8ten May 1813.

Den 8ten May Morgens 8 Uhr wurden die Brücken bey Dresden und Meissen abgebrannt nachdem das linke Ufer der Elbe gänzlich verlassen war.
General Kleist hatte sich mit seinem Corps von Leipzig über Wurzen, unverfolgt gegen Mühlberg zurückgezogen, wo er über die daselbst geschlagene Schiffbrücke ging und solche hierauf bey der Annäherung des Feindes zerstörte.
Die Armee war nun glücklich ohne Verlust über die Elbe zurückgeführt. Sie hatte keine Canone, keine Gefangenen, ja kein Fuhrwerk dem Feind überlassen.
Nur die nicht zu transportirenden schwer Blessirten waren ihm bey Groß-Görschen in die Hände gefallen.
Es entstand nun die Frage was ferner geschehen müße. Den Feind an der Elbe aufhalten? oder sich noch weiter zurück, den erwarteten Verstärkungen entgegen zu ziehen? das erste schien keiner Schwierigkeit unterworfen, allein es hatte die Folgen, daß wenn der Feind irgendwo bey einem Uebergang reußirte, die combinirte Armee bey ihrer großen Ausdehnung alsdann sich schwerlich würde haben in einem Punkt concentriren können, der weniger als 10 bis 12 Meilen von der Elbe entfernt lag. Auch wurde dieser Punkt alsdann durch die Umstände und nicht durch freye Wahl bestimmt. Die politischen Verhältnisse schienen aber zu erfordern sich die Wahl dieses Punktes nicht nehmen zu lassen.
Oestreich hatte als vermittelnde Macht die billigen, von aller Eroberungs-Sucht entfernten Grundsätze kennen lernen, welche in den Cabinetten der verbündeten Mächte herrschten. Es mußte darin nur seine eignen, den vorherrschenden Wunsch nach Frieden, und zwar einen dauerhaften Frieden finden.

Die Bewaffnung dieses Staats konnte daher den Verbündeten nie gefährlich erscheinen, im Gegentheil mußten sie ihn als einen Alliirten erkennen, wenn er Zeit bekam seine Kräfte zu entwickeln, und nicht in eine ganz ungünstige militairische Lage gesetzt wurde. Um dieses letzte zu bewürken, mußte die combinirte Armee sich so aufstellen, daß sie der französischen Armee verwehrte, sich zwischen sie und Oestreich zu drängen, und dieser Grundsatz wurde nach dem Uebergang über die Elbe der Leitfaden aller Operationen.


Es ward daher beschlossen, die ganze Armee in einem Lager bey Bautzen zu versammeln. Die preußische Armee hatte das Corps des General v. Kleist über Großenhayn und Camenz, und 4000 Mann neue aus Schlesien angekommene Infanterie an sich bezogen, so daß sie stärker als bey Groß-Görschen ins Gefecht gehen konnte.

Die russische Armee erwartete die Belagerungstruppen von Thoren unter General Barclay de Tolly, und ein Beobachtungs-Corps unter General v. Sacken, welches im Großherzogthum Warschau gestanden hatte. Die Ersatzmannschaften der Armee waren auf dem Wege, und ihnen folgte eine große Reserve-Armee unter General Labanos; allein von allen diesen Gruppen konnte nur das Corps des General Barclay de Tolly gegen die Mitte des Mays in der Gegend von Bautzen eintreffen, die übrigen waren noch um 30 Märsche zurück.

Vielleicht wäre es unter diesen Umständen zweckmäßig gewesen, einer Schlacht auszuweichen, und den Feind noch 15 Märsche nachzuziehen, ihn alsdann aber anzugreifen; indeß abgerechnet das Unangenehme mit einer tapfern und ungeschlagenen Armee ohne Schlacht zurück zu gehen, und den moralischen Eindruck abgerechnet, den ein Rückzug auf die Armee selbst und die hohen Mächte, deren Unterstützung wir erwarteten, machen mußte, was konnte uns begegnen, wenn wir die Einleitung einer Schlacht annahmen? Unsre zahlreiche und überlegene Reiterey erlaubte uns jeden Augenblick das Gefecht abzubrechen, und durch sie unsern Rückzug zu decken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die preußisch-russische Campagne im Jahre 1813