Abschnitt 12

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Ehe die Schale eine Handelsstraße wurde, war sie schon in ausgiebiger Weise zur Flößerei benutzt worden. Nach Errichtung der Wasserbauten sollten nun die Güter per Schiff in das Land und das Holz ebenso aus dem Lande befördert werden. Aber bald stellte sich heraus, daß die Schiffahrt mit Holz selbst auf den flachen Prahmen und „Steckelschiffen“ herzlich unbequem war. Man suchte deshalb um die Erlaubnis, das Holz wieder wie früher flößen zu dürfen, nach und erhielt sie auch. Da aber die Schale zur Schiffahrt und gleichzeitigen Flößung zu schmal war, wie es in dem Vergleich von 1587 heißt: „Zum vierten seint die Flößung und Schiffahrt nicht compatibilia, die miteinander zugleich könnten gebraucht werden, sondern das eine verhindert das andere, aber eine Schiffahrt kann neben der andern woll geschehen“, so wurde der Verkehr auf dem Flusse genau nach der Zeit geregelt. Vom Jahre 1567 haben wir bereits eine Bestimmung, daß denen von Boizenburg zwischen Ostern und Pfingsten vier Wochen und drei Wochen vom S. Michaelistage zu flößen nachgelassen sei, was dann in dem gleichen Zeitraume auch den Lüneburgern gestattet wurde.


Die Schiffer sind noch heute ein unzuverlässiges Völkchen. Auf dem Wasser fühlen sie sich nicht nur sicher, sondern auch dem Gesetze überlegen. Auch damals waren sie auf ihren Vorteil bedacht. Sie dehnten daher die Flößungszeit nach Möglichkeit aus, auch wurde bei weitem mehr Holz gefällt, als eigentlich erlaubt war. Daher die zahlreichen gegenseitigen Klagen, daß die Schiffleute zu Boizenburg oder die zu Lüneburg sich der Flößung nicht begeben wollen. Herzog Ulrich schob die zutage tretenden Unzuträglichkeiten und den entstandenen Schaden auf die Schiffahrt und kassierte diese 1576 wegen des großen Schadens an Holz durch die Schiffleute. Da aber nachgewiesen wurde, daß der Wald mehr durch die Flößung als durch die Schiffahrt verwüstet werde, daß der Schaden an den Wasserwerken und die Ungerechtigkeiten in den Zöllen durch die Flößung verursacht seien, wurde das Schiffahrtsverbot wieder aufgehoben. Statt dessen wurde die Flößung untersagt, jedoch 1583 wieder angefangen. Sie ist seitdem noch öfters verboten, aber stets wieder gestattet worden. Um nun den dabei vorkommenden Unregelmäßigkeiten zu begegnen, wurden 1587 genaue Bestimmungen für den Flößungsverkehr getroffen.

Es lautet da unter Punkt 2: „Soviel aber die Flößung des Holzes von oben herab auf Kölzin zu betreffen tut, soll hinfüro jedes Teil die Lüneburger sowohl als die Boizenburger nicht mehr als 2000 Faden Holz flößen, zu welcher Durchflößung die Lüneburger den Boizenburgern die Schleusen öffnen und solches Holz sowohl als ihre Schiffe frei und ohne Entgelt, inmaßen bis dahero geschehen, durchpassieren lassen werden.“

Für solches Entgegenkommen mußten sich die Boizenburger dem Rat erkenntlich erzeigen, und darum fährt Punkt 3 fort:

„Dagegen aber sollen die Boizenburger ihrer eignen Bewilligung nach den dritten Teil an ihnen zukommenden 2000 Faden des von oben herabgeflößten Holzes, oder da sie auch dessen weniger als 2000 Faden das Jahr über flößen würden, auf vorgehendes Anbieten den Lüneburgern zu Kauf geben, dergestalt, daß sie mehrerwähnten Lüneburgern solchen dritten Teil an dem Bandekower See liefern und dagegen ihnen die Zahlung geschoben soll in dem Wert und Preis, wie zu solcher Zeit das Holz zu Hamburg gilt, doch daß davon abgezogen werde soviel, als auf der Fracht vom Bandekower See an bis gen Hamburg aufgehen möchte, da sich aber ein Rat zu Lüneburg innerhalb 14 Tagen nach geschehenem solchen Anbieten nicht erklären würde, daß sie dergestalt das Holz bezahlen wollten, soll es denen von Boizenburg freistehen, ihres Gefallens dasselbe hernacher ferner zu verkaufen, wohin sie wollen.“

Über die Flößungszeit wird bestimmt: „Wie dann auch sonsten das Flößen der 2000 Faden Holz vom Schalsee herab von beiden Teilen zu keiner andern Zeit im Jahr geschehen soll als von dem 1. Juli an bis auf den Tag Bartholomäi (24. Aug.), innerhalb welcher Zeit einer und der ander Teil sich danach zu achten, daß er seine 2000 Faden den vorigen Vergleichungen nach schichtweise herabbringen, damit sonst und zu andern Zeiten des Jahres die Schiffahrt durch das Flößen nicht verhindert werde.“

Wenn nun die übrige Zeit des Jahres das Flößen verboten war, so konnte sich gegebenenfalls ein empfindlicher Holzmangel einstellen, wie man dies gerade vorher im Schalgebiet erlebt hatte. Es wurde deshalb weiter gestattet: „6. Denen von Boizenburg aber soll gleichwoll in vorfallendem Feuerschaden unbenommen sein, zu Wiedererbauung der verbrannten Gebäue auch Bauholz herabzuflößen, dessen sie sich sonsten, weil die Schleusen durch dasselbe Flößen verderbt werden, enthalten sollen. Wurde aber durch solches Flößen des Bauholzes in vorgedachtem Fall den Schleusen einiger Schaden zugefüget, soll derselbe von den Boizenburgern wieder erstattet werden.“

Da im großen und ganzen das Schiffamt durch die Lüneburger Schalfahrt doch in seiner Freiheit beschränkt worden war, so werden ihm die in den 1563 und 1567 aufgerichteten Verträgen mit dem ehrsamen und weisen Rat der Stadt Lüneburg ausdrücklich betonten Vorrechte ein für allemal bewilligt. Es handelt sich hier um die Sude. Es soll danach denen von Boizenburg der Vorkauf und das Flößen auf der Suden von oben herab bis in den Bandekower See allein freistehen, und es soll sich keiner aus Lüneburg desselbigen Vorkaufs und Flößens unternehmen noch gebrauchen, die von Lüneburg sollen und wollen auch ihre allda bereithabenden Verkäufer abfordern und abschaffen; würden derselbigen einige hernach darüber betroffen oder derselbigen Holz oder andere Waren angetroffen, so sollen sie in gebührliche Strafe genommen werden, da sie zu des gnädigen Fürsten und Herrn und seiner armen Leute Schaden sind.

Doch es scheint, als ob sich diese Gesetze tatsächlich nicht innehalten ließen. Denn immer wieder suchen beide Teile, der Lüneburger Rat sowohl als auch das Boizenburger Schiffamt, um Verlängerung der Flößungszeit nach, sei es wegen des üblichen Grundes, daß sie das Holz in der festgesetzten Frist nicht an Ort und Stelle bekommen könnten, sei es wegen außerordentlicher Vorkommnisse, wie es 1583 das Auftreten der Pest war, derentwegen man die Arbeit gerade im Sommer hatte aussetzen müssen.