König Max II. Von Julius Grosse.

Julius Grosse (1828-1902) hat in seinen Lebenserinnerungen ,,Ursachen und Wirkungen“ eine Fülle trefflicher Beobachtungen des Münchner Lebens und der Münchner Persönlichkeiten vereinigt. Über König Max II. urteilt er:

König Max II. Persönlichkeit war die eines Kavaliers, gleichsam eines englischen Lords, hoch und schlank gewachsen, mit verhältnismäßig kleinem Kopf, der zu zwei Dritteln Stirn zu sein schien; die großen, intelligenten Augen bald forschend scharf, bald verschwimmend, die Stimme verschleiert mild, fast frauenhaft, wie in der ganzen Mannesgestalt etwas Weibliches vorzuwalten schien; ein Herrscher, der weder zu seinen Lebzeiten, noch bis heute, von seinem Volke recht erkannt und nach Gebühr geschätzt worden ist, allerdings nicht ganz ohne seine Schuld und nicht ohne tragische Buße. Tragisch schon darf man es nennen, daß er den Norden, woher er seine geistigen Helfer rief, zugleich liebte und haßte, liebte als die Heimat der Wissenschaft und seiner Jugendfreunde Wendland und Dönniges, welcher die späteren Berufungen bewirkte, dagegen haßte als politische Macht, die er als Wittelsbacher fürchten zu müssen glaubte. Allerdings, auch König Max war von der fixen Idee beherrscht, daß Preußen eines Tages den deutschen Einheitsstaat herstellen und Bayern verschlingen werde. Aus diesem unvereinbaren Doppelaffekt der Liebe und des Hasses, der Zuneigung und des tiefsten Misstrauens dürften sich manche Widersprüche seines Handelns erklären, vor allem der scheinbare Wankelmut, dem Sybel und Bluntschli zum Opfer fielen, wie die willenlose Nachgiebigkeit gegen partikularistische, wohl auch österreichische Einflüsterungen.


Man hat wiederholt behauptet, daß der König die hohe Begabung seines eigenen Volkes unterschätzt und die Fremden deshalb bevorzugt habe, weil er die einheimischen Talente missachtete. Lag darin eine Verschuldung, so ist sie nicht den Norddeutschen zur Last zu legen, und außerdem ist die etwaige Verschuldung reichlich gebüßt worden, wenn auch erst in der nächsten Generation. Aber wahrhaft tragisch-ironisch muß es anmuten, daß die Nemesis gegen die bevorzugten Norddeutschen nicht etwa vom bayerischen Volke kommen sollte, sondern gleichfalls von einem Norddeutschen, genauer gesagt, von einem Sachsen, der, nachdem er die Huld und Gnade seines Monarchen in ganz anderer Weise ausbeutete als seine Vorgänger, diese letzteren zwar diskreditierte und vertrieb, aber ein Reich des Wahns aufrichtete, der seinen königlichen Freund schließlich umnachtete; eine Evolution von eigenartigster Peripetie, wie von erschütterndster Tragik.

Wie es gekommen wäre, wenn König Max II. länger gelebt hätte, ob er mit gleicher Wärme der Erneuerung des Deutschen Reiches zugestimmt haben würde, wie sein unglücklicher Sohn, und was geschehen wäre, wenn er widerstrebte - wer vermag es zu sagen? Vielleicht hätten die gewaltigen Tatsachen auch eine Wandlung seiner Gesinnungen herbeigeführt. Im Jahre 1861 stand König Max noch unter der Herrschaft des harmlosen Wahnbildes der Triasidee und wahrlich nicht er allein.

Max II., geboren 28.November 1811, gestorben 10. März 1864. Seine ihm von W. von Dönniges eingegebene, politische Lieblingsidee war die Schöpfung eines Bundes der deutschen Mittel- und Kleinstaaten unter Bayerns Leitung, der neben den beiden Großmächten Österreich und Preußen vollwertig als dritte Großmacht (daher Triasidee) bestehen sollte. Er gab indessen, viel mehr seinen kulturellen Interessen als der Politik zugewandt, den Plan aus und schloß sich 1863 dem österreichischen Bundesreformprojekt an.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert München 1800-1900