Völkerhass der Juden; Judenhass der Völker; Quelle des Letzteren

Es ist nicht meine Schuld, wenn ich lange nicht an die Hauptsache komme. Es ist leichter, wie Herr Marr tut, mit einigen Federstrichen, die schwersten Beschuldigungen hinzuwerfen, als sie wissenschaftlich zu widerlegen.

Herr Marr sagt: „Es muss hier gleich auf die Tatsache hingewiesen werden, dass die Juden von Anfang an, wo sie in der Geschichte auftreten, bei allen Völkern ohne Ausnahme verhasst waren. Nicht ihrer Religion wegen. Die generelle Feindschaft gegen die Juden hatte andere Gründe. Erstens in der Scheu der Juden vor wirklicher Arbeit. Zweitens in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Feindschaft gegen alle Nichtjuden.“


Ich lasse die „Arbeitsscheu“ vorerst bei Seite; sie wird besser im Zusammenhang mit der praktischen, die Gegenwart betreffenden Seite unserer Frage besprochen, und gehe zunächst auf den Völkerhass ein, welcher nach Herrn Marr den Juden eigen sein soll. Zunächst möchte ich einer hierher gehörigen Behauptung Marrs entgegentreten, nämlich der, dass die Juden alle Nichtjuden für „Unreine“ halten. Ich erkläre diese Behauptung als Lüge, als eine jener tausend Lügen, welche Judenfeinde boshaft ersonnen und andere nachgeschrieben haben. Ich fordere Herrn Marr auf, Herr Professor Messner wird ihm gerne behilflich sein, mir auch nur eine Stelle in den 24 Büchern der jüdischen Bibel nachzuweisen, welche die Behauptung erhärtet. Die hebräische Sprache hat kein Schimpfwort für andere Nationalitäten, nicht einmal ein dem: „Barbaren“ entsprechendes: höchstens „loës“ „wälsch“ könnte man hierher rechnen.

Wir genießen allerdings manche Speisen von Nichtjuden nicht, das hat aber durchaus nicht seinen Grund in der vermeinten Unreinheit der Nichtjuden. Was ich bei einem Nichtjuden nicht genieße, darf ich auch bei meiner Mutter nicht genießen, wenn sie es nicht rite zubereitet hat, auch wenn es nie von einem Nichjuden berührt worden ist. Und dann, wir dürfen ja Vieles bei Nichtjuden doch ja genießen; hätte das einen Sinn, wenn das Verbotene seinen Grund in vorausgesetzter Unreinheit hätte! Ein wenig denken, Herr Marr!

Nach diesem Exkurs, zu welchem mich die von Herrn Marr in einer Anmerkung hervorgehobene Erzählung veranlasst, folgen wir den Spuren des Hasses der Juden gegen andere Völker in der jüdischen Geschichte und in dem jüdischen Gesetze.

Abraham, „der Fels, aus dem wir gehauen sind“, der Urjude, auf den zu schauen, der Prophet Jesaias Jsrael auffordert, ist ein Ideal der Humanität. Er sucht Fremde auf, um sie zu bewirten, er lebt in Bundesgenossenschaft mit den benachbarten Stämmen, rettet die Habe des Königs von Sodom und nimmt weder Faden noch Schuhriemen zum Lohn, weist die unentgeltliche Annahme eines Grundstücks von dem ihn mit „Gottesfürst“ anredenden Hetiterfürsten entschieden ab (Genes. K. K. 12–24). Wo ist da Menschenhass. Hat die germanische Urzeit einen Abraham aufzuweisen.

Zwei Söhne Jacobs hatten in gerechter Sache, die Schändung ihrer Schwester rächend, die Bewohner Sichems zu hart gezüchtigt, Jakob tadelt das streng, entfernt das erbeutete Gold und Silber, weil es zum Götzendienst verwendet worden war, aus seinem Besitze (Genes. 34, u. 35) und versagt auf dem Totenbette diesen zwei Söhnen nach Dezennien noch den väterlichen Segen. (Genes. 49, 6, 7) Wo ist da Menschenhass?

Moses, der Gesetzgeber Israels, beschützt ihm ganz fremde Hirtinnen gegen die Rohheit ihrer Stammesgenossen, entzieht sich dem Danke ihres Vaters und heiratet, herbeigerufen, eine derselben. Ist das Menschenhass? Das, Herr Marr, sind Ideale der jüdischen Kultur.

Aber, fragt Herr Marr, lässt sich das Gebot rechtfertigen, demzufolge die Israeliten alle Völker vertilgen sollten, denen sie begegnen werden? Nein, Herr Marr, dies Gebot ließe sich keineswegs rechtfertigen und würde von großer Feindseligkeit zeugen, wenn es bestünde: aber es besteht nicht. Dieses Gebot ist Herrn Marr's oder eines anderen Judenfeindes Erfindung. Mag Herr Marr diese seine Behauptung beweisen.

Geboten war Israel nur die Vertreibung und eventuell, wenn diese nicht anders zu bewirken, die Ausrottung einiger mit Namen bestimmter, innerhalb genau begrenzter Gebiete wohnhafter, durch Laster vertierter in das Gebiet der „Semiten“ eingedrungener „Hamitenstämme“ (Kanaaniter). Die Bekämpfung der Nachbarvölker ward ausdrücklich verboten. Außerdem war geboten die Ausrottung des Israel auf den Tod hassenden Stammes Amalek, des Ersten, der Israel – obwohl Bruderstamm – feig und hinterlistig angriff.

Dass kein einziger benachbarter Stamm für die Kanaaniter eintritt, dass man sie ihrem Schicksal überlässt und lsrael an der Besitzergreifung nicht zu hindern sucht, dürfte hinreichend beweisen, dass die Kanaaniter ihren bisherigen Nachbaren ebenso verhasst waren, wie diese gegen Israel keinen Hass hegten. In Sodom ist uns ein sprechendes Bild kanaanitischer Vertiertheit geboten.

Wenn mir aber ein Germane die Eroberung Kanaans vorhält, so dürfte mir denn doch die Frage erlaubt sein: War die Behandlung der Sachsen durch Karl den Großen, der Mailänder durch Barbarossa, Magdeburgs durch Tilly, das haarsträubende Hinschlachten der Ungläubigen in Jerusalem durch die Kreuzfahrer am 15. Juli 1099, die feige Vernichtung der Indianer durch Brantwein, die allerdings abenteuerlich-heldenhafte aber perfide Eroberung von Mexiko und Peru nicht schlimmer als die Eroberung Kanaans. Letzteres taten freilich nicht Germanen, aber Christen.

Später führte Israel nur Verteidigungskriege, für solche und jede weitere Kriegführung besteht eine höchst humane Gesetzgebung. Jeder Stadt musste Frieden angeboten, nur Waffenfähige durften getötet, Frauen und Kinder mussten geschont und Baumpflanzungen durften nicht beschädigt werden.

Die Vorschriften über das Verhalten während des Feldzugs, namentlich die Rücksicht auf Ehre und Reinheit gefangener Frauen (Deutr. 21. 10. ff.) verglichen mit den Orgien in „Wallensteins Lager“ und dem Tilly'schen „der Soldat will auch seine Freude haben“ erscheinen wahrhaft heilig und Ehrfurcht gebietend.

Ein syrischer König war nahe daran, in die Gewalt eines israelitischen zu geraten, (II. Könige 20 ff.); da sprach er: ich habe gehört, dass die Könige von Israel gnädige Könige sind etc. etc. Daraus geht doch deutlich hervor, dass die Israeliten nichts weniger als in dem Rufe des Menschenhasses standen.

Elischa, der Prophet, hatte durch – nun sagen wir – eine List syrische Vorposten, in die israelitische Hauptstadt Samaria gelockt. Da fragte ihn der israelitische König: darf ich sie erschlagen, Vater? der Prophet aber antwortete: Du darfst sie nicht erschlagen. Darfst du denn die erschlagen, die du mit deinem Schwerte gefangen? Gib ihnen zu essen und zu trinken und entlasse sie zu ihrem Herrn. (ibid 6, 21.)

Hier begegnen wir nicht nur keinem Menschenhass, sondern dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass wehrlos gemachte Kriegsgefangene nicht getötet werden dürfen. Möchte doch Herr Marr diesen „semitischen“ Grundsatz seinen „slawischen Welterlösern“ für einen künftigen Türkenkrieg empfehlen.

Wenn ich nun noch hervorgehoben habe, dass das Judentum zuerst den Satz aufstellt: „Ein Recht und Gesetz soll hei euch gelten, für den Einheimischen und den Fremden“ , „Liebet den Fremdling“; „Einen Fremdling sollt ihr nicht kränken noch bedrücken, ihr wisset wie es dem Fremden zu Mute ist, da ihr selbst Fremdlinge gewesen im Lande Ägypten“; wenn ich das noch hervorgehoben habe, dürfte es an Einzelbeweisen genügen – dass das Judentum keinen Menschenhass kennt. Ich werde diese Behauptung Herrn Marr's aber auch durch einen generellen Beweis ad absurdum führen.

Das Judentum lässt die Menschen, als im Ebenbilde Gottes geschaffen, von einem Paare abstammen und beruft sich darauf: „Haben wir nicht alle einen Vater, hat uns nicht ein Gott geschaffen“; der Stammvater Abraham fühlt in sich den Beruf, der Vater der Völker – menge zu werden und dass durch ihn und seine Nachkommen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen; auf dem Höhepunkt des jüdischen Staatslebens, bei der Einweihung seines Tempels betet Salomon: „Auch den Heiden, der aus fernem Lande hierher kommt, erhöre, damit alle Völker der Erde deinen Namen erkennen, dich zu verehren, wie dein Volk Israel“ (I Könige 8, 41–44.); wie ein roter Faden zieht sich durch die Propheten die Idee, dass einst ein Hirt und eine Herde sein, dass dem einzigen Gott jedes Knie sich beugen und ihm jede Zunge schwören werde, dass einst die Menschen in ungestörtem Frieden und ununterbrochener Eintracht neben einander leben werden.

Dass nun dieses Volk, das diese philokosmische Idee geboren, ausgebildet und auf einen großen Teil der Menschheit bereits übertragen hat, gleichzeitig auch der Träger des Menschen- und Völkerhasses sein soll, das kann nur Wahnsinn behaupten.

Ebensowenig als der von Herrn Marr behauptete Hass der Juden gegen andere Völker, lässt sich der Satz: „dass die Juden von Anfang an, wo sie in der Geschichte auftreten, bei allen Völkern ohne Ausnahme verhasst waren“ geschichtlich nachweisen.

Außer dem aus dem Motive – die Israeliten nicht auswandern zu lassen – also aus Ausbeutungssucht entsprungenen, bis zum Kannibalismus gesteigerten Hass der Ägypter gegen sie, findet sich kein Beispiel prinzipiellen Hasses gegen die Juden in der älteren jüdischen Geschichte. Wie bei allen Völkern wechseln Bündnisse und Grenzkriege mit Nachbarvölkern ab und zuletzt erliegen die Juden den nach Ägypten vor
drängenden Assyrern und Chaldäern. Ich mag dem Leser nicht zumuten, mit mir noch einmal auf die Suche nach Einzelheiten zu gehen; mag Herr Marr seine Behauptung beweisen.

Die Juden brauchen sich des Ursprungs des prinzipiellen Judenhasses nicht zu schämen; er ist ein Residuum ihres heldenmütigen Kampfes gegen die Syrer unter den Makkabäern (168–140 v. Chr.)

Antiochus Epiphanes, von Verrätern darauf aufmerksam gemacht, dass er Judäa nie bleibend besitzen, die Juden nie dauernd sich unterwerfen könne, wenn er nicht ihre Religion vernichte, war der erste, der das Judentum als solches bekriegte. Das Resultat ist bekannt.

Hier kam zum ersten Mal in großem Style der religiöse Gegensatz, der zwischen den Juden und den übrigen damaligen Völkern bestand, zum Bewusstsein. Die asiatischen Griechen waren zwar „konfessionslos“; die Götter galten ihnen nichts: dagegen hatten sie zu ihren ureigenen raffinierten Lastern die rohe Sinnlichkeit der Asiaten sich angeeignet, sie waren durch und durch moralisch faul. Darum waren ihnen die ernst religiösen Juden, welche an ihren Schmausereien nicht teilnahmen noch Genossen ihrer tierischen Laster werden wollten, verhasst. Dieser Hass übertrug sich auch auf die Römer.

Ich glaube diese Tatsachen hervorheben zu müssen, denn dieser Urjudenhass steht, obschon die angeführten Motive durchaus nicht mehr vorhanden sind, mit dem heutigen nicht ganz außer kausalem und historischem Zusammenhang. Schreibt man ja fast bis auf die Jetztzeit den alexandrinischen Judenfeind Apion ab.

Ich erwähne sehr ungerne des Christentums: ich will Niemand verletzen und der konfessionelle Friede gehört zu dem höchsten, was ich erstrebe; aber der Leser sieht wohl ein, dass sich das nicht gut vermeiden lässt. Die Germanen des Herrn Marr sind doch nicht die des Tacitus, sie sind doch Christen.

Die zwischen den Juden und der aus ihrer Mitte entstandenen Christengemeinde bestandenen Reibungen, waren kaum so heftig als diejenigen, welche heute noch zwischen den christlichen Kirchen und Sekten bestehen und bekanntlich zu vielen und heftigen Kriegen führten. Ich überlasse es der billigen Beurteilung des Lesers, ob die Renitenz der damaligen Juden gegen die neue aus ihrer Mitte hervorgegangene Lehre weniger berechtigt war, als die des Katholizismus gegen den Protestantismus und Altkatholizismus.

Aber die ursprünglich juden-christliche Gemeinde verschwand bald. Die Idee der direkten Verbreitung des Christentums unter den Heiden – Propaganda – siegte, und ihr musste mit vollem Rechte das jüdische Gesetz geopfert werden; es ist nur für die Juden gegeben; das Judentum fordert von Nichtjuden nicht mehr, als die Anerkennung eines einzigen Gottes und einen tugendhaften Lebenswandel.

Mit dieser Richtung der Heidenbekehrung war das Judentum zufrieden. Das sich ausbreitende Christentum stürzte die Götzenaltäre und trug die jüdische Sittenlehre unter die Heiden. Dass Letzteres nicht unter seinem Namen geschah, ist gleichgültig. Von Seiten des Judentums war kein Grund vorhanden zu einer Zwietracht zwischen Mutter und Tochter, zumal letztere numerisch zu schwach war, um aggressiv zu sein und jede Propaganda prinzipiell meidet.

Mit dem faulen Heidentum der römischen Welt hatte das Christentum kein besonders schweres Spiel. Je mehr diesem aber ersteres unterlag, desto mehr wünschte es auch das Judentum herüberzuziehen; in diesem Übertritt hätte es seine Verherrlichung erblickt. Allein dieser Übertritt war nicht möglich und wird es nie sein. Diese vollberechtigte Renitenz*) betrachtete man mildestens als Blindheit und Verstocktheit und glaubte sich dadurch zur Anfeindung der renitenten Juden berechtigt. Hier liegt der Ursprung des Juden – hass es unter den Christen.

*) Wenn ich von „berechtigter Renitenz“ spreche, so meine ich „vernunftrechtlich.“ Das Recht des Stärkeren wird eine Religion ebensowenig geltend machen dürfen, als es ihr gestattet sein kann, sich a priori als absolute Wahrheit hinstellend, Richterin in der eigenen Sache zu sein. Das Schwert ziemt nur der Gewalt, nicht aber der Weisheit, noch weniger dem, was sich für Wahrheit hält. Bezeichnungen wie: Hunde, Tiger, Skorpione, Wölfe, wilde Esel – für die Juden – sind ganz selbstverständliche Ausdrücke in der Literatur jener Zeit, der Zeit nämlich, da das aus dem Judentum hervorgegangene Christentum kaum noch drei Jahrhunderte zählte.

Durch die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion erhielt diese Feindseligkeit offiziellen Charakter und führte zunächst zu einer groben Rechtsverletzung, der Aufhebung des den Juden zugestandenen Bürgerrechts. Durch die Verlegung des Sabbats auf den Sonntag schuf das Konzil von Niccäa mit ausgesprochener Absicht eine weite Kluft zwischen Mutter- und Tochterreligion und führt so nach meiner Auffassung den schwersten Schlag aus, der je in der Diaspora gegen das Judentum geführt worden ist. Es ist bezeichnend, dass die Opposition gegen diesen Akt bis auf den heutigen Tag Anlass zur Sektiererei innerhalb der Kirche bietet.

Im ost-römischen Reiche, das durch die Völkerwanderung weniger erschüttert wurde, entwickelte sich der Judenhass durch die zeitliche und räumliche Kontinuität rascher, wurde intensiver, führte (c. 415.) zur Ausschließung von Staatsämtern und zu direkten legislatorischen Angriffen auf die praktische Ausführung der jüdischen Religion.

Im Abendlande ging es etwas besser. Hier herrschte ein gutes Einvernehmen zwischen den Juden und den bekehrten Heiden. Es geht dies aus Konzils- und Synodalbeschlüssen hervor, deren ich einige charakteristische hervorhebe.

Das Konzil von Illiberis (Elvira bei Granada c. 320) verbot den Christen, ihre Feldfrüchte von Juden segnen zu lassen, das zu Vannes (Frankreich 465) untersagt den Geistlichen an jüdischen Mahlzeiten teilzunehmen; das von Epone dehnte das auch auf Laien aus. Herr Marr sieht aus diesen Beispielen, die verzehnfacht werden könnten, dass im Volke des Abendlandes ursprünglich kein Judenhass vorhanden war, dass er vielmehr künstlich erzeugt ist.

Karl der Große, welcher doch so sehr besorgt war, die Kirche nach Außen zu erweitern und im Innern auszubauen, zeigt sich auch in seinem Verhältnis zu den Juden als den Großen.

Er, der treue Sohn der Kirche, hielt zwar den religiösen Unterschied offen, auf allen anderen Gebieten zeigte er sich als weitsehender Staatsmann. Die Juden durften Äcker besitzen, Gewerbe und Schifffahrt betreiben. Ganz besonders begünstigte Karl der Große ihren Handels betrieb. Er schickte einen kenntnisreichen Juden nach Syrien, um die Produkte des Morgenlands nach dem Frankenreiche zu bringen. Seiner geschichtlich bekannten Gesandtschaft an den mächtigen Kalifen Harun al Raschid war ein Jude beigegeben, der, da seine Genossen unterwegs gestorben waren, allein die Botschaft besorgte, die Briefe und Geschenke des Kalifen überbrachte und von dem Kaiser zu Aachen in feierlicher Audienz bei der Rückkehr empfangen wurde. Horribile dictu!

Wie aber Karl der Große für die Bildung seiner nichtjüdischen Untertanen besorgt war, so war er es auch für die der Juden. Er berief auch für sie Gelehrte aus Italien und dem Morgenlande, um ihre Bildung zu heben. Welche Verjudung!

Je mehr aber in dem mittelalterlichen Kulturkampfe der Staat unterlag und die Macht der Kaiser sank, desto mehr wurden die Juden aus der Gesellschaft hinausmanövriert, in einen Beruf gedrängt, der sie verhasst machen musste, so dass sie zuletzt froh waren, des Kaisers Leibeigene „Kammerknechte“ zu werden, um wenigstens Einen zu haben, der ein greifbares Interesse hatte, sie zu schützen. Dieser Schutz wurde teuer genug bezahlt, aber stets sehr schwach geleistet.

Aber auch das sollte ihnen nicht bleiben. Allmählich wurde das Recht, Juden zu besitzen, vielen Städten, weltlichen und geistlichen Reichsständen verliehen und in der goldenen Bulle den Kurfürsten verfassungsmäßig zugestanden. Diese verliehen es wieder weiter, so dass am Ende des Mittelalters die Juden fast so viele Herren hatten, als es Reichsstände gab, die sie aussaugten und dann, wenn es ihnen gefiel, fortjagten.

Wer nicht allen Sinn für Gerechtigkeit verloren hat, muss zugestehen, dass denn doch ein „scharfes Salz“ in diesem Stamme liegen muss, das ihn vor Fäulnis wahrte.

Im ersten Teile dieses Kapitels beabsichtigte ich nachzuweisen, dass das Judentum von jedem Völkerhass frei war, seinem Wesen nach frei sein musste; im zweiten Teil wollte ich die in seiner zweiten Broschüre so energisch betonte Frage Marr's: worin 'denn der Judenhass seinen Grund habe, beantworten. Ich glaube jenen Nachweis geliefert und diese Frage beantwortet zu haben. Meine Antwort lautet kurz:

Der Judenhass ist ursprünglich Religionshass und hat seinen unberechtigten Grund in der Treue der Juden zu ihrer Religion. Später, als es diesem Hass gelungen war, die Juden aus allen Stellungen zu verdrängen, sie ausschließlich auf den Nothandel (Schacher) und Geldgeschäfte zurückzudrängen, da gesellte sich zu dem Hasse als zweites Motiv noch der Neid und die Beutesucht gegen die als rechtlos Betrachteten. Erst in der neueren Zeit (seit 1815) schämt man sich solcher Motive und greift zu einem affektierten Rassenhasse. So z. B. der konfessionslose Herr Marr.