Kohlen- und Koksproduktion

Die statistischen Ziffern der vorkriegszeitlichen Kohlen Wirtschaft Russlands zeigen folgendes Bild: Kohlenarmut des Nordens und Zentralrusslands (d. h. des eigentlichen Russlands), Kohlenreichtum in den asiatischen Besitzungen (Ural, Sibirien, Turkestan) und maximale Kohlenproduktion in den südlichen Randgebieten (Ukraine und Dongebiet).

Das erläuternde Zahlenmaterial befindet sich in der Anlage Nr. 1.


Berücksichtigt man: dass die gesamte Abbaufläche der Kohle im Donezbassin vor dem Kriege nur 15 — 30 % der vorhandenen Abbaufläche betrug;

dass die Leistungsfähigkeit der technischen Einrichtungen in den Gruben selbst in den Jahren der intensivsten Produktion nur bis 70 — 75 % ausgenützt wurde;

dass von der Gesamtzahl der etwa 5.200 vorhandenen Koksöfen kaum 25 — 27 % mit den zur Verkokung notwendigen Einrichtungen ausgestattet waren;


dass die Anthrazitgewinnung weit hinter der Koksgewinnung zurückstand und überdies durch technische Rückständigkeit gehemmt wurde;

dass die Verwertung des gewonnenen Materials vollkommen unrationell vor sich ging, (es wurde z. B. die Verwertung des Kohlenstaubes in Form von Brikettierung fast gar nicht oder nur ganz unzulänglich durchgeführt);

dass die Gewinnung der Nebenprodukte, wie Teer, Schweröl, Benzol und ammoniakalischer Verbindungen erst in den Anfängen steckte (da z. B. im Jahre 1913 nur 16 % der Öfen sich damit befasste), — so ergeben sich für den deutschen Unternehmungsgeist bereits aus jedem dieser Momente Anhaltspunkte für eine industrielle Betätigung im großen Maßstabe,

Durch die Revolution ist der Kohlenbergbau des Donezgebietes ziemlich hart getroffen worden. (Die gegenwärtige Produktion beträgt kaum 15 bis 17 % der normalen Produktion.) Die Wiederinstandsetzung, der Bergwerke wird unbedingt ausländischem Kapital übertragen werden müssen. Die teilweise Enteignung und Nationalisierung der Bergwerke während der Sowjetherrschaft schaffte überdies zum Teil völlig neue Besitzverhältnisse, die das deutsche Kapital bei geschicktem Vorgehen für sich ausnutzen könnte.

Neben der Betätigung in bereits bestehenden Bergwerken kommt ferner eine solche in neu zu erschließenden in Betracht. In der letzten Zeit wurden ziemlich reichhaltige Lager gefunden (z. B. Rayon Hrischinskyj und Kramatorskyj), deren gesamte Ausbeute ausländischen Interessenten überlassen werden soll.

Neben der Donezer Steinkohle spielten bisher die zahlreichen Braunkohlenvorkommen eine geringere Rolle. Die starken Verwüstungen im Donezer Steinkohlenrevier, die Holzarmut der Ukraine, die schwierige Zufuhr von flüssigen Brennstoffen und die leichtere Wiederaufbaumöglichkeit der Braunkohlengruben dürfte aber schließlich doch zu einer geregelten Ausbeutung und Verwertung der Braunkohle (etwa in Brikettform) führen.

Das Interesse deutscher Unternehmer hätte sich aber nicht nur auf die reine Ausbeutung der Kohlenlager zu beziehen, sondern auch auf die technische Ausgestaltung, des Kohlenbergbaues überhaupt. Zur vollen Ausnutzung der Reichtümer des Donezbeckens ist z. B. der Bau von Zentralkraftstationen notwendig, (geplant wurden solche bisher in den Rayons von Slawianoserbsk und Hryschyn). Durch den Bau von Verbindungsbahnen (siehe Seite 28) könnte weiter die Kohlenförderung um beinahe das Doppelte gesteigert werden.

Während des Krieges entstanden ausführliche Pläne für die Hebung des Donezgebietes, und zwar von New-Yorker Finanzinstituten, die namhafte amerikanische Kapitalien in südrussischen industriellen Unternehmungen anzulegen beabsichtigten, um durch die mit der Ausbeutung der natürlichen Reichtümer parallel einhergehende Hebung der Kaufkraft der Bevölkerung die Ausfuhr amerikanischer Manufakturwaren nach der Ukraine zu steigern.

Das deutsche Kapital könnte durch entschlossenes Zugreifen sich in der Ukraine Vorrechte sichern, die ihm später eine überragende Stellung in der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes einräumen würden.