Die erste Bildung städtischer Gemeinwesen in Pommern

Die erste Bildung städtischer Gemeinwesen in Pommern verliert sich im Dunkel der Geschichte. Noch ehe der Name Pommern gehört wird, und ehe ein politisches Band einzelne Wendische Stämme unter einem Fürsten umschloss, werden uns schon Pommersche Städte genannt. Anlass zu ihrer Entstehung gab erkennbar die rohe, aber ausreichende Befestigungskunst, mit der die Wenden sich gegen die Angriffe auswärtiger Feinde zu schützen suchten. Zu diesem Zwecke diente ein kreisrunder Wall von größerer oder geringerer Ausdehnung, an passender und geschützter Stelle aufgeführt, in den die Umwohner bei drohender Gefahr ihr Vieh und sonstige Habe retteten, und von wo aus sie dem Andrang der Feinde zu wehren vermochten. Je mehr das Land feindlichen Anfällen ausgesetzt war, desto häufiger waren diese festen Plätze, sodass man schon im X. Jahrhundert bei den Abodriten in Holstein und dem westlichen Mecklenburg drei und fünfzig, und bei den östlich daran grenzenden Wilzen bis zur Oder fünf und neunzig Befestigungen zählte, und auch bei den eigentlichen Pommern rechts der Oder fanden sich später zahlreiche feste Orte, um derentwillen sie sich für unbezwinglich hielten.

Diese Befestigungen, Burgen (castra, urdes) genannt, waren ursprünglich jedenfalls alle im Frieden unbewohnt und bevölkerten sich nur in Kriegszeiten, wie uns aus historischer Zeit noch die Burgen Karenz und Arcona auf Rügen beschrieben werden.


Im Laufe der Zeit musste aber bald ein natürlicher Fortschritt in dem Kriegswesen der Wenden eintreten. Durch die fast immerwährend sich wiederholenden Einfälle und Fehden der Nachbarn wurde man schnell zu der Notwendigkeit gedrängt, die wichtigeren und namentlich die an der Grenze belegenen Burgen, welche häufigeren und unvermuteteren Anfällen der Feinde ausgesetzt waren, mit einer ständigen Besatzung zu versehen.

Aus unbewohnten Burgwällen, bisher nur zeitweise als Zufluchtsstätten benutzt, entstanden jetzt bewohnte und in steter Kriegsbereitschaft gehaltene Burgen, die den Kern für die Verteidigung des Landes abgaben. Wie nun eine solche Burg aus gemeinsamer Anstrengung eines Bezirks, zu dessen Schutz sie dienen sollte, hervorgegangen war, so musste sie auch durch gemeinsame Anstrengung desselben unterhalten und verteidigt werden. Es waren also Burgdienste zu leisten. Dies gab den Anstoß zu einem festeren politischen Zusammenschluss. Zu jeder Burg gehörte demnach ein bestimmter Burgbezirk, die Kastellanei (provincia, terra), deren Bevölkerung durch den obersten Beamten, den Kastellan, später auch bisweilen Burggraf genannt, zu den nötigen Burgdiensten entboten wurde. In historischer Zeit verwaltete der vom Fürsten bestellte Kastellan die oberste Gerichtsbarkeit in seiner Kastellanei, leitete die Verteidigung der Feste, führte im Kriege die aus seiner Provinz aufgebotene Landwehr an, und erhob die landesherrlichen Gefälle. Neben ihm findet sich noch ein zweiter ständiger Beamter in der Burg, der Tribun), der sowohl als Volkstribun die Volksversammlung (conventas forenses) geleitet, wie auch als Kriegstribun (heregraf) den Befehl über das zum Heerbann aufgebotene Fußvolk geführt zu haben scheint, während der Kastellan mit dem Oberbefehl über die gesamte Streitmacht der Kastellanei die Führung der vom Adel gestellten Reiterei verband. Die Edlen aus der Kastellanei standen ihnen als Burgmannen (castrenses) zur Seite, jedenfalls zur Verteidigung berufen, in Angelegenheiten der Kastellanei auch zum Beirat berechtigt.

{i]*) Es werden in den altern Urkunden neben den castellani auch praefecti urbis und suppani erwähnt. Perfecti möchten wohl mit Tribuni gleichbedeutend sein, während vielleicht die Szupanen die Verwalter kleinerer Kastellaneibezirke bezeichnen.[/i]

Als Kastellaneien werden uns in urkundlicher Zeit im Umfange der jetzigen Provinz Pommern bekannt: 1) die Insel Rügen, 2) Barth, 3) Tribsees, 4) Demmin, 5) Wolgast, 6) Usedom, 7) Gutzkow, 8) Groswin, 9) Stettin, 10) Pyritz, 11) Stargard, 12) Wollin, 13) Cammin, 14) Treptow a. R., 15) Kolberg, 16) Belgard. 17) Dirlow (Rügenwalde). 18) Schlawe, 19) Stolp, 20) Belgard (Lauenburg).
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern