Die St. Sulpicius-Kirche.

Dieser schöne christliche Tempel liegt zwischen dem Platz dieses Namens und der Palatinstraße. Seine erste Entstehung verliert sich in das 12. Jahrhundert. Als im 16. Jahrhundert die Bevölkerung der Vorstadt St. Germain immer zahlreicher wurde, mußte man auch an die Erweiterung der Hauptpfarrkirche derselben denken. Unter Ludwig XII. und Franz I. erhielt sie einen Seitengang mehr und 1611 sechs Seitenkapellen; indessen waren alle diese Erweiterungen nicht hinreichend, und 1643 wurde beschlossen, die Kirche von Grund auf neu zu bauen. 1616 ging man an das Werk; der Baumeister Gamart wurde mit der Leitung des neu zu errichtenden Gebäudes beauftragt, und der Herzog Gaston von Orleans legte den Grundstein. Nachdem man 9 Jahre nach dem entworfenen Plane gebaut hatte, wurde man erst gewahr, daß dieses Gebäude nicht Raum genug haben würde, und man fing das Werk fast von Neuem nach Louveaus Zeichnungen an. Jetzt war es Anna von Oestreich, welche 1655 den Grundstein legte. Nachdem der Bau 1678 aus Mangel an Fonds unterbrochen worden war, wurde er nach manchen Schwierigkeiten erst 43 Jahre später fortgesetzt, und endlich mit Hülfe von Lotteriegelder erst im Jahr 1743 vollendet, nachdem die Kirche aber schon 1745 eingeweiht worden war. Die Schönheit ihres Portals, nach Servandoni's Zeichnungen, ist überraschend, und dasselbe trägt das Gepräge der Erhabenheit, und imponirt durch die vollendete Uebereinstimmung aller seiner Theile. 384 Fuß ist seine Länge, und hat eine dorische und eine jonische Säulenreihe. Die beiden Thürme, welche es flankiren, sind 6’ höher, als die an Notre-Dame. Zwischen ihnen hatte Servandoni einen breiten gebrochenen Giebel angebracht, den aber 1770 der Blitz, der gerade Kirchen am wenigsten verschont, zerstörte; er wurde durch eine Ballustrade ersetzt. Die Kapelle der heiligen Jungfrau dieser Kirche ist als ein Meisterstück der Baukunst merkwürdig; das Frescogemälde der Kuppel derselben, von Lemoine gemacht, stellt die Himmelfahrt der Jungfrau Maria dar. Die beiden Weihkessel der Kirche sind zwei große seltene Muscheln eines Schaalthieres, welche die Republik Venedig Franz I. zum Geschenk machte. Ein Pfarrer dieser Kirche, Namens Longuet, (1750) war durch seinen Eifer, dieselbe reich zu machen, berühmt, und hatte ein schönes Denkmal in derselben, von Michel Ange Stodz verfertigt, das aber später in das Museum des Petit-Augustin gebracht wurde. Um zu seinem Zweck zu gelangen, die Kirche reich zu machen, hatte der Hr. Pfarrer die Gewohnheit angenommen, bei den Hochzeiten, Taufen, Mahlzeiten u. s. w. seinen reichen Pfarrkindern ohne weiteres und unverstohlen silberne Becken, Schüsseln, Leuchter, Kaffeekannen, Löffel etc. mitzunehmen, ohne daß diese etwas dagegen einwendeten. Endlich ließ er aus diesem gesammelten Silber eine 6 Fuß hohe massive Bildsäule der Jungfrau gießen, die man aber, aus Furcht vor Dieben in die Sakristei verschließen mußte, und an ihre Stelle eine weniger verführerische von Stein setzte. Die silberne mußte der eisernen Nothwendigkeit weichen und wurde in der Revolutionszeit in Franken verwandelt, in alle Welt geschickt. Schon viel früher, (1648) wurde diese Kirche einmal von Spitzbuben heimgesucht, welche durch die Fenster eingebrochen waren, das Tabernakel der Jungfrau einbrachen, den goldenen Kelch mitnahmen und die geweihte Hostien in den Winkel eines Beichtstuhls warfen. Man konnte nie entdecken, wer die Diebe waren. Um dieses gottlose Verbrechen zu sühnen, wurden Processionen und viel seltsamer Fix-Fax angestellt. Im Jahr 1802 wurde die Kirche St. Sulpicius zur Pfarrkirche des 11. Bezirks erhoben.