Abschnitt 3

Die Sage vom Feuerreiter


Weil die Beschwörung aber als wirklicher Zauber aufgefaßt wird, deshalb ist sie auch mit Gefahr verknüpft. Das Ausüben des Zaubers bleibt eben doch „nach christlicher Lehre eine schwere Sünde; denn wenn sich der Beschwörer auch äußerlich von allem Heidentume freihält, sein Unterfangen ist ein freventlicher Mißbrauch des göttlichen Namens und heiliger Symbole und Reliquien“. Der Reiter muß suchen, in möglichster Eile ein Wasser zu erreichen, in Stavenhagen einen Teich, bei Leipzig muß es ein fließendes Wasser sein. Der Schimmel muß dabei seine ganze Kraft hergeben, sonst erreicht das Feuer den Reiter, und dann ist er verloren. Aus Labiau heißt es: Hinter dem Pferde zoa sich ein feuriger Streifen her, der den Schweif des Ritsses hinauf und längs seinem Rücken bis an die Lehne des Sattels lief. In der Leipziger Sage „ballt sich das Feuer zusammen und stürzt sprungweise in der Richtung nach seinem Bezwinger. Gelingt es diesem nicht, ehe ihn die Flamme eingeholt hat, über fließendes Wasser zu setzen, muß er ihr zum Opfer fallen.“ Der Ludwigsluster Oberforstmeister muß jagen, was das Zeug halten will, denn „hätte ihn das Feuer eher erreicht, bevor er an das Wasser gekommen, so würde er von ihm verzehrt worden sein“.


Bei einigen Sagen haben wir die Besonderheit, daß die Beschwörung nicht durch Herumreiten ausgeführt wird, sondern durch Herumgehen. So heißt es in der Sage von dem Stendaler Bürgermeister, deren Anfang oben gebracht ist: „Der Schimmel ist alt geworden und endlich gestorben. Da war nun der Bürgermeister in großer Not, denn er sah augenscheinlich, als wieder ein Feuer ausbrach, daß es weiter und weiter um sich griff. Doch faßte er sich endlich und lief nun um das Feuer herum, wie er früher herumgeritten war, und siehe da! das hatte dieselbe Wirkung; das Feuer stand still.“ Besonders merkwürdig ist, was Gustav Freytag aus seiner Jugendzeit in Kreuzburg etwa aus dem Jahre 1819 erzählt: Im Armenhause dort fühlten sich zwei Blinde sehr unglücklich. Sie legten deshalb unter einer Treppe Feuer an und schlichen fort. „Als sie in dem ummauerten Hofraum standen, fragte der eine: ,Was aber soll aus der unschuldigen Stadt werden? Sie wird bei dem starken Winde auch niederbrennen, die Bürger haben uns nichts zu Leide getan.’ Da schritt der andere Blinde, während drinnen der Brandstoff schwelte, dreimal um das ganze Gebäude und sprach einen alten Feuersegen zum Schutze der Stadt, worauf beide durch ein Pförtchen ins Freie entwichen.“ Das Armenhaus brennt nieder, die Stadt aber bleibt unverletzt.

Hier haben wir wieder einen neuen Typ der Sage: Während es nämlich meist darauf ankommt, das Feuer zu löschen, handelt es sich hier nur um seine Begrenzung. Es wird festgesetzt, wie weit sich der Brand ausdehnen darf. Vom Herzog Karl heißt es: „Als er dreimal um die Brandstätte geritten war, sagte er: , Jetzt laßt’s brennen, kein Sparren geht mehr an.’ Und so war’s. Der Balken, der verbrannt war, der war verbrannt, aber es ist auch kein Spahn mehr weiter angegangen.“ Von einem Feuerreiter, einem Herrn von Gera in Bieblach, heißt es: „Er hatte den Leuten diese Säule schon beim Brande selbst gezeigt und ihnen geboten, mit Löschen inne zu halten, denn bis zu dieser Säule und weiter nicht werde es brennen.“

Von dieser Kraft, das Feuer zu begrenzen, erzählen uns wieder mehrere Sagen, und bezeichnenderweise sind es meist Zigeuner, die sie geübt haben sollen. So wird aus Ostfriesland berichtet: Die Zigeuner erhalten hier häufig die Erlaubnis von den Hausbesitzern, in Ställen und Scheunen zu übernachten. „Einst erhielten Zigeuner im Kirchspiel Helle ein solches Hausquartier und zündeten sich gegen Abend auf der Diele neben dem gefüllten Heufache ein großes Feuer an. Der Knecht meldete es dem Hausherrn, und dieser ließ es ihnen verbieten. Da sagten sie, sie wollten das Feuer wohl auslöschen, aber es sei nicht gefährlich, denn ihr Feuer gehe nicht weiter, als sie demselben einen Kreis zögen, und so war es auch.“ Genau das gleiche wird aus Ronneburg und aus Leumitz im Voigtlande gemeldet.

Ganz eigenartig ist eine Thüringer Sage: „Als einst Sangerhausen in Flammen stand, kam ein Reiter auf weißem Roß und umritt ein kleines Häuschen, das alleine vom Feuer verschont wurde.“ Es wird also nicht das Feuer selbst beschränkt, sondern ein geweihter Bezirk wird geschaffen innerhalb der großen allgemeinen Feuersbrunst, in den das Element nicht hineindringen kann.

Auf etwas möchte ich noch hinweisen: Das Reiten um ein Haus herum ist natürlich nur möglich, wenn das Haus frei dasteht. Dies wird in der alten Stadt im allgemeinen nur selten der Fall sein, dagegen ist es das Natürliche auf dem Lande. Wir finden hierin also auch einen Hinweis darauf, daß die Sage aus uralten Zeiten stammt, wo es in Deutschland noch keine Städte gab, wo die bäurische Bevölkerung in Einzelhöfen oder in frei gebauten Dörfern wohnte. Diesen Gedanken berücksichtigt folgende Erzählung: „Als anno 1674 am 9. März abends 9 Uhr auf dem neuen Markt in Zeitz in einer Scheune Feuer auskam und mit den umliegenden Gebäuden viel Vieh verbrannte, er=schien Herzog Moritz zu Pferde und wollte das Feuer umreiten; es war aber des Terrains willen leider nicht ausführbar.“ Hier haben wir also einen Bericht von einem mißglückten Versuch, und derartige finden wir öfter. „In Schillbach ließ 1864 noch ein Bauer, ohne zu retten, alle seine Habe verbrennen, weil er sich auf einen Hausfeuersegen verlassen hatte.“ „Ein anno 1730 vom Oberst v. Krüger gemachter Versuch, ein Feuer zu umreiten, löschte das Feuer so wenig, als sein dabei gesprochener Feuersegen.“ „Der kgl. preußische Kammerherr Graf Otto von Cospoth kam anno 1817 in den Flammen seines brennenden Schlosses zu Mühltrupp elend um, weil er in der Meinung, im Besitze eines kräftigen Feuersegens zu sein, zu spät auf seine Rettung bedacht gewesen war.“ Hier handelt es sich also jedesmal um ein falsches Vertrauen auf einen alten Feuerzauber; es ist wohl ohne weiteres anzunehmen, daß alle diese Beispiele wirklich historisch sind. Ein Zeichen, wie fest der Aberglaube noch in der Seele des Volkes wurzelte!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sage vom Feuerreiter