2. Hurrah! Er konnte sich nicht helfen, er mußte seinem Jubel wenigstens in einem recht herzlichen...

„Hurrah!“ Er konnte sich nicht helfen, er mußte seinem Jubel wenigstens in einem recht herzlichen, recht aus tiefster, innerster Seele kommenden Aufschrei Luft machen. Und er hatte auch wahrlich Ursache, darüber zu jauchzen, denn in der Falle saß, scheu und verschämt, als ob er sich genierte, bei dem heller und heller heraufdämmernden Tageslicht hier noch ertappt zu sein, ein prachtvoller, rabenschwarzer männlicher Wolf, und die Augen funkelten dunkelglühend zwischen den wohl eine Handbreit auseinander liegenden Stämmen nach dem grimmigsten Feind durch, dem er in diesem Teil des Waldes hätte in die Hand fallen können - dem jungen Jägersmann entgegen.

„Siehst du, Bestie“, sagte aber der, „so habe ich dir endlich das Handwerk gelegt, du alter grauer Sünder - wirst die anderen wohl gestern von der gefundenen und so vortrefflich geglaubten Beute weggebissen haben und sitzt jetzt in der beneidenswertesten Lage von der Welt hinter Glas und Rahmen. Nun warte nur, dir ist noch weit besserer Spaß aufbewahrt. Ans Leben geht es dir allerdings nicht gleich, wenn du aber nur erst einmal mit der Glocke um den Hals spazierenläufst, wirst du schon finden, was es heißt, in Ben Holiks Hände geraten zu sein.“


Der Wolf fletschte, als er sich nach der Falle hinunterbog, ingrimmig die Zähne gegen ihn, behauptete aber seinen Platz und schien, wie ein ärgerlicher Hund, nur einen Angriff zu erwarten, um gleich zufahren zu können. Ben dachte aber gar nicht daran, ihn weiter zu reizen, sah nur noch einmal lächelnd nach ihm zurück und rief:

„Bin dir nicht böse, alter Bursche; bist zwar ein gar unwirsch aussehender Brautwerber, sollst mir aber doch zur Braut verhelfen, und da müssen wir schon gute Freunde mitsammen bleiben.“

Und einen fröhlichen Gruß dem Gefangenen hinüberwinkend, warf er seine Büchse über die Schulter und sprang in flüchtigen Sätzen den ziemlich steilen Abhang der Schlucht hinauf, um die Ansiedlung auf dem geradesten Weg und so rasch als möglich zu erreichen, damit er von dort aus gleich Hilfe herbeiholen könne, um dem wilden Burschen das Halsband mit der Glocke umzulegen und ihn dann wieder - hei, wie er springen würde! - frank und frei laufenzulassen.

So hatten die Männer der Ansiedlung (die sie, um ihr doch eine Art Stadtnamen zu geben, ‚Woodville‘ getauft, obgleich sie nur aus drei Häusern und zwei Ställen bestand) den jungen Jägersmann noch nie gesehen. Jubelnd und jauchzend kam er in Suttons Haus gesprungen, umarmte in Ermangelung der Tochter den alten Sutton selber und schwatzte eine solche Menge tolles Zeug von Wölfen, Skalpen, Farmen, Glocken, Stricken und Holzhaufen, daß eine Art Gerücht, Wolfs-Ben sei wahnsinnig geworden, schon wirklich anfing, Glauben zu gewinnen.

Nach und nach klärte sich aber die Sache auf, und der alte Sutton erfuhr kaum, um was es sich handle, als er auch selber mit fast ebensolchem Eifer darauf einging und jetzt nur bedauerte, daß Metcamp den Augenblick nicht gegenwärtig wäre, da er ebenfalls die Nacht im Wald gewesen sei, um sein Glück zu versuchen.

„Hallo, jetzt bekommen wir am Ende gar zwei!“ lachte der Alte endlich, während er seine Büchse vom Nagel nahm und die Kugeltasche umhing. „Metcamp hatte verdammt gute Aussichten und scheint seiner Sache ziemlich gewiß zu sein. Nun, das schadete nichts; dann teilt ihr die Prämie, und zwei Wölfe wären am Ende immer noch sicherer als einer. Ist Eurer denn ein Wolf?“

„Ei, und solch ein derber Bursche, wie nur je einer ein Kalb zerrissen hat!“

„Vortrefflich, vortrefflich! Nun so kommt, Benjamin, und du, Scip, kommst gleich mit den anderen beiden nach. Wo ist’s denn? An der Froschquelle, sagtet Ihr?“

„An den Wassern der Froschquelle, etwa sechshundert Schritt von dem scheidenden Bergrücken und gerade da gegenüber, wo des ‚Teufels Kanzel‘ über den Bach hängt.“

„Nun, da könnt Ihr ja gar nicht fehlen - also die Stricke und den Sack - habt Ihr das Halsband, Ben?“

Der junge Mann bejahte es, klingelte mit der kleinen Glocke und schien selber die Zeit nicht erwarten zu können, wo sie wieder aufbrechen würden, um seine Siegestrophäe in Empfang zu nehmen.

Mit raschen Schritten wanderten die beiden Männer den schmalen Pfad entlang, der von der Ansiedlung aus in den Wald lief, verließen diesen aber bald darauf wieder, um eine nähere Richtung einzuschlagen, und benutzten einen von den Hügeln hin auszweigenden Abhang, der in leiser Niederdachung den Wassern der Froschquelle zuführte.

„Aber Ben, Ihr habt ihn doch auch sicher?“ fragte da Sutton, ganz plötzlich stehenbleibend, und sah den jungen Jägersmann mißtrauisch dabei von der Seite an. „Ihr wart mir heute morgen so - so kreuzfidel - es ist zwar noch etwas früh - ich hoffe doch nicht, daß Ihr mich etwa zum Narren haltet?“

Ben Holik lachte, als ob er im Leben nicht wieder zu sich selber kommen wollte, und schüttelte das Halsband, das er in den Hand trug, dermaßen, daß der Ton hell und klingend durch den Wald tönte.

„Hahahaha - das ist kostbar! Nein, Sutton - das ist wirklich kostbar! Jetzt - jetzt fällt Euch auf einmal ein, - hahaha - daß ich Euch könnte - hahaha - angeführt haben!“

„Mr. Holik...!“

„Nein, lassen Sie’s gut sein, Sir“, sagte der Jäger, plötzlich seine Fröhlichkeit zügelnd, da er sah, wie ernst der alte Mann die Sache zu nehmen schien. „Sie dürfen aber wahrlich nicht bös darüber sein, wenn ich vielleicht ein bißchen zu munter bin - es freut einen doch am Ende, so einen verwünschten Kälberdieb, der so oft und schlau jeder Versuchung widerstanden hat, zuletzt doch noch überlistet zu haben. Wir müssen übrigens gleich an Ort und Stelle sein; da drüben seh ich schon die Kiefern der Teufelskanzel über das andere Schwarzholz hervorragen, und gleich dort unten, wo der Hickory über die enge Schlucht gestürzt ist, liegt das Triftholz, wo meine Falle steht. Die Neger werden den Platz doch finden?“

„Scipio kennt jeden Fußbreit Boden hier“, sagte Sutton. „Also hier unten steckt die Bestie; nun warte, mein Schatz, du sollst deinen Kameraden so lange Musik vormachen, bis ihnen vor lauter Bimmeln die Ohren klingen. Hört Ben, dies ist ein nichtsnutziger Weg hier, wir sind auch wohl gerade auf den steilsten Fleck gekommen - nun Ben? - Wollen wir noch ein bißchen? - Was habt Ihr denn zu gucken?“

Der junge Mann war auf einen umgefallenen Baumstamm getreten, hatte mit der Linken den niederhängenden Ast einer jungen Buche gefaßt und schaute mit starrem, unverwandtem Blick die Schlucht hinab in die Tiefe - erwiderte aber kein Wort.

„Nun, Ben? - Was gibt’s? - Ihr wißt wohl selber nicht mehr recht, wo Ihr daheim seid?“ rief der Farmer und sah ungeduldig nach ihm zurück. „Wir sind wohl in der falschen Schlucht?“

Ben Holik erwiderte keine Silbe; nur bleichen Angesichts und keines Wortes mächtig, deutete er nach einem wirren Haufen wild übereinandergestürzter dürrer Äste und Stämme, zwischen dem das scharfe Auge des alten Mannes gar bald das rauhe viereckige und massive Gestell einer zugeschlagenen Wolfsfalle, wie sie in den Wäldern eben üblich ist, erkannte.

„Meiner Seel’, an den falschen Kasten geraten“, brummte der Greis, nachdem er sich durch einen zweiten Blick überzeugt hatte, daß die Falle leer sei, „na, das fehlte auch noch, jetzt können wir die steile Partie wieder hinaufmachen.“

Er wandte sich, um den Berg wieder emporzuklimmen, hier aber fiel ihm das verstörte, wilde Aussehen des eben noch so fröhlichen Jägers auf, und als er schon den Mund öffnete, um ihn zu fragen, was ihm fehle, hörte er die halblaut und heftig ausgestoßenen Worte desselben:

„Sie ist leer!“

„Da unten in der hat der Wolf gesessen?“ fragte der alte Farmer rasch und erschreckt.

„Dort unten“, lautete die monotone Antwort des aus seinen Himmeln erbarmungslos Niedergeschmetterten.

„Na, das ist eine schöne Geschichte“, murmelte Sutton, klomm, so rasch dies eben gehen wollte, und sicherlich viel rascher, als er am Anfang beabsichtigt, den steilen Hang hinunter und stand gleich darauf vor der allerdings leeren, aber heruntergeschlagenen Falle.

Das Fleisch im Inneren war augenscheinlich nicht berührt, eine Art Wolfsgeruch glaubte er aber selber zu wittern, und bei genauerer Untersuchung entdeckte er an dem einen rauhen Balken sogar einzelne weiße Bauchhaare, die kaum von einem anderen Tier als einem Wolf herrühren konnten. Wo aber war dieser hin verschwunden? Denn daß er sich sollte unter der schweren Klappe vorgearbeitet haben - Sutton stemmte seine Schultern darunter und suchte sie emporzuheben, er war kaum imstande - schien rein unmöglich.

Während er noch so beschäftigt war, stieg Benjamin Holik langsam und schweigend zu ihm nieder, stellte seine Büchse an den nächsten Baum, legte Halsband und Glocke daneben und trat dann dicht zur Falle heran, die er, ohne sie jedoch zu berühren, auf das aufmerksamste und genaueste betrachtete.

„Und Ihr habt heute morgen wirklich einen Wolf darin gefangen gehabt?“ fragte Sutton nach längerer Pause, während er trotz des Beweises der gefundenen Haare ungläubig dabei mit dem Kopf schüttelte.

„Ich gebe Euch mein Ehrenwort“, sagte Ben tonlos, „ein starker männlicher Wolf steckte in der Falle, als ich vor kaum einer Stunde diesen Platz verließ. Drei Wölfe hätten aber nicht Kraft genug gehabt, diese Balken emporzuheben und darunter vorzuschlüpfen, und wenn ihnen das wirklich gelungen wäre, so müßte wenigstens die Hälfte ihres ganzen Pelzes an der rauhen Rinde dieser Stämme hängengeblieben sein.“

„Das dachte ich eben auch“, sagte Sutton, „und Ihr wißt gewiß, daß es auch wirklich ein Wolf...“

„Nun, zum Henker!“ rief der Jäger, dem der Ingrimm über die getäuschte Erwartung auch endlich durch das sonst überhaupt nichts weniger als geduldige Hirn zu blitzen begann. „Ich werde doch einen Wolf von einem Stück verendeten Pferdes unterscheiden können? Aber da - seht hier - und - und überzeugt Euch selber.“

Noch während er sprach, sprang er plötzlich auf die Falle zu, warf mit einem Ruck seiner gewaltigen Kraft die Klappe zurück, als ob’s ein loses Brett gewesen wäre, und schwang sich mit einem Satz über die niedere Wand ins Innere.

„Da!“ rief er, während er vor sich auf den feuchten Boden niederzeigte. „Da und da - und da sind die Spuren der Bestie, wenn Ihr denn meinen Worten nicht mehr glauben wollt; hier ist die Stelle, wo sie die Fänge in die Lockspeise einschlug, als die Klappe wahrscheinlich zufiel. Wollt Ihr mehr Beweise, daß ich Euch nur eine Tatsache verkündet und nicht etwa eine - Lüge in den Bart geworfen habe? Pest und Gift! Das hat mir einer der schleichenden Halunken, die mich in der Ansiedlung immer nur so scheu von der Seite anblinzeln, wenn ich einmal hinaufkomme, zum Possen getan. Herausgelassen, mutwillig herausgelassen ist das Raubtier, und weiß es Gott, dem, der seine Hand in so schändlicher Art an Ben Holiks Eigentum gelegt hat, wäre besser, er hätte den Washita in seinem Leben nicht gesehen, als daß er mir, hab ich ihn erst aufgespürt, wieder vor die Augen käme!“

„Hm, das ist eine wunderliche Geschichte!“ brummte der Alte. „Wer zum Henker soll sich die Mühe geben, Euch die Wölfe aus der Falle zu lassen? Und müßte er nicht die ganze Nacht gerade hinter Euch hergekrochen sein, um den einzigen Zeitpunkt, wo er es unentdeckt tun konnte, so genau abzupassen?“

Ben erwiderte nichts, sondern stieg aus der Falle und suchte auf dem Holz nach irgendeinem Zeichen, das ihn vielleicht hätte auf die richtige Spur bringen können. Das trockene Holz bot seinem Auge aber nichts, von dem geleitet es hätte weiter forschen können - nur die Spuren von Haaren entdeckte er bald, auch die Fährten des Raubtieres, wo es vom letzten Stamm hinab auf die weiche Erde gesprungen und dann wieder die andere Seite der Schlucht hinauf in geradester Richtung seinen Schlupfwinkeln zugeflohen war. Nirgends ließ sich dabei die Spur eines menschlichen Fußes erkennen - nur ein paar unnatürlich tief in die Erde eingedrückte Steine, die der Blick des Jägers bald erkannte, lenkten seine Aufmerksamkeit auf sich: Sie waren, selbst da wo sie mit Erde bedeckt lagen, vollkommen trocken. Der, der sie eingetreten, mußte also erst vor ganz kurzer Zeit hier herübergeschritten sein.

Holik zeigte sie dem alten Mann, und dieser gab auch zu, daß es ihm selber so vorkäme, als ob da jemand gegangen sei, an die Erkennung einer genaueren Fährte war aber nicht zu denken. Oben auf dem Hügelkamm zog sich ein starrer Felsstreifen meilenweit über den Berg hin und zweigte überall in rauhe, steinige Schluchten aus. Wem hier daran gelegen war, seine Spur zu verheimlichen, konnte das leicht genug, und die beiden Männer sahen sich auch endlich genötigt, jeden derartigen Versuch als nutzlos aufzugeben.

Die Neger wurden zurückgeschickt, und Sutton folgte ihnen selber in keineswegs rosiger Laune allein, denn Ben Holik wollte jetzt vor allen Dingen den Wald nach der Richtung hin durchstreifen, wohin die mutmaßlichen Fährten liefen, möglich doch, daß ihm sein gutes Glück - er stampfte mit dem Fuß, als er die Worte sprach - den Täter gerade in den Weg führte.

Er fand nichts - den ganzen Tag durchkreuzte er den Wald, und als er abends müde und matt in die Ansiedlung zurückkehrte, mußte er noch ertragen, daß man ihn bemitleidete und sich, anscheinend teilnehmend, in der Tat aber nur neugierig, nach den näheren Umständen erkundigte; ja, Metcamp erbot sich sogar höchst freundlich, wieder mit ihm zu gehen und die Spur noch einmal aufzunehmen. Er hätte, wie er selber dem alten Sutton versicherte, eine ungeheure Übung im Fährtefolgen und war überzeugt, er könne ihr nachgehen. Ben Holik aber hielt sich, was den Wald betraf, für einen ebenso guten Mann wie irgendeinen, dessen Füße je in Mokassins steckten, und lehnte das Anerbieten artig wohl, aber rundum ab.

Dieser Metcamp hatte für ihn etwas Unheimliches in Blick und Ton. War er selber so parteiisch oder eifersüchtig, ohne allen sonstigen Grund den Menschen zu hassen, und wäre es nicht...?

„Verzeih mir Gott die Sünde!“ unterbrach Ben selber seine Gedanken, als er wieder zum Wald zurückschritt, denn Betsy konnte und wollte er in diesem Zustand von Aufregung und getäuschter Hoffnung nicht vor die Augen kommen. „Verzeih mir Gott die Sünde, daß ich von einem Menschen, der mir bis jetzt wissentlich noch kein Leid getan hat, Unrechtes denke, aber dieser Metcamp kommt mir immer vor wie mein böser Geist, und wenn es einen Menschen in der weiten Gotteswelt gäbe, dem ich den Bubenstreich zutrauen möchte - so ist es der. Aber warte, mein Bursche, bist du’s gewesen, so hast du ein Paar so scharfe Augen auf deiner Fährte, wie sie in der Ansiedlung nur zu finden sind, und wer weiß dann, ob wir nicht noch einmal ein paar Worte im Vertrauen reden!“

Ben war ein seelenguter und schwer zu kränkender Mann - wie es fast alle kräftigen, kernigen Naturen von so riesigem Körperbau sind - aber leichenbleich färbte ihm doch der Zorn die Wangen, als er den Ort wieder erreichte, wo er das Ziel seiner Wünsche, nach dem er wochenlang gestrebt, endlich gefangengehalten, und wo dann ihm eine tückische Hand den Becher, den er gerade zum Mund führen wollte, entrissen und zu Boden geschleudert hatte. Was aber half ihm der ohnmächtige Zorn - er fand keine weiteren Anzeichen; die Spuren des Geflohenen waren so schlau verdeckt, daß er anfing, es dem geschniegelten Städter nicht einmal mehr zuzutrauen, und seinen Verdacht von einem zum anderen der jungen Leute unter seinen Bekannten schweifen ließ, die, wie er recht gut wußte, ihn um sein Glück bei Betsy beneideten und ihn dadurch vielleicht abhalten wollten, ihre Hand zu erringen. Es blieb aber auch immer nur wieder bei dem Verdacht; eine Gewißheit konnte er auf keiner Seite erlangen.

Das Schlimmste bei der Sache war übrigens auch das noch, daß ihm diese seine beste Falle dadurch für eine geraume Zeit unbrauchbar geworden, denn in die ging, wenigstens nicht eher, als bis einmal ein Wolkenbruch jedes Zeichen der gefangen gewesenen Bestie abgewaschen, kein Wolf wieder hinein - und welche Falle lag so vortrefflich wie gerade diese? Wolfs-Ben war übrigens nicht der Mann, der sich durch eine ihm in den Weg geworfene Schwierigkeit so leicht hätte abschrecken lassen; noch standen ihm drei andere Fallen, und selbst in dieser Schlucht konnte er, wenigstens weiter oben, eine neue anlegen. Mit unermüdlichem Fleiß arbeitete er also aufs neue, lag Tag und Nacht draußen und hielt von jetzt an eine so scharfe Wacht in seinem gewöhnlichen Jagdrevier, daß kein Kaninchen, viel weniger denn ein Menschenkind, unbeachtet durchschlüpfen konnte. Voll neuer Hoffnung dachte er nun mit jedem Morgen den Fang eines zweiten Wolfes begrüßen zu können - aber vergebens. Was er auch tat, blieb fruchtlos, und Ben wurde zuletzt so schwermütig und menschenscheu, daß er gar nicht mehr aus seinem Wald heraus mochte, sondern jetzt, mit dem einen und einzigen Ziel vor Augen, fast nichts anderes dachte, als einen Wolf lebendig zu fangen.

Die Ansiedlung besuchte er gar nicht mehr, oder doch nur bei Nacht, wo er nicht zu fürchten brauchte, daß Betsys Blick auf ihn fiel - denn nachgerade fing er an, sich zu schämen, ein so ‚schlechter Jäger‘ zu sein, und er meinte, die Leute müßten ihm das alle an den Augen ansehen.

Drei Wochen waren solcherart verflossen, und wenn Bens Herz wohl auch immer und unverändert dasselbe geblieben war, so hatten doch die Sachen in der Ansiedlung indessen eine ganz andere Wendung genommen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wolfsglocke