Abschnitt 1 - Fortsetzung. Vom Persischen Reich bis zu den Kreuzzügen.

Dem gewaltigen persischen Reiche hat nach Süden hin der Indische Ozean die Grenze gesetzt. Um an das Mittelländische Meer zu gelangen und nach Europa vorzudringen, mußte der Perser sich der seefahrenden Phöniker, als dessen Pioniere, versichern und mit ihrer Hilfe die Griechen zu unterwerfen trachten. Wohl gelangte Xerxes mit seinem Riesenheere über die Meerenge, die Asien von Europa trennt, allein die unüberwindliche Seemacht der Griechen setzte ihm ein Ziel. Der Tag von Salamis entschied über das Schicksal Europas. Erst zwei Jahrtausende später haben Asiaten, die Türken, von Asien her den Hellespont wieder überschritten und sich bis auf unsere Tage am europäischen Gestade festzusetzen vermocht.

Das Mittelländische Meer, das die drei alten Weltteile zugleich voneinander trennt und miteinander verbindet, ist wegen dieser seiner Lage, seiner Inseln und unvergleichlichen Küstengliederung zu dem Kulturbecken geworden, dem wir Europäer unsere höhere Gesittung verdanken.


Griechenland gewann den Vortritt, indem es im Verhältnis zu seinem Areal die reichstgegliederte und längste Küste besitzt und durch entsprechende Entwicklung seiner Schifffahrt sich der Inseln, Landzungen und Buchten ringsum bemächtigen konnte. Dass kein zu breites Wasser es von Vorderasien und Ägypten trennte, machte es früh zur Pflanzstätte ältester Kultur. Die Griechen datierten ihre Geschichte von dem Kampfe um Troja, d. h. um die Dardanellen, den Übergang von Europa nach Asien. Themistokles ward zum Retter Athens und damit Griechenlands, indem er die Athener auf ihre Schiffe und somit aufs Wasser verwies.

Auch die apenninische Halbinsel hat ihre Kultur „über See“ erhalten: Süditalien ward Großgriechenland. Rom ist die Tiberstadt. Es ersteht auf den Hügeln, die es ihm ermöglichten, den schmalen Tiberstrom zu sperren und so in seine Gewalt zu bringen, und hatte an der Tibermündung seinen Seehafen. Die älteste Münze zeigt zum Sinnbild hierfür ein Segelschiff. Es liegt zudem im Mittelpunkt des gesamten Mittelmeeres und seines Umkreises. Um sich zur ersten Macht auf dem Mittelländischen Meere aufzuschwingen, mußte es Karthago, die nordafrikanische Seemacht, erst niederkämpfen. Des Cato: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam! — hatte volle politische, staatsmännische Berechtigung: Roms Kampf mit Karthago, um die See, war ein Kampf um Sein oder Nichtsein. Indem Rom obsiegte, wurde es zur Herrin des Mittelmeeres und damit aller Uferstaaten. Auch dem römischen Reiche ist indes das Weltmeer noch eine unübersteigliche Grenze gewesen. Über den Ärmelkanal, nach England hinüber, hat es seine Legionen noch bringen können und Britannien bis zur schottischen Grenze seinem Szepter unterworfen, allein von dort aus noch keine Meermacht zu entwickeln vermocht.

Die Wanderung der deutschen Volksstämme, wie sie im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung einsetzte, war letzten Endes das Trachten nach den Gestaden des Mittelmeeres. Es gelang ihnen, die apenninische und auch die iberische Halbinsel einzunehmen, sowie sich auch an der Nordküste Afrikas festzusetzen, um hier allenthalben neues und reicheres Leben zu atmen, allein sie waren noch zu kulturlos und auch zu wenig zahlreich, als daß sie nicht von der höheren Kultur und den alten Nationalitäten daselbst absorbiert worden wären. Am längsten behaupteten sie sich in ihrer Eigenart noch, wenn sie, wie die Normannen, um Europa herum, als Küstenfahrer herbeikamen. An der Nordküste Frankreichs fassten sie so fest Fuß und gewannen sie eine so überlegene Kultur, daß sie von dort aus England eroberten und ihm ihr Gepräge aufdrückten.

Die Kreuzzüge sind gewiss mit dadurch herbeigeführt worden, daß der Atlantische Ozean den vom asiatischen Osten her bedrängten, nach Westen strömenden Völkerscharen ein Halt gebot und Übervölkerung einen Umschlag nach Osten bedingte. Ähnlich wie die Errichtung der chinesischen Mauer die große Verschiebung zur Zeit der Völkerwanderung verursacht haben soll.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Völker und das Meer im Lauf der Jahrtausende