Die Galinder.

Das Land der Galinder war viele Jahre lang wüste und ohne Bewohner, obgleich es früher sehr volkreich gewesen ist. Dies trug sich folgendermaßen zu: Zur Zeit als die ersten Christen nach Preußen kamen, war das Galinder-Land so bevölkert, daß es den Einwohnern darin endlich zu enge wurde, deshalb befahlen die Vornehmsten im Lande den Wehemüttern, alle Mägdlein so zur Welt kamen umzubringen. Die Wehemütter konnten das aber nicht über das Herz bringen; da ließen die Vornehmen den Weibern die Brüste abschneiden, damit sie nicht säugen konnten; darüber entstand großes Weheklagen unter den Weibern. Sie gingen also zu einer Wahrsagerin, welche im Lande lebte, und beriethen sich mit derselben, wie sie an den Männern sich rächen könnten. Die Wahrsagerin beschickte darauf die Vornehmsten im Lande, und sagte zu ihnen: der Götter Wille sei es, daß sie in das Land der neuen Christen einfallen und diese berauben sollten; sie sollten aber keine Waffen mitnehmen. Dem Spruche der Prophetin gehorchten die beiden, und Jung und Alt stand auf, und fielen des Nachts in das Land Masuren, in welchem die Christen wohnten; sie machten viele Leute zu Gefangenen und traten dann den Rückweg an. Einer der Gefangenen entlief aber, kehrte zurück zu den Seinigen, und zeigte ihnen an, daß die Galinder ohne alle Waffen seien; da brachen die Christen in Masurien eiligst auf, überfielen die Räuber und erschlugen sie sämmtlich. Als dieses ihre Nachbarn, die Sudauen, hörten, fielen sie in das Land der Galinder, in welchem sie jetzt keinen Widerstand fanden, und trieben Weiber, Mägde, Jung und Alt, fort. Also wurde das Land leer und wüst, wie es noch hundert Jahre nach Ankunft des deutschen Ordens war.