Fortsetzung 2 - Nach Cordova.

Ist die Anordnung der Bogenwände, die ein Schiff der Moschee gleichsam als besondere Gasse von dem andern trennen, mit geringen Abweichungen nach einem und demselben einfachen Systeme, so wird die Architektur des vor der Mirah liegenden drei Bogen langen und drei Bogen breiten freien Raums weit lebendiger und phantastischer. Die Säulen sind doppelt über einander und die Bogen, an und für sich schon nach unten und oben ausgezackt, durchdringen und verschlingen sich wechselsweise, jedoch überall den freien Durchblick durch die mannigfaltigen dadurch entstehenden offenen Felder gestattend. Überdeckt ist dieser Vorplatz mit einer Wölbung, in der die Rippen nach der Richtung mehrerer durch einander geschobener Polygone laufen und die Zwischenfelder mit kunstvoll gearbeiteten Muscheln ausgefüllt sind, so sinnreich an einander gereiht und in Größe und Farbe so angenehm mit einander abwechselnd, daß vor dieser auf den ersten Anblick ganz fabelhaft scheinenden Combination das Auge nur Bewunderung ist, einmal über das andere die unsagbare Pracht der Marmore u. s. w. und dann wieder den Scharfsinn der Erbauer anstaunend.

Als der Zancarron endlich entdeckt wurde, war die spanische Geistlichkeit glücklicher Weise so vernünftig, ihn in der ursprünglichen Gestalt bestehen zu lassen, und er läßt nun in seiner wunderbaren Schönheit ahnen, wie ehemals die ganze Mesquita ausgeschmückt war.


Die Mascura, jetzt Capilla de la Villa viciosa getauft, liegt erhöht gegen die Mitte der Moschee, nahe bei der Kirche und war der Ort, wo sich die Könige befanden, wenn sie den öffentlichen Gebeten beiwohnten; sie ist auf vierundzwanzig Säulen von verschiedenfarbigem Marmor gebaut, die vier nach oben reich durchbrochene Mauern bilden und im Quadrat gestellt sind. Eine der Seiten ist zwischen den Säulen von unten auf geschlossen, die drei andern erlauben den Blick durch reiche, vergoldete Eisengitter in das Innere. Die Decke ist muschelförmig aus weißem Marmor dargestellt und die Wände sowie der Boden enthalten Alles, was in der großen Kunstperiode der Araber die reichste Phantasie an Gold und Lasur-Mosaik, an Arabesken und gemalter Steinsculptur erfinden konnte.

Bei allem dem macht das Innere der Mesquita einen fast wehmüthigen Eindruck. Die halbdunkeln Hallen sind ihres prachtvollen Schmuckes entkleidet, die herrlichen Malereien wurden mit weißer Tünche bedeckt und vom ehemaligen Fußboden ist keine Spur übrig geblieben. Wie mag das früher gewesen sein, als Tausende von Lampen von der Decke herabhingen, als der Boden mit Matten und prächtigen Teppichen bedeckt war und als das Volk der Gläubigen in ihren reichen, malerischen Gewändern anbetend diese Hallen füllte? Heute liegt es wie tiefe Trauer auf dem Tempel Abderrhaman's, die Kapellen und Altäre sehen so düster und fremdartig aus und scheinen sich unheimlich zu fühlen in ihrer so ganz andern Umgebung. Ganz eigenthümlich schallen die Töne der kleinen Glocken vom Altare herüber, wo eben Messe gelesen wird und der Glanz der Kerzen, sowie der qualmende Weihrauch scheint dort im engen Umkreis des christlichen Altars zu bleiben und sich nicht gerne ausbreiten zu wollen unter den arabischen Säulenhallen. – – Ja, wie Alles vergeht, was Menschenhände machten, so auch der Glanz und die Pracht dieses Hauses. Nur die Natur in ihrer ewigen Jugend und Liebe ist sich gleich geblieben und durch die weitgeöffneten Thore sehen wir auf den Orangenhof hinaus: dort leuchtet dieselbe Sonne wie damals und wie damals stehen auch dort noch die Reihen der Orangenbäume gleich grün, gleich duftend von hier aus gleichsam als eine lebendige Fortsetzung der jetzt todten Säulenreihen des Innern erscheinend.

Während wir langsam dem Ausgange zuschreiten, zeigt uns unser Führer in einem Winkel der Kirche auf einer Säule von dunkelgrünem Jaspis ein grobes unförmliches Kreuz, La cruz del cautivo. Es steht bei den Cordovesen in großer Verehrung; denn, wie die Legende sagt, ward ein gefangener Christ von den Mauren an diese Säule gefesselt und gezwungen, die Verhöhnung seines heiligen Glaubens mit anzusehen. Da kratzte er mit den Nägeln seiner Hände das Kreuz in den harten Stein, so gleichsam im Namen desselben Besitz nehmend von dem Tempel des falschen Propheten.

Nicht weit von der Moschee, ebenfalls am Ufer des Guadalquivir ist ein Platz, wo sich ehedem ein fast nicht minder prächtiges Gebäude erhob: der Alcazar der maurischen Könige, eine Burg, in der viel Gold und Blut geglänzt, wo der Schrei der Lust und des Schmerzes erschallte. Der Hof der Könige von Cordova und Spanien war ein üppiger Hof und hier glänzten die tapfern morgenländischen Eroberer und unter den Almansors und den Almoraviden feierten hier maurische Ritter und Damen wilde, nächtliche Feste, wie die späteren Zeiten wohl nichts Ähnliches aufzuweisen haben, und während die Dichter die feenhaften Weiber besangen, schön wie die Houris und von schwellenden Rosenlippen, schlankem Palmenleib und süßen Gazellenaugen schwärmten, seufzten die Philosophen schon damals über die Eitelkeit und Vergänglichkeit dieser Welt, und während einer der Ersteren sang:

— — — — O Alcazar,
Des Paradieses Ebenbild,
Du scheinst aus Leopardenfellen
Voll Pracht und Herrlichkeit erbaut.
Wie herrscht in deinen Prunkgemächern
Der Schönheit wunderbare Lust!
Es glänzen deine Marmorsäulen,
Mit Gold aus Tibar reich verziert.

sprach nach einem glanzvollen Feste der Philosoph Suleiman ben Abdelgasir el Firexi zum Kalifen Alhakem:

Vier sehr gewandte Schützen schießen
Beständig auf mich Armen los,
Der Teufel, Welt, der Magen, Liebe,
Vor diesen, Herr! bewahre mich!

Je nach dem Temperamente der Könige waren die Hallen des Alcazars unter Klängen rauschender Musik mit Lust und Freude erfüllt, und strahlten ihre Gärten nächtlicher Weise im Glanz farbiger Feuer; das war die glückliche Zeit, wo sich ein Bittsteller dem Könige nahte, der sich aber in den Gärten bei seinen Sklavinnen befand, und es wagen durfte, ihm seine Bittschrift mit folgenden Versen, die er auf Rosenblätter schrieb, zuzusenden:

Die Schönen, wenn sie gleich nur Sklaven
Der Männer und ihr Plaggeist sind,
Befehlen doch nach eignem Willen,
Ja, und zum Sklaven wird der Herr.
Doch dafür, wenn wir Rosen wollen
Und sie nicht Feld, noch Garten beut,
Empfangen wir von Mädchenwangen
Sie zarter noch und dornenlos.
Drum darf ich wohl die Hoffnung nähren,
Dieß Schreiben finde gut Gehör,
Weil ich aus Rosen es gebildet,
Der Mädchenwangen schönem Bild.

Der arabische Chronikenschreiber, der dieß erzählt, fügt hinzu: Diese Verse wurden abgelesen, fanden Beifall und dienten den Sklavinnen des Königs zum Gesange. Des Bittstellers Gesuch wurde genehmigt und er empfing noch überdieß eine Anweisung auf hundert Dinaren. Zuweilen auch lagen diese glänzenden Hallen finster da, am Ufer des Guadalquivirs, in den Orangenhainen sah man das Glänzen der Harnische, das Leuchten eines Dolches oder vernahm wie unter König Alhakem I. die entsetzlichen Klagen zahlloser Unglücklichen, die der Kalif vor seinen Augen in einer langen Reihe am Ufer des Flusses spießen ließ, weil sie sich gegen seine grausame Regierung empört hatten. In vielen Romanzen lebt die Geschichte dieses Königs fort, und manche schildern ihn, wie er wahnsinnig geworden sei und in tiefe Trauer versenkt, auf dem Wall des Alcazars umherirrte. Da habe das Schauspiel jener Greuelscenen ihm stets vorgeschwebt, streitende Volksmassen sich vor seinen Augen bewegt, das Geschrei der Kämpfenden, Verwundeten und das Geröchel der Sterbenden seine Ohren umsaust. Dann ließ er mitten in der Nacht seine Cadi's und Wazire rufen und wenn sie versammelt waren, um Dinge von großer Wichtigkeit zu hören, befahl er seinen Sklavinnen zu singen und Instrumente zu spielen. Eines Nachts, kurz nach dem Schlafengehen, ließ er einen Diener, Namens Hyazinth, rufen, dessen Geschäft darin bestand, den langen Bart des Königs mit wohlriechenden Salben einzureiben; da nun dieser Diener, im Zweifel, ob dieser Befehl ihm gelte, einige Zeit zögerte, so rief der König mit lauter Stimme: »Wo bist du, Sohn der Faulheit?« und zerschlug dem Herbeigesprungenen die Bisamflasche auf dem Kopfe in Stücke. Hierüber äußerst erschrocken, habe der Diener Hyazinth in größter Unterwürfigkeit gefragt: »Welche ungewöhnliche Stunde, Herr, zum Einsalben?« Alhakem aber darauf geantwortet: »Sei außer Sorgen, die Salben gehen uns allen Beiden nicht aus, so viel auch davon gebraucht oder verschwendet wird; denn damit wir nie Mangel daran haben möchten, habe ich so viele Köpfe abschlagen lassen.«

Wie den Fall dieser prachtvollen Schlösser ahnend, sprach der Poet Abulasi, ein sehr gelehrter und berühmter Mann, als er in Gedanken vertieft, an dem Ufer des Flusses von Cordova, dem Alcazar gegenüber, auf und ab ging, folgende Verse aus dem Stegreif:

Alcazar! welche Herrlichkeiten
Und Reize schließest du nicht ein,
Dein Schicksal wolle dich bewahren
Vor unheilschwerem Untergang!
Welch eine Menge mächt'ger Herrscher
Bewohnte dich schon, Königshaus!
Heut zwar schwingt noch um deine Grüfte
Der Himmel günstig seinen Stab.
Belehr' die Welt, die von dem Glücke
So leicht und oft betrogen wird,
Warum auch du sie willst betrügen,
Da jeder doch die Täuschung kennt?
O glaube nicht, so muß es bleiben,
Die Zeit geht ihren eignen Lauf;
Wornach sie heut mit Sehnsucht haschet,
Verächtlich wirft sie's morgen hin.
Wo sind sie denn, die mächt'gen Herren,
Die einst in Syrien geherrscht,
Die Säulen, Thürme und die Bogen,
Und ihrer Schlösser ganze Pracht?
Herabgestürzt von ihren Höhen,
Bemerkt man ihre Spuren kaum,
So wenig als am Fuß des Berges
Ein winziges Ameisennest.
Weit besser ists, im Thale wohnen
Bei Mäßigkeit und stiller Ruh,
Als Freuden in den Höhen suchen
Und an des Abgrunds steilem Rand.
Der wird hienieden besser leben,
Der taub ist für der Sinnen Reiz.
Laßt die Verborgenheit uns loben,
Wenn bei des Frühroths schönem Glanz
Die Wolken nach und nach verschwinden
Und man sich still des Tages freut.

Und der Verfall dieses prächtigen Hauses erfolgte schneller und gänzlicher, als es die finsterste Phantasie hätte zu träumen gewagt. Nachdem die Christen Cordova einnahmen, fiel Stadt und Burg ums Jahr 1493 in die Hände Ferdinand's von Aragonien. Karl V. gab den Alcazar der Inquisition, welche sich in dem Palast einnistete und ihn nach ihren Bedürfnissen umänderte; d. h. die Springbrunnen versiegen ließ, die Gärten verwildern und die feinen graziösen maurischen Fenster theils zumauern, theils mit unförmlichen eisernen Gittern versehen ließ. Dann begann hier ein furchtbares blutiges Treiben, über das selbst Alhakem I. erstaunt gewesen wäre. Die schönen Gartensäle mit den kühlen Gewölben wurden zu Gefängnissen und Folterkammern, im Prunkzimmer der maurischen Könige wohnte der Großinquisitor und im Saale Almansor's des Duldsamen, wo einstens mit goldenen Buchstaben in die Wand gegraben war: »Die Könige Cordova's gestatten den Christen die freie Ausübung ihrer Religion« hielten jetzt christliche Mönche ihr blutiges Gericht.

Nach und nach aber zerfiel Schloß und Gärten, überhaupt was lieblich und schön gewesen war vom Palast der maurischen Könige. Nur die festen viereckigen Thürme und der starke Wall, der das Ganze umgab, bestanden noch bis zur Zeit der Unabhängigkeitskriege, und dienten den Spaniern als Festung, in der sie sich aufs Tapferste schlugen. Was die langsam zerstörende Zeit übrig gelassen, warfen die französischen Kanonen schneller darnieder. Nach der Einnahme Cordova's war der Alcazar nichts mehr, als ein malerisch verworrener Steinhaufen, ein zerstörtes Paradies, wo eine einsame Palme traurig ihr Haupt wiegt über verwilderten Gruppen von Orangen- und Citronenbäumen.

Vom Ufer des Guadalquivirs gingen wir oft auf den Platz, wo diese Burg stand. Von Terrasse zu Terrasse stieg man ehemals aufwärts, und da, wo jetzt Marmortrümmer liegen, führten einst marmorne Stufen hinauf. Oben auf der Höhe der Stadt stehen noch die Ruinen zweier riesenhafter Thürme und man erkennt auch wohl noch einen Theil der ehemaligen zierlichen Mauerkrönung, sowie ein paar zugemauerte arabische Fenster. Um den Fuß dieser Thürme hat irgend ein Einwohner der Stadt Schutt und Trümmer weggeräumt und dort einen kleinen reizenden Garten angelegt. Wie uns der Führer sagte, fand er nicht nur einen Theil der arabischen Wasserleitung, sondern sogar die Spuren großer Marmorbassins, die er reinigen und herstellen ließ; und wie sie heute da stehen in zu großen Verhältnissen für den kleinen Garten, in länglich viereckiger Form, aus mächtigen Marmorquadern erbaut, alle kunstreich unter einander verbunden, so erkennt man wohl, daß es in der That Überreste der ehemaligen Gärten des Alcazars sind.

Dieser Garten ist lieblich und mit vielem Geschmack angelegt, überall von den großen Bassins gespeist, plätschert das Wasser hervor und befeuchtet die Citronenspaliere und Orangenbäume, die hier von allen rauhen Winden geschützt in seltener Üppigkeit gedeihen. Der freundliche Gärtner zeigte uns einen eigenthümlichen Kohl, der in Stauden oder Bäumchen in einigen Jahren vier und fünf Fuß hoch gewachsen war. Er stand vertheilt zwischen Geranienbüschen und dunkellaubigen Granaten und stach mit seinen krausen Blättern von den verschiedensten blendenden Farben, gelb, roth, grün, blau, violett, prächtig von ihnen ab. Der Gärtner schenkte mir Samen davon, den ich später zu Hause pflanzte, aber nur kleine Kohlstauden, freilich mit gefärbten Blättern, erzielte, die der erste kalte deutsche Winter unerbittlich wieder hinwegraffte.

Vom ehemaligen Walle, der den Alcazar umgab, ist noch ein Brocken stehen geblieben, von dem man auf den Guadalquivir niedersehen kann und auf die Gegend jenseits des Flusses. Auch dort entdeckt man zwischen dem Grün der Bäume arabische Ruinen aller Art, Reste von Thürmen, von Mauern, ja von verfallenen Gebäuden, an denen man noch die Spitzbogenform der Fenster erkennt. Links von uns sahen wir die geneigte Ebene, auf der wir von Granada herüber geritten waren, gerade aus führt ein ziemlich schlechter Weg die Höhe hinauf mit Umgehung von Granada nach Malaga. Zu unserer Rechten aber haben wir die prachtvolle Brücke, welche der zweite Kalif, Hirem I., in sechszehn Bogen über den Guadalquivir bauen ließ mit ihrem stark befestigten Brückenkopf, la callahorra, unter dessen Thorbogen gerade die spanische Diligence dahin rollte auf der schönen, aber staubigen Straße nach Sevilla, auf dem Wege, den auch wir wahrscheinlich morgen Abend machen werden, wenn wir nämlich das Glück haben, drei Plätze zu finden.

Der freundliche Wirth unseres Gasthofs, der uns liebgewonnen hatte und sich viel mit uns beschäftigte, namentlich mit unserem Baumeister, der ihm einige höchst wichtige Rathschläge über ein neu zu errichtendes Pumpenwerk ertheilte, hatte uns auf den Nachmittag und Abend zu einer kleinen Tertulla eingeladen, wo wir auf seinem Landhause, la arizafa genannt, »Ort des Ergötzens«, am Fuße der Sierra Morena, einige seiner Bekannten und auch sehr schöne Bekanntinnen, wie er lächelnd versicherte, kennen lernen sollten. Gegen drei Uhr gingen wir zu Fuß hinaus, lange Zeit durch die stillen Straßen der Stadt, bei dem schönen Stierplatze vorbei.

Hinter demselben fängt die Alameda an, die sich, mit zwei Reihen Bäumen bepflanzt, mit Bänken zum Ausruhen längs einem Theil der alten Stadtmauer hinzieht, aber ohne große Bedeutung ist. Von ihr betraten wir die Ebene, welche Cordova umgibt und gingen unter riesigen hundertjährigen Olivenbäumen auf einem breiten, geschlängelten, sanft ansteigenden Sandwege gegen die niederen Ausläufer des Gebirges zu. Es war uns interessant, seitwärts von unserm Wege den Prinzen von Joinville mit seiner Familie zu sehen, welche zu Esel hinausgeritten waren. Der Prinz saß vor einer Baumgruppe, welche einen alten maurischen Thurm beschattete und zeichnete denselben. Eine etwas traurige Beschäftigung für einen Fürsten, der ein so bewegtes Leben geführt und der seit langen Jahren gewohnt war, auf seiner schnellen Fregatte das Weltmeer zu durchfurchen! Der Prinz von Joinville war mit seiner Familie bei seinem Bruder, dem Herzog von Montpensier, in Sevilla gewesen und hielt sich jetzt schon vierzehn Tage hier in Cordova auf, dessen Stille und Ruhe ihm behagte.

Wir erreichten das Landgut unseres Wirths in ungefähr einer Stunde. Unterwegs erzählte er uns, es sei auf dem Platze erbaut, wo sich ehedem die unermeßlichen Gebäude und Gartenanlagen befanden, welche König Abderrhaman III. erbaute und nach einer geliebten Gemahlin Azara, »Blume der Schönheit«, benannte. Nach alten Beschreibungen mußte es ein wahrer Feenpalast gewesen sein, der selbst den Alcazar an Reichthum und Schönheit weit übertraf. Seine Gärten reichten bis an die Vorstädte von Cordova und eine ungeheure Wasserleitung führte einen kleinen Fluß des kühlsten Quellwassers aus der Sierra Morena hierher, der Hallen, Terrassen und Gärten reichlich versah mit geschwätzigen Fontainen, die der Morgenländer so sehr liebt. Die Erzählungen über diese Azara gleichen den Geschichten aus tausend und einer Nacht. Da gab es Tausende von Marmorsäulen, die man aus Afrika, Griechenland, Italien und Frankreich herbeigeführt, die Decken waren aus Cedernholz geschnitzt, die Wände und Fußböden aufs Kunstreichste mit Gold ausgelegt. Die mächtige Brunnenschale der Haupthalle bestand aus einem einzigen Stück Jaspis, und um das Glitzern und Spiegeln einer natürlichen Quelle, auf deren Grund sich bunte Kieseln und Crystalle befinden, nachzuahmen, hatte man in's Inwendige der Schale einen Edelstein an den andern gefaßt, welche unter dem plätschernden Wasser ein wunderbares Farbenlicht hervorbrachten. Rings um diese Fontaine, erzählt Cuendias, schienen zwölf Thiere von gediegenem Golde und in Lebensgröße Wache zu stehen. Sie waren sehr künstlich gruppirt . . . Neben einem kolossalen Löwen, dessen Statur an die Wüstenkönige der Sahara erinnerte, standen als gehorsame Höflinge eine Antilope und ein Crocodil, während ihm gegenüber ein Adler und ein Drache die schwächern Luftsegler und Hühnerhofbewohner, nämlich einen Falken, einen Pfau, eine Taube, einen Hahn, eine Henne und eine Gans zu befehligen schienen. Aus Rachen und Schnabel dieser Thiere sprudelte ewig frisches Wasser, Dank den Winden aus der Sierra Morena; bei Tage blitzte und funkelte es unter den Strahlen der andalusischen Sonne, bei Nacht sprühte es als mondbeglänzter Diamanten- und Smaragd-Regen durch das grüne Laub der Gärten. Auf den Wellen des Quellbeckens schwamm ein goldener Schwan und unmittelbar über der Fontaine hing eine Perle vom reinsten Wasser und von merkwürdiger Größe. Sie war ein Geschenk, welches der griechische Kaiser Leo dem erhabenen Abderrhaman III. verehrt hatte. Eben so reich verziert waren die übrigen Säle und Gemächer des Palastes. Überall kostbare Tapeten aus Damaskus, überall reiche Teppiche aus Persien, und Gold, gediegenes Gold in fabelhaften Massen. Überall Blumen, Landschaften und Vögel, die der Natur so getreu nachgeahmt waren, daß man das Zwitschern der Waldsänger zu hören, den kühlenden Fächer der Abendluft zu fühlen und den berauschenden Blumenduft zu schlürfen glaubte.

Im Mittelpunkt des großen Gartens und auf einer Anhöhe, von wo man die Aussicht auf ein entzückendes Panorama hatte, erhob sich der Pavillon des Chalifen; Abderrhaman pflegte hier auf der Rückkehr von der Jagd auszuruhen. Dieß graziöse Gebäude, getragen von Marmorsäulen mit ciselirten Goldkapitälen, hatte etwas Phantastisches und glich, bei seiner Lage mitten im Grünen, einer Zaubergrotte im Schooß eines gefeiten Waldes. Der Plafond und die Wände des kaiserlichen Pavillons waren mit Gold und Edelsteinen eingelegt, welche wie eben so viele Augen des Genius blitzten, der mit so viel Kunstsinn und Verschwendung sie gesammelt und gereiht hatte. Das größte Wunder aber war eine Riesenmuschel aus Porphyr, die sich in der Mitte des Hauptsaales erhob. Sie war mit Quecksilber gefüllt, welches durch eine kunstvolle Vorrichtung immerfort strömte . . . Diese Muschel war eine Lieblingsspielerei Abderrhamans. Wenn er einen seiner Gäste, der den Pavillon zum erstenmal sah, überraschen oder erschrecken wollte, so mußten seine Diener auf ein verabredetes Zeichen alle Thüren des Salons auf einmal öffnen, und die Sonne, die plötzlich mit ihrem Strahlenmeer den ganzen Salon übergoß, spiegelte ihr Flammenbild an den Wänden und in den Diamanten, Smaragden und Rubinen tausendmal ab. Ferner wurde durch eine optische Täuschung, die heutzutage jedes Kind begreift, während sie in jenen Zeiten Zauberei schien, der Sonnenglanz vom Quecksilber so zurückgestrahlt, daß er dem Leuchten des Blitzes glich, während die fortwährende Bewegung des Metalls die Täuschung vollendete und der ganze Pavillon zu beben und zu wanken schien, wie ein von zornigen Meereswogen geschaukeltes Schiff.

Noch viel weniger aber als vom Alcazar ist von der Pracht der Azara etwas übrig geblieben. Hier haben Revolutionen und Kriege alles dem Erdboden gleich gemacht, und so wurde selbst der Platz vergessen und blieb lange Zeit unbeachtet liegen. Endlich durch die schöne Lage aufmerksam gemacht, – vom Fuß dieser Ausläufer des Gebirges übersieht man nämlich Cordova und weit hinaus das Flußbett des Guadalquivir – begannen Einzelne sich dort Landhäuser zu bauen, und als man, um die Fundamente zu legen, Erde und Schutt wegräumte, fand man wieder, was der Boden getreu aufbewahrt, unterirdische Gewölbe, riesenhafte Mauern, Bruchstücke von Wasserleitungen und Cisternen, Terrassen, Fundamente und dergleichen. Die neuen Anbauer benutzten was zu benutzen war, ließen stehen, was sie brauchen konnten und behandelten den Platz mit dem unermeßlichen Material wie einen weitausgedehnten Steinbruch. Nach und nach entstanden mehrere Landhäuser, die Mauerstücke in den Feldern verschwanden, der Grund wurde wieder urbar gemacht, mit Bäumen bepflanzt und eingesäet, und jetzt grünt und blüht wieder Alles auf dem verwüsteten Platze, wo ehemals die Azara gestanden. Uralte Olivenbäume strecken ihre Zweige mit dem silberfarbigen Laube weit hinaus, Orangen und Citronen, vor den rauhen Winden geschützt, gedeihen hier vortrefflich; in den kleinen Thaleinschnitten wuchern die Granatbäume ordentlich, und hohe Wände von Lorbeer haben sich oben zusammengeneigt, Laubengänge bildend, die zu irgend einem interessanten Punkte des Gartens führen, meistens zu einem mit Kunst und Geschick benutzten Überbleibsel jener alten Zeit, seien es nun Ruhebänke oder Tische aus Marmor, auf denen man Arabesken und Inschriften entdeckt, oder sei es ein Bassin mit klarem Wasser, das uns auf den Grund sehen läßt, wo wir künstlich zusammengefügte Quadern entdecken, ein so mächtiger Unterbau, der sichtbar aus einer andern Zeit stammt, als die später aufgeführten leichten Seitenwände. Auch gewölbte Gänge findet man noch hie und da in den Gärten tief unter der Erde, die man durch Stufen, welche man dort angebracht, praktikabel machte und die nun zu Kellern und sonstigen Gelassen dienen.

Das Landhaus unsers freundlichen Führers hatte eine wirklich prachtvolle Lage. Während die Nebengebäude mit einigen Feldern an der aufsteigenden Bergwand lehnten, befand sich das Wohnhaus mit einer ungeheuern Terrasse, die an den Abhang hinausgebaut war und vorne nach den Gärten zu vielleicht dreißig Fuß hohe Mauern hatte, längs denen bequeme Treppen hinabführten.

Unten war der Garten, wie wir vorhin beschrieben, malerisch mit alten Überresten geschmückt, nach unsern Begriffen sogar ein bischen verwildert, denn die Wege liefen ziemlich eigensinnig von einem Orte zum andern, das Wasser rieselte zwischen den obern Steinlagern eines großen Bassins nach allen Seiten durch und Lorbeer und Rebe machten sich ein bischen gar zu breit; namentlich rankten die letztern von Baum zu Baum, große Theile des Gartens mit einem dichten Netze überziehend. Zur heißen Sommerzeit ist dieß recht angenehm. Blendend weiß hob sich das Haus von der grauen Bergwand ab, und Orangenbäume, die es umgaben, zeichneten sich mit ihren dunkeln Blättern und gelben glänzenden Früchten so prächtig südlich und so scharf ab, daß man jedes der feingespitzten Blätter erkennen konnte. Um das Haus herumgehend, stiegen wir einige Schritte an den Bergen in die Höhe und traten unter ein großes Thor von hinten in einen kleinen Hof, der in's Haus führte und unser Führer hatte es so eingerichtet, daß wir nun durch die Hausthüre auf die Terrasse tretend mit einem Male die weite schöne Aussicht vor uns hatten. Cordova lag etwas tiefer vor uns, als unser Standpunkt war, so daß wir einen großen Theil der Stadt übersehen konnten, wie sich ihre Terrassen, die Logen auf ihren Häusern, sowie Thürme und Kuppeln in der klaren Luft so scharf abhoben. Zwischen dem Landhaus und der Stadt war die Fläche bedeckt mit Olivenwäldern, Orangen- und Citronenbüschen, und man erblickte deutlich die langen Reihen riesiger Aloen und Cactus, mit denen die Felder eingefaßt waren. Dabei war die Luft klar, wie ich sie lange nicht gesehen, und von einem wolkenlosen tiefblauen Himmel strömte eine solche Masse Licht und Glanz, daß die Landschaft wie in Sonnengluth gebadet erschien. Die weißen Häuser in der Nachbarschaft, die breiten gelben Sandwege zwischen den Olivenpflanzungen glänzten ordentlich und schienen einen Widerschein zu werfen auf die schattigen Partien in den Gräben und unter den Sträuchern, so daß selbst diese Schatten bläulich und violett erschienen.

Auf der Terrasse war schon eine ziemliche Gesellschaft versammelt; auch klangen uns schon von Weitem die Töne von ein paar Guitarren und das Knacken der Castagnetten entgegen. Wir wurden vorgestellt und mit den Anwesenden bekannt gemacht. Da war Don Manuel und Don Alonzo, Don Carlos und Don Hernan lauter Dons mit ihren Damen, die uns ebenfalls der Reihe nach genannt wurden, Donna Maria, Donna Sol, Donna Anna und Donna Elvira; auch Don Juanito fehlte nicht, war ein hübscher Andalusier und schlug wie rasend die Guitarre. Die Damen, denen wir vorgestellt wurden, waren meistens ziemlich ältlich, fast alle wohlbeleibt und mit einem niedlichen Schnurrbart versehen. Dabei waren sie liebenswürdig und freundlich, und als sie uns bewillkommneten, bildeten sie um uns eine redselige, ziemlich neugierige, festgeschlossene Phalanx, hinter der hervor wir das Lachen und Singen der jungen Sennoritas hörten, denen wir nicht im Allgemeinen vorgestellt wurden, sondern welche uns die betreffenden Mütter oder älteren Schwestern erst später einzeln vorstellten, nachdem sie getanzt oder gesungen. Alle waren ein recht harmloses und freundliches Völkchen und schienen der wohlhabenden Mittelklasse der Stadt anzugehören. Die Männer trugen fast alle die kurze andalusische Jacke, theils gestickt und verschnürt, theils von Sammt, andere, namentlich von den älteren, trugen auch diese Jacken aus feinem schwarzem Lammfell. Die Damen hatten meist bunte, ziemlich kurze Röcke, darüber Jäckchen von Seide oder Tuch, einige trugen Mantillen, andere aber hatten diese abgelegt und das Haar mit Blüthen oder Blumen geschmückt. Letzteres war auch bei allen jungen Mädchen der Fall. Nachdem wir einigermaßen bekannt geworden waren, ließ sich Alles wieder auf die Bänke der Terrasse nieder und es wurden Erfrischungen herumgereicht; getrocknete Früchte, auch Orangen und Granatäpfel, weißes Brod und ein paar strohumwundene Flaschen mit sehr gutem rothen Wein. Einige der älteren Männer hatten lange Flinten bei sich, mit denen sie sich amüsirten, nach armen Vögeln im Garten zu schießen. Das junge Mädchenvolk hielt sich anfänglich schüchtern in einer Ecke der Terrasse, sie neckten sich, sie lachten scheinbar zu Anfang der Strophe eines lustigen Lieds, in Wahrheit aber machten sich Alle mit einander über uns Fremdlinge lustig, wozu ihnen übrigens unser Anzug auch das volle Recht gab. Horschelt war ganz Andalusier, ein vollkommener Majo, wenigstens hielt er sich dafür, doch bestand sein Anzug, für die Reise gewählt, aus etwas derben Stoffen, hatte auch schon durch Regen und Staub bedeutend gelitten, und so sah er eher dem Mayoral einer castilianischen Landkutsche ähnlich, und unter dem keck aufgestülpten Hute schaute sein harmloses, gutmüthiges Gesicht mit sehr kleinem Barte heraus. Unser Baumeister, der es verschmäht hatte, etwas von der Landestracht anzunehmen, trug ein unscheinbares Reiseröcklein, dazu eine graue Weste, wie sie sich für seinen Umfang paßte, und war, mit den meisten Sprachkenntnissen ausgerüstet, eher als wir im Stande, den jüngern Andalusierinnen seinen Hof zu machen, was er auch nicht unterließ und wobei er sie durch seine Brillengläser scharf musterte. Von mir selbst zu reden, verbietet mir eigentlich die Bescheidenheit, nichtsdestoweniger aber darf ich versichern, daß ich in meinem Leben Momente gehabt, wo ich vortheilhafter gekleidet war, als hier bei der Tertulla in Cordova. Allerdings trug auch ich wie unser Maler andalusischen Hut und Jacke, nebst rother Faja und ungeheurem Klappmesser. Statt der kurzen Beinkleider und Lederkamaschen aber hatte ich ein Paar sehr schwere Unaussprechliche, mit dickem Leder besetzt, die meinem ohnedieß sehr untersetzten Äußern, im Gegensatze zu den zierlichen Spaniern, etwas so Schwerfälliges gaben, daß Horschelt, als ich später mit einem der schönen Mädchen einen deutschen Galopp versuchte, mir nachher lachend sagte, der habe gerade so ausgesehen, als wenn ein junger Elephant getanzt. Dem sei nun wie ihm wolle, wir machten uns so liebenswürdig als möglich und wurden dafür belohnt. Die älteren Donna's nahmen sich unserer aufs Freundlichste an, verwiesen den jungen Mädchen ihr ewiges Lachen, und forderten sie auf, vernünftig zu sein und zu singen und zu tanzen, was ja doch ihre einzige Beschäftigung sei. Lange wollte keine vortreten, und es brauchte noch der Ermahnung unseres Wirthes, bis sich endlich eine der Kecksten entschloß, näher zu kommen, und dann neben Don Juanito hintrat, der ein paar Accorde von der Guitarre herunterriß und ihr lachend zurief: Anda, Adela.

Adela war eines der reizendsten Mädchen, die wir bis jetzt in Spanien gesehen, vielleicht erst sechszehn Jahre alt, für eine Andalusierin eher klein als groß, doch war ihr aufblühender jungfräulicher Körper im lieblichsten Ebenmaße gebaut. In ihrem Gesichte lag eine liebenswürdige Mischung von frischer Lebensfreude, unbefangener Schalkhaftigkeit, zugleich mit dem wunderbaren Ernste, der den Spanierinnen so eigen ist, wenn sie die lachenden Lippen schließen und die träumerischen Augen weit öffnen. Und dieses Mädchen hatte ganz prachtvolle Augen! groß, dunkelbraun und glänzend mit herrlich gewölbten Augenbrauen, deren Feuer nur dann gedämpft wurde, wenn sie die Lidern mit den langen seidenen Wimpern auf Augenblicke herabfallen ließ. Für diese Art von Augen, die einen eigenthümlichen Anflug von Nachlässigkeit und Schalkhaftigkeit haben, die aber bei Ausbrüchen der lebhaftesten Affekte so wunderbar hinreißend sind, hat der Spanier den Ausdruck: Ojos adormidillos von adormido, schläfrig, hergeleitet, dessen Diminutiv aber unübersetzbar ist.

Was sie sang, war eines jener reizenden spanischen Volkslieder, die fast alle von den Freuden und Leiden der Liebe handeln:

Mas vale trocar
Placer por dolores,
Que estar sin amores.

Donde es gradecido,
Es dulce el morir,
Vivir in olvido,
Aquel no es vivir.
Mejor es sufrir,
Passion y dolores,
Que estar sin amores.

Viel besser ist tauschen
Freude um Leiden,
Als Liebe zu meiden.

In Liebe ersterben
Ist süßer Tod;
Vergessen zu leben,
Das ist kein Leben.
Viel besser ist nehmen
Statt Freude Leiden,
Als Liebe zu meiden.

Innig und freundlich sang sie dieß bekannte reizende Lied; und als sie einmal im Zuge war, folgten auch andere, mit und ohne Castagnettenbegleitung. Wenn sie die Castanuelos an ihre Fingerchen befestigt hatte und nun während des Gesanges mit den kleinen Füßen auf den Boden trat, den Kopf neckisch emporwarf und dazu zuweilen mit den Armen eine Bewegung machte, als wollte sie zur Cachucha ansetzen, so war das Mädchen über alle Maßen schön und liebenswürdig. Später führte sie eine förmliche Scene auf, einen Dialog in Versen mit einzelnen Klängen der Guitarre, wo sich ein Caballero um die Liebe einer Gitana bewirbt, von dieser aber zurückgewiesen wird, eine Scene so voll Leben und Wahrheit, daß wir Alle ungestüm applaudirten. Dann aber war sie nicht mehr zu halten, sie flüchtete erröthend hinter ihre Mutter, und in diesem Augenblicke sah das liebliche Gesichtchen aus, wie das dunkle Roth einer Pfirsich.

Auf vieles Ermuntern und Bitten traten endlich auch vier Paare der jungen Mädchen zu einem Tanze zusammen, der von Don Juanito und einem Paar Anderer mit Guitarren und Castagnetten begleitet wurde. Dazu hatten sie ihre Jäckchen abgelegt und hatten nun nichts mehr an, als leichte tief ausgeschnittene Mousselinekleidchen ohne Basquina oder Halstuch, deren Röckchen so kurz waren, daß man vollkommen die zierlichen Füße sehen konnte. Es war ein Fandango, den sie uns zum Besten gaben, jener herrliche, üppige Tanz, in dem sich die reizendste Körpergewandtheit zugleich mit der glühendsten Passion ausdrücken kann. Wir hatten das schon in der Mancha gesehen, sowie in den Theatern von Barcelona und Valencia. Was aber auf unserm Maulthiertreiberball zuweilen als etwas allzu derb erschien, oder auf der Bühne zu sehr gekünstelt und geziert, war hier die reine warme Natur und Wahrheit. Als die Musik begann, blickten die Mädchen zuerst auf den Boden oder schüchtern zu uns herüber, mit jedem Takte aber riß sie die Gewalt der Töne und die Leidenschaftlichkeit des Tanzes mehr und mehr fort. Dazu hatten sie die Ärmel ihrer Kleidchen bis an die Achseln hinaufgestreift, und man sah nicht nur die schönen vollen Formen der runden Arme, sondern war entzückt über die Haltung derselben, sowie der Hände, wie auch über die Leidenschaft, Elasticität und über die Grazie, mit der sie die üppigen Verschlingungen und Körperwindungen des liebeathmenden Tanzes ausführten.

Da die Mädchen ganz unter sich tanzten, und also nur eine Freundin der andern an die Brust sank, sie umschlang und heftig an sich preßte, wobei zuweilen ein neckischer und doch wilder Kuß vorkam, so genirten sich die Andalusierinnen auch nicht im Geringsten und ließen die ganze Wärme ihres Gefühles ausströmen. Zum erstenmal verstand ich hier so recht die Sprache dieses eigenthümlichen Tanzes, vielleicht mehr noch, als die Tänzerinnen selbst, so junge Mädchen, daß man die meisten bei uns Kinder genannt hätte. Es war in der That ein wunderherrlicher Anblick. In einer schönen Nacht in Cairo hatte ich etwas Ähnliches geschaut, als egyptische Tänzerinnen vor uns tanzten, und doch war es wieder so ganz anders, der Tanz selbst und das Wesen desselben. Dort mit Überlegung gegeben, hier mit der Lust am Tanzen und in reinster Unschuld, deßhalb aber war es auch so schwer, diesem aufregenden Spiele ruhig und gleichgültig zuzuschauen. Wurde doch hier zuweilen in der Leidenschaft und Aufregung des Tanzes den Blicken Manches erlaubt, das eine kältere Natur in Entzücken versetzen konnte, besonders aber, weil Alles so unbewußt und ganz zufällig und unabsichtlich geschah: Ja, gewiß, selbst der alte Kalif Al Hakem würde wohlgefällig gelächelt haben, wenn er dieß reizende Ballet hätte sehen können, das hier auf einer der Terrassen seiner frühern Burg aufgeführt wurde.

Die umstehenden Spanier, die dieß gewiß schon sehr häufig erlebt, waren nicht weniger hingerissen als wir. Das Klatschen und die freudigen Ausrufungen wollten kein Ende nehmen, und als sich endlich der Tanz löste und die jungen Mädchen erhitzt und schwer athmend nach allen Seiten auseinander stoben, wurde jede von ihren Bekannten umringt und ihr alles erdenkliche Schöne gesagt; aber ebenso wie die Tänzerinnen selbst benahm sich auch das zuschauende Publikum so schön und anständig, wie man es bei diesem noblen und liebenswürdigen Volke, welches die höchste Leidenschaft mit ächtem Anstande zu vereinigen weiß, überhaupt gewohnt ist.

Unterdessen war die Sonne hinabgesunken und ihr letzter Kuß färbte die Landschaft mit unbeschreiblich warmen und glühenden Tönen, ebenso die lachenden Gesichtchen und glänzenden Augen unserer liebenswürdigen Tänzerinnen und Sängerinnen, die jetzt alle an der Terrassenbrüstung lehnten und dem verschwindenden lodernden Gestirne jubelnd nachblickten. Ehe wir von dem Landhaus aufbrachen, mußte uns die schöne Adela noch die Namen einiger der Lieder, die sie gesungen, in unsere Taschenbücher schreiben, was sie auch bereitwillig that; dann brachen wir auf und erreichten mit sinkender Nacht Cordova unter Scherz und Lachen. Auch Guitarren und Castagnetten ruhten unterwegs nicht; doch schien ein solcher nächtlicher Lärm selbst in den stillen Straßen der Stadt kein Aufsehen zu erregen. Es war das ja bei diesem heitern lustigen Volke nichts Ungewöhnliches und kein Mensch bekümmerte sich darum. Als höfliche Leute und reisende Müßiggänger, die jedoch mit dem Rest ihres Abends nichts anzufangen wußten, begleiteten wir die jungen Damen nach Hause, d. h. nur bis an die Thüre ihrer Behausungen, und zwar in Begleitung Don Juanito's, der ein höchst drolliger und aufgeweckter Bursche war. Auch zeigte er uns bereitwillig die Art und Weise einer spanischen Serenade, und lockte mit den Tönen seiner Guitarre und einer neckischen Seguidilla einige der jungen Damen noch auf den Balkon hinaus, so die schöne Adela, die so freundlich war, noch einen Strauß Orangenblüthen herabzuwerfen und nicht für den Sänger, wie sie lachend ausdrücklich rief, sondern für die fremden Begleiter. – Das alte Cordova ist trotz seiner Einsamkeit eine prächtige Stadt, und unter Lachen und Guitarrenklang zogen wir durch die leeren Straßen dahin, die Worte des Dichters recitirend:

Auf, Page, folge meinen Pfaden,
Hinaus mit Tamburingeklirr;
Heut Abend will ich Serenaden,
Daß fluchen sollen die Alcaden
Bis an den Guadalquivir!

Als wir in unsern Gasthof zurückgekehrt waren, gestanden wir uns, einen sehr schönen Nachmittag verlebt zu haben, und dankten unserm Wirthe für die reizende Tertulla, zu der er uns geführt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Winter in Spanien