Vierte Fortsetzung

Die Deutschen haben ferner in Amerika die feineren Handwerke eingefühlt, namentlich in Eisenarbeiten und Webereien. Die Bezirke von Lancaster und Berks in Pennsylvanien waren früher durch Ackerbau und Gewerke der blühendste Landstrich in ganz Amerika; Philadelphia erhielt dorther, als sein Handel abnahm, nicht wenige seiner bedeutendsten Fabrikanten. Die Wasserwerke der Herrnhuter am Manockisy waren schon vor hundert Jahren im Gange und gaben das Vorbild für die berühmten Werke der Art in New-York und Philadelphia. Welche Menge von ausgezeichneten Handwerkern und Geschäftsleuten aller Art die neue Einwanderung herüber gebracht hat, ist in jeder Stadt zu sehen. Die kleine Schar des alten Rapp für sich allein darf sich rühmen, für den höheren Gewerbefleiß des Landes in mancher Beziehung Epoche gemacht zu haben. Der Yankee dagegen entwickelt im Handel und in der Mechanik ein ganz besonderes Talent. Was der Deutsche bedächtig und stichhaltig ausarbeitet, das verfertigt der Yankee schnell und fein, und in der Gabe, Waren rasch umzuschlagen, neue Handelsgebiete zu entdecken, und die Leute zu überreden, dass es ihr Bestes sei, ihm so geschwind als möglich seine Waren abzukaufen, ist der Yankee unübertroffen; mit einer Art von Ritterlichkeit stürzt er sich rastlos in die verwegensten Unternehmungen und seine Reichtümer verfliegen so schnell, als er sie einbringt. Der außerordentliche Aufschwung, den das Land durch den Handel genommen, ist die Frucht der erfinderischen rastlosen Tätigkeit der Yankees. Am wohltätigsten aber wurde der Sinn und das Wirken der Deutschen in Amerika für alles höhere geistige Leben. Sie und Penns Quäker ließen das wahre Christentum hervorleuchten, weil sie die Menschenliebe zur Triebfeder und Leiterin ihrer Handlungen nahmen, und in einzelnen Kreisen einer Veredlung, ja einer Vergeistigung des Menschen zustrebten, wie z. B. im Kloster zu Ephrata und in den Ansiedlungen der Herrnhuter. Deshalb forderten und übten sie auch zuerst Gerechtigkeit gegen die unglücklichen Neger. Schon auf dem Landtage Pennsylvaniens im Jahre 1688 forderten die Deutschen zum Erstaunen der übrigen mit Entschiedenheit Abschaffung der Sklaverei für ewige Zeiten. Und als sie ihre Überzeugung nicht zum Landesgesetze erheben konnten, da machten sie diese Überzeugung zu ihrem eigenen unverbrüchlichen Gesetze, ließen niemals jenes furchtbare schwarze Übel in Pennsylvanien um sich greifen, kauften Sklaven auf, um sie frei zu lassen, und wo immer sie hinkamen und Bauereien kauften, da war das erste, was sie taten, dies, dass sie die Sklaven zu freien Menschen machten, und damit sich nicht begnügend, lehrten und erzogen sie die Neger zu besseren Naturen. Die Salzburger Einwanderer in Georgien lißen ihre Stimme gegen die Sklaverei erst dann schweigen, als darüber der Bürgerkrieg hereinzubrechen drohte, und die Herrnhuter verließen ihre ersten Ansiedlungen in demselben Staate nur um derselben Ursache wegen,*) legten aber in Pennsylvanien sofort eine Negerschule an. In diesem edlen Gefühl haben die Deutschen, deren Vaterland sich niemals bei dem Negerhandel beteiligte, fort und fort gehandelt. Die Pennsylvanier lassen noch immer, wo sie in den südlichen Staaten sich ankaufen, die Neger frei, sie haben gehandelt, wo die Abolitionisten des Nordens nur geschrieben haben. Und wie gegen die Neger, so handelten die Deutschen gegen die Indianer. Die Neuengländer verkauften die gefangenen Indianer nach Westindien in die Sklaverei und mordeten die christlichen Indianer-Dörfer aus, welche die Herrhuter mit unendlichen Mühsalen am Muskingum angelegt halten. Die Tätigkeit der Herrnhuter und anderer Deutschen unter den Indianern war noch schöner und fruchtbringender, wie bieder französischen Jesuiten. Sie belehrten die armen Wilden nicht allein im Christentum, sondern zogen sie zu friedlichen Ackerbauern heran. Conrad Weiser, der berühmte Botschafter unter den Indianern, gab schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die einzig richtigen Vorschläge zur Bekehrung und Bildung derselben, und man freut sich in seinen Briefen zu lesen, wie dieser in Amerika aufgewachsene Deutsche jenen starren Sabbathsknechten, den Englisch-Irischen gegenüber, vernünftige Religionsansichten ausspricht. „Wenn man, schreibt er, unter Religion eine Anhänglichkeit an bestimmte Glaubenssätze oder die Beobachtung einer Reihe religiöser Gebräuche versteht, als festgesetzte Gebete, Singen, Taufen oder selbst heidnischen Gottesdienst: dann, mag man sagen, haben die fünf Stämme (der Indianer) und ihre Nachbaren keine Religion. Wenn wir aber unter Religion einen Zug der Seele nach Gott verstehen, welcher fortgeht zu einem Vertrauen in das Wissen von ihm und zu einem Hunger danach: dann muss man diesem Volke einige Religion zugestehen, wenn sie auch manchmal sich auf eine rohe Weise äußert."

Von solchen humanen Überzeugungen geleitet, haben auch die neuen deutschen Einwanderer schon einen unberechenbaren Einfluss auf die geistige und religiöse Bildung in Amerika ausgeübt. Sie allein haben mehr Philosophie herübergebracht, als jemals in diesem Lande gewachsen ist; sie haben mehr freisinnige und erhabene Ideen hier in Umlauf gefetzt, als jemals in den Köpfen der nichtdeutschen Eingebornen entsprungen sind. Gegenwärtig haben Katholizismus und Methodismus Amerika zwischen den Zähnen, diese beiden Kirchen werden sicherlich die armseligen Bruchstücke und Auswüchse der englischen und schottischen Kirche verzehren, deren Theologie keine Lebenskraft mehr zeigt und deren Religiosität und bei allem praktischen handeln in und für Religion dennoch das Gemüt, das innige starke religiöse Gefühl, abgeht. Da werden dann auch in Amerika die Deutschen die Rechte der menschlichen Vernunft zu verfechten und zu wahren haben, denn sie sind und bleiben einmal trotz aller Schwärmerei des Gemütes dennoch die geborenen Rationalisten.


*) Hier war Löher im Irrtum, den die Herrnhuter verließen Georgia, weil man sie nötigen wollte Militärdienste zu leisten.