Abschnitt 11

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Der Wald war ebenso wie der Fluß fürstliches Regal. Deshalb mußte jeder Untertan, der Holzhandel treiben wollte, sich dafür privilegieren lassen, um wieviel mehr die Lüneburger. Die nachgesuchte Erlaubnis wurde ihnen bewilligt, aber nur für den Handel mit Brennholz. Obgleich diese Beschränkung mit klaren Worten ausdrücklich festgesetzt worden war, ließen sie sich doch fortwährend hinreißen, auch besseres Holz zum Verkauf zu entfernen. Daher wurden ihnen ihre Privilegien im Laufe der Jahre mehr als Mahnung gegen Übergriffe immer wieder erneuert. So im Jahre 1575, wenn es heißt: „Ein jeder Lüneburger Bürger oder Einwohner, der mit Holzkauf handelt, bei Strafe von 300 Thlr. auch Verlust des Holzes und dessen Wertes soll sich alles Eichen- und Buchenholzes, so auf den Stämmen steht, als auch dessen, so frisch und gesund von denen vom Adel, Bürgern oder Bauern heimlich oder öffentlich niedergehauen wird, enthalten und ohne des Herzogs Bewilligung nicht kaufen; aber alt Lagerholz, droege, stehende Stämme und was der Wind an Eichen und Buchen niederschlägt, sowohl als frisch stehende Birken durch gemelte Schalenfahrt gegen Entrichtung gebührlicher Zölle zubringen und auszuschiffen frei und offen stehen.“ Die Herzöge wollten durch diese Bestimmung weniger ihren Nutzwald als ihr Wild und ihre Jagd schützen. Der Hochwald, die Eichen und Buchen mit ihren nahrhaften Früchten, sollte für die Tiere des Waldes vor der Verwüstung durch die Holzhauer behütet werden. Hagebuchen aber, Eschen, Ellern, Birken und anderes Holz, so keine Mast trägt, sollte ihnen ohne der Fürsten Verhinderung zu kaufen freistehen.


Ein anderes sehr wichtiges Recht, das sie auch erhielten, bald auf kurze Zeit, bald nur für bestimmte Orte, ein Recht, das ihnen immer wieder bestritten wurde und das sie sich stets wieder von neuem erkämpften, war das des Verkaufs oder, wie es damals hieß, des Fürkaufs. Sie erhielten es beispielsweise 1585 von Franz von Lauenburg für den Techiner Forst. Von den Mecklenburger Herzögen hatten sie sich schon früher die Erlaubnis erwirkt, vor den Toren von Boizenburg Holz zu kaufen, Weil es längst alter Brauch gewesen sei. Es lag ihnen natürlich sehr viel an dieser Gerechtsame. Denn sie durften bei den Förstern und Holzsetzern im Walde ja eigentlich nur Bestellungen machen, da sie dort vom Stamme kaufen mußten, und das gehauene Holz am Platze ihnen verboten war. Das Recht des Fürkaufs wurde ihnen bestritten, weil sie auf diese Weise die Preise machten und den Boizenburgern den Handel aus der Hand nahmen; hatten sie doch schon, wie bereits oben erwähnt wurde, den Holzhandel nach Hamburg dadurch an sich gezogen.

Der Preis wurde nach Faden berechnet und war verschieden hoch. 1565 konnte man am Schalsee den Faden Holz am Platz noch für 8 ß erwerben. Gewiß ein niedriger Preis, selbst wenn man den Waldreichtum der Gegend in Betracht zieht. Denn die Lüneburger hatten Mangel an Holz. Die allgemeine Preissteigerung machte sich jedoch auch bei diesem Handelszweige bemerklich. 1588, also ungefähr 20 Jahre später, kosteten 1000 Faden Buchenholz 1000 M lübisch, und 1591 verkaufte Jochim Newhauß, Ratsverwandter zu Wittenburg, dem Rate zu Lüneburg 1200 Faden für 2400 Rthlr., also den Faden für 2 Rthlr. Aber das war eitel gutes und, wie es heißt, „klüftiges Buchenholz“, das auf dem Stamm gegen bar Geld verkauft wurde. Wenn auch damals die Preise durchaus nicht fest waren, und sich bei den verschiedenen Münzsorten immer Differenzen ergaben, so zeigen doch diese drei Beispiele an, daß innerhalb von 26 Jahren ein Steigen des Preises von 8 ß = 1/2 M bis zu 2 Rthlr. = 4 M in der Tat möglich war. Oft wurde dann mit dem Hauen arg gezögert, so daß der Lüneburger Rat das Holz in manchem Fall selbst schlagen ließ und sich für das Haugeld in Holz bezahlt machte, damit er ohne Schaden davonkam.

Die kleinen Lieferungen betrugen mindestens 20-100 Faden, im Durchschnitt wurden 300-1000 Faden abgenommen, und die ganz großen Bestellungen beliefen sich auf 1500-3000 Faden. Dieses Holz wurde dann aus den Forsten an den Schalsee oder die Schale gebracht und von hier aus nach Lüneburg oder Hamburg verschifft. Da die Zahl der Kähne und später auch die Menge des zu flößenden Holzes eine beschränkte war, so mußte es am Ufer aufgestapelt und vor Dieben bewacht und vor Angebern beschützt werden. Letztere klagten gerne, es sei mehr Holz, als erlaubt oder bezahlt wäre, aus dem Walde geholt worden, was ja auch tatsächlich nur zu oft geschah. Darum wurden besondere Beamte angestellt, die den Holzkauf und Verkauf zu leiten und zu regeln hatten. Diese besonders dazu bestallten waren die sogenannten Holzsetzer 59). Häufig versahen allerdings die Förster und Forstbediensteten dieses Amt neben ihrem eignen. Aus dem Eid des Holzsetzers zu Kölzin entnehmen wir die Art seiner Tätigkeit. Er hatte das Holz unterschiedlich nach seiner Art zu setzen. Er hatte das Eichen und ander weich, auch gar zu olmich Holz zu großen Knubben und zu kleinen Knüppeln von dem Buchenfadenholz abzutun, auch desselben Buchenholz nichts in Faden setzen zu lassen, es habe denn seine rechte Länge von beiden Teilen, Lüneburg und Boizenburg, richtig erkannt, nämlich 2 Schuh. Was kürzer gehauen war, hatte er auszuschätzen und absonderlich auszusetzen. In der Höhe war das Stadische Maß zu messen.

Das Maß des Holzes gab zu manchem Streit Veranlassung. Es wurde allgemein das Kampmaß gefordert. Dieses sollte 2 Schuh = 0,58-0,60 m Länge haben. Als größere Einheit galt das Stader Fadenmaß zu 6 Schuh.

Leider können wir uns keinen genauen Überblick über die von den Lüneburgern entnommene Menge Holzes verschaffen. Die Zollrollen sind entweder überhaupt nicht oder nur sehr unvollständig vorhanden. Dazu kommt, daß nicht alles Holz, das die Lüneburger fortführten, in ihre Stadt ging. Denn so manches Hundert Faden wurde unterwegs verhandelt. Da das Mecklenburger Holz von den Sülfmeistern zum Heizen der Sülzen gekauft wurde, so hoffte man, in den Sootmeister- und Kämmereirechnungen Aufzeichnungen zu finden. Aber dort ist nur ganz selten angegeben, woher das gekaufte Holz stammt, und nur wenige Nummern geben das Schalgebiet an. Die „Sotmesterie Regnung“ gibt für die Jahre 1583-1585 Lieferungen von Boizenburg an Bau- und eichenem Dielenholze an, die einem Hans Augustin bezahlt werden, alles in allem rund 1300 M. Die Kämmereirechnungen verzeichnen für 1585 6 Faden Birkenholz für 13 M 13 ß 0 . . . und ferner 104 Faden Birkenholz für 211 M 8 ß 0 . . . zum Bau des Rathauses, beide Posten vom Schalsee. Es folgen dann für die Jahre 1592 bis 1594 die Vermerke „etliche Faden Schalfahrtholz genommen“, aber alle diese Belege geben uns keinen Aufschluß darüber, wieviel Holz in einem bestimmten Zeitraum überhaupt nach Lüneburg und wieviel davon als Brennholz in die Sülze geschickt wurde unter Benutzung der Schale.




59) Holzsetzer schichtet - setzt das Holz nach Maß und in bestimmter Menge am Platze auf