Abschnitt 2

Die Sage vom Feuerreiter


Diese einfache Grundform ist nun vielfach erweitert worden. Zunächst wird mehrfach erwähnt, daß das betreffende Roß ein Schimmel gewesen sei. So kommt in Labiau der Feuerreiter „auf einem schäumenden Schimmel“ angesprengt, dasselbe wird aus Ludwigslust und aus Stendal berichtet. In dieser letzten Sage hören wir auch, wie der Feuerreiter zu seinem Pferd gekommen ist: In Stendal brannte es sehr oft. Da kam einmal zu dem Bürgermeister „ein kleines Männchen, brachte ihm einen Schimmel und sagte, auf dem solle er um das Feuer reiten, da werde es sogleich stille stehen. Das hat er denn auch getan, und augenblicklich war dem Feuer Einhalt geboten. So hat er es jedesmal, sobald irgendwo ein Feuer aufschlug, wiederholt, und nie ist mehr als ein Haus von demselben verzehrt worden“. Hier finden wir also den Gedanken, daß es mit dem Rosse keine gewöhnliche Bewandtnis haben könne: das kleine Männchen deutet doch sicher auf einen Zwergen oder einen Kobold, und es scheint mir, als ob der Schimmel in Beziehung stehen könne zu dem weißen Rosse, auf dem in der altgermanischen und altslavischen Mythologie Götter durch die Lüfte dahinsprengten. Damit dürfte auch zusammenhängen, daß als Vermittler der Kunst mehrmals Zigeuner genannt werden, und Zigeuner sind in den Sagen sehr oft an Stelle der alten Heiden getreten.


Nur selten erfahren wir etwas über die Kleidung des Feuerreiters. Einige Male wird aus Schwaben gemeldet, daß er „in fliegendem Mantel“, einmal aus Tübingen, daß er „den Hut in der Hand, hoch in den Bügel stehend“ geritten sei. Mörike erzählt von einer roten Mütze, die er getragen habe.

Oft wird uns der Name und Stand des Feuerreiters genannt. In Labiau war es ein Graf von der Trenk in Schakaulak, in Ludwigslust der Oberforstmeister Laufert, in Stavenhagen der Ritter von Oertzen, in der Ukermark ein Herr von Arnim auf Kröchlendorf, in Tübingen der Herzog Karl von Württemberg, dessen Kunst der Feuerbesprechung mittels eines kräftigen Segens ja auch in dem Roman von H. Kurz: Schillers Heimatjahre eine Rolle spielt. Sonst heißt es wohl: ein Baron, ein Graf, der Inhaber eines Rittergutes, in Stendal war es der Bürgermeister. Es sind also immer durch Geburt und Stand hervorragende Männer, die diese Kunst ausüben. Das entspricht der uralten Anschauung, daß den Führern des Volkes eine gewisse Zauberkraft innewohnte. Sie vermochten es, Krankheiten durch Handauflegen zu heilen, Blinde und Lahme gesund zu machen, und vor allem galt immer der Kropf als ein von den Königen zu heilendes Leiden. Daß wir es hier wirklich mit einem uralten Glauben zu tun hatten, ergibt sich aus einer Stelle der Edda: Dem Asen Heimdall erwächst auf der Welt ein Enkel Kon, der Stammvater der Könige. Und von diesem Götterenkel heißt es:

Doch Kon der junge war kundig der Runen,
lange wirkender Lebensrunen;
auch kannt er die Kunst, Krieger zu schützen,
machte Schwerter stumpf und beschwichtigte Wogen.
Die Stimmen der Vögel verstand er zu deuten,
stillt’ Meer und Feuer, minderte Schmerzen.

Neben vielem anderen haben wir hier also auch die Zauberkraft des Feuerlöschens besonders erwähnt.

Auch aus der Lüneburger Heide hören wir von dieser Kunst der Feuerbesprechung. Kück berichtet in seinem hübschen Buche: „Das alte Bauernleben der Lüneburger Heide“ folgendes:

„Selbst ein Prediger, der Träger eines bekannten hannoverschen Namens, stand bei seiner Gemeinde in dem Ruf, das Feuer besprechen zu können. Augenzeugen haben mir erzählt, sie hätten ihn wiederholt beobachtet, wie er, die Besprechung murmelnd, das brennende Feuer umschritten hätte.“ Diese Sage ist deshalb bedeutungsvoll, weil es das einzige Mal ist, daß ein Pastor als Veschwörer des Feuers genannt wird. Kück führt auch einen Spruch an, der sich jedoch wörtlich mit der Form deckt, die wir aus dem ganzen niedersächsischen Gebiet kennen.

Mit jener Nennung bestimmter Persönlichkeiten hängt nun wieder zusammen, daß uns auch mehrfach ganz genaue Angaben gemacht werden, in welcher Zeit die Sage spielt. In Labiau war es im Jahre 1809, in Stavenhagen „vor 100 Jahren“, in Stendal soll der Bürgermeister die Kraft bis 1840 behalten haben, und der Herzog Karl von Württemberg ist uns aus Schillers Jugendzeit wohlbekannt. Genannt werden noch u. a. die Jahre 1730, 1780, 1817, 1819, 1864. Die überlieferten Formen der Sage sind also verhältnismäßig ganz jung, wobei wir aber natürlich annehmen müssen, daß jüngere Übertragungen aus uraltem Sagengut vorliegen. Denn die einzelnen Züge sowie der ganze Gedanke der Sage deuten eben ohne weiteres auf die Vorzeit zurück.

Fast jedesmal wird erwähnt, daß der Reiter einen Feuersegen gesprochen habe, nur gelegentlich einmal findet sich die Bemerkung, daß der Ritt stillschweigend erfolgt sei. Charakteristisch aber ist, daß neben dem Feuersegen auch das Opfer an das Feuer nicht fehlt, womit also auch darauf hingewiesen wird, daß mythologische Vorstellungen zugrunde liegen. Aus der Leipziger Gegend wird gemeldet, daß Brot hineingeworfen wird, und vom Herzog Karl wird ausdrücklich bezeugt, daß er aus einer Schüssel mit Salz drei Hände voll in das Feuer geworfen habe.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sage vom Feuerreiter