Das Panorama der Stadt; ihr mittelalterlicher Charakter. Kleinheit der eigentlichen Stadt. Gegensatz zwischen dem bewohnten und unbewohnten Gebiete

Fichard bemerkt, dass drei Punkte den besten Überblick über Rom geben: die Höhen des Pantheons, der Engelsburg und des Kapitols. Er selbst gesteht offenherzig, keine rechte Übersicht gewonnen zu haben, da alles durch Hügel und Gärten geschieden und zerschnitten sei. Als schönsten Gesamtblick preist er den von dem zu jener Zeit noch unbebauten Monte Caprino, wohin man den Tarpejischen Felsen verlegte. Gerade von dort, wo heute der Palast Caffarelli, der gegenwärtige Sitz der deutschen Botschaft steht, hat ein niederländischer Künstler im Jahre 1536 das große Panorama aufgenommen, das in Heemskercks Nachlass erhalten ist (vgl. Bild 1 — 2). Der Wert dieses Prospektes liegt in der ungemein getreuen Wiedergabe des Tatsächlichen; er unterscheidet sich dadurch von sämtlichen älteren Versuchen, die einen traditionellen schematischen Charakter tragen. Der Niederländer hat mit echt deutschem Fleiß und so peinlicher Genauigkeit gearbeitet, dass man wohl sagen kann, sein Panorama gleiche einem zum Abschied an die ewige Stadt gezeichneten Andenken. Je mehr man die Einzelheiten studiert, desto klarer erkennt man, welch hohe historische Bedeutung seine Abbildungen besitzen. Der Künstler, der das Auge des Beschauers einen Kreis beschreiben lässt, beginnt auf der linken Seite mit dem Aventin und kehrt über Westen, Norden und Osten wieder zu diesem Berge zurück. An dessen Fuß sieht der Beschauer zunächst die Gegend von S. Maria in Cosmedin, die sogenannte Casa di Cola di Rienzo, den noch nicht zerstörten Ponte di S. Maria (Ponte Rotto) und den Hafen, in der Ferne den Gianicolo mit S. Pietro in Montorio und der doppelgetürmten Porta S. Pancrazio. Weiter rechts im Vordergrund erhebt sich mächtig die in das Marcellustheater hineingebaute Burg der Savelli, dahinter die Altstadt mit ihrem Gewirr von Häusern, festen Türmen und Kirchen. Als weithin hervorragende Bauwerke erscheinen der ausgedehnte Palast der Cancelleria, der spitze Turm von S. Agostino, die flache Kuppel des Pantheons, die noch nicht von der Apostelstatue gekrönte Marc-Aurelsäule und der Palazzo di S. Marco. Sehr gut hat der Künstler wiedergegeben, wie die eigentliche Stadt beherrscht wird von der zu einem mächtigen Bollwerke umgewandelten Engelsburg, auf deren Höhe das große Banner des Papstes flattert. Aus dem Borgo ragt hoch der Vatikan hervor, daneben die altehrwürdige Peterskirche und die riesenhaften Konstruktionen des Bramanteschen Neubaues. Es folgt im Vordergrund als eigentlicher Mittelpunkt des Panoramas der kapitolinische Hügel von der Seite gesehen und noch nicht die Anordnung zeigend, die ihm Michelangelo gegeben hat. Man blickt auf den Kapitolsplatz mit dem Obelisken und der berühmten Palme, die zwischen dem Palast der Senatoren und der Kirche S. Maria Aracoeli standen. In der Ferne erhebt sich die gewaltige Torre delle Milizie *); weiter nach Norden erscheinen in der einsamen Hügelgegend, welche den Hintergrund bildet, die Basilika S. Maria Maggiore mit dem großen Patriarchalpalaste, der damals noch sehr hohe Turm der Conti und, nur leicht skizziert, die Riesenhallen der Trajansthermen sowie der Lateran. Zu Füßen des Beschauers liegt das von Rinderherden belebte Forum mit der Basilika Konstantins, dem Bogen des Septimius Severus, den Resten des Saturntempels, der schönen Säulenhalle des Tempels der Faustina und des Antoninus sowie den drei Säulen des Kastortempels, rechts die gewaltige Masse des Kolosseums, der Titusbogen und S. Maria Nuova (S. Francesca Romana). Gegen Osten erkennt man zu Füßen des Tarpejischen Felsens S. Maria della Consolazione, S. Teodoro und die Monumente des Velabrums. Auf sie schauen die Ruinen der Kaiserpaläste herab. Auch S. Anastasia mit seinem Glockenturm und der Treppe, auf der man einst zu dieser Kirche emporstieg, ist deutlich erkennbar. Rechts bildet der Aventin mit der zinnengekrönten Burg der Savelli den Abschluss der wundervollen Rundsicht.

*) Der Zeichner hat diesen Namen irrig zum Torre dei Conti gesetzt.


Überblickt man das Ganze, so fällt am meisten auf, wie sehr noch der mittelalterliche Charakter in diesem Stadtbilde vorwiegt. Nicht bloß in Trastevere, auch sonst starren jene zahlreichen Burgtürme zum Himmel, mit denen einst alle Wohnungen der Vornehmen, besonders der Kardinäle, versehen waren und die auch noch später als Zeichen des Adels beibehalten wurden. Vierkantig, mit Schießscharten ausgestattet und mit Zinnen gekrönt, erinnern sie an blutige Zeiten. Als der höchste dieser Türme erscheint die Torre delle Milizie, die sagenhafte Torre di Nerone, die auf den mittelalterlichen Ansichten der ewigen Stadt eine so große Rolle spielt *). Der Hauptturm des Senatspalastes auf dem Kapitol mit seinen Zinnen und den Laternen an den vier Ecken trägt noch völlig das Gepräge des 14. Jahrhunderts. Aber auch bei den Kirchen erblickt man fast nur mittelalterliche Glockentürme; die wenigen Kuppeln aus der Zeit Sixtus' IV. verschwinden infolge ihrer Niedrigkeit fast gänzlich, während heute gerade die zahlreichen Kuppeln der Barockzeit dem Bilde Roms den besondern Charakter feierlicher Majestät verleihen. Sehr charakteristisch für das damalige Rom ist auf dem Prospekt die verhältnismäßige Niedrigkeit der Häuser. Die Kuppel von S. Agostino z. B., die heute im Stadtbild fast verschwindet. hebt sich auf dem Panorama hoch über das ganze Marsfeld; ähnlich S. Omobono am Fuße des Kapitols, das heute nur mit Mühe unter den umgebenden Häusermassen herauszufinden ist.

*) Dieser unter Gregor IX. erbaute Turm wechselte wiederholt seine Besitzer, befand sich aber 1546 wieder im Besitz der Familie Conti.

Überraschend ist die Kleinheit der eigentlichen Stadt im Verhältnis zu dem großen, noch unbebauten Gebiet mit den wirr durcheinander zerstreuten antiken Ruinen und den einsam thronenden Basiliken und Klöstern. Überaus scharf schied sich diese stille Region einer gewaltigen Vergangenheit von der Stadt der Gegenwart.

Der Gegensatz zwischen dem bewohnten und dem unbewohnten Gebiete, welches die unter Paul III. durch neue Befestigungswerke (Bild 3 — 5) verstärkten Aurelianischen Mauern umschlossen, kommt auch deutlich zum Ausdruck auf dem 1550 gezeichneten Panorama des Hendrik van Cleve und auf dem großen, in Holz geschnittenen Stadtplan, den Leonardo Bufalini zu Ende der Regierung Pauls III. angelegt und unter Julius III. im Jahre 1551 publiziert hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
000 o Bild I — 2 Panorama der Stadt Rom vom Jahre 1536. Skizzenbuch des M. van Heemskerck; nicht eigenhändig. Vgl. M. V. Heemskerck, Die römischen Skizzenbücher; herausgegeben von Hülsen und Egger, Bd I. Berlin 1913, J. Bard.

000 o Bild I — 2 Panorama der Stadt Rom vom Jahre 1536. Skizzenbuch des M. van Heemskerck; nicht eigenhändig. Vgl. M. V. Heemskerck, Die römischen Skizzenbücher; herausgegeben von Hülsen und Egger, Bd I. Berlin 1913, J. Bard.

003 * Bild 3 Bastion Pauls III. am südwestlichen Abhänge des Aventin Die Bastion, welche den Namen Colonella trug, befindet sich jetzt im Besitze der Benediktiner von S. Anselmo. Das Gartenhaus auf der Bastion ist eine spätere Zutat. Das Marmorwappen Pauls III. wurde von einem florentinischen Bildhauer namens Lorenzo ausgeführt (s. Pastor, Geschichte der Päpste V 746).

003 * Bild 3 Bastion Pauls III. am südwestlichen Abhänge des Aventin Die Bastion, welche den Namen Colonella trug, befindet sich jetzt im Besitze der Benediktiner von S. Anselmo. Das Gartenhaus auf der Bastion ist eine spätere Zutat. Das Marmorwappen Pauls III. wurde von einem florentinischen Bildhauer namens Lorenzo ausgeführt (s. Pastor, Geschichte der Päpste V 746).

005 * Bild 4 Befestigungen Pauls III. zwischen Porta S. Paolo und Porta S. Sebastiano Die Bastei, nach den rückwärts gelegenen Thermen des Marcus Aurelius Antonius Caracalla Antoniana genannt und bei der alten Porta Ardeatina gelegen, wurde in den Jahren 1537 — 1542 errichtet (s. Pastor V 747, wo auch die bisherigen ungenügenden Abbildungen angeführt sind).

005 * Bild 4 Befestigungen Pauls III. zwischen Porta S. Paolo und Porta S. Sebastiano Die Bastei, nach den rückwärts gelegenen Thermen des Marcus Aurelius Antonius Caracalla Antoniana genannt und bei der alten Porta Ardeatina gelegen, wurde in den Jahren 1537 — 1542 errichtet (s. Pastor V 747, wo auch die bisherigen ungenügenden Abbildungen angeführt sind).

007 * Bild 5 Bastion Pauls III. zwischen Porta del Popolo und Porta S. Sebastiano Unter dem großen Lilienwappen Pauls III. sind in kleiner Gestalt links das Wappen des römischen Senates und Volkes, rechts das des Kardinalkamerlengo Guido Ascanio Sforza angebracht (s. Pastor V 747).

007 * Bild 5 Bastion Pauls III. zwischen Porta del Popolo und Porta S. Sebastiano Unter dem großen Lilienwappen Pauls III. sind in kleiner Gestalt links das Wappen des römischen Senates und Volkes, rechts das des Kardinalkamerlengo Guido Ascanio Sforza angebracht (s. Pastor V 747).

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