Abschnitt 3

Unter der Aufsicht der Weinherren verwaltete den Keller der Schenke, caupo, winman, wintepper, Weinschenk, Kellermeister. Dieser hatte den Wein einzulegen, ihn zu pflegen, zu verzapfen und Buch darüber zu führen, für die sonstigen Bedürfnisse des Kellers an Kohlen, Licht, Maaßen und Gläsern zu sorgen, das Inventarium sowie das Heizen und Reinigen zu überwachen und war der Vorgesetzte des Kohlgreven, dem letztere Geschäfte oblagen, und der Jungen oder Gesellen oder Diener, welche bis Mitte vorigen Jahrhunderts gleich ihm in Eid und Pflicht des Rathes standen. Endlich gebrauchte man ihn auch zum Einkaufe der Weine für den Keller und wenigstens in älterer Zeit, wie es scheint, zum Prüfen des Bürgerweins. Sein fester Lohn betrug 1480: 30 M., um 1500: 40 M. und 1565 erhielt er 50 M. und außerdem seine Frau zur „Kirchmesse“ noch 2 M. Dazu kamen aber dann noch gewisse Gefälle, welche nicht bloß ein 1479-1483 wiederholt eingetragener Posten von 1 M. 8 für Wasser, Salz und Zwiebeln andeutet, sondern auch der Ausdruck „alte Gewohnheit“ in dem um 1500 abgefaßten Schenkeneide 12) bezeichnet. Ob der Schenke eine Dienstwohnung hatte, ist nicht nachzuweisen, doch steht es nach der Analogie anderer städtischer Dienste zu vermuthen und könnte wohl das sogenannte Emische oder Eimbeker Haus, am Markte Nr. 16, dazu gedient haben, von dem aus man ziemlich alle drei Eingänge des Kellers hat übersehen können. Keinenfalls schlief er mit den Jungen, welche er bei sich hatte, im Keller 13), der vielmehr Nachts von Hunden bewacht worden zu sein scheint, da in den Rechnungen von 1564/70 wiederholt Ausgaben „für Hundebrot dem Bäcker“ angesetzt sind.

Schließlich muß aber die eigene Bewirthschaftung des Kellers mittelst des Schenken dem Rathe nicht gewinnbringend genug oder sonst inconvenient erschienen sein, kurz er beschloß am Ende des sechszehnten Jahrhunderts den Keller zu verpachten. Die Schenken mögen in alter Zeit Stadtkinder gewesen sein; nach Gottfried, 1300/8, begegnen wir außer dem zweifelhaften Berteheile, 1328/34, ferner Henneke Kock, 1349/50, und Johann Kalsow, 1355, als solchen. Aus den beiden folgenden Jahrhunderten sind dann als Schenken Johann v. d. Tatelen 1464/5, Caspar 1469/79, Claus Bischof 1479/83, dessen Nachfolger Johann, Sivert Brüsseler 1506, Hinrick Wicherdes 1519, Hans Greve 1560/74, zuletzt Konrad Simbson bekannt, welche Namen theilweise auf Rheinische Abstammung zu deuten scheinen, wie denn Claus Bischof in der That von Bingen gebürtig war 14). Der Rath wird eben geglaubt haben, daß die Rheinländer ihr heimathliches Product am Besten zu handhaben verständen, und so mag er auch um so eher auf eine Verpachtung des Kellers eingegangen sein, als er mit zwei Rheinländern, Heinrich Slebusch, Vater und Sohn, Rathsverwandten und Bürger zu Köln, abschließen konnte. Diese pachteten den Keller, den sie, wie ihre Nachfolger, durch einen Bevollmächtigten verwalten ließen, von Ostern 1593 ab auf zwei Jahre und weiter bis Ostern 1599 für 600 M. Da aber der Rathmann in dieser Zeit starb und der Sohn zu Hause genug zu thun haben mochte, so übernahm dessen Schwager, Herman Möller, den Keller von 1599 ab auf vier Jahre gegen eine Pacht von 500 M. Ihm folgte sein früherer Diener Dietrich Dornkamp von Vechte laut Contract vom 19. März 1602, nebenbei bemerkt, einem Unglückstage für die Stadt, da dieser rohe Geselle durch einen in Thätlichkeiten ausartenden Streit mit seiner Schwiegermutter, Ehefrau des Rathmanns Marten Schepel und Schwester des Bürgermeisters Adam von Restorf, zu langwierigen und kostspieligen Streitigkeiten mit dem Landesherrn Anlaß gab, welche erst 1619 ihr Ende fanden. Im Jahre 1610 wurde mit Dietrich Wulfrath von Lübek auf acht Jahre ein Contract geschlossen, in den 1615, August 4, sein Diener Jakob Krakamp eintrat. Dieser scheint aber schlecht gewirthschaftet zu haben, da er in kurzer Frist Wulfrath 3000 M. schuldig wurde, starb bald und erhielt als Nachfolger Hinrich Schepel, welcher den Keller, nachdem mit Wulfrath weiter contrahirt war, von 1616 bis 1624, Juli 10 verwaltete. An seine Stelle trat nach Verhandlungen mit Wulfrath Marx Tanke, Hans’ Sohn, und dieser pachtete zusammen mit Jakob Gammelkern, einem Sohne des Raths- verwandten Jürgen Gammelkern, 1628 oder 1629 den Keller in der Weise, daß jener den „rechten Hauptkeller“ gegen eine Pacht von 300 M., dieser „das vorderste Theil oder den kleinen Keller nach dem Markte wärts“ um 200 M. erhielt, jedoch mit der Bedingung, letzteren auf eigene Kosten zu Wohnung und Nutzung einzurichten. Gammelkern scheint bald verstorben zu sein und Tanke pachtete 1631 den ganzen Keller für 700 M. weiter. Im Jahre 1637 wurde dieser Contract erneuert und 1643 mit Gödert Rotterdam von Lübek abgeschlossen, der Tanken Wittwe heirathete. Während seiner Zeit, etwa seit 1657, begann Johann Tanke, sein Stiefsohn, der inzwischen zu seinen Jahren gekommen war, eine Reihe von Manövern, durch welche er den Rath bewegen wollte, den Keller ihm zu übertragen, doch trat nach Rotterdams Tode zunächst Chrn. Jak. Brun in den 1660 abgeschlossenen Contract, welcher 1664 mit ihm auf drei Jahre zu 800 M. erneuert wurde. Dieser resignirte aber bald und da endlich gelang es 1665 Johann Tanke, daß man ihn gegen eine Pacht von 1000 M. annehmen wollte, als er vor Vollziehung des Contractes starb, welcher dann an seine Wittwe und Joh. Ulr. Dörckes kam, der sich aber bereits im October 1666von seiner Gesellschafterin trennte und dieser den Keller allein überließ. Bei ihr und ihrem Sohne blieb derselbe bis 1685, wo er letzterem gekündigt wurde, weil man fand, daß er „dem Keller nicht woll vorstehe und in Acht nehme“. Der junge Tanke acceptirte die Kündigung und der Rath entschloß sich nun, den Keller wiederum selbst zu bewirthschaften, indem die specielle Administration in die Hände des Bürgermeisters Joachim Lehmann gelegt wurde; doch übernahm dieser bereits 1688 den Keller wieder auf eigene Rechnung für die alte Pacht von 1000 M., und zwar zu seinem großen Schaden, wie wenigstens seine Erben behaupteten. Nach seinem am 20. März 1693 erfolgten Hinscheiden schloß man mit Joh. Paul Pauly ab, der die ersten zwei Jahre 800 M., die beiden folgenden 900 M. und die drei letzten Jahre 1000 M. geben sollte, aber schon 1694 an Joh. Dan. Wolf abtrat. Unter diesem kam der Keller aber ganz herunter, so daß der Rath ihm bei Ablauf seiner Pachtzeit kündigte - man wurde ihn jedoch erst 1702 und zwar durch einen Proceß los - und dem Wirthe im Neuen Hause, Andreas Weltner, den Keller für eine Pacht von 550 M. übergab. Im Jahre 1708 contrahirte man mit diesem weiter, war aber genöthigt sich auch seiner vor Ablauf der Pachtzeit mittelst Prozesses zu entledigen. Nach Weltners Abzuge 1712 pachtete Ludwig Roussel den Keller auf drei Jahre für 300 M., 1715 Heinr. Dan. Kossel bis 1721 für 400 M., doch schon 1716 mußte man von Neuem mit Christian Holsten und Andreas Hein abschließen, die den Keller bis 1723 inne hatten und die ersten Jahre 375, die letzten 400 M. zahlten. Andreas Hein pachtete dann weiter auf acht Jahre in derselben Weise und auf’s Neue dessen Wittwe, geb. Holsten, bis 1739 für 400 M. Diese wohnte aber nicht aus und es folgten ihr, nachdem Joh. Georg Stöber den Keller kurze Zeit gehabt, 1738 Joh. Ernst Stöver und Joach. Hinr. Thomas, die 420 M. geben sollten. In diesen Contract trat 1742 Jakob Volkmann, welcher für dieselbe Summe 1740 den Keller weiter pachtete. Als nach seinem Tode die Wittwe den Gerichtssecretär Lüderwald wieder heirathete, wünschte sie vom Keller los zu kommen, nachdem sie denselben seit 1748 allein inne gehabt, doch ergab ein Meistgebots-Termin kein annehmliches Resultat. Unter der Hand trat sie dann mit Bewilligung des Rathes den Contract an Joh. Mich. Stein ab, der 1761 von Neuem pachtete. Auf sein Anhalten nahm der Rath jedoch 1766 den Keller wieder zurück und verpachtete ihn dann wieder bis 1775 an Joh. Pet. Eman. Detgens von Wismar für 250 Th., neben denen derselbe aber von allen sonstigen Abgiften, auf welche wir unten weiter zurückkommen werden, befreit wurde. Bei der Nahrungslosigkeit der durch zwei Belagerungen und zuletzt durch die Kriegscontributionen der Preußen furchtbar mitgenommenen Bürgerschaft hörte inzwischen beinahe aller Verkehr im Keller auf und Detgens machte bereits im April 1774 die Anzeige, daß er für denselben fürderhin die bisherige Pacht nicht geben könne. Seine Vorschläge schienen dem Rathe nicht annehmlich; man setzte einen Licitationstermin an, mußte aber, da niemand erschien, nunmehr Detgens wieder annehmen, der den Keller weiter auf zehn Jahre behalten sollte und zwar mit Nachlaß von 50 Th. und von noch 20 Th. an der bisherigen Pacht. Noch weiter mußte letztere 1784 herunter gesetzt werden, wo Jak. Chrn. Ungnade den Keller übernahm und dafür 120 Th. altes Gold, 16 Th. Cour. und 24 Th. N2/3 zu zahlen sich verpflichtete. Im Jahre 1793 ist der Contract mit ihm erneuert worden bis 1801. Nach seinem Abzuge sah man sich vergebens nach Pachtliebhabern um und war daher genötihgt, wie schon hundert Jahre früher zeitweise geschehen ist, den Keller zuzuschließen, fand es aber im Mai des folgenden Jahres räthlich denselben einem Unteroffizier ohne Entgelt zur Wohnung auf monatliche Kündigung einzuthun. Das nächste Jahr stellte sich dann wieder ein Pachtliebhaber ein in Gerh. Joh. Glüer von Ratzeburg, welcher den Keller 1806 für eine Pacht von 100 Th. Gold und 16 Th. Pom. Cour. übernahm. Glüer starb jedoch schon im nächsten Jahre in gänzlich zerrütteten Verhältnissen und der Keller mußte von Neuem zugemacht werden, bis C. H. Jacobs von hier denselben 1809 auf zwanzig Jahre für die von seinem Vorgänger zugesagte Summe pachtete. Von 1811 ab, wo er den Keller als unbewohnbar verlassen und in sein deshalb erkauftes Haus, Lübsche Str. Nr. 9, ziehen mußte, gab er nur 80 Th. Gold und 20 Th. Pom. Cour., da er die oberen Räume seines Hauses an den Rath überließ, welcher seit dem Einsturze des Rathhauses bis dahin zu seinen Versammlungen u. s. w. das Neue Haus in Miethe gehabt hatte. Jacobs, der bei seinen Zeitgenossen im besten Rufe stand, starb 1819. Im Herbste desselben Jahres war der jetzige Rathskeller in bewohnbarem Zustande, die Wittwe überließ denselben jedoch ihrem Schwager Ernst Jacobs, welcher bis 1829 jährlich 210 Th. Pacht zahlte. Im Jahre 1827 wurde mit diesem ein neuer Contract auf 25 Jahre für 334 Th. N2/3 abgeschlossen und 1853 weiter mit Friedrich Rathsack von hier bis 1879 für 626 Th. M. C. Nach Rathsacks Tode ist der Keller an Theodor Bötger von Hamburg übergegangen.





12) S. Beilage VI.
13) Vgl. Beilage III.
14) Unsere Darstellung gründet sich zu einem guten Theile auf die von ihm nachgelassenen Scripturen und wir erfüllen daher auch einen Act der Dankbarkeit, wenn wir in Beil. III. sein Nachlaßinventarium und in Beil. IV. die Kosten seiner Bestattung mittheilen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar