Napoleon

Für die Franzosen stritt eine ungeheure moralische Macht; wirksamer als die Waffen der ungeübten, disziplinlosen, verlumpten Revolutionsheere war der Gedanke der Freiheit, welcher ihnen voranflog, es war wirklich einmal ein Sieg der Idee und vor ihr sanken Staaten in Trümmer, deren Zusammenbruch die Weltordnung aufzuheben schien! Kaisertum und Papsttum, Einrichtungen, deren jahrtausendlanger Bestand scheinbar ewige Dauer verbürgte, stürzten wie Kolosse mit tönernen Füßen und begruben alles unter sich, was mit ihnen noch vom Mittelalter übrig war, die Adelsrepublik Venedig, den Ritterorden von Malta.

Wie ein Werkzeug Gottes, wie das unentrinnbare Fatum selbst erschien den Menschen der kleine korsische General, dessen beispielloser Siegeszug innerhalb eines Jahrzehnts ganz Europa durch einander warf, sie fürchteten in ihm den Zerstörer, dem nichts widerstand und bewunderten den Heros, dessen Genie, dessen unglaubliche Taten menschliche Fassungskraft weit überstieg. Mit der unwiderstehlichen Gewalt eines gigantischen Naturereignisses führt Napoleon den Untergang der alten Gesellschaft herbei und steht am Beginn der neuen, an deren Aufbau er keinen Teil hat, wie ein Wunder, zu sehen, zu erleben und doch nie zu begreifen! Nichts Menschliches haftet ihm an, der kalten Blutes Millionen von Menschenleben opfert, der über verwüsteten Ländern und brennenden Städten der ganzen Zeit sein Bild wie ein gewaltiges blutiges Mai aufgeprägt hat.


So übermenschlich sahen ihn die Zeitgenossen, der Abgott zwang sie zu Staunen und Bewunderung, wenn seine Person auch nur Furcht und Hass, aber weder Liebe noch Treue weckte. Als seine ungeheure Rolle ausgespielt war, als der Welteroberer überwunden am Boden lag, da atmete die Menschheit auf, von dem Druck seiner gewaltigen Persönlichkeit wie von einem Alp erlöst und ließ den, vor dem sie eben noch gezittert, einsam und vergessen in einem verlorenen Erdenwinkel sterben. Große und starke Geister zwang er in seinen Bann, es ist bekannt, wie Goethe über Napoleon dachte und dass Beethoven ihm die Eroica widmete, aus dem Jakobiner David, dem Demokraten Johannes von Müller machte er sich begeisterte Anhänger, ja, als er schon bei Leipzig besiegt und auf der Flucht war, da überschüttet die gefangene Königin von Sachsen Metternich noch mit Vorwürfen, wie die Verbündeten es hatten wagen können, gegen Napoleon aufzutreten, dessen Sache doch Gottes Sache sei!

So wie diese Königin dachten nicht nur die Rheinbundfürsten, so dachte die Mehrheit der Menschen. Als aus dem chaotischen Durcheinander der Republik die Gestalt des Generals Bonaparte auftauchte, als die öffentliche Aufmerksamkeit sich auch im Ausland ausschließlich auf ihn zu lenken begann, als er das unmöglich Scheinende vollbrachte und Frankreich in geordnete Verhältnisse zurückführte, da haben auch in Deutschland viele und ernste Patrioten ihre Augen hoffnungsvoll auf ihn gerichtet und auch später, als schon Österreich und Preußen besiegt, der Rheinbund und das Königreich Westfalen aufgerichtet waren, hat noch eine große Partei in Deutschland ihr Heil von ihm erwartet. Herzog August von Anhalt-Cöthen war so begeistert für Napoleon, dass er 1810 den Code Napoleon und 1811 die französische Konstitution in seinen „Staaten“ einführte. Man hat die, welche sich so irrten, eines Mangels an Vaterlandsliebe geziehen, ein Vorwurf, so wenig angebracht, als es die gleiche Beschimpfung ist, deren sich zänkernde Politiker mit Vorliebe bedienen, wenn es gilt, die eigenen Beweggründe zu verschleiern oder die des Gegners zu verdächtigen.

Prudhon, Kaiserin Josephine

Französische Karikatur: La Politicomane

002 Isabey, Napoleon Bonaparte

002 Isabey, Napoleon Bonaparte

013 David, Krönung Napoleons (Ausschnitt)

013 David, Krönung Napoleons (Ausschnitt)

010 Prudhon, Kaiserin Josephine

010 Prudhon, Kaiserin Josephine

011 Französische Karikatur, La Politicomane

011 Französische Karikatur, La Politicomane

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