Fünfte Fortsetzung

Die Anerkennung für ihre Philosophie verschaffen sie sich zugleich durch ihre Wissenschaftlichkeit. Schon in den ältesten Zeiten waren die Geistlichen, welche auf den berühmtesten Universitäten Europas, den deutschen, eine gründliche und umfassende Bildung genossen hatten, wie z. B. Mühlenberg, Bolzius, Schlatter, Müller, Otterbein, anerkannt die bedeutendsten Gelehrten in Amerika und nicht wenig auf den Schulen dieses Landes gesucht und geehrt. Ihre Wirksamkeit für Einbürgerung der Wissenschaften war eine höchst segensreiche. Und in der neuern Zeit, wie viel gibt es denn, was von nichtdeutschen Amerikanern von Bedeutung für die Wissenschaft hervorgebracht ist? Ist das, was wissenschaftlich hier geleistet wird, nicht ganz vorzüglich deutschen Talenten zu verdanken? Gab es z. B. vor den Deutschen hier viele, welche wirklich Ärzte zu nennen waren? Und wie mit den Verdiensten deutscher Wissenschaft in Amerika, so verhält es sich auch mit den Verdiensten der deutschen Kunst. Amerikanische Musik ist lediglich ein Zögling, wenn auch ein sehr ungelehriger, der Deutschen. Die seltsam lieblichen Kompositionen der Ephratenser sind zwar verklungen und verloren, aber bereits Meister genug da, um der deutschen Musik auch in Amerika eine Zukunft zu versprechen.

Fragen wir endlich nach dem Wichtigsten: haben die Deutschen in Amerika auch für die bürgerliche Freiheit etwas getan? Die Englisch-Irischen rühmen sich, sie hätten allein die Freiheit hervorgebracht. An sich ist ein solcher Übermut schon lächerlich, denn es gab keine Macht der Erde, welche verhindern konnte, das; Amerika nicht das Land der Republiken würde. Die aus ihrem Vaterlande Vertriebenen kamen in ein unermessliches neues Land, dessen Besitz sie selbst der Natur und den Wilden abzwangen. Sie brachten die alten Staatsverfassungen und Beschränkungen nicht mit sich herüber, in der Freiheit der Wälder wuchsen sie auf, und vom Mutterlande trennte sie der weite Ozean. Deshalb mussten die nordamerikanischen Ansiedlungen in demselben Maße, als sie für sich selbst erstarkten, ebenso von England frei werden, als noch alle Kolonien, die mächtig genug wurden, ihre Abhängigkeit vom Mutterlande von sich schüttelten. Wenn man aber einmal die Frage auswerfen will, welcher Volksstamm hat in Amerika am meisten zur Erkämpfung der Unabhängigkeit gewirkt? so würde die Antwort den deutschen Volksstamm sicherlich nicht in den Schatten stellen. Es war ja natürlich, dass die Deutsche, welche im Freiheit und Wohlstand in der Wildnis; zu gewinnen, herübergeschifft waren, sich zehnmal weniger um den König von England, einen ihnen ganz fremden Mann, scherten, als die Ansiedler als Großbrittanien. Dem Engländer steckt die Loyalität im Blute, denn bei ihm war das Lehnswesen am höchsten ausgebildet; dem Deutschen steckt ebenso sehr der Republikanismus im Blute, weil er der kühnste Denker und der eigensinnigste Mensch ist.


Welche den Englischen seltsame Ideen die Deutschen schon in früher Zeit verkündigten, davon mögen hier nur zwei Zeugnisse stehen. Im Jahre 1727 kam bei dem Statthalter von Pennsylvanien folgende Vorstellung ein: „eine große Anzahl Deutscher, eigentümlich in Tracht, Religion und Begriffen von Staatsregierung, hätten sich am Pequeo, angesiedelt und seien entschlossen, den gesetzlichen Ansehender Regierung nicht zu gehorchen. Sie seien zusammengekommen und hätten sich darauf verpflichtet, keine andere Sprache zu sprechen als die deutsche, und keinen Herrn anzuerkennen, als den allgemeinen Schöpfer des Weltalls." Ein echtes Vorbild der Natives, und wie man glaubt, Samuel Wharton, spricht sich 1755 in einer handschriftlichen Abhandlung, welche noch in der Franklin-Bibliothek zu Philadelphia aufbewahrt wird, in folgender merkwürdigen Weise fürchtend und ratend über unsere Landsleute aus: „Die deutsche Zeitung, welche Sauer seit 1729 in Germantown herausgibt, wird viel gelesen, regt die Deutschen auf und macht sie den Quälern freundlich und dem Statthalter feindlich. Man hat sie überredet, sie sollten unterjocht, ihre jungen Leute zu Soldaten gezwungen, und sie mit Abgaben beladen werden. Deshalb kommen sie in Schwärmen auf uns, um zu stimmen, und treiben alles vor sich her. Früher friedliebend und fleißig sind sie jetzt übermütig, halsstarrig und aufrührerisch, in einigen Bezirken bedrohen sie sogar das Leben aller derer, welche sich ihren eigenen Ansichten widersetzten, weil man sie lehrt, die Regierung und Sklaverei als ein und dasselbe Ding zu betrachten. Alle, welche nicht zu ihrer Partei gehören, nennen sie Gouverneursleute, und halten sich selbst für stark genug, das Land zu ihrem eigenen zu machen. Die üblen Folgen dieser Fortschritte der Deutschen werden wahrscheinlich viele Geschlechter hindurch gefühlt werden. In der Tat, sie kommen hereingeströmt in solcher Stärke, sage über 5.000 im letzten Jahre, dass ich nicht sehe, warum die Deutschen nicht bald im Stande sein mögen, uns Gesetze zu geben und die Sprache obendrein, oder sonst, indem sie sich mit den Franzosen verbinden, alle Engländer zu vertreiben. Dass dies der Fall sei, ist nur zu sehr zu befürchten, denn beinahe bis auf einen Mann weigerten sie sich, Waffen zu tragen in den Zeiten des letzten Krieges, und sie sagen, es sei ihnen alles einerlei, welcher König das Land bekomme, da ihr Eigentum gleich sicher sein werde. In der Tat, es ist klar, dass die Franzosen ihre Hoffnungen auf diese große Masse der Deutschen gerichtet haben. Sie hoffen sie anzulocken durch Schenkungen von Ohio-Ländereien und senden deshalb ihre Jesuiten unter sie, um sie zum Übergange zur papistischen Religion zu bewegen. In Verbindung hiermit haben sich die Franzosen seit so vielen Jahren schon in unsere Provinz eingedrängt und sind jetzt so nahe ihrer Absicht, dass sie innerhalb zwei Tagreisen von unseren hinteren Niederlassungen sich befinden. An dem allem trägt die angeborene Hartnäckigkeit und Unwissenheit der Deutschen die Schuld. Es bleibt nichts anderes übrig, als sie im Ganzen und Großen zu unseren Staatsbürgern erst zu erziehen. Man setze unter sie strenggläubige protestantische Prediger und Schullehrer. Ihre Kinder müssen englisch lernen. Inzwischen muss die Regierung ihr Recht, Landtagsmitglieder zu erwählen, aufheben. Und damit sie willig werden, desto schneller englisch zu werden in Erziehung und Denkungsart, müssen wir sie zwingen, alle Vorträge und öffentliche Urkunden im Englischen zu schreiben, und keiner Zeitung und keinem Kalender die Verbreitung unter ihnen erlauben, wenn nicht die englische Übersetzung dabei ist."

Sie können sich nun vorstellen, dass diese Deutschen zwanzig Jahre später nicht zurück blieben, als einmal das ganze Land mit Erbitterung gegen die Engländer erfüllt war und in der Loslösung von England sein nächstes Heil sah. In der Tat haben die Deutschen im Unabhängigkeitskriege sich nicht wenig hervorgetan. In Pennsylvanien, Virginien, Nordcarolina*) waren sie es, welche sofort zusammentraten und für die Bewaffnung und Einigung des Volks sorgten, welche den amerikanischen Torys, ihren alten Feinden, auf den Fersen saßen und auf’s entschiedenste schon damals sich für die volle Unabhängigkeit erklärten, als die englisch redenden Herren in den Städten noch zu keinem Entschluss kommen konnten aus Angst und Bangigkeit vor dem mächtigen England. Und im Kriege selbst hielt das deutsche Landvolk ohne Wanken fest an der Sache der Freiheit, während die übrigen Amerikaner, sobald es schlimm aussah, sogleich auf eine wirklich feige Weise abfielen und nur zu oft aus Gewinnsucht ihr Vaterland an die Engländer verrieten. Als Washington vor Howe floh, da bestanden die paar tausend Mann, die ihn nicht verließen, hauptsächlich aus den deutschen Regimentern. Trotzdem dass die Deutschen, weil ihnen die englische Sprache und die Verwandtschaft mit den vornehmen Familien abging, Hindernisse genug fanden, wenn sie zu den höchsten Stellen sich aufschwingen wollten, so kann doch den deutschen Generälen und Obersten, als Mühlenberg, Stephens und den drei Hiester, ihr hoher Ruhm nicht mehr genommen werden. Wir müssen es zwar noch oft genug hören, dass unsere Landsleute, die Hessen, Braunschweiger und andere, zur Bezwingung der amerikanischen Freiheit herüber geschickt seien, wir können aber, so sehr uns diese schmähliche Tatsache schmerzen muss, gleichwohl ruhig auf den Erfolg verweisen. Denn weil den Hessen das Leben bei ihren amerikanischen Landsleuten besser gefiel, als der englische Befehlshaberstock, gingen sie in Masse zu den Amerikanern über, verstärkten deren Heer nicht wenig, und lähmten, nachdem sie anfangs stürmisch tapfer gekämpft hatten, durch ihre spätere Unzuverlässigkeit geradezu alle und jede kräftige Bewegung der englischen Heere. Mehr als ausgewogen wird aber der Schaden, welchen die Hessen den Amerikanern anfangs zufügten, durch die freiwillige Hilfe, welche Männer, wie Steuben, Kalb, Fersen, Ziegler, Glaßbeck, dem bedrängten Amerika leisteten. Diese Deutschen waren die Kriegsmeister, sie allein europäisch erfahrene Generäle unter den Amerikanern, sie erst machten diese zu Soldaten und führten sie an zu den erfolgreichsten Taten.

*) Auch in Südcarolina.

Welche Siege später unter Jeffersons Fahnen die Deutschen der Demokratie erfochten, würde hier zu erzählen uns zu weit führen. Doch hinweisen darf man wohl darauf, dass auch in der neueren Zeit die Deutschen in Amerika die besten und ausdauerndsten Soldaten, sowie die redlichsten Republikaner sind. Im Kriege mit Mexiko, welche waren die ersten und die schmucksten auf den Sammelplätzen? welche die tapfersten auf den Wällen von Monterey? Der Präsident weiß es wohl und bewilligt die rein deutschen Kompagnien. Und in dem Gewirre der Politik, sehen Sie sich um, steht nicht die große Mehrzahl der Deutschen auf der Seite der Volkspartei? Gewiss; aber sehen Sie viele Deutsche in den Fuchslöchern der Ämterjäger stecken? Nein, die Regel war, wo ein Deutscher ein Amt bekam, das gab es ihm die reine Hochachtung seiner Mitbürger. Zeigt sich nicht jetzt schon, dass die Deutschen zu den eigensüchtigen Zwecke der Parteien ihre Hand nicht reichen, und dass sie oft, eben weil sie nur das wollen, was dem Volke wahrhaft dienlich ist, den Ausschlag geben? Amerika hat noch keine mehr begeisterten, keine aufrichtigeren Idealisten für seine Freiheit erzeugt, als einige der neueren Einwandern aus Deutschland.

Hat aber die Masse der Deutschen in Amerika auch deutsches Selbstgefühl? Nein, der Yankee ist insgemein ihr Richter, ihr Gesetzgeber, ihr Kongressmann, ihr Oberst; es fehlte noch, dass er auch ihr Prediger und ihr Arzt würde. —

Ich habe hier nur einige flüchtige Andeutungen über die Bedeutung, welche die Deutschen in Amerika haben, geben können, habe aber versucht, in einen, bald erscheinenden Werke über die Geschichte und Zustände der Deutschen in den Vereinten Staaten die hiesige Entwicklung des deutschen Volkes genauer darzustellen und zu begründen. Es ist das ein mit Liebe unternommener Beitrag, vor der alles verschlingenden Eitelkeit der englisch-irischen Amerikaner, die in ihrer Befangenheit oder Begeisterung, wie man es nennen will, den deutschen Amerikaner als bedeutungslos auffasst, die geschichtlich und politisch wohlbegründeten Rechte meiner Landsleute zu retten. Hoffentlich werden Sie daraus einen Beweis mehr entnehmen können, dass die Deutschen in diesem Lande ganz dieselben Rechte, ganz dieselben Ehren für ihre Volkstümlichkeit in Anspruch zu nehmen haben, welche ihre englisch sprechenden Mitbürger für die ihrige allein in Besitz nehmen.