Vierte Fortsetzung

„Alles was der Staat von materiellen Kräften für die Volkserziehung verwendet, ist nur scheinbarer Aufwand in Wirklichkeit aber, und sei es noch so reichlich, ein Beweis der segensreichsten, weitesten Sparsamkeit. Indem sie die höchsten menschlichen Lebenszwecke fördert, verringert sie in entsprechendem Verhältnisse die Summe, welche auf öffentliche Unterstützungs- und Versorgungsanstalten, auf Pensionen, auf Kranken- und Irrenanstalten, auf Polizei- und Strafanstalten verwendet werden müssen. Ja sie würde, höher entwickelt, auch einen Teil jener Summen ersparen, welche fort und fort der Militäretat verschlingt, da hierdurch der selbständige Halt einer Nation nach innen und außen wächst, um so mehr also von den stehenden Heeren überflüssig wird, ohne deshalb das wahrhafte Gleichgewichtsverhältnis zu anderen Staaten zu stören. Es heißt am verkehrten Ende anfangen, wenn man die Grundübel des Familien- und öffentlichen Lebens großwachsen lässt, um sie hernach durch Aufbietung aller Kräfte zu bekämpfen. Vorbeugen ist ungleich leichter, besser und billiger als heilen.

„Wo gesunde Volkserziehung waltet, da werden alle Umbildungsprozesse, die ja, gemäß dem Lebensgrundgesetz einer stetigen Fortentwicklung, der Staatsorganismus mit jedem andern Organismus gemein hat, statt durch Umsturz und vernichtende Kämpfe (die Krankheiten der Weltgeschichte, die Neubildung durch vorausgegangene Zerstörung) auf dem Wege allmählicher sanfter Reform (der normalen Umbildung, der Verjüngung zu stufenweiser Höherentwicklung) erfolgen. Wo der Kern des Staatsorganismus gesund ist, da wird alles, was an ihm lebensunfähig und für das Ganze verderblich geworden, von selbst und ohne Störung des Allgemeinbefindens ausgeschieden, und alles Unzeitgemäße, was etwa hinzutreten wollte, nicht haften, denn das Unkraut findet in dem gesunden Boden keine Nahrung oder Duldung.


„Kurz jeder Urteilsfähige muss in der Volkserziehung die Urquelle aller Volkswohlfahrt erkennen. Die nächste Aufgabe des Staats ist Hebung der Volkserziehung. Diese verlangt 1) eine gründliche und rationelle Ausbildung und entsprechende Lebensstellung des Lehrerstandes; 2) rationelle Einrichtung des inneren und äußeren Schulwesens, und 3) eine innige geistige Verbindung zwischen Schule und Haus.“

Dahlmann sagt in einer Politik: „Die Regierung hat ihrem oberaufsehenden Charakter gemäß das gesamte Unterrichtswesen im Auge und schreibt die Fächer des öffentlichen Unterrichts vor, aber nicht die Wahrheiten des Faches. Es ist für den Staat das Wichtigste, dass keine Schule daran Mangel leide, was der ganzen Staatsjugend gemeinsames Bedürfnis ist, denn die tägliche Übung im Gehorsam und die Bildung einer Gesinnung sind überall die Hauptsache. Kein Staat darf je die Jugend nach einem Gefallen bilden für Staatszwecke ohne Rücksicht auf die Selbstbestimmung durch Anlage und Wahl. Wissenschaft und Unterricht werden nicht um des Staats willen begehrt und stehen ihrem Inhalt nach nur unter sehr bedingter Kontrolle des Staats, der hauptsächlich nur die Sphäre des Unterrichts regelt und die Amtstreue misst.“

Als Kuriosum und Beleg der engherzigen, einseitigen Ansichten, welche Staatsbeamte vom Schulwesen haben, führe ich Stellen aus dem Kommentar an, durch welchen ein Schulrat die preußischen Regulative illustriert: „Da dem Staate nicht allein daran liegt, dass seine Angehörigen dasjenige gelernt haben, was sie zur Ausrichtung ihres bürgerlichen Berufs wissen und können sollen, sondern da er gehorsame und treue Untertanen haben will, so fordert er von der Volksschule eine Heranbildung der Jugend in diesem Sinne. Zunächst unterstellt er damit das sittliche Leben der Volksschullehrer einer Aufsicht.“ Demnach wird die Schule eine Filiale der patriotischen Junkervereine und der Lehrer steht wie ein entlassener Sträfling unter Polizeiaufsicht! Dass ihn Gesetze schützen gegen Minister, die den Gesetzen ungehorsam sind, und gegen Landräte, welche den Gesetzen Hohn sprechen, davon weiß der Illustrator nichts. Ihm ist die Schule Vorbildung zum demütigenden Gefühl des beschränkten Untertanenverstandes. Der fromme Mann weiß nicht einmal, dass Preußen ein konstitutioneller Staat ist und keine Untertanen, sondern Staatsbürger hat. Natürlich ist der Lehrer auch Untertan des Pfarrers, dem er „in dem, was die Schule betrifft, willige Folge zu leisten und einen Rat zu suchen hat.“ Wie denn aber nun, wenn der Lehrer besser weiß, wie man das Einmaleins, Lesen und Schreiben lehrt, der Pfarrer aber der Klügere sein will? Der Lehrer soll sogar „dem Geistlichen in seiner seelsorgerischen Tätigkeit auch an der Gemeinde der Erwachsenen freundliche Mitwirkung entgegen bringen und sich mit aller Hingebung an dem Werke der inneren Mission beteiligen.“ Er soll also Frömmler werden, sonst wird er wegen schlechter Gesinnungen abgesetzt. „Er soll sich nur Vereinen anschließen, denen der Geistliche als Führer nicht fehlen darf.“ Ein artiges Pfaffenregiment! „Er soll mit Amtsgenossen nur über Amtssachen sprechen, einen geselligen Umgang auf ein weites Maß beschränken, soll nur mit verständiger Überlegung und leidenschaftslosem Erwägen sich die Gattin wählen und sich dabei von einem Herrn und Meister beraten lassen.“ Besser wäre es wohl, wenn nach spartanischem Vorbilde etwa die Schulräte die Verheiratung der Lehrer besorgten! Von der Herrlichkeit des Lehramts ist der Schulrat ganz entzückt: „Das Lehramt erscheint in eigentümlicher Schönheit, weil es der Lehrer mit den Kindern der Armen und Niedrigen zu tun hat, denn den Armen wird ja das Evangelium gepredigt; der Lehrer tritt also in Jesu Fußtapfen, er ist sein Jünger. Die Herrlichkeit des Amts des Volksschullehrers kommt freilich dem blöden Sinne der Menge nicht zu Gesicht. Sie fragt aber nicht nach einem Glück, das nach dem Maße äußerlicher Besitztümer und sinnlichen Genusses bemessen wird.“ Beim Glase Wein und hinter der Bratenschüssel ist es leicht, den Darbenden, von Nahrungssorgen Niedergedrückten zur Lehre des Tonnenbewohners Diogenes bekehren zu wollen. O wie glücklich bist Du, dass Du nur einen schäbigen Rock hast und Deine Kinder barfuß gehen! Sieh, trocknes Brot nährt ja auch, und Wasser ist das gesundeste Getränk!