Die Quellen über den damaligen Zustand Roms (L. Bufalini, U. Aldrovandi, M. van Heemskerck, A. Lafrery, J. Fichard)

Eine Anzahl von Quellen verschiedener Art macht es möglich, sich ein annäherndes Bild zu verschaffen von dem Zustande der Welthauptstadt, die während der langen, ruhigen Regierung Pauls III. (1534 — 1549) sich von der furchtbaren Katastrophe des Jahres 1527 erholt und durch Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse, Verschönerung der Straßen und Erwachen einer regen Bautätigkeit einen neuen Aufschwung genommen hatte, der auch unter Julius III. (1550 — 1555) fortdauerte.

Die Bevölkerung der ewigen Stadt, die unter Leo X. 50.000 nicht überschritten haben dürfte, war in beständiger Zunahme begriffen, jedoch ist die von einem neueren Forscher für die Mitte des 16. Jahrhunderts angenommene Zahl 90.000 wohl etwas zu hoch gegriffen. Nach der Relation des Venezianers Mocenigo vom Jahre 1560 hatte sich die Zahl der Einwohner unter Paul IV., während dessen Regierung (1555 — 1559) viele die Stadt verließen, auf 40.000 — 50.000 belaufen und war dann auf ca. 70.000 gestiegen. Venedig mit 162.000, London mit 185.000 und Paris mit 300.000 waren erheblich bevölkerter als die päpstliche Hauptstadt.


Neben den Italienern Leonardo Butalini und Ulisse Aldrovandi sind es vornehmlich einige Männer deutschen Ursprungs, denen die Nachwelt genauere Kunde von dem Rom des Cinquecento verdankt. Der bedeutendste unter ihnen war Marten van Heemskerck, ein Schüler des Jan van Scorel, der, wie so viele seiner Landsleute, studienhalber im Jahre 1532 nach der ewigen Stadt zog und dort bis 1535 verweilte. Heemskerck hat seinen Aufenthalt sehr fleißig ausgenutzt. Von seinen Skizzen und Zeichnungen ist ein großer Teil erhalten und bildet jetzt einen Schatz des"Berliner Kupferstichkabinetts". Die Sammlung, in die auch Blätter von anderen Künstlern hineingeraten sind, enthält große und kleine Ansichten Roms, seiner Hügel, antiken Monumente, Ruinen, Kirchen, Paläste, Statuenhöfe und antiken Gärten, durch ihre Genauigkeit unschätzbare Blätter von hohem historischem und archäologischem Wert. Fast immer vor den Gegenständen selbst entstanden, geben sie mit gewissenhafter Treue, ohne Zusätze und Verschönerungen, alles so wieder, wie es damals war. Heemskercks Zeichnungen dienten nach seiner Rückkehr in die Heimat nicht selten als Vorlagen für Kupferstiche. Namentlich Hieronymus Cock hat in seinen beiden Stichwerken von 1551 und 1561 viele dieser Blätter, darunter manche jetzt im Original verlorene, benutzt. Neben Heemskerck muss Hendrik van Cleve genannt werden, von dem das Kupferstichkabinett zu Rom ein schönes Panorama der ewigen Stadt besitzt; seine etwas trockenen, aber durch ihre Treue ausgezeichneten Veduten hat Theodor Galle gestochen.

Mit Heemskercks Nachlass vermischt sind die Zeichnungen eines sehr tüchtigen niederländischen Künstlers, dessen Name bis jetzt noch nicht ermittelt ist; von ihm stammen viele Zeichnungen der Heemskercksammlung des Berliner Kupferstichkabinetts, so namentlich ein großes Stadtpanorama aus dem Jahre 1536 (Bild 1 — 2).

In Rom selbst nahm für die Publikation und den Handel mit Kupferstichen — dessen früheste Organisation vielleicht auf keinen Geringeren als Raffael zurückgeht — in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts eine leitende Stellung der Verleger Antonio Salamanca ein. Neben ihm etablierte sich seit Mitte der vierziger Jahre der Burgunder Antoine Lafréry, der mit seinem bald überflügelten Konkurrenten zuletzt ein Kompaniegeschäft einging und den Handel mit Kunstblättern nahezu monopolisierte. Die Serie von Stichen nach antiken Monumenten, Skulpturen und einigen modernen Bauwerken, die er gegen Ende seiner Tätigkeit (um 1575) unter dem Titel „Speculum Romanae Magniticentiae“ vereinigte, bildet eine der wichtigsten Quellen für die Kenntnis der Antikenschätze des damaligen Rom.

Eine hochwichtige andere Quelle nicht bloß hierfür, sondern überhaupt für die Kenntnis des ganzen Zustandes der päpstlichen Residenz bieten die Aufzeichnungen des Frankfurter Rechtsgelehrten Johann Fichard, der während seines römischen Aufenthalts im Herbst 1535 den glücklichen Gedanken hatte, seine mannigfaltigen Eindrücke schriftlich festzulegen. Die flüchtigen, an Ort und Stelle in lateinischer Sprache niedergeschriebenen Notizen waren nicht zur Veröffentlichung bestimmt, wodurch ihr Wert erhöht wird. Sie verleugnen keineswegs die Trockenheit des Juristen, sind aber gerade deshalb zuverlässig, weil sie von einem nüchternen Beobachter stammen. Nur selten kommt bei Fichard die Begeisterung des Humanisten für die Antike zum Ausdruck. Als echter Gelehrter genießt er die Herrlichkeiten Italiens nicht, sondern studiert sie. Seine Aufzeichnungen sind nicht bloß für die Kenntnis des Zustandes von Rom, sondern auch für die Anschauungen der damaligen Zeit ebenso wichtig wie interessant. Das Schwankende bei Beurteilung der Reste des Altertums, das Überwiegen des antiquarischen Interesses über das Kunstverständnis, einige höchst auffallende Irrtümer über hervorragende Werke der Renaissance, alles dies, bis auf die Anwendung magischer Künste zur Entdeckung eines Diebstahls, kennzeichnet trefflich das Wissen und die Anschauungen jener Epoche.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
000 o Bild I — 2 Panorama der Stadt Rom vom Jahre 1536. Skizzenbuch des M. van Heemskerck; nicht eigenhändig. Vgl. M. V. Heemskerck, Die römischen Skizzenbücher; herausgegeben von Hülsen und Egger, Bd I. Berlin 1913, J. Bard.

000 o Bild I — 2 Panorama der Stadt Rom vom Jahre 1536. Skizzenbuch des M. van Heemskerck; nicht eigenhändig. Vgl. M. V. Heemskerck, Die römischen Skizzenbücher; herausgegeben von Hülsen und Egger, Bd I. Berlin 1913, J. Bard.

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