Fremde im Vaterland

Denn die Juden bekamen in den folgenden Jahrzehnten gar sehr zu spüren, daß sie Fremde waren.

Das merkwürdigste Beispiel der Zwitterlage, in der sich die Juden befanden, zugleich aber ein denkwürdiges Vorbild von Charakterstärke bietet das Leben des schon einmal kurzerwähnten jüdischen Major Burg. Gar manche der in dem Befreiungskriege Avancierten waren gern bei der militärischen Laufbahn verblieben, andere jüdische Jünglinge würden sie mit Freuden ergriffen haben, keinem gelang es als ihm aber auch ihm nur, da er einen mächtigen fürstlichen Gönner besaß.


Meno Burg, geboren am 9. Oktober 1789, trat, wie schon erwähnt, im Jahre 1813 als Freiwilliger ein, wurde bei der Garde in Breslau nicht angenommen, aber durch Vermittlung des Prinzen August nach Neiße als Kanonier geschickt, mußte aber während des Krieges gegen seinen Willen in Spandau bleiben. Er wurde zum Unteroffizier befördert, als Lehrer der Mathematik an die Artillerieschule nach Berlin ernannt, 1815 zur Feldartillerie versetzt, konnte aber am Kriege selbst nicht teilnehmen. Am 28. August 1815 wurde er zum Sekondeleutnant ernannt, nach kurzer Tätigkeit in Danzig wieder zur Schule in Berlin berufen. Durch seine Lehrbücher, die dort eingeführt wurden, erlangte er großes Ansehen, mußte freilich seines Glaubens wegen manche Belästigungen erdulden. 1826 wurde er zum Premierleutnant, 1832 zum Hauptmann ernannt, erhielt 1837 bei seinem 25jährigen Jubiläum das Dienstzeichenkreuz, 184l den Roten Adlerorden, 1845 die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. 1847 wurde er Major, am 26. August 1853 starb er an der Cholera. Sein Leichenbegängnis bewies, welch allgemeiner Anerkennung er sich in militärischen Kreisen erfreute. Er war ein ausgezeichneter Schriftsteller, dessen Lehrbücher sich allgemeiner Beliebtheit erfreuten, in fremde Sprachen übersetzt vielfach in Schulen eingeführt wurden, ein trefflicher Lehrer, der sich bei Generationen von Schülern Hingebung und Bewunderung erwarb, ein bescheidener Mann, der trotz der hohen Stellung, die er erlangt, trotz der Hochschätzung, deren er sich in ungewöhnlicher Weise bei seinen Vorgesetzten erfreute, aber auch trotz der vielen Anfeindungen, die er zu bestehen hatte, sein ruhiges, männliches Wesen niemals aufgab. Er war und blieb ein treuer Sohn seiner Glaubensgemeinschaft.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutschen Juden und der Krieg