Abschnitt 4

Die in Vorstehendem angegebenen Pachtsummen, die übrigens nach dem heutigen Geldwerthe natürlich nicht zu schätzen sind, repräsentiren aber nur von 1806 ab die wahren Leistungen der Kellermeister, denn diese hatten vordem einerseits noch sonstige Abgiften zu leisten und genossen dafür andererseits auch wieder Erleichterungen. Schon zu der Zeit, als der Rath den Keller noch selbst in Verwaltung hatte, bezogen die dabei speciell betheiligten Rathsmitglieder besondere Emolumente, wie daraus hervorgeht, daß vom 3. August 1482 ab der damalige Schenke bei jedem neu eingelegten Fasse für die Bürgermeister 2 und für die Weinherren 1 Stübchen notirt hat und daß auch bei den Berechnungen der Weinkäufe von 1564 bis 1571 regelmäßig - für die Bürgermeister freilich Nichts - „der Weinherren Gerechtigkeit“ in Ansatz gebracht ist, welche aber damals schon in Gelde, dessen Betrag sich nach dem Verkaufspreise regulirte, entrichtet wurde, sowie daraus, daß zu derselben Zeit die Bürgermeister (nämlich zwei derselben), die beiden Kammerherren und der Stadtschreiber jährlich je 2 Stübchen und zwar ebenfalls in Gelde erhielten. Diese früher vom Keller getragenen Leistungen wurden dann bei der Verpachtung dem Pensionarius aufgelegt, theilweise allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen, theilweise aber auch noch vermehrt. Nach den Pachtcontracten von 1593 flgd. sollten die Pächter von jedem neu angebrachten Fasse den Weinherren und dem Stadtschreiber je 1 Stübchen geben, seit 1602 bedangen auch die Bürgermeister sich diese Hebung aus, welche denn seit 1664 der Syndicus gleichfalls genoß. Weiter wurde 1593 flgd. ausgemacht, daß der Pächter alle vier Festzeiten, d. h. jedes Quartal, jedem der vier Bürgermeister 1 Stübchen senden solle, welches seit 1604 auch die Weinherren und seit 1631 der Syndicus ebenfalls erhielten. Seit 1628 erscheinen verschiedene neue Abgaben; damals und in den folgenden Contracten machte man für die Bürgermeister, den Syndicus, die Weinherren und den Stadtsecretär auf Ostern - später wurde die Zeit freigegeben - eine „Collation oder Gesterey“ aus, ein Andenken an die früher bei Gelegenheit der Rechnungsaufnahmen abgehaltenen, oder dafür jeder Person noch 2 Stübchen, 1 Johannis und 1 auf Martini, oder später Michaelis, ferner jährlich einen guten Holländischen Käse und zwei gute steinerne Krüge, sowie endlich denselben mit Ausnahme des Syndicus auf S. Pantaleon (Juli 28) noch 1 Stübchen, welches 1599 als „alter Gebrauch“ bezeichnet wurde, für dessen Alter wir aber so wenig ein Zeugniß ablegen, als wir seine Entstehung erklären können. Uebrigens hat man seit 1637 diese Abgift dem Pächter nicht weiter zugemuthet. Alle jene verschiedenen Leistungen wurden dann 1665 dem Wunsche des damaligen Pächters gemäß auf 12 Stübchen für jede der obgenannten Personen und 6 M. Krug- und Käsegeld festgesetzt, was, das Stübchen zu 2 Th. gerechnet, eine Summe von 208 Th. ausmacht. Diese ist also durchschnittlich den späteren Pachtsummen bis 1766 zuzurechnen, von wo ab sämmtliche Leistungen der Pächter in Eine zusammengefaßt wurden. Da nun aber die Abgiften, sammt der Miethe an die Kämmerei von 50 Th., seit 1766 24 Th., als Verwaltungskosten betrachtet wurden, so verminderte sich der Antheil der beim Keller nicht speciell interessirenden Rathsverwandten immer mehr, bis dieselben endlich gar nichts mehr davon einzukommen hatten; daß gleichzeitig auch die Einkünfte der Bürgermeister, des Syndicus u. s. w. allmälig immer geringer wurden, liegt auf der Hand.

Eine Erleichterung für die Pächter des Kellers war es dagegen, wenn sie so wenig, wie früher der Rath selbst, vom Rheinweine und den heißen Weinen sowie von Rheinischem Branntweine Accise zu zahlen hatten. Als aber dann seit dem Ausgange des siebenzehnten Jahrhunderts auch andere Weine im Rathskeller zu führen gestattet wurde, mußten sie gleich den Bürgern davon geben, wie nicht minder vom Branntweine, wenn sie an Krämer ganze oder halbe Oxhöfte verkauften. Von fremden Bieren hatten sie 150, später 130 Tonnen frei, ein Uebriges unterlag aber der Accise. Zuletzt zahlten sie eine Abschlagssumme, bis 1806 die Freiheit der Pächter gänzlich aufhörte. Auch mit Einquartirung und Contributionen, welche seit dem dreißigjährigen Kriege der Wismarschen Bürgerschaft das Mark aussogen, sind die Kellermeister verschont worden, wofür sie eine Recognition von 15 Th. zahlten. Die Contributionsfreiheit hat bis 1806 bestanden, die Exemtion von der Einquartirungslast bis 1853, wo zugleich für die Pächter die Verbindlichkeit ausgesprochen wurde, das Bürgerrecht zu gewinnen.


E. E. Raths Weinkeller war, wie schon verschiedentlich angedeutet, ursprünglich keine Weinhandlung nach heutiger Weise, in welcher alle Arten feil sind, die zwischen dem 40° S. B. und dem 50° N. B. gedeihen, sondern man schenkte dort in älterer Zeit nur edle Weine, Rheinwein nämlich und Südweine. Von diesen führte man Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Sonderheit den Malvasier (malmesye), sowie in geringer Menge den „Romeyn“ oder „Rumanye“, der mit Malvasier immer zusammen genannt wird und nicht etwa für jenen trefflichen Burgunder zu halten ist, welchen wir unter dem Namen Romanée kennen, vielmehr ohne Zweifel eben ein süßer Wein des Südens war. Endlich hatte man noch, aber gleichfalls in geringer Menge, den „Bastert“ oder „Bastart“, einen süßen Spanischen Wein, welcher vielleicht besonders zum Auffüllen anderer, und, wie aus einem anscheinend zu Lübek geführten Manual des öfter genannten Claus Bischof hervorgeht, zur Verschönerung der Land- und Franz-Weine diente. Im Lübischen Rathskeller hatte der Käufer von Rheinwein frei unter drei Fässern zu wählen, aber so großartige Verhältnisse bestanden in Wismar nicht und es wurde vielmehr den Pächtern zur Pflicht gemacht, dem Armen wie dem Reichen aus demselben Fasse zu zapfen; erst 1747 ist von besonderen Sorten die Rede. Auf gute Qualität ist aber immer gehalten worden und daher auch gleich im ersten Pachtcontracte dem Kellermeister strenge zur Pflicht gemacht, für „gute excellente“ Rheinweine zu sorgen, auch, wie schon früher durch Hansebeschluß von 1417 und in Wismar speciell durch den alten Schenkeneid, 1602 bei 10 Th., 1628 bei 20 Th., 1665 bei 100 Th. und seit dem vorigen Jahrhunderte bei willkürlicher Strafe, so oft es vorkommen würde, das Auffüllen mit anderem Weine, als Rheinischem, untersagt, wozu mehr noch, als Franzwein 15), der Frankenwein mißbraucht wurde, welchen letzteren zu führen deswegen sicher bis 1775 den Pächtern durchaus verboten war, während die Weinherren noch im letzten Säculum den Moselwein für den Ratskeller ausschließlich in Anspruch nahmen. Solche Sorgfalt war auch von Erfolg begleitet und der Rath konnte bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts die Pächter verpflichten, den „guten Ruhmb“ und das „vorige Lob“ beim Keller zu erhalten, wenn allerdings auch schon um die Mitte jener Periode Klagen gehört wurden. Allmälig aber, etwa seit der Dänischen Belagerung im Jahre 1675, gerieth dann, theils wohl durch die Schlaffheit der Aufsicht, theils auch durch Nachlässigkeit und Habsucht der Pächter, welche bei den kurzen Pachtperioden schnell zu verdienen trachteten, theils endlich durch die Mode, die sich den Rhein- und Süd-Weinen abwendete, sowie den verminderten Consum in der verarmten Stadt, der Keller so in Verfall, daß dort von jenen Weinen wenig mehr die Rede war und der Franzwein an ihre Stelle trat. Uebrigens schätzte man in älterer Zeit den jungen Wein, den Most höher; Werner Hahn von Tempzin bittet 1563 den Rath, ihm ein Ohm des besten Weins zu verkaufen, der „wolschmeckendt vndt nicht zu alt“ sei, und, wenn der Lübische Martensmann Rheinwein nach Schwerin zu Hofe brachte, so nahm man denselben, falls es kein Most war, nur mit Protest. Man hat sich aber, wenn man alten Rheinwein hatte, bei dem sich bekanntlich der Duft an der Säure entwickelt, dadurch geholfen, daß man mit Südwein „durchnähte“, eine Aushülfe, die jetzt nicht mehr nöthig ist, da der Weinhändler der fortgeschrittenen Jetztzeit auch dem jungen Rheinweine einen Duft zu verleihen versteht, von dem unsere armen Vorfahren keine Ahnung hatten. Eben so wenig wie beim Rheinweine unterschied man beim Malvasier verschiedene Sorten 16). In der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts hatte man außer ihm und Bastert noch Muscatel im Keller und „Refall“, den man sehr gewagt für Wein aus dem Rheinthale in Graubünden erklärt hat 17) im siebenzehnten wurden besonders Pedro Ximenes, Sect und Alicante von Südweinen beliebt, zu denen im folgenden noch der „Spanische“ und der „Portugies-Wein“ (Xeres und Portwein?) traten.




15) Ik, fagt J. Lauremberg II, 789, dorve wedden um ein stofken Rinschen win, Van dem, dar noch nicht is de Franzman to gestegen.
16) Der Preiscourant des mit vollem Rechte berühmten Hauses G. C. Lorenz Meyer in Hamburg führt von diesem lange nicht genug bekannten Weine drei Sorten auf: Madeira-M., Alicante-M. und M. de Sitges.
17) Rivesaltes? Valls?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar