Arbeitsscheu und Handel

Mit dem Abschluss des vorangehenden Kapitels habe ich den theoretisch-historischen Teil meiner Aufgabe nahezu gelöst. Wenn ich in dem gegenwärtigen Abschnitte nochmals auf Geschichtliches zurückgreifen muss, so hängt dieses mit der praktischen, die Gegenwart mehr berührenden Seite meines Vorwurfs ziemlich enge zusammen.

Herr Marr behauptet, alle Völker hassten die Juden wegen ihrer Arbeitsscheu.


Ich habe die Quellen des Judenhasses nachgewiesen; Arbeitsscheu ist nicht darunter; ich werde auch nachweisen, dass die Juden nie arbeitsscheu waren. Bevor ich aber dazu schreite, möchte ich jedoch zeigen, dass die Behauptung Herrn Marrs ein großer Unsinn ist.

„Von Anfang ihres Auftretens in der Geschichte“ sagt – Herr Marr. Demnach müssten Idumäer, Philister, Amoniter, Moabiter, Syrer etc., die ferneren und näheren Nachbarn der Juden sie gehasst haben – wegen ihrer Arbeitsscheu.

Wie – wenn die Engländer ihre Fabriken schlössen, die Franzosen ihre Weinberge brach liegen ließen u. dgl.; würden die Deutschen diese Völker darum hassen. Sie würden sich ins Fäustchen lachen, solche Konkurrenten los zu sein und das Absatzgebiet für sich erweitert zu sehen. Die Zollfrage würde gewiss unter solchen Umständen leichter gelöst worden sein und bald würde der Militäretat sehr entlastet erscheinen; denn ein arbeitsscheues Volk wird arm und schwach; es verdient von seinen Nachbarn bedauert, nicht gehasst zu werden.

Wo finden sich aber in der Geschichte die Beweise für die Arbeitsscheu der Juden?!

Selbst im Paradiese sollte „Adam“ arbeiten und der Sündenfall durch Arbeit „im Schweiße des Angesichtes“ geheilt werden. Die Idee Goethes im II. Teil des Faust ist „ursemitisch“.

Auf die umfassende Agrargesetzgebung in Herrn Marrs „Codex Mosis“ ist bereits hingewiesen worden: der verheißene Segen für Treue gegen das Gesetz besteht hauptsächlich im Gedeihen der Feldfrüchte. Der zwölfte Teil des Volkes (Priester und Leviten) sollten von dem Bodenertrag besoldet werden etc. Dies weist doch sicher auf ein vorherrschend Ackerbau treibendes Volk hin.

Die alte Geschichte der Juden weist mehr als einen Cincinnatus auf. Gideon drischt eben Weizen, als er zum Richter und Heerführer berufen wird, Boas, Urahn der David'schen Königsfamilie, ist (Buch Ruth) Bauer, Elischa wird zum Propheten berufen, als er eben mit 12 Gespann Rindern pflügte u. s. f.

Der Bau der Stiftshütten, die salomonischen Bauten, der Bau des zweiten Tempels und die Befestigung Jerusalems zur Zeit Nehemias zeigen uns auch das Vorhandensein des Handwerks und des Kunstgewerbes. Haman, der fast einzige prinzipielle Judenfeind der biblischen Zeit, hätte sicher die Arbeitsscheu in seine Klage aufgenommen, wenn sie halbwegs hätte begründet werden können.

Sie war aber nicht vorhanden. In dem Motto auf dem Titelblatte übergibt Jeremias seinem Volke beim Antritte seiner Wanderschaft das Programm für dessen Verhalten. Arbeit zur Förderung des Wohl es der Staaten, in denen sie Aufnahme finden und Gebet für deren Wohlergehen. Solches konnte man keinem Volke so trocken hin empfehlen, welches Völkerhass oder Arbeitsscheu, wie Herr Marr meint „in seinem Blute liegen hatte.“

Sehen wir, ob die Juden dieses Programm je freiwillig verlassen haben. In den slawischen Ländern treiben sie Ackerbau, namentlich als Pächter, Handwerke, wir finden sie dort häufig als Fuhrleute, Lastträger u. s. f. In Amsterdam treffen wir sie massenhaft mit den anstrengendsten Hafen-, Damm- und Kanalarbeiten, sowie mit Handwerken beschäftigt. In Spanien trieben sie, wie die semitischen Araber, Ackerbau und Handwerke; die Juden arbeiteten mit Vorliebe dort in feineren Metallgewerken, waren Waffen-, Gold- und Kupferschmiede etc.

Aber in Deutschland treiben sie vorherrschend Handel, sagt man mir; sie schaffen keine Werte. So oder ähnlich auch Herr Marr.

Ich darf mich der Mühe überhoben erachten, diesen Satz in seiner Allgemeinheit zu widerlegen Hunderttausende von Germanen betreiben Handel – und der Handelstand zählt zu den höheren und besseren Ständen. Gehören die Handeltreibenden auf die Anklagebank, so befinden sich die Juden in guter germanischer Gesellschaft.

Nicht bloß wer durch Arbeit produziert, schafft Werte; wer den Produkten der Arbeit Absatz verschafft, erhöht ihren Wert, schafft also Werte. Da Zeit hohen Wert hat, so schafft auch der Werte, der dem Arbeiter seine Bedürfnisse so nahe bringt, dass er ohne Zeitverlust sie haben kann, die Zeit nämlich, die der Arbeiter brauchen würde, seine Bedürfnisse abzuholen. Die Obsthändlerin schafft die Birnen nicht; indem sie dieselben aber nach der Stadt besorgt, erhöht sie ihren Wert. Der Hausierer, der dem Bauern Kleiderstoff ins Haus bringt, damit er nicht in die Stadt muss, um ihn zu kaufen und dabei sein Geld zu verzehren, schafft Werte und verdoppelt diese Wertschaffung, wenn er als Zahlung Hadern und alte Nägel nimmt und diese wieder dahin bringt, wo sie mehr Werth haben als für den Bauern. Aber auch derjenige, der das Geld beischafft, das zu jeder Art von Werthschaffung, bestehe sie in wirklicher Arbeit oder in Handel, schafft Werte.

Ich will damit sagen, dass jeder Handelsbetrieb, vom Seehandel bis zu dem mit Hadern und Kirschen, sowie auch die Geldvermittlung eine Schaffung von Werth – also eine nützliche, achtungswerte Beschäftigung ist. Verwerflich (auch da, wo nicht strafbar) ist bloß der Missbrauch intellektueller oder materieller Überlegenheit eines Teils zum Nachtheil des andern, d. h. Übervorteilung beim Waren- und Wucher beim Geldgeschäfte, und diese gehören vor den Richterstuhl der Gesellschaft, je weniger ihnen der Strafrichter beikommen kann.

Die im Vorhergehenden erwähnten niederen Arten von Handel, welche häufig von Juden betrieben wurden, hatten eine Zeit, da sie sogar von großer wirtschaftlicher Bedeutung waren. Herr Marr rühmt die angelsächsischen Ansiedler in Amerika, welche aus Urwald Kulturland geschaffen haben. Ich bestreite das nicht, sondern habe hohe Achtung vor jenen Pionieren der Kultur. Aber Herr Marr wird zugeben, dass denjenigen auch ein Teil des Ruhmes gebührt, die als Hausierer mit dem Risiko des Lebens und Vermögens zu ihnen vordrangen, ihnen ihre Bedürfnisse lieferten, ihre Produkte abkauften, sie gelegenheitlich mit den Vorgängen in den bereits kultivieren Ländern bekannt machten. Dies war doppelte Arbeit, denn dieser Handel war mit großen Anstrengungen verbunden, und ohne ihn wären die Fortschritte der Kultur denn doch sehr langsam gegangen.

Ganz ähnlich verhielt es sich mit dem Handel der Juden im Mittelalter. Da waren zwar keine Indianer zu fürchten, aber germanische Räuberbanden und hinter jedem Strauch edle germanische Ritter, die das Weiterexpedieren der Waren übernahmen, germanische Ritter, für die Herr Marr so sehr ins Zeug geht. Ich glaube kaum, dass die Handel treibenden Juden im Mittelalter arbeitsscheu mit dem Spazierstock hinausgingen.

Hier bring ich's vielleicht am besten an, dass ein durch seinen Beruf mit den bäuerlichen Verhältnissen sehr vertrauter königlicher Beamte, den ich nennen dürfte, mir sagte, dass der für die Landwirtschaft so wichtige Ein-, Ausfuhr- und lokale Zwischenhandel mit Vieh ohne die Juden ganz unmöglich wäre. Dass aber dieser Handel mit vielen und schweren Strapazen verbunden ist, wer weiß das nicht!

Nachdem ich im Vorhergehenden gezeigt habe, dass der Handel überhaupt kein Beruf ist, der von Arbeitsscheu zeuge und dessen man sich schämen müsste, sowie dass derselbe in seinen niedersten Regionen von volkswirtschaftlicher und kulturhistorischer Bedeutung sei, hätte ich eigentlich über den den Juden gemachten Vorwurf, sie betrieben im Gegensatz zum Ackerbau und Handwerk vorherrschend Handel, nichts weiter zu sagen.

Ich möchte mir die Aufgabe jedoch nicht zu leicht stellen und nachweisen, dass dieser Zustand nicht aus freiem Entschlusse der Juden so geworden ist.

Dass sie zur Zeit der Karolinger noch alle anderen Berufsarten betrieben, ist bereits gesagt worden. Es mag sein, dass sie damals schon vorherrschend Handel betrieben; aber nicht aus Arbeitscheu, denn Handel war damals, wie schon erwähnt, schwere und gefährliche Arbeit. Ihr Schicksal, der Kulturstand des deutschen Volkes führte dahin.

Die Einwanderung, der Umzug der Juden war damals noch nicht ganz vollzogen. Man zog nach einer neuen passenden Heimat aus und fand seinen Unterhalt auf der nicht immer zielbewussten Wanderung durch Handel. Dann waren die Juden damals an Bildung und Beweglichkeit den Deutschen jener Zeit weit überlegen. Sie redeten verschiedene Sprachen, hatten in weitesten Fernen Verwandte und Bekannte und besaßen in der hebräischen Sprache zum Verkehr mit jenen eine Weltsprache. Für jene Zeit waren sie sicher die geschaffenen Handelsleute.

Dem staatsmännischen Blick Karls des Großen, der die Bedeutung des Handels für das neue große Reich, das er gegründet hatte, wohl zu würdigen wusste, konnte das nicht entgehen. Sie wurden wie eine Handelscompagnie privilegiert und auch noch unter den Nachfolgern Karls öfters zu den negotiatores gezählt. Bei der scharfen Abgrenzung der Stände im Mittelalter lag in dieser Tätigkeit und Stellung weder etwas Auffallendes noch Entehrendes, vielmehr für Volkswohlstand und Kultur Heilsames.

Später wurde es anders. Der religiöse Unterschied wurde immer mehr betont und ein Fanatismus angeschürt, der im Mai und Juni 1096 erstmals in großem Style zu jenen Gräuelszenen führte, über welche der Genius der Menschheit das Angesicht verhüllt. Die Juden wurden vom Lande in die Städte gebracht und da in besondere Quartiere eingepfercht, weil diejenigen, die das Volk in Verdumpfung wünschten, dieses von den aufgeklärteren Juden so viel als möglich absperren wollten, und weil diejenigen, die ein Interesse an der Existenz der Juden hatten, so sie besser schützen konnten.

So wurden sie vom Ackerbau ausgeschlossen, und, da die Zünfte sie nicht aufnahmen, vom Handwerke getrennt, es blieb ihnen eine sehr beschränkte Handelsfreiheit (Trödel); aber zum Wucher wurden Sie förmlich privilegiert – um sie, wenn angesaugt, auszupressen. Herr Marr nennt diese Auspressung „Geldnegotionen.“

Der Ausschluss vom Ackerbau und Handwerk dauerte fort, bis ihn die Fremdherrschaft aufhob. Die Vorstellung aber, dass dieser Zustand gerecht und staatsklug – ja sogar christlich fromm sei, hatte so feste Wurzeln im Bewusstsein der Deutschen, dass selbst die zwischen 1789 und 1815 liegenden welterschütternden Ereignisse sie nicht zu entwurzeln vermochten.

Noch im Jahre 1815 forderte, wie Grätz (Bd. 11, S. 330 ff.) sich ausdrückt, „nicht ein verlotterter Schriftsteller“, sondern der Professor der Geschichte an der Universität Berlin, Friedrich Rühs, in allem Ernste für die Juden den ganzen mittelalterlichen Apparat, namentlich auch den Ausschluss vom Heere und von den „christlich – deutschen Zünften.“

Auf diese Weise sind die Juden durch tausendjährige geschichtliche Entwicklung durch die Deutschen vom Handwerk und Ackerbau hinweggedrängt worden. In den zwanziger und dreißiger Jahren fingen endlich die verschiedenen deutschen Regierungen an, die sogenannten Erziehungsgesetze zu erlassen. Manche dieser Gesetze haben eine wohlwollende Tendenz. Sie gestatteten den Juden die Erlernung und Ausübung: wissenschaftlicher Berufsarten, kaufmännisch geführten Handelsbetrieb, Handwerk und Ackerbau. Zur Erlernung einer der zwei letztgenannten Berufsarten sollten sie durch strenge Polizeimaßregeln gezwungen werden. Diese Gesetze, welche den Irrtum zur Voraussetzung hatten, man könne einen durch ein Jahrtausend geschaffenen Zustand, in zwei Dezennien beseitigen, trugen die Bedingung ihrer Erfolglosigkeit in sich selbst. Sie verweigerten den Juden die Freizügigkeit.

Mit dem Ackerbau war's von vornherein nichts. Die Juden wohnten damals auf Dörfern zumeist in 20–50 Familien; einzelne Reiche, meist aber Mittelleute mit einem Kapitälchen das sie des Jahres wie oft umsetzen mussten, um sich zu ernähren. Wie, wenn sie nun Bauern wurden, wie sollten sie Güter erwerben, diese würden, wenn auch nur einzelne Juden alljährlich solche erwerben wollten, eine nicht mehr rentierende Höhe erreicht haben und über siedeln durften sie nicht. Sollten sie ewig Bauernknechte bleiben? Und welcher Bauer konnte einen Juden zum Knechte brauchen, der den Sabbath feierte. So verwerflich ist aber der Handel nicht, dass man ihn um den höchsten Preis – die Religion – hätte aufgeben müssen, um Bauer zu werden. Dabei ist nicht zu übersehen, dass man nicht so leicht Bauer wird, wie Tischler oder Arzt. Wer da nicht von Kindheit an dabei ist, an die Lebensweise gewöhnt wird und alle die Handtierungen gleichsam spielend erlernt, der bringt's in wenigen Jahren Lehrzeit zu nichts. So wohlwollend die Absicht der Gesetzgeber sein mochte – sie hatten die realen Verhältnisse bei diesem Punkte ganz und gar außer Acht gelassen.

Mit dem Handwerk schien es etwas besser zu gehen. Viele Jünglinge erlernten Handwerke; es wurden sogar Vereine gegründet, Stiftungen gemacht, um das Handwerk zu fördern, und das mit Erfolg; was ist aber das Handwerk auf dem Dorfe? Abgesehen von den Schikanen der damals noch blühenden Zünfte, wenn sie es zum Meister brachten und ansässig wurden, so konnten sie sich nicht ernähren und in Städte konnten sie nicht übersiedeln. Die christlichen Handwerker auf dem Lande sind zugleich Halbbauern, die Landwirtschaft verstehen sie vom Hause aus und haben auch meistens Grundstücke ererbt oder erheiratet. Die Juden waren vielfach gezwungen, zum Handel zurückzugreifen. Doch gibt es immerhin viele Juden, die Handwerke betreiben.

Damit wären Herrn Marrs Klagen, das die Juden nicht Ackerbau und Handwerke betreiben, beantwortet.

Dem kaufmännischen Betrieb des Handels wendeten sich viele Juden zu und verließen den Hausierhandel, soweit das auf dem Lande ging, und wenn es ihnen gelungen, die Schwierigkeiten, welche die Innungen machten, zu überwinden. Dieser in seiner Form verbesserte Handelsbetrieb hat die Juden allerdings intellektuell gehoben; allein der Judenhass wurde dadurch eher vermehrt als vermindert. Es liegt in der Natur der Sache, dass man Konkurrenten nicht liebt – den jüdischen, warum sollte man nicht über ihn schmähen. Ein Jude mein Konkurrent! „hepp-hepp!“

Viele nicht nur reiche, sondern auch arme Juden wandten sich unter schweren Entbehrungen den Wissenschaften zu. Als Ärzte brachten es einige zu anständigen Stellungen; auch als Advokaten in Staaten, wo die Advokatur frei war; doch das nicht überall. Die Stadt Frankfurt wollte z. B. nur vier jüdische Ärzte und keinen Advokaten zulassen. Von staatlicher Anstellung war natürlich keine Rede und dies, davon bitte ich Akt zu nehmen – trieb viele Studierte in die höheren Regionen des Handels und zur Presse. In dieser schlossen sie sich, was nicht anders sein konnte, der liberalen Richtung an. Das war 1866 in den Augen des größten Teils des deutschen Volkes eine Tugend. Heute stempelt es Herr Marr, der sich allmählich von der äußersten Linken zum Handlanger der Reaktion herüber manöveriert und dabei in Amerika auch sklawenhändlerische Gesinnungen tatsächlich an den Tag gelegt, heute stempelts Herr Marr zum Verbrechen und ein Teil des deutschen Volks verschlingt monatlich eine Auflage seiner Broschüre. Doch das genügt ihm nicht. „Kauft meine Broschüre nicht! Jagt sie fort!“ „Ist das anständig und recht? Sie wohnen 2000 Jahre auf unserem Boden haben alles mit uns, noch mehr durch uns gelitten; die edelsten Elemente unserer Kultur haben wir durch sie erhalten.“ Das und noch viel Andres fällt niemand ein. Wir sind ja allesamt Gläubige und „es sind ja nur Ketzer, die da brennen.“

Der Leser entschuldige. Das gehörte nicht hier her, aber . . . . Eigentlich wollte ich am Schlusse dieses Abschnitts ein Wort an meine Glaubensgenossen, an die Redaktionen der jüdischen Blätter, etwa auch an den verehrlichen Gemeindebund richten. Ich bin zwar überzeugt, dass der Judenhass noch lange nicht auf die Neige geht. Wenn 1/3 der Juden Bauern, 1/3 Handwerker und Taglöhner 1/6 Kaufleute und ein 1/6 Gelehrte aller Art wären, so würde es immer noch „Marre“ genug geben, die gegen sie schrieben und ein deutsches Publikum das sie lesen würde. Judenhass ist die beste Ware auf dem Büchermarkt. Dann würden sie dem germanischen Bauern die besten Grundstücke von der Nase wegkaufen, dem germanischen Schneider und Pakenträger das Brot vom Munde hinwegnehmen.

Und doch glaube ich, man dürfte auf die Idee des Ackerbaues und der Handwerke zurückkommen. Nicht Herrn Marrs wegen, um unseretwegen. „Der Neid hat große Augen.“ Den Judenfeinden sind alle Juden Rothschilde und Bleichröder. Wir aber wissen, dass die Verarmung unter den Juden namentlich auf dem Lande riesig vorwärts schreitet.

Ich mache nicht gerne positive Vorschläge, und was ich hier sage, ist sicherlich eine Anmaßung. Vielleicht ist es eine in meinem Gehirn aufgestiegene Blase, die vor besserer Einsicht platzt. Ich denke, wenn sich ein Verein bildete, der suchte, die noch auf dem Lande wohnenden Juden dort festzuhalten, die Jugend zum Handwerk (dessen Betrieb später in der Stadt jetzt freisteht), noch kräftige Männer zum Erwerb von Äckern ermunterte und unterstützte; ich denke, die Frage ist der Diskussion so würdig als Vieles, was die jüdischen Blätter aller Parteien zuweilen abhandeln. Man verzeihe mir das.

Wir, ich meine den größten Teil der deutschen Juden, wir arme Schlucker, tragen das Odium für unsere reichen Glaubensgenossen, denn nur das Geld einiger reichen Juden ist der Brennstoff zu der neu angefachten Flamme des Judenhasses. Wie wärs, wenn diese Glücklicheren ein Herz gewännen und ein derartiges Unternehmen unterstützten – allmählich, langsam – es kostet viel Geld und lange Zeit – Wie wärs ? Gut wär's sicher, antworte ich, indem ich auf den Schlusssatz eines Verses im Buche Esther verweise: Wer weiß etc.

Damit möchte ich das Kapitel von der Arbeitsscheu schließen, um zu dem Kern der Marr'schen Behauptungen überzugehen: Die Verjudung.