Trastevere und sein mittelalterlicher Charakter

Gegenüber dem Rione della Regola breitete sich auf dem andern Flussufer das an alten Kirchen und Türmen reiche Trastevere aus, das eine eigene Region bildete. Fremde gelangten nur selten in das Innere dieses Stadtteils, in dem eine dichte Bevölkerung ansässig war. Hier befand sich vor allem das Quartier der Weinhiindler und Schiffsleute. Das Spital der Schiffsleute wie das der Genuesen lag unweit der altehrwürdigen Kirche S. Cecilia. Von dem Hafen an der Ripa Grande führte eine steile Treppe und eine bequeme Zufahrtstraße nach der Doganahalle, bei der die kleine Kirche der Schiffer S. Maria della Torre stand, so genannt nach dem von Leo IV. im 9. Jahrhundert errichteten Turme. An dieser Stelle erhob sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts das große Waisenhospiz S. Michele.

Fast der ganze Stadtteil wurde von einer großen Straße, Via Trastiberina (jetzt Lungarina und Lungaretta), durchschnitten, die vom Ponte di S. Maria (später Ponte Rotto), vorbei an den Kirchen S. Salvatore della Corte und S. Agata, nach dem Platze und der Basilika von S. Maria di Trastevere führte. Rechts und links von dieser durch Julius II. angelegten Verkehrsader breitete sich ein Gewirr finsterer, winkliger Gassen aus, von denen gerade die interessantesten der Tiberkorrektion zum Opfer gefallen sind. Heute kann man sich nur schwer einen Begriff von dem früheren Zustande dieses Stadtteiles machen. Nirgendwo lagen die Häuser, darunter sehr alte mit Vorbauten und kleinen Freitreppen, so dicht gedrängt*), dazwischen zahlreiche kleinere Kirchen, Klöster und die wuchtigen, mit Türmen burgartig befestigten Häuser alter Adelsgeschlechter, wie der Stefaneschi, Ponziani, Papareschi, Normanni, Alberteschi, Mattei, Anguillara. Die Quartiere del Torrione in Civitä Lavinia und S. Pellegrino in Viterbo (Bild 58) geben heute am besten eine Vorstellung, welches echt mittelalterliche Bild Trastevere noch zu Ende der Renaissancezeit bot. Besonders charakteristisch waren die vielen Türme, von denen nur zwei erhalten geblieben sind, Torre Anguillara und der Turm der Caetani auf der Insel am Ponte Quattro Capi. Von den Adelsburgen steht noch, allerdings grässlich verwahrlost, das hochinteressante Haus der Mattei bei Ponte S. Bartolomeo. Die ungemein große Zahl der Türme, die auf allen zeitgenössischen Abbildungen überraschen, hatte der bei Errichtung des Klosters S. Egidio zerstörten Kirche S. Lorenzo de Janiculo den Beinamen de Turribus verliehen**).


*) Nur wenige dieser Häuser sind erhalten geblieben. Zu den interessantesten gehören das Haus aus dem 13. Jahrhundert auf der Piazza S. Cecilia (Bild 54) und das bisher gänzlich unbeachtet gebliebene Backsteinhaus aus derselben Zeit im Vicolo dell’ Atleta (Bild 56). Das charakteristische Haus aus dem 14. Jahrhundert in Via dei Salumi mit einem Kaufladen im Erdgeschoss wurde bereits 1880 zerstört. G. B. Giovenale versuchte eine Rekonstruktion (Bild 57). Der mittelalterliche Turm und die malerische Pforte aus antiken Marmorfragmenten in der Via Margana wurden im Jahre 1913 durch einen geschmacklosen Anbau ihres Reizes beraubt (Bild 60 zeigt den früheren Zustand).

**) Das Haus der Mattei liegt an der Piazza Piscinula Nr 186 — 189; einige zierliche gotische Fenster und das Portal mit dem Wappen, dem geschachten Schilde, sind wohl erhalten.


An malerischem Reiz kam damals kein Stadtteil Trastevere gleich; namentlich Ripa Grande bot von dem gegenüberliegenden Ufer aus einen pittoresken Anblick. Von dort hat es im Jahre 1553 Pieter Brueghel aufgenommen.

Bei der von Alexander VI. neu errichteten Porta Settimiana führte der alte Weg der nach St Peter ziehenden Pilger, die sog. Via sancta (die heutige Lungara), zunächst nach der Porta S. Spirito im Borgo. An dieser Straße, an der Julius II. ein Seitenstück zur Via Giulia schaffen wollte, lagen nur einzelne Häuser und Kirchen, denn das dortige Gebiet befand sich außerhalb der Befestigungen. Es war die Gegend der großen Vignen, unter welchen die der Kardinäle Maffei, Salviati und Farnese hervorragten; dem Kardinal Farnese gehörte auch die berühmte Farnesina des Bankiers Agostino Chigi*). Von den Kirchen des Janiculum reicht Pietro in Montorio in das 9. Jahrhundert zurück, S. Onofrio war erst 1435 durch den Eremiten Niccolo di Forca Palena gegründet worden.

*) Die Geschäftsräume des Welthauses Chigi, des Rothschilds der Zeit Leos X., dienen gegenwärtig als Holzmagazin. Sie liegen im Arco de' Banchi, einst Cortile de' Chigi, welcher die Via de' Banchi mit der Via Paola verbindet (Bild 59).
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
064 * Bild 54 Haus aus dem 13. Jahrhundert (Piazza S. Cecilia)

064 * Bild 54 Haus aus dem 13. Jahrhundert (Piazza S. Cecilia)

066 * Bild 56 Backsteinhaus aus dem 13. Jahrhundert. (Vicolo dell Atleta 13-14)

066 * Bild 56 Backsteinhaus aus dem 13. Jahrhundert. (Vicolo dell Atleta 13-14)

067 Bild 57 Haus aus dem 14. Jahrhundert. Zerstört 1880 (Via dei Salami) Rekonstruktion von G. B. Giovenale. Inventario dei Monumenti di Roma I (Rom 1908-12) XVII.

067 Bild 57 Haus aus dem 14. Jahrhundert. Zerstört 1880 (Via dei Salami) Rekonstruktion von G. B. Giovenale. Inventario dei Monumenti di Roma I (Rom 1908-12) XVII.

068 Bild 58 Quartiere S. Pellegrino in Viterbo. Photographie Anderson Nr 3000

068 Bild 58 Quartiere S. Pellegrino in Viterbo. Photographie Anderson Nr 3000

069 * Bild 59 Das einstige Bankhaus des Agostino Chigi (Arco de Banchi)

069 * Bild 59 Das einstige Bankhaus des Agostino Chigi (Arco de Banchi)

071 * Bild 60 Mittelalterlicher Turm und Pforte aus antikem Marmorfragment (Via Margana 40-45). Zustand vor dem 1913 vorgenommenen Umbau.

071 * Bild 60 Mittelalterlicher Turm und Pforte aus antikem Marmorfragment (Via Margana 40-45). Zustand vor dem 1913 vorgenommenen Umbau.

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