1. In den Washita-Bergen Nordamerikas liegt der Schauplatz, auf den ich den Leser führen will...

In den Washita-Bergen Nordamerikas liegt der Schauplatz, auf den ich den Leser führen will. Dort in den wilden Tälern jener reizenden Hügelketten existiert noch der richtige Backwoodsman; schlicht und ehrlich, rauh und derb, aufopfernd in seiner Freundschaft, aber gefährlich in seinem Haß, und sein Leben großenteils von der Jagd, etwas vom Ackerbau und meist von der Viehzucht abhängig machend.

Die letztere wird ihm besonders durch das milde Klima jener Gegend, durch die grasreichen Hügel, durch die noch hier und da mit dichten Schilfbrüchen gefüllten Täler erleichtert, und wenig Mühe ist es, die ihn die Zucht einer oft nicht unbeträchtlichen Herde kostet. Dann und wann eine Handvoll Salz nahe bei seiner Hütte hingeworfen, eine häufige und regelmäßige Wanderung von einem der kleinen zerstreuten Trupps zum anderen, daß sie den Anblick des Menschen gewohnt blieben und nicht wild wurden - und der Sorgfalt, die er möglicherweise darauf verwenden konnte, war vollkommen Genüge geleistet.


Einen Feind aber hatte er, den er, so oft er ihm auch nachstellte und ihn mit Büchse und Falle unermüdlich verfolgte und zu vernichten strebte, doch nicht bewältigen konnte, einen Feind, der nachts in heulenden Scharen die ängstlich blökende Herde umschlich und manch kräftiges Kalb, ja sogar manch einzeln abschweifende Kuh - und wieviel Ferkel und junge Schweine! - überfiel, erwürgte und verzehrte - dieser listige, blutgierige und erbarmungslose Feind war der Wolf.

Durfte man es dem Backwoodsman verargen, wenn er seine ganze List und Jagdkenntnis anwandte, um solch schlauem und gefräßigem Dieb beizukommen? Aber so eifrig er auch auf der Lauer lag, so manche Nacht er, Moskitos und Holzböcken zum Trotz, in den Ästen irgendeiner knorrigen Eiche eingeklemmt hing und beim matten Mondlicht den scheuen Räuber durch angeschlepptes Aas herbeizulocken und zu belauern gedachte, so selten war er imstande, der höchst umsichtigen Bestie die tödliche Kugel in den Pelz zu schicken. Die Zahl der Raubtiere mehrte sich, trotz der unermüdlichen Nachstellungen, von Jahr zu Jahr, und im Verhältnis dazu wurden die Herden gelichtet, so daß wirklich etwas Ernstes geschehen mußte, wenn sich die Viehzüchter nicht genötigt sehen sollten, ihre Weidegründe, nur allein dieser Plage wegen, aufzugeben. - Und ein Hinterwäldler einem Wolf das Feld räumen? - Ei, Klapperschlangen und Poppkorn! Das wäre ja wahrhaftig eine Schmach und Schande für sein ganzes Leben gewesen.

Daß unter solchen Umständen derjenige, der die meiste Geschicklichkeit auf der Jagd bewies, auch der geachtetste der Jäger war, versteht sich wohl von selbst, und so geschah es auch, daß sich Benjamin Holik, der erst seit kurzer Zeit aus Missouri heruntergekommen war, in kaum einem halben Jahr, wo er allein mit seiner Büchse siebzehn der Bestien erlegt hatte, den Ehrennamen ‚Wolfs-Ben‘ verdient hatte und bald für den besten Wolfsjäger im ganzen Revier galt.

Wolfs-Ben war auch noch außerdem ein gar stattlicher und wackerer Bursche. Gut seine sechs Fuß hoch, mit wahrhaft riesigen Schultern und Armen und einer Kraft, der es keiner der doch sonst gewiß nicht schüchternen Hinterwäldler gewagt hätte, im Einzelkampf zu begegnen, zeigte er sich sonst in seinem ganzen Wesen als der gutmütigste, verträglichste und gefälligste Freund. - Mit einem guten Wort ließ sich von ihm alles erlangen, die vorletzte Ladung Pulver gab er her und den letzten Bissen, den er in seine Decke gewickelt bei sich trug; dabei war er der trefflichste Gesellschafter, wußte Unmassen der abenteuerlichsten Geschichten zu erzählen, half, wo er einmal irgendwo übernachtet, mit unermüdlichem Fleiß Feuerholz schlagen und zum Haus schaffen, den Mais in der Stahlmühle mahlen, die Tiere versorgen usw., und hatte sich dadurch, sowohl wie durch sein männlich schönes Äußeres, die Herzen sämtlicher Frauen der Ansiedlung dermaßen gewonnen, daß er die übrigen jungen Burschen wahrhaftig zur Verzweiflung brachte und schon anfing, trotzdem daß er noch keinem auch nur eines Strohhalms Hindernis in den Weg gelegt, recht tüchtige Feinde unter ihnen zu zählen.

So still und ruhig aber Ben dabei seinen Weg ging und anscheinend harmlos in den Tag hineinlebte, so hatte er doch auch die Augen weit genug offen und wußte selber am besten, unter welchem Dach er am liebsten schlief, in welche Augen er am unermüdlichsten schauen konnte, und wo ihn - nicht das freundlichste Gesicht, denn die Mädchengesichter bewillkommten ihn alle freundlich - wohl aber das süßeste Erröten begrüßte, daß ihm bis jetzt noch stets das Blut in rasender Schnelle durch die Adern gejagt.

Doch ich will dem Leser keine langen Rätsel aufgeben, die er jedenfalls schon eine Weile vorher erraten hätte. Benjamin Holik liebte - wie nur seine treue, einfache Seele lieben konnte - so recht aus Herzensgrunde Robert Suttons liebliches und einziges Töchterlein, und die einzige und alleinige Sorge, die ihn dabei quälte, war, daß Sutton, der die größte Farm und Baumwollplantage unten am Washita und Red River besaß und im Sommer hier nur eigentlich seiner Herden und seiner Gesundheit wegen in die Berge zog, für einen sehr reichen und - was noch schlimmer war - geizigen Mann galt, und er - armer Teufel! - weiter nichts auf der weiten Welt besaß als seine Büchse, sein Messer und seinen Körper. Sein braves, ehrliches und treues Herz schlug er dabei gar nicht an, und doch war das die kostbarste Perle, die in ihrer Umhüllung nur wie in einer weit minder wertvollen Schale saß.

Ben hatte aber schon oft und lange und nicht selten mit recht trüben Sinnen darüber nachgedacht, wie er es eigentlich anfangen sollte, um etwas Geld zu verdienen und einen kleinen ‚Start‘ wenigstens zu haben, mit dem er beginnen könne - denn sich um Arbeit auszudingen und langsam und mühsam Dollar nach Dollar in schwerer Tages- und Monatsarbeit zu verdienen, das schien ihm ein viel zu langer und weitläufiger Weg und hätte ihn seinem Ziel auch wohl nun und nimmermehr entgegengeführt. Und doch war es nötig, denn er wäre nicht der erste Freier gewesen, dem der alte Sutton, seiner ärmlichen Verhältnisse wegen, einen Stuhl vor die Tür gesetzt. Und wo zeigte sich ihm in dem einfachen, ruhig dahinfließenden Waldleben eine Gelegenheit, so einmal mit raschem Schlag das Glück beim Schopf zu erfassen - und zu halten?

Er wurde immer nachdenklicher und schwermütiger, mied die geselligen Wohnungen der Ansiedlung, trieb sich Tag und Nacht draußen im Wald herum und hatte als einzigen Gewinn die Skalpe der erbeuteten Wölfe, die ihm der Staat allerdings mit drei Dollar Prämie per Stück vergütete, die aber immer noch zu keiner Summe anwachsen wollten, um auch nur einigermaßen seine Ansprüche auf der holden Betsy Hand zu begründen.

In dieser Zeit etwa war es, daß der alte Sutton einmal einen kleinen Abstecher nach Texas gemacht und dort von ebenso abgeschieden wohnenden Viehzüchtern ein Mittel gehört hatte, um die Wölfe aus einer Gegend, in die sie sich gezogen und wo sie überhandgenommen hätten, vollkommen zu vertreiben.

Dies bestand einfach darin, daß sie vorher einen Wolf lebendig fingen, ihm dann eine Glocke wie einem Pferd um den Hals schnallten und ihn - ruhig wieder laufenließen. Der Wolf kehrte hiernach natürlich, so rasch er konnte, zu seinem Rudel zurück; dort aber hörten sie kaum die fremdartige Schelle, als sie auch scheu vor dem früheren Kameraden die Flucht ergriffen und in wilder Eile einem so unheimlichen Gegenstand zu entkommen suchten. In jedes Versteck, das sie annehmen, folgt ihnen nun der beglockte Wolf, dem es mit dem unbequemen Riemen um den Hals und dem ewigen Gebimmel unter seiner Kehle selber unheimlich wird, wenn er sich allein sieht. Er glaubt Schutz unter den Brüdern zu finden, schüttelt sich, wälzt sich, springt, schwimmt, kurz, tut alles Mögliche, um seine Qual loszuwerden, und ist besonders darüber aufs äußerste empört, daß er nicht mehr wie früher so leise und geräuschlos seine Beute beschleichen kann, sondern sich jedesmal selbst gleich durch lauten Glockenklang verraten muß, und flieht nun, hat er das eine Rudel förmlich verjagt, zu einem anderen, treibt auch dieses aus den Bergen, die er sich selber bis dahin zum Wohnort gewählt, und sieht sich endlich - was er aber auch nur im äußersten Fall und erst dann tut, wenn er wirklich ganz allein zurückgeblieben ist - genötigt, selbst einen anderen Jagdgrund zu suchen, da auch die Herden sich bald den Ton der Glocke merken und nicht selten in fest geschlossener Phalanx den nächsten Ansiedlungen zustürmen, sobald sie den klingenden Feind nur nahen hören.

Der Versuch mußte auch am Washita gemacht werden; Sutton kehrte rasch dorthin zurück, beriet sich mit sämtlichen benachbarten Farmern und kam mit ihnen dahin überein, daß sie eine Prämie von zwanzig Dollar darauf setzen wollten, einen Wolf lebendig überliefert zu bekommen, so daß sie ihm selber die Glocke umschnallen und ihn dann wieder ins Freie hinauslassen konnten.

Der Preis ließ sich aber gut setzen! Die Wölfe waren schlauer als die Jäger, und wenn besonders Ben auch manchen Skalp einbrachte, so schien es doch selbst ihm unmöglich zu sein, einen der schlauen Schurken wirklich unbeschädigt und lebendig zu erhaschen, denn die Fallen, die er stellte, blieben leer, und in den Fallgruben, die er auswarf, fingen sich nur der Nachbarn Rinder und Schweine.

Da es ihm nicht gelang, waren die übrigen Jäger noch weit weniger dazu imstande, und der auf einen lebendig eingebrachten Wolf gesetzte Preis stieg endlich, da die Farmer jetzt auch hitzig wurden und den Versuch unter jeder Bedingung, und zwar sobald als möglich, zu machen wünschten, bis zu der für den Wald ungemein hohen Summe von zweihundert Dollar empor.

Das war ein Sporn für unseren Benjamin. Zweihundert Dollar, alle Wetter, damit konnte er sich eine vollkommen eingerichtete kleine Farm mit einem mäßigen Rinder- und Schweineanfang kaufen - und Betsy - ei, wer weiß, ob sich der Alte nicht dann doch noch überreden ließ, wenn er nur erst einmal den schwarzen Burschen einbringen und überliefern konnte! Zeit durfte er übrigens dabei auch nicht im geringsten verlieren, denn der Preis hatte natürlich alle Jäger der ganzen Umgegend auf die Füße gebracht, und überall im Wald hallten die Axtschläge der Männer wider, die sich kleine Baumstämme fällten, um damit die einzig mögliche Art von Fallen zu errichten, die man dort kannte, um eine solch wilde Bestie wirklich unbeschädigt zu fangen. Stahlfallen durften nämlich nicht angewandt werden, da diese jedenfalls den erfaßten Lauf verwundet, vielleicht gar zerschmettert hätten und die Prämie nur ausdrücklich für ganz gesunde Wölfe garantiert wurde.

In dieser Zeit etwa war ein Besuch in die Hügel gekommen, der unseren armen Benjamin Holik bald auf das Bösartigste beunruhigen - ja, was noch schlimmer war - ihm wirklich gefährlich werden sollte. Es war dies niemand anderes als ein sogenannter ‚Vetter‘ von Sutton, ein ‚Städter‘ mit blauem Tuchfrack, blanken Knöpfen und ‚Strippen‘ an den Hosen. Jesus, wie die Kinder lachten, wenn er irgendwo in ein Haus kam und sich niedersetzte; wie sie sich dann mit den schmutzigen Gesichtern zusammendrückten, miteinander flüsterten, dann einen scheuen Seitenblick nach den ‚Strippen‘ warfen, plötzlich in ein lautes, mit aller Mühe nicht zu unterdrückendes Gelächter ausbrachen und wild und toll aus dem Haus stürmten! Das blieb sich aber gleich, die Kinder waren dumme Bälger, die noch nichts von der Welt verstanden und am wenigsten beurteilen konnten, ob an einem Mann wirklich etwas sei oder nicht; - und an diesem war jedenfalls etwas, denn sein Onkel galt für einen der reichsten Pflanzer in Alabama und hatte nur den einzigen Erben. Ist es da ein Wunder, daß ihn der alte Sutton freundlich aufnahm, wie den eigenen Sohn behandelte und sich und sein ganzes Haus (die Hand der Tochter damit eingerechnet) zu seiner Disposition stellte?

Mr. Metcamp schien denn auch recht gut einzusehen, welch ein Schatz ihm hier geboten wurde, und wenn ihn auch die junge Dame selber scheu und in der Tat absichtlich vermied und ihm auf jede nur mögliche Art zu verstehen gab, es sei ihr an seinen Artigkeiten nicht das mindeste gelegen, so war er - in New Orleans selber auferzogen - keineswegs der Mann, der sich durch solch ‚ländliche Sprödigkeit‘ hätte so rasch und leicht abschrecken lassen. Er wußte sich vor allen Dingen klugerweise bei dem Vater in festeste Gunst zu setzen, lauerte dem alten Mann bald seine Schwachheiten ab und machte ihn in kürzester Zeit glauben, er sei der beste Jäger, der unerschrockenste Reiter und überhaupt das mutigste Herz, das nur je unter einem ledernen Jagdhemd geschlagen, also unter seinem blauen Tuchfrack doppelten Wert haben mußte, und wußte dabei den schlichten Hinterwäldler durch seine Gelehrsamkeit und sein tiefes Wissen - lauter solche Sachen, von denen dieser bis jetzt noch nicht einmal eine Idee gehabt - so zu verblüffen, daß Sutton endlich schwor, Mr. Metcamp sei der ‚smartest‘ und beste Mann in der ‚range‘, und wenn seine Tochter ihm nicht ihre Hand geben wolle, so bekäme sie es mit ihm selber, ihrem Vater, zu tun.

Betsy machte bei einer - der ersten - heimlichen Zusammenkunft mit dem Geliebten diesen mit allem bekannt, was ihr das Herz abzudrücken drohte, erklärte ihm, nicht ohne ihn leben zu können und behauptete, das unglücklichste Wesen zu sein, das die Erde trüge. Benjamin war vollkommen damit einverstanden, hielt der Geliebten Hand fest in der seinen, schaute ihr mit recht wehmutsvollen Blicken in die treuen Augen und sagte endlich mit leiser, zum Trost bestimmter - aber ach! - des Trostes selber sehr bedürftiger Stimme:

„Liebe Betsy, verzage nicht - es wird schon noch alles gutgehen. - Sieh, ich habe die ganze Nacht gearbeitet und viele neue Fallen aufgestellt und auch in alle schon treffliche Lockspeise gelegt; fang ich selber den Wolf, dann hab ich ein kleines Kapital und kann nachher sagen: ‚Nachbar Sutton, ich möchte Eure Tochter zum Weib und bin imstande, ihr gleich ein freundliches Dach zu bieten, so daß ich Eurer Hilfe dabei gar nicht weiter bedarf!‘ - Und wenn er dann hört, daß du, Betsy, mir wieder so recht von Herzen gut bist...“

„Ach, du wirst gar nicht den ersten Wolf fangen können!“ sagte Betsy unter Tränen. „Der häßliche Fremde hat dem Vater den ganzen Abend von weiter nichts als den neuerfundenen Fallen erzählt, die er hier anwenden will der kennt gewiß lauter neue Schliche und Pfiffe, wie sie in den Städten ausgedacht werden, und wird dir auch da am Ende störend in den Weg treten.“

„Laß nur sein, mein Herz!“ beruhigte sie, jetzt aber wirklich in stolzem Selbstgefühl lächelnd, der Jägersmann. „Darum sorge dich nicht - wo’s in den Wald schlägt und mit wilden Bestien zusammenhängt, da laß sie in den Städten getrost sinnen und grübeln: In der Ausführung sollen sie’s uns hier schon nicht zuvortun, oder - es ist unsere eigene Schuld und wir haben’s nicht besser verdient. Da du mir jedoch sagst, mein Kind, daß er auch von der Jagd etwas zu verstehen vorgibt, so kommt er mir da auf einen Boden, wo ich ihm meinen Mann stehe, und siehst du, jetzt - ich weiß selber nicht, wie das so eigentlich gekommen ist - hab ich auf einmal weit mehr Mut und Selbstvertrauen als vorher. Bleib du mir nur hold, du gutes Kind! Zwingen kann dich der Vater zur Heirat doch nicht, und wenn er erst findet, daß ich dich nur zu meinem lieben Weib haben will, weil ich einmal nicht ohne dich leben kann und keineswegs seines Geldes und Gutes wegen, ei, so wird er auch einsehen, daß ihm ein solcher Schwiegersohn mehr Ehre bringt als der geschniegelte Städter, und vielleicht bekomme ich dann noch ein recht herzliches ?Ja‘ von ihm.“

Es lag so eine freudige, vertrauensvolle Zuversicht in den Worten, daß sie selbst der mutlosesten Jungfrau neue Hoffnung gab. Durch das Gerücht von des Fremden Kenntnis im Fallenstellen war aber auch Benjamin aufgereizt worden, seine Anstrengungen zu verdoppeln, daß er nicht etwa durch Lässigkeit sein ganzes Glück versäume. Einen fast fröhlichen Abschied nahm er von dem schwermütigen Mädchen, küßte ihm die tränenden Augenlider, schulterte seine Büchse und wanderte frisch und getrost in den dunklen Wald hinein.

Die Fallen, die Ben Holik für Wölfe stellte, befanden sich alle ziemlich in der Nähe der Ansiedlungen, da die wilden Bestien die bewohnten Plätze, wohin sich das Vieh abends zurückzog und wo auch die saugenden Sauen ihre Betten hatten, am liebsten aufsuchten. Eine besonders, auf die er seine meiste Hoffnung setzte, da sie nicht weit von einem Wechselpfad der Wölfe zwischen zwei Hügelrücken lag, war mit außerordentlicher Sorgfalt hergerichtet und so gestellt, daß sie von den Wölfen gesehen werden mußte. Ebenso steckte die treffliche Lockspeise, die ganze Keule eines erst gefallenen Pferdes, daran, und den Vorteil hatte sie noch außerdem vor den übrigen, daß er nicht jedesmal, wenn er nachsehen wollte, ob sich etwas gefangen habe, dicht hinzugeben brauchte, wo er gezwungen gewesen wäre, Spuren zurückzulassen, sondern von einem nicht fernen, ziemlich steilen Hügelrücken aus, der dort in eine starre Felsspitze vorragte, mit seinen Adleraugen den ganzen Platz recht gut übersehen konnte. Ließ sich dann auch nicht gleich bestimmen, ob sich etwas gefangen hätte, so ließ sich doch recht gut erkennen, ob die Falle noch aufgestellt oder niedergeschlagen wäre.

In der Nacht mochte er freilich den Ort nicht stören, deshalb ging er jetzt geradenwegs zu seinem Lagerplatz, den er sich, bis er sein Ziel erreicht, in den Bergen aufgeschlagen, entzündete dort sein Feuer wieder, verzehrte sein einfaches Abendbrot, rollte sich in seine Decke und war bald sanft und süß, jeder weiteren Anstrengung für diese Nacht entsagend, eingeschlafen.

Am Morgen bedurfte er des Hahnenschreis nicht, um munter zu werden. Sowie der ‚Whip-poor-will‘ seine ersten klagenden Laute wieder hören ließ, sprang er auf, kochte seinen Kaffee, den jeder Jäger gebrannt und gemahlen in einem Leinwand- oder Ledersäckchen bei sich führt, und erwartete nun ungeduldig den ersten matten Dämmerschein, der sich im Osten zeigen würde. - Endlich, endlich kam das diesmal so heißersehnte Licht, mit dem sich der Wolf jedesmal wieder in seine bestimmten und gewöhnlich unzugänglichen Schlupfwinkel zurückzieht. Und vorsichtig, dürre Äste und brechendes Holz meidend, damit das Geräusch nicht etwa noch in der Nähe weilende Bestien aufscheuche, kroch er in der Tat mehr als er ging dem Felsen zu, der ihm zur hohen Warte diente.

Jetzt hatte er ihn erreicht - jetzt konnte er den flachen, eben von grauem Licht kalt durchgossenen Fleck überschauen - beim Himmel, der ungewisse Schein mußte ihn täuschen - er vermochte das aufgestellte Dach der Falle nicht mehr zu erkennen. - War sie - war sie niedergeschlagen?

Das Herz schlug ihm in fieberhafter Ungeduld, und gewaltsam fast bezwang er sich, um den heller heraufbrechenden Morgen abzuwarten, ehe er seine Fährte dem Talgrund einpresste.

Aber lange hielt er es so nicht aus; weder Ruh’ noch Rast ließ ihm die Ungeduld, und je mehr er jetzt den Blick anspannte, um die Gegenstände unter sich zu erkennen, desto deutlicher wurde ihm die Tatsache und der Zweifel endlich zur Gewißheit. Die Falle war wirklich zugeschlagen, und es mußte also ein Wolf in ihr stecken, denn die Kühe, die manchmal sehr zum Ärger des Jägers und ihrem eigenen Schrecken die Stützen umstoßen, kamen gar nicht in dies felsige, grasleere Tal hinunter.

„Betsy!“ Das war der einzige Laut, den er, sich selbst vielleicht unbewußt, ausstieß, als er mit flüchtigen Füßen den Talgrund hinab- und der Stelle zuflog, wo im Schatten dichter Sassafras- und Spicebüsche, gar schlau in einen wilden Haufen des dort von dem manchmal reißend geschwollenen Bergstrom hingeschwemmten Holzes hineingestellt und von dem klar vorbeisprudelnden Wasser bespült, die Falle stand.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wolfsglocke