Die Volksbildung als Grundlage des modernen Staats- und Kulturlebens. Beiträge zu einer zeitgemäßen Organisation des gesamten Unterrichts und Erziehungswesen

Für Lehrer, Eltern, Landtagsabgeordnete und Gemeindevertreter
Autor: Körner, Friedrich (1814-1888) deutscher Schriftsteller, Pädagoge und Redakteur, Erscheinungsjahr: 1866

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Volksbildung, Schulbildung, Universitätsbildung, Allgemeinbildung, Wissenschaft, Gelehrte, Schulen, Lehrer, Universitäten, Gymnasien, Schüler, Kunst, Kultur, Geistliche, Reformatoren, Reformation, Luther, Melanchthon, Wissen, Schulwesen, Gelehrtensprache, Schulpflicht, Ausbildung, Handwerk, Kenntnisse, Fertigkeiten, Natur, Geschichte, Halbbildung, Wahrheit, Aberglauben, Erkenntnis, Humanisten, Mysterien, Religion, Menschenrecht, Bedürfnisse, Aufklärung
Motto: Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit, sie sind Teile des Nationalreichtums, oft ein Ersatz für die Güter, welche die Natur in allzu kärglichem Maße ausgeteilt hat. Diejenigen Völker, welche in der allgemeinen industriellen Tätigkeit zurückstehen, bei denen die Achtung vor einer solchen nicht alle Klassen werden unausbleiblich von ihrem Wohlstand herabsinken. Die Vorliebe für Belebung des Gewerbefleißes und Naturwissens kann weder für die andern Wissenschaften noch für die bildenden Künste nach werden. Wo, unter dem Schutze weiter Gesetze und freier Institutionen, alle Blüten der Kultur sich kräftig entfalten, da wird in friedlichem Wettkampfe kein Bestreben des Geistes dem andern verderblich.
          A. v. Humboldt.


Vorwort.

Unsere Gegenwart mit ihren Krisen und Drangsalen hat manches Herbe und Unerquickliche, denn sie ringt unter schmerzhaften Kämpfen nach einer Neugestaltung des Lebens, nach einer Umwandlung des mittelalterlichen Feudalstaats in einen konstitutionellen Rechtsstaat, nach einer sozialen Ordnung auf den Grundlagen der Gleichheit vor dem Gesetz und der Gleichberechtigung der Tüchtigen, nach der praktischen Ausführung einer neuen Weltanschauung, wie sie sich als Resultat wissenschaftlicher Forschungen ergeben hat, nach der Entfaltung eines der allgemeinen Bildung angemessenen Kulturlebens, Revolutionen haben mit Gewalt Neues an die Stelle des Alten zu setzen versucht, aber ihre Fruchtlosigkeit hat die Überzeugung gereift, dass die Umgestaltung sich von innen heraus organisch entwickeln muss, wenn sie lebensfähig sein soll, dass die Mauerung des Kulturlebens ein organischer Prozess des geistigen Lebens der Völker ist, welchen man durch Gewalt weder zurückhalten noch beschleunigen, höchstens entstellen kann.

Diese Umwandlung wird durch angemessene Gesetzgebung vollzogen, welche die Funktionen der Organe des politischen und sozialen Lebens regelt und in lebendiger Wechselwirkung erhält. Zu den wichtigsten Organen des Kulturlebens gehören die Bildungsanstalten, und wenn man zugeben muss, dass jene Entwicklungskrisen des öffentlichen Lebens im Grunde Mauerungsprozesse der Bildung und ihrer Weltanschauung sind, so leuchtet die Wichtigkeit ein, welche die Beschaffenheit und Organisation der Bildungsanstalten für das gesamte Volksleben haben. Bei ihnen sollte die Umgestaltung beginnen, und sie leiden in der Tat an namhaften Mängeln, welche lähmend auf das Kulturleben zurückwirken. Man weiß ja, welche Menge von Kraft und Zeit vergeudet werden muss, um Vorurteile zu beseitigen, welche hartnäckig jeden Fortschritt hemmen und doch heißt Leben so viel als sich entwickeln und fortschreiten von Erkenntnis zu Erkenntnis, vom Guten zum Besseren.

Mir schien es daher an der Zeit zu sein, gerade jetzt, wo in den meisten Staaten die Gesetzgebung eine Umgestaltung des Volkslebens beginnt, die Aufmerksamkeit aller derer, welche sich für den glücklichen Verlauf dieser Umgestaltung interessieren oder in irgend welcher Stellung sich dabei betätigen auf das Unterrichts- und Erziehungswesen zu richten, um es zu dem zu machen, was es seiner Natur nach sein soll und sein kann. Diesem Publikum, natürlich auch den beteiligten Lehrern und nicht minder interessierten Eltern, lege ich einige pädagogische Lebensfragen vor, um zum Nachdenken über dieselben zu veranlassen. Ich betrachte die Schule in ihrer hohen Bedeutung für das politische, soziale, industrielle und kulturhistorische Leben, um daraus die Forderung zu folgern, den Bildungsanstalten allen eine solche Stellung im öffentlichen Leben anzuweisen, welche ihnen als lebendigen Faktoren des Kulturlebens gebührt. Die Schule muss das Recht erhalten, unabhängig von andern Organen des Kulturlebens ihren eigenen Gesetzen zu folgen, sich ihrer Bestimmung und ihrem inneren Wesen gemäß zu organisieren, mit andern Worten: sie muss von Kirche und Verwaltungsbeamten unabhängig sein, weder Kirche noch Bürokratie sollen sie zu besonderen Zwecken ausbeuten, soweit diese nicht Zwecke der Schule sind. Die Schule endlich muss sich als Wissenschaft der Pädagogik frei und selbständig konstituieren und organisieren. Sie hat ihre Prinzipien weder der Politik, noch der Ethik, noch der Moral und Philosophie einseitig zu entlehnen, sondern hat ihr Lehrgebäude aufzubauen auf der Naturwissenschaft der physiologischen Psychologie und auf der Kulturgeschichte. Die Schule soll den Geist bilden, dessen Natur muss sie kennen, nach den Entwicklungsgesetzen derselben ihre Methode einrichten. Sie vermag nichts wider die Natur, sondern Alles nur durch die Natur, muss daher die Prinzipien ihrer Methode für Unterricht und Erziehung aus den Naturgesetzen des Geistes ableiten. Dagegen lernt sie aus der Kulturgeschichte, welche Lehrstoffe für Alle oder für einzelne Berufsstände Bildungsbedürfnisse sind. Auf diesen beiden Säulen ruht das ganze Gebäude der pädagogischen Theorie und Praxis.

Diese Grundgedanken habe ich in Nachfolgendem zu entwickeln versucht und lege sie dem Publikum zur Beurteilung vor. Sollte auch Manches dieser oder jener Partei zu kühn und weitgehend erscheinen, so würde diese Schrift doch schon dann ihren Zweck erreichen, wenn die wichtigsten pädagogischen Fragen als Kulturfragen öffentlich erörtert würden. Denn geschehen muss etwas, wenn unser Kulturleben nicht immer wegen Mangel an allgemeiner Bildung aufgehalten werden soll. Tiefer herabdrücken kann man das Schulwesen nicht, denn es steht bereits noch tief, wenn aber patriotische Männer, Landtagsabgeordnete und Gemeindevorsteher sich ernstlich der heiligen Sache der Volksbildung annehmen, dann reicht der ernste Wille hin, dieselbe ein gutes Stück vorwärts zu bringen. Möge ein wohlgemeintes Wort daher wohlwollende Aufnahme finden!
        Pest, den 1. August 1866.
                                Friedrich Körner.





                        Inhaltsverzeichnis

02. Die Schule in ihrer Bedeutung für das soziale Leben des Volkes
03. Die Schule in ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung
04. Was kann die Schule für Verbreitung der Bildung durch Volksbücher tun?
05. Wie sind pädagogische Kenntnisse zum Bedürfnis der gebildeten Stände zu machen?
06. Die Pädagogik als Kultur- und Naturwissenschaft
07. Wer soll Schulherr und wie soll er es sein?
08. Schule und Schuleinrichtungen in medizinischer
09. Warum darf die Lehrerbildung ein öffentliches Interesse beanspruchen
10. Naturhistorischer und sprachlicher Unterricht in ihrem Wert für die Geistesdiätetik
11. Was geschieht von Staatswegen für die Lehrerbildung?
12. Die staatsbürgerliche Stellung der Lehrer
13. Lehrervereine und Wanderversammlungen
14. Die pädagogische Journalistik und ihre kulturhistorische Aufgabe
15. Privatschulen und Kindergärten
16. Schule und Haus
17. In wie weit kann die Schule religiöse und nationale Erziehung unterstützen?
18. Ist die Regelung der Orthographie eine Schulangelegenheit?
19. Deutsche Sprachlehre und deutsches Lesebuch in ihrer psychologischen Verwertung
20. Der Wert der realen und formalen Bildung für das gegenwärtige Kulturleben
21. Die Organisation des Unterrichts nach den Forderungen des gegenwärtigen Kulturlebens
22. Inwiefern kann ideale Bildung Aufgabe der Schule werden?
23. Welches Interesse hat die Schule an der Verbreitung populär-wissenschaftlicher Volksbildung? .
24. Inwiefern ist Bildung zur Humanität höchstes Ziel der Schule?

Familie, Schule

Familie, Schule

Kinder, Schule, Nachsitzen

Kinder, Schule, Nachsitzen

Kinder, Schulkinder

Kinder, Schulkinder

Schule, Kindergruppe

Schule, Kindergruppe

Schule, Schultafel

Schule, Schultafel

004 Unterricht im Singen, Lesen und Rechnen in einer Stadtschule mit einer Züchtigungsszene

004 Unterricht im Singen, Lesen und Rechnen in einer Stadtschule mit einer Züchtigungsszene

003 Der Schulmeister

003 Der Schulmeister

Wiederanfang der Schule

Wiederanfang der Schule

025 Gelehrtenstube

025 Gelehrtenstube

029 Buchdruckerwerkstatt

029 Buchdruckerwerkstatt

033 Schulstube

033 Schulstube

036 Kirchgang

036 Kirchgang