daß der steigende Weg, der unten sehr geräumig ist, höher und höher hinauf sich merklich verengt. Auf seine halbe Höhe im Äußern fast glatt und von wenigen Öffnungen durchbrochen, ist die obere Hälfte dafür um so reicher verziert, jede seiner Seiten ist durch glatte Streifen in drei senkrechte Felder abgetheilt, die mit zierlichen Ornamenten ausgefüllt sind und deren mittleres je eine über einander gestellte Reihe von Doppelfenstern mit davor liegenden Balkonen enthält, die diese großen röthlichen Flächen aufs Angenehmste beleben, da keines dieser Fenster, obwohl alle als Ajimez behandelt sind, dem andern gleicht.

Als im Jahr 1240 die Stadt in Folge der Belagerung des heiligen Ferdinand kapitulirte, knüpften die Belagerten, die den Christen ihren schönen Thurm nicht gönnten, an die Übergabe die Bedingung, daß derselbe zuvor abgebrochen werde; aber Alonzo, der Sohn Ferdinand's, drohte, wenn ein Stein daran verrückt werde, alle Bewohner Sevilla's über die Klinge springen zu lassen.

Ein Aufsatz von drei riesenhaften über einander gestellten Kugeln krönte damals die oberste Terrasse und ihre Vergoldung glänzte weit hinaus in die Landschaft, aber ein Erdbeben stürzte sie später herunter. Wie nun allmählig die Kathedrale, die südwestlich an den Thurm angebaut wurde, ihrer Vollendung entgegen ging, war der Thurm nicht mehr prächtig genug und sollte durch Ausführung des wegen seiner Kühnheit vielfach angefochtenen Planes im Jahr 1568 von Hernan Ruiz die Giralda um hundert Fuß erhöht werden. Ruiz, derselbe, der die christliche Kirche mitten in die Moschee von Cordova setzte, ordnete auf der alten Plateforme eine ringsum laufende Gallerie von fünf Öffnungen auf jeder Seite an, deren mittlere je eine hohe Arkade bildete, hängte in den Zwischenweiten die Glocken auf, erhöhte den innern viereckigen Kern des Thurms weit über die Gallerie hinaus und setzte darüber eine runde Laterne, zu oberst gekrönt von der Giraldilla, einer drehbaren vergoldeten Bronzefigur, die den Glauben darstellt und dem ganzen Thurm den Namen gab. Dieser neue Aufbau, trotzdem, daß keine dem alten Bau entsprechenden arabischen Formen dabei angewendet wurden, hat eine solch glückliche Proportion, ist so elegant durchbrochen und mit dem alten arabischen Bau vermählt, daß hier Ruiz ein Meisterstück gemacht hat, durch das man gern sich über den Verdruß in der Moschee von Cordova etwas gelinder stimmen läßt.

Die Aussicht von der Giralda oben ist bezaubernd, zu den Füßen die immense Metropolitane, deren zahllose Pfeiler, Fialen, Steinpyramiden und frei durch die Luft sich schwingenden Strebebogen sich zu dem interessantesten Ganzen gruppiren, nördlich davon der lange Pomeranzenhof, welcher jenseits von der mit der Kathedrale verbundenen Kirche del Sagrario, diesseits durch die Columbinische Bibliothek und an der langen Seite durch die hohe mit Strebepfeilern und staffelförmigen Zinnen besetzte Mauer geschlossen ist, in deren Mitte das reiche Portal del Perdon sich gegen die Straßen der Stadt öffnet; eine Gebäudemasse, in der alle Stylarten des Mittelalters vertreten sind, arabisch, gothisch und die Zeit der Wiedergeburt.

Aber auch in etwas größerem Umfange finden wir eine analoge kunstgeschichtliche Scala; unweit der Kathedrale sehen wir in die Höfe des maurischen Alcazar hinunter und die Mitte zwischen ihm und uns nimmt die Lonja ein, eines der hervorragendsten Bauwerke der Renaissanceperiode, und ist dieß in der That eine Nachbarschaft, die in der Welt schwerlich zum zweitenmal zu finden sein wird. Weiter schweift das Auge über die Häusermassen der Stadt, aus denen die prächtigen Baumgruppen der Paseo auftauchen, über die weitgeöffnete Rundung des Stierplatzes hinweg nach dem glänzenden Lauf des Guadalquivir und seiner stolzen Brücke, über das ferne Triana in die weite unendliche Landschaft hinaus.

Die Kathedrale Sevilla's, wohl die größte Spaniens, ist zugleich auch die prächtigste, nicht so reich wie die von Toledo, aber edel und würdevoll im Innern und Äußern; fünf- oder wenn man die beiderseitigen Kapellen dazu rechnet, siebenschiffig, hat sie nahezu eine Länge von vierhundert Fuß. Die alte Moschee, an deren Stelle sie steht, diente noch von 1240, der Zeit der Eroberung an, als christliche Hauptkirche bis 1401, wo der Beschluß gefaßt wurde, nach Abbruch der Moschee einen christlichen Tempel zu erbauen, der nicht seines Gleichen habe, ganz ähnlich wie bei Santa Maria dei Fiori zu Florenz. Der Eifer war so groß, daß sogar die Prälaten und Herren des Kapitels einen Theil ihrer Einkünfte dem Bau zuwiesen. Neun Architekten folgten sich in der Leitung des an hundert und sechs Jahre dauernden Baues, und schön ist es, daß der ursprüngliche Gedanke in der Hauptsache so unverrückt festgehalten wurde. Die Westseite des Äußern mit drei großen Portalen ist in den Einzelformen so rein und schön, wie die beste Kirche der guten Periode am Rhein, das Innere schlank und majestätisch und die gemalten Fenster von außerordentlichem Verdienst der Zeichnung, und einer Gluth der Farben, wie die schönsten in Cöln. Mit dem Dom waren die Sevillaner nicht so glücklich, als die Florentiner. Nachdem ihn Alfonso Rodriguez und Gonzalo Rojas in einer schwindelnden Höhe über der Kreuzung des Lang- und Querschiffs vollendet hatten, fingen die Pfeiler, die ihn trugen, an zu weichen und er stürzte zusammen; erst später wurde er in der weit niedrigeren Form, in der er heutzutage zu sehen ist, vollendet. Eine Menge von Künstlern war in späteren Perioden beschäftigt, die Kapitelsäle, die Sakristeien und die Unzahl von Kapellen anzufügen, die aber nicht mehr das alte Gepräge tragen, sondern in weit modernerer Weise ausgeführt sind.

Sehr schön ist die hinter dem Chor angebaute Kapelle des heiligen Ferdinand, der ovale Kapitelsaal und die große Sakristei, die besonders ein meisterhaft angeordnetes und ornirtes Gewölbe hat. Frappirt hat uns die Naivetät, mit der in einem der Sakristeieingänge in den Cassaturen der Wölbung alle leckeren Mahlzeiten der Domherrn auf einzelnen Tellern servirt mit Messer und Gabeln aus dem Stein gehauen sind. Heller, freundlicher ist durchaus diese prächtige Kirche, als die in Toledo; selbst der Behandlung des Hochaltars gebe ich, nicht wegen seiner unerhörten Pracht, sondern wegen der ruhigeren Vertheilung der Massen den Vorzug vor jenem. Leider ist das Mittelschiff auch hier fast ganz mit der hohen Mauer umfaßt, die die Chorstühle umgibt, und noch dazu in einem sehr verschnörkelten Styl. Die an dem Westende dem Hauptbau angefügte Kirche del Sagrario, deren Kuppel auch abgetragen werden mußte, ist, obwohl aus der üppigsten Renaissancezeit, nicht im Stande, die Aufmerksamkeit von der mit den herrlichsten Gemälden angefüllten prächtigen Kirche abzulenken, die noch dadurch einzig in ihrer Art ist, daß die Bedachungen durchaus Terrassen sind und dennoch der gothische Organismus so fein verstanden überall durchgeführt wurde.

Die Lonja, dicht daneben, ein schönes Werk Herrera's, sehr correkt, aber schwer, gewinnt nur wieder durch die höchst gelungene Anordnung des innern Hofs und die Eleganz der Haupttreppe den Beifall des Besuchers. Diese Formen, kälter, weil geradliniger, lassen nun einmal den Schwung nicht zu, der in dem gothischen Bogen und der weichen Arkade der Araber liegt. Hauptsächlich interessant ist dieser Bau dadurch, weil sich hier das sogenannte indische Archiv befindet. Die Schätze, die hier aufgehäuft sind, kann man begreiflicher Weise bei einem flüchtigen Besuche nicht sehen; doch waren wir erfreut von der freundlichen Einrichtung der großen Säle, wo sich in schönen Mahagonikästen, die mit ausführlichen Inhaltsanzeigen versehen sind, namentlich zahlreiche Urkunden befinden, welche die Entdeckung und Geschichte Amerika's unter spanischer Herrschaft betreffen.

Der benachbarte Alcazar, der schon lange der Gegenstand unserer Begierde ist, zieht uns nun unwiderstehlich an, und wir säumen nicht, uns durch das Labyrinth der ihn von der Stadtseite umgebenden moderneren Vorbauten durchzuarbeiten, um an das berühmte Portal Peter's des Grausamen zu kommen. Obwohl in weitem Umkreis mit festen Mauern umgeben, ist er kein Kastell in der Art der Alhambra; viel friedlicher liegt er begränzt von einem ausgedehnten Garten den flachen Ufern des Guadalquivir zugekehrt. Wenn auch nicht von den ersten Erbauern des Alcazar herrührend, hat die gegen den großen äußern Hof gekehrte Seite dieses Palastes doch den ächtesten arabischen Charakter; im untern Stock eine ganz geschlossene Wand bildend, nur von der viereckigen, oben mit großen Keilsteinen geschlossenen Mittelthüre und einigen unbedeutenden Fenstern durchbrochen, trägt diese glatte Masse eine wunderliebliche offene, über die ganze Façade sich ausdehnende Gallerie, deren Mittelstück von einem sehr weit ausladenden, kunstvoll geschnitzten und überreich theils bemalten, theils vergoldeten Dachvorsprung gekrönt ist. Das Spiel der in ganz symmetrischer Anordnung und in Gruppen von je drei und zwei Arkaden sich an einander reihenden weiten und engen Bogenöffnungen, die Schlankheit der Säulchen und die herrlichen Marmore, aus denen sie bestehen, die Abwechslung des Gezackten und des Glatten der einzelnen Bogenformen, vereint mit der Pracht der Farbe und der feinen Wahl des Ornaments machen diese Front zu einem gefährlichen Rival des Schönsten in der Alhambra. Der innere, länglicht viereckige Hof, leider nicht mehr in seiner ursprünglichen Form, denn der untern wundervollen Bogenstellung ist später eine zweite aus der Renaissanceperiode aufgesetzt worden, macht nichtsdestoweniger eine reizende Wirkung, aber die Krone des Ganzen ist der an der schmalen Seite dieses Hofs gelegene Gesandtensaal. Er zerfällt in drei Theile, nämlich in einen durch zwei Stockwerke gehenden gewölbten Mittelsaal und zwei mit herrlichen Bogenthüren sich gegen ihn öffnende niedrigere Nebensäle. Alle Wunder der Alhambra wiederholen sich hier und wenn nicht die oben unter der Kuppel des Mittelsaals nachher zu Karl's V. Zeiten unförmlich vergrößerten, freischwebenden Balkone und die unpassend angebrachten Königsportraits die Einheit stören würden, könnte der majestätische Saal seines Gleichen suchen. Der kleine Patio, der in neuerer Zeit restaurirt wurde und mitten zwischen den der Stadt zu liegenden Zimmern als Lichthof dient, ist ein Meisterstück von Folgsamkeit und gewissenhaftem Studium des noch vom alten Bau Vorhandenen. Wäre die Erneuerung der übrigen Räume von gleich verständigen und ebenso fein gebildeten Händen ausgeführt worden, so stünde der Alcazar von Sevilla noch heute auf der alten Höhe seiner Berühmtheit, aber der Eigenwillen der verschiedenen königlichen Bewohner und der Unverstand der ihre Wünsche erfüllenden Bauleute haben beinahe überall die alten reizenden Urformen vertilgt und anstatt der frühern Mannigfaltigkeit nur langweilige Enfiladen von würfelförmigen Zimmern hergestellt, von denen blos der herrliche Saal über dem Haupteingang verschont geblieben ist. Dieser, ein wahrer Juwel, ist mit Ausnahme der verschwundenen Färbung ein Raum, in den man verliebt werden könnte, und wie einzig ist von seiner Fensterwand die Aussicht auf die Kathedrale und die Giralda, dieses reiche Architekturbild, in den wunderbarsten magischen Rahmen gefaßt!

Eine Merkwürdigkeit, welche man den Fremden, die nach Sevilla kommen, gerne anrühmt, ist das »Haus des Pilatus«. Es hat seinen Namen daher, weil der Erbauer, ein Herzog von Alcalà, den Palast des Landpflegers von Judäa darin nachgeahmt haben soll. Da ich vor Jahren diesen sogenannten Palast des Pilatus in Jerusalem gesehen und besucht, so war ich sehr gespannt darauf, hier eine alte Bekanntschaft zu erneuern. Das fragliche Haus liegt an einem einsamen und stillen Platze, hat aber schon von außen gar keine Ähnlichkeit mit dem alten, ehrwürdigen Mauerwerk, welches man mir in Jerusalem gezeigt. Freilich ist die Copie in Sevilla vor vielen hundert Jahren durch einen arabischen Baumeister gebaut, den der Herzog von Alcalà aus den Kreuzzügen, sammt dem Plane des ursprünglichen Hauses in Jerusalem mitgebracht und es wäre möglich, daß das Haus im heiligen Lande damals etwas anders ausgesehen, wie jetzt. Nachdem ich aber sein Inneres betreten, fand ich auch die Eintheilung und Disposition des Ganzen vollkommen vom Original abweichend. Freilich ist auch hier die Säule vorhanden, an welcher Christus gebunden und gegeißelt wurde, doch ist dieselbe hier in einer im Hof befindlichen Kapelle, anstatt daß sie, wie in Jerusalem, in einer Vorhalle steht, durch deren weite offene Fenster das herbeigeströmt Volk sein Schlachtopfer sehen konnte, welches ihm Pilatus wies.

Der Hof, ein länglichtes Viereck hat schon in den Einzelformen das arabische Gepräge etwas abgestreift, wozu noch die Aufstellung vieler, zum Theil über lebensgroßer antiker Statuen kommt; interessant war uns das Haus des Pilatus deßhalb, weil man daran die Gränze des Reichthums sehen kann, der mit Azulejos erreicht werden kann. Das große Treppenhaus insbesondere, dessen Wände ganz damit getäfelt sind, und wo eine unübersehbare Zahl verschiedener Eintheilungen und Dessins sowohl in Linien als Farben mit einander abwechseln, ist von kaum zu beschreibender Pracht, aber nirgends Ruhe, nirgends ein Punkt, auf dem das Auge verweilen kann, so daß man diese Fayencebekleidungen, die die Araber weislich nur zur Täfelung des unteren Theils der Wände wählten, hier gründlich satt bekommt. Die große an den Hof stoßende Halle ist noch das am meisten harmonische; vortrefflich erhalten, mit edler, schöner Decke bleibt sie ein Raum, in den man mit immer neuem Vergnügen zurückkehrt.

Was die Bilderschätze Sevilla's anbelangt, so ginge auch die flüchtigste Besprechung der Meisterwerke des einzigen Murillo über den Raum dieser Blätter. Neben seinen bekannten Bildern in der Kathedrale enthalten einige Säle des hiesigen Museums zwanzig große prachtvolle Gemälde von ihm, das schönste aber, was er erschaffen hat, ist in der kleinen Kirche der Caridad, die berühmte Brodvertheilung und Moses, der das Wasser aus dem Felsen schlägt. Madrid hat nichts Ähnliches von ihm aufzuweisen. Das Wohnhaus des großen Malers, jetzt einem Herrn Lopez de Ceparo gehörig, ist den Fremden gastlich geöffnet und enthält außer einem selbstgemalten Portrait Murillo's Fresken von seiner Hand, welche auf die vier Seiten eines im Garten befindlichen Felsens gemalt sind.

Wenn man nach Spanien kommt, einem Lande, welches die Havannah besitzt, so hofft man, nun einmal recht gute und wohlfeile Cigarren rauchen zu können, findet sich aber sehr getäuscht, denn nirgendwo in der ganzen Welt bekommt man schlechteren Tabak und Cigarren, als gerade in Spanien. Die größte Schuld hieran trägt wohl das Monopol- und Prohibitiv-System, welches viel einnehmen will, ohne etwas dafür auszugeben. Es hätte ja Niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn sich die Regierung aus diesem Tabaksmonopol tüchtige Einkünfte verschaffte, dem Käufer dagegen, wenn auch für theures Geld, eine gute Waare zukommen ließe. Wer aber in Spanien eine ächte Havannah oder eine gute Puros rauchen will, ist gezwungen, sich an die Contrebandisten zu wenden, die wenn sie auch den Verkauf ihrer eingeschmuggelten Waaren nicht selbst und öffentlich betreiben, doch entweder ihre wohlbekannten Niederlagen haben, oder ihre zahlreichen Agenten unter den Gasthofs- und Kaffeehaus-Kellnern, kleineren Wirthen, Bootführern oder Individuen, die uns auf dem Spaziergang mit den Worten anhalten: »Caballero, ich kann Ihnen die besten eingeschmuggelten Cigarren verschaffen.«

Aus diesem Grunde ist nun wohl das Rauchen der Papiercigarren so allgemein geworden; die Kosten dabei sind sehr unbedeutend, denn das bischen feingeschnittenen Tabak, welchen man ins Papier wickelt, kommt eigentlich nicht in Betracht und dabei scheint die Anfertigung selbst dem müßigen Spanier eine sehr angenehme Beschäftigung zu sein. Doch ist es nicht so ganz leicht, eine gute Papiercigarre zu drehen, und namentlich der Fremde, ehe er Fertigkeit erlangt hat, sieht sich genöthigt, zu den Tabakläden seine Zuflucht zu nehmen, welche denn auch in diesem Artikel etwas Gutes, Rauchbares liefern. Hier in Sevilla befindet sich die größte Cigarrenfabrik Spaniens, und ist dieselbe wohl im Stande, das ganze Land, besonders mit Papiercigarren zu versorgen.

In einiger Entfernung vom Hafen des Guadalquivir erhebt sich ein ungeheures viereckiges Gebäude, das von außen eher einem königlichen Palast, als einem industriellen Etablissement ähnlich sieht, nur der scharfe Geruch, der, je nachdem der Wind weht, den Vorübergehenden frappirt, gemahnt an seinen Zweck. Weite Thorbogen führen uns in einen großen Hof, der mit Fontainen und Säulen geschmückt ist und wo wir vom Thürsteher in ein Comptoir gewiesen werden, um die Erlaubniß zum Eintritt zu erhalten. Diese erlangten wir ohne alle Schwierigkeiten und erhielten zugleich einen untern Beamten, der uns im unermeßlichen Gebäude umherführte. In den untern Räumen befinden sich die rohen Tabakvorräthe, unter denen aber viel verdorbene Waare sein soll, welche Spanien als schlechter Schuldner von seinen Colonien erhält, deren beste Waare bekanntlich ins Ausland geht. Neben diesem Magazin sind die Räume zum Herrichten und Anfeuchten der Blätter, zu dem Gährungsprocesse, welcher der Anfertigung des Schnupftabaks vorausgehen muß; sowie der Maschinen zum Schneiden und Stampfen desselben. Der Schnupftabak ist das beste, was hier fabricirt wird, und führt man ihn nach Portugal und Frankreich aus.

In einem kleineren Theil des ersten Stockes befinden sich die männlichen Arbeiter, welche hauptsächlich sogenannte Puros anfertigen, wogegen drei lange Flügel dieses riesenhaften Gebäudes, einen einzigen Raum bildend, die weiblichen Arbeiterinnen enthalten, und dem Besuchenden einen ganz eigenthümlichen Anblick gewähren. Schon vor der Thür hört man es da innen summen, wie in einem Bienenschlage, und wenn man die Schwelle betritt, bleibt man einen Augenblick überrascht stehen. Wir haben vor uns eine dreischiffige, hochgewölbte Halle, dicht besetzt mit kleinen Tischen zu acht bis zehn Personen, um welchen die arbeitenden Mädchen sitzen. Es sind hier deren nicht weniger als dreitausend bei einander, und da der Eintritt eines Fremden immer ein Ereigniß ist, welches flüsternd der Nachbarin verkündigt wird, und schuldig ist, daß hier ein Sessel gerückt, dort ein Messer niedergelegt wird, so kann man sich einen Begriff machen, von welchem Lärmen wir empfangen werden. Obgleich ich nicht behaupten kann, daß ich unter diesen Cigarren-Arbeiterinnen sehr viel vollkommen Schönes gefunden hätte, so waren doch ganz artige Gesichter und Gestalten da, und wenn man auch in Spanien schon an Manches gewöhnt ist, so macht es doch einen seltsamen Eindruck, so ein paar tausend schwarze, andalusische Augen auf sich gerichtet zu sehen. Reiche, dunkle Haare und kleine Schnurrbärtchen waren stark vertreten. Da es ziemlich warm in dem Saale war, so ließ die Toilette dieser Damen in verschiedenen Beziehungen manches zu wünschen übrig, und wenn hier eine lachend auf ihre nackten Schultern blickte, so machte es eine andere nicht besser, wenn sie äußerst coquet ein kleines Tuch über das sehr tief ausgeschnittene Leibchen warf. Die sämmtlichen Arbeiterinnen schienen mir, wenn ich mich so ausdrücken darf, in Korporalschaften eingetheilt zu sein, unter dem Befehl alter, stämmiger Spanierinnen, von denen jede einen tüchtigen Dragoner abgegeben hätte. Vielleicht vier bis sechs Tische hatten immer eine solche Aufseherin, die uns freundlich bis an die Gränzen ihres Reichs begleiteten und dann mit einem gnädigen Knix entließen. Auch eine Oberaufseherin über sämmtliche Säle war da, und wenn ich mich unterstanden, die Chefs der einzelnen Korporalschaften als eines Dragoner-Regiments würdig zu bezeichnen, so muß ich auch gerechtermaßen versichern, daß die alte und würdige Dame, welche den Oberbefehl führte, jedem Cuirassierregimente zur Zierde gereichen mußte, nicht nur wegen des außerordentlich kräftigen Körperbaues, sondern auch in Anbetracht ihres sehr ansehnlichen Schnurrbartes. Es muß aber auch keine Kleinigkeit sein, dieses lustige Völkchen zu lenken; denn obgleich die meisten ruhig bei der Arbeit saßen und sich nur hie und da eine erhoben hatte, um einen Besuch in der Nachbarschaft zumachen, so waren es doch gewiß ein paar hundert, die auf solche Art in sämmtlichen Sälen umher flanirten, die schwarze Mantille leicht übergeworfen, den Kopf kokett erhoben und den meist aus einem zusammengefalteten Bogen Papier bestehenden Fächer meisterhaft gebrauchend. Manche von ihnen folgten uns unter Lachen und Possen aller Art, aber nur bis an das Ende ihres Territoriums, wo sie, von der andern ernsten Aufseherin zur Ruhe ermahnt und zurückgewiesen, mit lautem Gelächter auseinander stoben. Der General en chef dieser zahlreichen Mädchenbrigade gab uns das Geleite bis zur Treppe, worauf wir sehr befriedigt das Gebäude verließen.

Wir waren zur Zeit des Carnevals in Sevilla, und ich war begierig zu erfahren, wie im Gegensatz zu Deutschland und Italien hier diese festlichen Tage begangen würden, muß aber gestehen, daß mit Ausnahme der an diesen Tagen sehr vollen Theater nichts in den Straßen Sevilla's an den Fasching erinnerte. Malerischen Costümen begegnete man freilich wie immer und es würde das gewöhnliche Leben der Stadt mit seinem lustigen Getreibe, mit den schwarzen Mantillen, goldglänzenden Fächern und herrlichen Trachten, die uns allenthalben begegnen, plötzlich zu uns nach Deutschland versetzt, freilich schon für einen ganz prächtigen Carneval gelten können; aber etwas Außergewöhnliches geschah hier durchaus nicht. Ob es überhaupt bei den Spaniern nicht Sitte ist, sich zu maskiren und Larven zu tragen, weiß ich nicht, wenigstens sah ich nicht dergleichen; nicht einmal an irgend einem Laden blühende und in beständigem Erstaunen begriffene Maskengesichter, oder auch nur falsche Nasen mit großen Schnurrbärten; ja nicht einmal die Jugend schien zu wissen, was Carneval ist, denn in den Straßen von Sevilla sieht man zu dieser Zeit selbst nicht einmal die Spur von ausgelassenen Buben, wie sie bei uns ihr Wesen treiben, in weißen Hemden, mit geschwärzten Gesichtern oder vergoldeten Nasen. Im Haupttheater in der Straße de la Muela war es allerdings während der Carnevalsabende außerordentlich voll, und das Volk erfreute sich an den ausgelassenen Possen, die hier gegeben wurden, für uns aber wenig Interesse boten. Besonders beliebt bei den Sevillanern schienen Schilderungen aus dem Negerleben zu sein, eine Art Vaudevilles mit Ballet, wo eigenthümlich unharmonische, oder wie es hieß, Originallieder der Schwarzen vorgetragen wurden, und mit Tänzen abwechselten, die man allenfalls nur von Spanierinnen sehen konnte, denn wenn sie sich auch die allergrößte Mühe gaben, schwerfällig und steif umherzuhüpfen, wie wahnsinnig gewordene Frösche, so schimmerte doch immer noch etwas durch von den ihnen angebornen eleganten Körperformen und Bewegungen. Im Theater de la Campana, wo mitunter recht gute Lustspiele gegeben werden, ging es auch nicht ohne sehr starke Possen ab; nur war hier das Ballet vortrefflich und gab zum Schluß so große und schöne Portionen, daß man sich schon für die Anfangs ausgestandene Langeweile entschädigen konnte. Ein deutscher Landsmann, dessen Bekanntschaft wir in einem der hiesigen Theater machten, veranlaßte uns eines Abends nach beendigter Vorstellung, mit ihm eine kleine Tanzunterhaltung zu besuchen, deren verschiedene um diese Zeit hier veranstaltet werden, und die auch im Innern der Häuser das Einzige sind, was an den Carneval erinnert. Wir besuchten nach einander ein Paar dieser Lokale, ohne aber hier gerade viel Interessantes zu sehen. Man könnte diese Bälle mit den Parisern in der Salle Valentino vergleichen. Wie dort, sind es auch hier große Räumlichkeiten, nur nicht so elegant, wie die Pariser Etablissements, spärlicher beleuchtet, und vor Allem fehlt hier in Sevilla die prächtige Musik Musard's. Der Spanier ist schon zufrieden mit einem kleinen Orchester aus ein Paar Violinen, einer Klarinette und einem Contrebasse bestehend, und dies fehlte sogar in einem dieser Lokale, wo denn jeder Saal seine besondere und sehr bescheidene Musik hatte, zwei Guitarren nämlich, die von den Tänzern abwechselnd gespielt wurden, wozu aber ein Dutzend toller Andalusierinnen im Majakostüm einen tüchtigen Lärm mit ihren Castagnetten machten. Am Eingang dieser Säle wird eine Kleinigkeit bezahlt, und wie in Paris an den gleichen Orten finden sich auch hier junge Leute aller Stände, namentlich aber Studenten mit ihren Mädchen ein, um die Nacht zu durchtanzen.

Um aber eine solche allgemeine Carnevals-Tertulla in ihrer Blüthe zu sehen, ließen wir uns nach der Vorstadt Triana führen, welche gegenüber der alten Torre del oro liegt, und deren Bewohner hier ungefähr in demselben Rufe stehen, wie die von Trastevere bei Rom. Obgleich sich dort bei diesen Tanzvergnügungen eine sehr ausgewählte Gesellschaft vereinigt, Maulthiertreiber, Contrebandisten, und Leute, die oft ein noch viel schlimmeres Handwerk treiben, so ist man ja in Spanien und der Fremde, den die Neugier treibt, einer solchen Versammlung beizuwohnen, wird anständig und freundlich behandelt, natürlicherweise, so lange er es unterläßt, sich unerlaubte Freiheiten herauszunehmen. Das Haus, zu welchem wir uns begaben, lag zwischen Gärten, etwas entfernt von den andern Gebäuden, und erwies sich beim Näherkommen als eine Posada, wie ich sie schon häufig beschrieben, mit einer großen Halle, welche zu gleicher Zeit Wohnzimmer und Küche war. Schon von Weitem hatten wir durch die vergitterten Fenster Lichtschimmer bemerkt, zuweilen wurde das Thor geöffnet, und dann drang die Helle auf Augenblicke in den Garten hinaus. Dieser war aber umzäunt und verschlossen, und wurde erst auf mehrmaliges Anklopfen geöffnet, und nachdem unser Begleiter ein paar Worte zu dem Manne gesagt, der durch den Garten gegen uns her kam. Als wir näher gingen hörten wir auf einmal Guitarrenklänge und das taktmäßige Knattern der Castanuelos, und als sich endlich die Hausthüre vor uns öffnete und wir eingetreten waren, sahen wir eine zahlreiche und lustige Gesellschaft bei einander.

Hier befanden sich vielleicht zwanzig Männer, meistens junge Leute, und ein Dutzend schöner Mädchen, die theils in dem Tanzen begriffen waren, theils auf den Bänken an dem lodernden Herdfeuer saßen, wo die Weinflaschen fleißig herumgingen, und wo gesotten und gebraten wurde. Nachdem uns der Hauseigenthümer freundlich begrüßt und uns einen guten Platz am Kamine neben ein paar lustigen Majas verschafft, welche jedem von uns augenblicklich eine Cigarre drehten, hatten wir Muße, uns in dem Gemache umzuschauen. Ein bischen ärmlich und zerfallen sah dieses aus; in den Winkeln rechts vom Zimmer fanden sich ein paar alte Matten am Boden, und diese, sowie ein paar kleine Rohrschemel machten die ganze Ausschmückung der schwarzen rauchigen Halle aus. Doch hing noch an einem Pfeiler ein rostiger Trabuco, sowie eine alte Guitarre, von welcher die zerrissenen Seiten herabhingen. Offenbar war dieser Ort von keiner Familie bewohnt, und diente nun dem lustigen Volke, das sich hier versammelt, zum Ballsaal. Aber der Kontrast zwischen den meisten dieser Gäste und der Halle selbst hätte unmöglich größer sein können. Ja, wenn man ein paar alte Männer, die in der Capa und spitzem Hut dicht am Feuer saßen, sowie ein paar Zigeunerinnen in hellen, fast modischen Kleidern, mit weißen Busentüchern, ausgenommen hätte, so würde die ganze übrige Gesellschaft nach ihren eleganten Bewegungen, nach ihrer Schönheit und der Pracht ihrer Kleidung auf jedem hellbeleuchteten Hofball das größte Aufsehen erregt haben. Die Tanzenden waren lauter Majos und Majas, die Männer hübsche wohlgewachsene Bursche in den bekannten andalusischen Kostümen, die aber bei diesen Abendgesellschaften aus den feinsten Stoffen bestanden, Sammt, Atlas und Tuch, mit Stickereien und silbernen Knöpfen überladen. Dabei waren die Anzüge so vortrefflich und passend gemacht, deutlich alle Körperformen zeigend, und wurden so leicht und elegant getragen, daß man wohl sah, es sei die gewöhnliche Kleidung der meisten dieser jungen Leute. Wahrhaft reizend aber waren die Mädchen. Ihre Füße mit seidenen Strümpfen staken in wahren Kinderschuhen, und über denselben waren die Knöchel so fein und zierlich, daß man nur erstaunt war, das Bein weiter oben so ansehnlich gerundet und doch so ganz im Verhältniß zu sehen. Die ziemlich kurzen Röckchen bestanden aus rothem oder gelbem Seidenzeug und wurden oben gefaßt von einer Atlastaille in weiß, hellblau oder Perlfarbe, die sich so dicht und genau an den schlanken und doch vollen Oberkörper anlegte, daß man die Formen desselben bis in ihre kleinsten Nuancen sehen konnte. Über diese Taille kam nun ein zierliches Jäckchen von einer genau passenden etwas dunkleren Farbe, von matter Seide oder Sammt, aber reich mit Schnüren besetzt, und einer Unzahl kleiner silberner Knöpfchen. Die meisten der Tänzerinnen hatten die Mantille abgelegt, das volle schwarze Haar über die feinen Ohren zurückgestrichen, so daß von hinten der lange schlanke Hals bis zu den Schultern sichtbar war. Oft genug habe ich die graziösen Gestalten der Andalusierinnen erwähnt, so wie ihre wunderbaren Augen, Lippen, Zähne, ja den ganzen prachtvollen Ausdruck ihres Kopfes, um hier noch ein Wort darüber zu verlieren, und will nur noch hinzufügen, daß unter allen vielleicht keine einzige war, die nicht die gerechtesten Ansprüche auf eine vollkommene Schönheit hätte machen können, wie ja die Tänzerinnen aus dem südlichen Spanien bekanntlich schon auf den Theatern der heidnischen Weltstadt Rom die berühmtesten waren. Ja, dabei erschien das ganze Bild hier in der hohen finstern Halle so eigenthümlich beleuchtet von den zitternden Streiflichtern des Herdfeuers und der rothen Gluth einer Fackel, die neben dem Eingange brannte, daß es eine unbeschreiblich malerische Wirkung hervorbrachte. Der Glanz des Atlasses, der matte Schimmer der Sammtstoffe, dazu die vielen Stickereien und silbernen Knöpfchen, alles nahm auf so verschiedene Art die Lichtstrahlen auf, und reflektirte sie wieder eben so eigenthümlich. In einem hellerleuchteten Saale hätten die Tanzenden nicht diese Wirkung hervorgebracht, wie hier. Bei unserer Ankunft war ein Bolero zu Ende und die wilden Mädchen ließen sich schwer athmend und mit glänzenden feuchten Blicken auf die Bänke und Rohrstühlchen nieder, so daß die seidenen Röcke rauschten und die atlassenen Mieder bedenklich krachten. Hie und dort nahm eine ein paar getrocknete Früchte, auch eine Feige oder Orange, die auf einem Nebentischchen standen, oder ließ sie ein paar Tropfen Wein aufwärts blickend zwischen die Lippen träufeln, aber nicht lange konnten sie's ruhig auf ihren Sitzen aushalten; besonders die Bursche, die, wenn auch der wilde Tanz beendigt war, doch noch mit ihren ertravaganten Pas fortmachten, bald zu Zweien, hart an den französischen Cancan streifend, bald allein, wie mit dem eigenen Schatten tanzend, den das lodernde Herdfeuer beweglich an die graue Wand warf. Dann fingen die Guitarren wieder leise an zu klingen, und nach einigen Accorden fiel einer der Majos ein:

Ay! sal, bella joven,
sal, angel de amores
y al par que las flores
del lindo pensil.

Ein anderer sprang vor die Mädchen hin, klatschte in die Hände, ein Dritter rief: Viva la gente Morena! und dann war im Augenblicke die Tanzparthie wieder arangirt. Hoch aufgerichtet, den Oberkörper halb durchgebogen, standen die Andalusierinnen da, die eine Hand in die Seite gestemmt, mit den Fingern der andern leicht an die eine der Castagnetten schlagend, und die Bewegung der Tänzer begleitend, die nun herausfordernd vorgeschritten kamen; wenn diese wieder zurückwichen, folgten ihnen die Mädchen, unnachahmlich den Körper, namentlich die Hüften bewegend, die Augen auf den Boden geheftet und die Castanuelos mit den vorgestreckten Händen leicht anschlagend. Um die sichere Beute nun rasch zu umschlingen, öffnet der Tänzer weit seine Arme, aber in dem sanft und zierlich vorgegangenen Mädchen erwacht nun auf einmal der Stolz der Spanierin. Auf ihren höhnisch aufgeworfenen Lippen glaubt man ein Caramba zu lesen, als sie nun plötzlich auf- und zurückfährt, wobei die Castagnetten wild und zornig knacken. Dabei hat sie den Kopf stolz erhoben, wie eine Schlange biegt sie den Oberkörper, senkt gleich darauf die Stirne herausfordernd nieder, und während sie mit vorgehaltenen Händen zurückflieht, wallen ihre leichten Röcke unbeschreiblich malerisch um die Hüften. Etwas Ähnliches wiederholt sich nun in den meisten spanischen Ensembletänzen; mit einem alles verachtenden Stolze beginnt die Andalusierin, um nachgiebig zu werden, wenn das Blut anfängt zu wallen und das Herz zu klopfen; und diese Folge ist so natürlich und wahr im Tanze, wie im Leben. So reizend diese Gruppirungen auch waren, so wunderbar die schlangenartigen Bewegungen der prächtigen Mädchen, so wahrhaft betäubend das Spiel ihrer Augen, das Rauschen der Seide und das Krachen des Atlasses, und alles das übergossen und bestrahlt von den lodernden Flammen des Herdfeuers, das über die glänzende schimmernde Gruppe ein so unaussprechlich warmes Licht warf, so köstlich auch, bei diesen Ensembletänzen die Ausrufungen der Freude klangen, die der glühende Hauch des Mundes zwischen den frischen Lippen hervorstieß, so war doch die Krone des Abends ein Fandango von zwei der schönsten und üppigsten Mädchen allein ausgeführt. Es waren das zwei prachtvolle Gestalten, die eine im weißen, die andere im perlfarbenen Atlasmieder. Lange, lange umschritten sie sich, kalt und förmlich und kaum merklich schien sich ihr Blut zu erwärmen, schien die Gluth in ihnen aufzuflammen und sie sich zu nähern. Dabei berührten sie sich anfänglich nur sanft mit den Fingerspitzen, dann legte eine ihre Hand leicht um die schlanke Taille der andern, aber als das Eis endlich gebrochen war, brach auch die Fluth der Leidenschaft um so gewaltiger hervor.

Malerisch gruppirt umstanden die Übrigen dieß schöne Paar, ein dichter Kreis, der sich nach hinten erhöhte, und nicht nur die Majos, sondern auch die älteren Männer waren auf Stühle und Bänke gestiegen, um besser in den Kreis zu sehen; und dazu brachen bei jeder schönen Bewegung neue und immer heftigere Ausrufe der Bewunderung hervor. – Ay, salero! ole, ole! – ole salero! – Herz, du übertriffst dich selbst! – Bravo, bravo, Kinder! Bravo, Kinder, bravo! So was sieht die Welt nicht wieder! – Ole, salero!

Und dabei waren es die andern Mädchen, welche ohne Neid und Mißgunst den größten Spektakel machten. Aber die Beiden im Kreise verdienten es auch, daß man sich für sie enthusiasmirte. Man hätte wohl im Bunde der dritte sein mögen. Sekundenlang hielten sie sich umschlungen und drückten die hochklopfenden Herzen aneinander, und wenn sie sich auf Augenblicke trennten, so stürzten sie sich gleich darauf wieder mit neuer Inbrunst in die Arme. Das Ganze steigerte sich zu einer wahrhaft beunruhigenden Höhe, und wir Zuschauer waren ordentlich froh, als der Tanz endlich aufhörte mit einem langen innigen Kusse, wobei die elastischen weichen Körper der beiden Mädchen wie schmerzlich zuckten und sich schlangenartig um einander wanden. – Ole, salero!

Wie so Vieles in Spanien erinnerten mich diese Abendunterhaltungen an Ähnliches, was ich im Oriente gesehen. Haben doch selbst manche Tänze der arabischen Tänzerinnen außerordentliche Ähnlichkeit mit dem Fandango und manchem andern spanischen Bolero; ja, ist doch die Madrilena mit ihrem Aufheben und Schütteln der Tanzröcke nichts Anderes, als eine gemilderte Copie des Bienentanzes, den ich in einer schönen Nacht an den Ufern des Nils gesehen. Auch die Castagnetten sind gewiß maurischen Ursprungs, denn noch heute haben die arabischen Tänzerinnen an dem Zeigefinger jeder Hand eine kleine silberne Glocke befestigt, die sie taktmäßig anschlagen, und sah ich doch einst in Adrianopel griechische Knaben tanzen, welche ihre wirklichen Castagnetten so geschickt zu handhaben wußten, wie die Spanier. Einen einigermaßen berüchtigten Tanz hier, den Menéo, welcher in einem langsamen Vorschreiten der Tänzerin besteht, wobei sie wirbelnd die Castanuelos anschlägt, sah ich fast mit den gleichen Bewegungen ebenfalls in Adrianopel bei einer Soirée des dortigen Pascha. Diese Bewegungen sind eigentlich unbeschreiblich, und bei ihnen spielen die Füße gar keine Rolle. Während sich der Oberkörper hin und her windet, sind die Hüften in einer beständig zitternden Bewegung, wobei die Tänzerin vor- und rückwärts geht und nur zuweilen mit hoch erhobenen Beinen eine hastige Pirouette macht.

Wenn wir auch beim Besuch dieser Tertulla kein Eintrittsgeld zu bezahlen hatten, ja, man uns sogar freundlich Papiercigarren, getrocknete Früchte und Wein anbot, ohne irgend etwas dafür zu verlangen, so wußten doch die schlauen Andalusierinnen auf eine eigenthümliche Art ein kleines Geschenk zu erhalten, und diese Art war wieder so ächt orientalisch. Während des Tanzens nämlich zog eine oder die andere aus ihrem Gürtel das Taschentuch hervor und warf es uns zu. Wie unser Bekannter uns belehrte, mußten wir ihnen eine Geldmünze hineinknüpfen, die sie sich alsdann später dankend abholten, wobei ich aber nicht unterlassen will, feierlich zu versichern, daß dieses Taschentuchzuwerfen durchaus mit keinen andern Absichten verbunden war.

Es war schon spät in der Nacht, als wir endlich die verfallene Posada mit ihrem phantastisch wilden Treiben verließen; aufgeregt und erhitzt von dem Herdfeuer, dem Dunste und Allem, was wir gesehen, that uns draußen die klare, kühle Mondnacht außerordentlich wohl. Noch eine Strecke weit begleitete uns das Knattern der Castagnetten, immer leiser und leiser werdend, bis es sich endlich verlor in dem Rauschen des Guadalquivir.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Winter in Spanien