Die Inventionen

Noch müssen wir indes kurz auf Nosseni zurückkommen. Er war ein Meister in der Veranstaltung der sogenannten Inventionen "ain zimblicher erfyndter allerhandt lustigen, arttlichen Inventionen zu Masscaraten, triumpffen und dergleychen, zur Fassnacht und Thurnieren dienlich“. Solche Inventionen, d. h. phantastische Aufzüge, schlossen sich oft an die Turniere an, wurden aber auch bei anderen festlichen Gelegenheiten gern veranstaltet. Durch viertägige Ringelrennen und Mummereien wurde z. B. die Hochzeit des Prinzen Christian mit der Prinzessin Sophie von Brandenburg am 25. April 1582 gefeiert. Am berühmtesten waren die Festlichkeiten vom 27. Februar bis 8. März 1609 im Stallhof und auf dem Altmarkt zu Dresden zu Ehren der Herzöge Johann Casimir und Johann Ernst von Sachsen mit ihren Gemahlinnen, sowie des Markgrafen Christian von Brandenburg-Kulmbach mit Gemahlin und der Fürstin-Witwe von Altenburg. Nosseni hatte dazu 43 Ringrennen erfunden, deren Abbildungen uns in einem Werke des Dresdner Malers Daniel Bretschneider in der Kgl. Bibliothek zu Dresden erhalten sind. Von den 43 Inventionen war nach Mackowskys Beschreibung eine der glänzendsten die afrikanische. "Sie wurde eröffnet von 12 schwarz gekleideten Herolden mit blauen, roten und gelben Schärpen, Federn und Stäben. Darauf sprengte eine Schar brauner Afrikaner vor, die große hellblaue Kegelmützen und Federschmuck um Hals, Hüften und Knie trugen. 21 Trompeter mit zwei Paukern und berittenen Fahnenträgern spielten dazu auf, hinter ihnen zogen zwei Elefanten einen Prunkwagen. Auf einem pyramidenförmigen Aufbau saß ein mit Bogen, Pfeilen und Säbeln bewaffneter Afrikaner mit sechs auf Saiteninstrumenten spielenden braunen Genossen. An den vier Ecken hockten kleine Affen, die sich in Spiegeln besahen. Die Gruppe schlossen sechs Fahnenträger und ein Afrikaner, der neben sich einen Schimmel führte und in der Linken den Merkurstab schwang. Nach diesem Aufzug ritten die einzelnen Parteien zum Rennen ein, als erste Herzog Georg von Sachsen in einer hellgrünen Schiffertracht mit einem Ruder in der Hand. Sein Ross war am Kopfe mit Gänseflügeln geschmückt, am Sattelknopf hing ein Butterfass und ein Gebund Fastenbrezeln. Ihm folgten Heinrich Reuß von Plauen und Joachim von der Schulenburg.

Abb. 33 Der Riesensaal im Kgl. Schloss nach einem Stich von 1678 (zerstört durch den Brand im Jahre 1701)


Die zweite Part eröffnete Graf Hans Ludwig von Gleichen, durch den langen, weißen Bart, die Sense und die geflügelte Sanduhr auf dem Kopfe als Saturn gekennzeichnet. Wolf Ernst und Hans Georg von Burg in Frauenkleidung mit blonden Perücken und schillernden Flügeln, der eine als Mond mit silbernem, der andere als Sonne mit goldenem Kleide angetan, begleiteten ihn. Hinter beiden schritt ein Mann in einem blauen, mit goldenen Sternen geschmückten Mantel und trug eine Stange mit einem großen goldenen Stern.“

Jedenfalls fand nach jedem Einzüge ein Rennen oder andere Kurzweil statt, damit den Teilnehmern Gelegenheit gegeben war, sich auf die nächste Invention vorzubereiten.

Weiter seien u. a. eine charakteristisch ausgestattete Gruppe der zwölf Monate, eine Gerichtsszene auf einem Wagen, eine Schäferinvention mit Hirten, Mägden und Schäferkarren, das vollständige Bild einer Falkenjagd und ein in einem grünen Haine sitzendes Liebespaar, dessen Geschichte eine Jungfrau mit goldenem Haar den Zuschauern erzählte, besonders hervorgehoben. Man führte auch eine große Jagd auf, bei der in Käfigen allerhand wilde Tiere, Bären, Wölfe, Füchse, Luchse, Wildschweine, Fischottern, Biber, Wildkatzen, Leoparden und Dachse herumgefahren wurden. Am 6., 7. und 8. März wurde zum Schluß der ganzen Festlichkeiten auf dem Altmarkte in Dresden eine große Hetzjagd auf diese Tiere veranstaltet.

Gewaltige Summen wurden für diese Inventionen ausgegeben. Für einen Triumphzug Neptuns auf der Elbe mit Sirenen auf Walfischen und venezianischen Gondeln im Jahre 1604 erhielt Nosseni 917 Gulden 17 Groschen 11 Pf.; doch berichtet Nosseni unterm 26. April 1604 an die Räte, daß noch 6.500 Fl. an Handwerksleute und Krämer zu zahlen seien und die noch befohlenen Inventionen sich auf 25.000 Gulden belaufen würden.

Die sächsischen Inventionen erfreuten sich infolge der Geschicklichkeit ihres Erfinders bald eines großen Rufes, und Nosseni wurde von vielen anderen Höfen verlangt, um derartige Spiele zu veranstalten: nach Braunschweig, nach Darmstadt, selbst nach Kopenhagen reiste er, überall feierte er mit seinen Erfindungen große Triumphe. Die Inventionen erhielten sich am sächsischen Hofe bis in das 18. Jahrhundert. Sie wurden in der Folgezeit etwas verfeinert und mit Schlittenfahrten, Fischereien und Jägereien verbunden. Eine besondere Art waren auch die sogenannten "Wirtschaften“, bei denen der Fürst mit seiner hohen Gemahlin seine Gäste als Schankwirt oder als Brautvater bewirtete und große Tänze aufführen ließ.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden
Abb. 33 Der Riesensaal im Kgl. Schloss nach einem Stich von 1678 (zerstört durch den Brand im Jahre 1701)

Abb. 33 Der Riesensaal im Kgl. Schloss nach einem Stich von 1678 (zerstört durch den Brand im Jahre 1701)

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