Der Stadtplan

Der Plan des Kerns von Dresden-Altstadt ist durchaus der typische, von den altrömischen Kolonialstädten hergenommene Grundriss, nach dem die deutschen Grenzstädte zur Zeit der Besiedelung der Slavenländer angelegt wurden: in der Mitte liegt der rechteckige Marktplatz, von ihm aus rechtwinkelig laufen nach Norden und Süden je zwei, nach Osten und Westen je drei Gassen, dazu kommen einige Seitengassen, die rechtwinkelig von der Nord-Südseite abzweigen; das Ganze bildet eine fast kreisrunde Fläche, deren äußerste Punkte nach den vier Himmelsrichtungen die Ausgänge der heutigen Schloss-, Frauen-, See- und Wilsdrufferstraße bildeten. (Vgl. Otto Richter, Abriss der geschichtlichen Ortskunde von Dresden S. 2.) Zu bemerken ist dabei allerdings, daß die östliche Hälfte der Altstadt nicht die Regelmäßigkeit der westlichen aufwies. Das lag wohl daran, daß hier das slavische Dorf lag, dessen Gassen alle nach der Frauenkirche zustrebten, und daß hier — östlich vom Altmarkt — der Raum infolgedessen stark beengt war. Die beiden Hauptstraßen waren die Wilsdruffergasse, welche die Landstraße von Westen, von der reichen aufblühenden Bergstadt Freiberg her aufnahm, und die Elbgasse (jetzt Schlossstraße), welche den Verkehr über die Elbe nach Alten-Dresden und weiter gen Osten nach Bautzen und Schlesien zu vermittelte. Diese beiden Hauptverkehrsstraßen stießen und stoßen noch heute an der Nordwest-Ecke des Altmarktes zusammen. Rechtwinkelig aber zu jener ersten Hauptverkehrsader läuft eine dritte: die Elbe, die den Verkehr von Böhmen über Pirna nach Dresden und weiter über Meißen nordwärts leitete.

Man ersieht aus dieser Darstellung, daß der Grundriss Dresdens durchaus nach den Gesichtspunkten der Sicherheit und des Verkehrs aufgestellt worden ist. Er hat sich bis heutigentags als zweckmäßig erwiesen, obwohl der Gesichtspunkt der Sicherheit vor achtzig Jahren aufgegeben werden konnte. Der Verkehr aber hat erst in unseren Tagen die Fortsetzung der Wilsdrufferstraße nach Osten und damit die Anlegung der König-Johannstraße nötig gemacht.


Die Schönheit und Annehmlichkeit Dresdens beruht in erster Linie auf dem alten Grundplan der Stadt; es gibt keine zu breiten und keine zu langen Straßen, keine zu ausgedehnten Plätze. Muster von zu langen Straßen, die nirgends endigen, sondern immer wieder in derselben Richtung weitergeführt werden, bietet Berlin. Wie unerfreulich und ermüdend ist es, in solchen Straßen zu wandern! angenehm dagegen in Dresden! Jede Straße der inneren Stadt endigt nach kurzer Zeit in einem Platze, sie führt somit zu einem Ziel, und von da kommt man bald wieder zu einem neuen Ziel, so daß man anmutig über die Entfernungen hinweggetäuscht wird. Vom Altmarkt zum Schlossplatz, zum Postplatz, zum Pirnaischen Platz oder zum Bismarck-Denkmal, von da zum Georgplatz, dann zum Pirnaischen, Amalien- und Zeughausplatz, zum Neumarkt, weiter zum Schloss- und Theaterplatz, von da zum Postplatz, zum Trompeter-, zum Wiener- und Bismarckplatz, zurück zum Wienerplatz, von da zum Viktoriahaus, das die Pragerstraße so reizvoll abschließt, dann zum Altmarkt, wieder zum Postplatz, zur Annenkirche, zum Freibergerplatz oder zur Falkenbrücke usw. Man vergegenwärtige sich sodann, wie mannigfaltig alle diese Plätze gestaltet sind, wie bequem man zumeist an den Straßenwänden dahingehen kann und daß man nur ausnahmsweise, nämlich an der Ecke der Wilsdruffer- und Schlossstraße, am Postplatz und Pirnaischen Platz mit starkem Verkehr zu rechnen hat, so wird man leicht einsehen, wie eng die ich möchte sagen verkehrsmäßige Schönheit von Dresdens Altstadt mit dem uralten Grundplane zusammenhängt.

Anderer Art ist die Schönheit der Anlage von Dresden-Neustadt, denn dieser Stadtteil wurde erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts nach der alles zerstörenden Feuersbrunst von 1685 nach einem ganz neuen Stadtplane wieder aufgebaut, wobei man auf die frühere Anlage keinerlei Rücksicht nahm. Davon wird später zu reden sein.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden
Palais vom Großen Garten (1680)

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Der Türkenbrunnen auf dem Judenhof

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