Der Rione della Regola und seine Gegensätze. Der Palazzo Farnese, der Palazzo Capodiferro

Gleich den Rioni Ponte und Parione wies auch der Rione della Regola eine dichte Bevölkerung auf. Wie schon der Name Regola(=Arenula), mit „im Sand“ oder „Gries“ zu übersetzen, sagt, war dieser Stadtteil das Quartier am Tiber, welches von der Via Giulia und einer dieser parallel über die Piazza Farnese nach dem Ponte Ouattro Capi laufenden Straße durchzogen wurde. Die schroften Gegensätze, an denen die ewige Stadt zu allen Zeiten so reich war, drängten sich vielleicht in keinem Viertel so sehr zusammen wie hier. Mit ausgedehnten luxuriösen Palästen kontrastierten scharf die alten kleinen Kirchen und die von Gewerbetreibenden erfüllten Straßen, an die noch gegenwärtig die Namen Via de' Cappellari (Hutmacher), Via de' Giubbonari (Wamsmacher) und Pettinari (Kammacher) erinnern *). Vielfach hatten sich hier auch Juden angesiedelt; wo diese am zahlreichsten wohnten, erhob sich der alte Palast Cenci. Von dem damaligen Zustand dieser neuerdings durch Anlage der Via Arenula vollständig umgestalteten Gegend konnte man sich bis zum Jahr 1914 am besten einen Begriff verschaffen, wenn man die schmutzige Via di S. Bartolomeo de' Vaccinari betrat, wo vor allem ein vorgotisches Haus des 13. Jahrhunderts mit einem Portikus von antiken Säulen die Aufmerksamkeit des Altertumsfreundes fesselte (Bild 50). Solche offene Portiken zu ebener Erde boten erwünschten Schutz bei Regen; sie sind charakteristisch für die mittelalterlichen Häuser, bei denen oben meist eine bedeckte Loggia angebracht war. Antike Säulen zeigte auch das Haus in der Via di S. Bartolomeo. Durch den letzten Bogen dieses Gebäudes kam man auf den Vicolo del Melangolo, eine Örtlichkeit, die in einzigartiger Weise den mittelalterlichen Zustand der Stadt widerspiegelte (Bild 51) **).

*) Auch sonst wohnten in Rom bestimmte Gewerbetreibende in besondern Straßen, daher Via de' Coroiiari (Rosenkranzhändler), Cartari (Papiererzeuger), Chiavari (Schlosser), Calzettari (Strumpfwirker), Pianellari (Pantoffelmacher).


**) Der Vicolo del Melangolo wie das Haus Via di S. Bartolomeo de' Vaccinari Nr 29 sind leider 1914 — 1915 abgebrochen worden. Erhalten ist noch die sog. Casa di S. Paolo in Via dei Strengari (Bild 52).


Der Rione della Regola barg drei Pilgerhäuser: S. Maria di Monserrato für die Spanier, S. Tommaso für die Engländer und S. Brigida für die Schweden; in S. Brigida, das an der Piazza Farnese lag, wohnte der vertriebene Erzbischof von Upsala Olaus Magnus. Zu dem Rione della Regola gehörten auch S. Girolamo della Carità und die Kirche S. Benedetto in Arenula, die im Jahre 1558 der Bruderschaft der Trinità de' Pellegrini übergeben wurde.

Das Viertel Regola hatte, als es Sixtus IV. durch den Bau des Ponte Sisto mit Trastevere verband, sich merklich gehoben; es nahm unter Paul III. einen gewaltigen Aufschwung, weil dort der 1530 von Antonio da Sangallo begonnene neue Prachtpalast der Farnese entstand, der gemäß dem Testamente Pauls III. dem Kardinal Alessandro zufiel (Bild 53). Wie durch den Anteil Michelangelos, so erlangte der wahrhaft königliche, bald nach 1547 bis auf die Fassade an der Via Giulia vollendete Riesenbau, der auf Bufalinis Plan als Palast Pauls III. bezeichnet wird, Weltberühmtheit durch die Sammlungen, die er aufnahm. Kardinal Alessandro erwarb, obwohl er sich oft in Geldnot befand, im großen Stil der Medici Kostbarkeiten aller Art: Manuskripte, Bücher, Gemälde, vorzugsweise antike Statuen. Die Statuen wurden teils gekauft, teils durch besondere Ausgrabungen in Rom und Umgegend gewonnen. Die reichste Ausbeute gewährten die Caracallathermen, wo in den Jahren 1546 — 1547 Kunstwerke zu Tage gefördert wurden, die alle bisherigen Funde in Schatten stellten. So kamen dort zum Vorschein die Dirkegruppe, bekannter unter dem Namen der Farnesische Stier, der Herkules und zahlreiche andere wertvolle Bildwerke.

Nicht weit vom Palazzo Farnese, in der Nähe des Ponte Sisto, erhebt sich der Palast des Girolamo Capodiferro (jetzt Spada), um 1540 errichtet und von Giulio Mazzoni, einem Schüler des Daniele da Volterra, dekoriert. Als Vorbild diente das berühmte Haus des Branconio dell' Aquila im Borgo, eine Nachahmung, die sich als solche an der mit Statuen, Stuck und sonstigen Verzierungen fast überreich geschmückten Fassade stark bemerkbar macht. Viel besser gelungen ist der Schmuck des malerischen Hofes (Bild 55). Hinter dem Palast breitet sich ein Garten nach dem Tiber aus. Die Sammlungen des Kardinals bereicherte Julius III. durch Schenkung der Kolossalstatue des Pompejus.

Zwischen der Piazza Farnese und dem Campo di Fiore lag das Haus von Pauls III. hochangesehenem Leibarzt Francesco Fusconi aus Norcia, der wertvolle Antiken, wie die jetzt im Vatikan befindliche Statue des Meleager, gesammelt hatte. Auch Latino Giovenale dei Manetti, ebenfalls Besitzer von Antiken, wohnte in dieser Gegend. Er war von 1535 bis 1544 Maestro delle strade und der erste Commissario delle Antichità.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
059 * Bild 50 Vorgotisches Haus (Via di S. Bartolomeo de Vaccinari 28-30). Zerstört 1914-1915

059 * Bild 50 Vorgotisches Haus (Via di S. Bartolomeo de Vaccinari 28-30). Zerstört 1914-1915

061 Bild 51 Vicolo del Melangolo. Zerstört 1914-1915. Federzeichnung von Dr Erich von Posch

061 Bild 51 Vicolo del Melangolo. Zerstört 1914-1915. Federzeichnung von Dr Erich von Posch

062 * Bild 52 Haus mit gotischem Fenster (Via dei Strengari 3)

062 * Bild 52 Haus mit gotischem Fenster (Via dei Strengari 3)

063 Bild 53 Palazzo Farnese. Photographie Alinari Nr 442

063 Bild 53 Palazzo Farnese. Photographie Alinari Nr 442

065 Bild 55 Hof des Palazzo Spada. Photographie Anderson Nr 5700

065 Bild 55 Hof des Palazzo Spada. Photographie Anderson Nr 5700

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