Spuren der Verjudung in Kirche, Schule und Staat

„Das Judentum hat 1.800 Jahre lange mit der abendländischen Welt gekämpft. Es hat diese Welt besiegt, sich untertan gemacht. Wir sind die Besiegten, und es ist ganz in der Ordnung, dass der Sieger „Vae victis“ ruft. Unser germanisches Element hat sich der Fremdherrschaft gegenüber als leistungsunfähig, als kulturgeschichtlich machtlos erwiesen. Dies ist eine Tatsache, eine raue, unerbittliche Tatsache. Staat, Kirche, Katholizismus, Protestantismus Credo und Dogma müssen sich dem jüdischen Areopag beugen.“

Diese und ähnliche Floskeln, in dutzendfacher Wendung wiederholt, füllen die mir vorliegenden zwei Marr'schen Schriften, von welchen die erste, wie bereits erwähnt, mit einem hochtragischen „Finis Germaniae“ schließt. Wer es weiß, dass auf achtzig Germanen in Deutschland ein einziger Jude kommt; wer es weiß, dass mindestens drei Viertel dieser Juden auf dem Lande zerstreut, ohne irgend welchen Einfluss meist von einem kümmerlichen Handel leben; wer es weiß, dass selbst in vielen Städten auch der anständigste Jude nicht über die Straße gehen kann, ohne von Schulknaben verhöhnt und verspottet zu werden; wer es weiß, dass selbst gebildete Kreise unbestreitbar gebildeten Juden – Ärzten, Advokaten ihre Unterhaltungstempel verschließen; wer das Alles und noch viel Ähnliches weiß: Dem muss in der Tat der Kontrast zwischen Herrn Marrs Theorie und der greifbaren Praxis des Lebens zum Lachen veranlassen.


Doch will ich meine Leser nicht mit einem „risum teneatis“ abspeisen. Ich gehe auf die Sache ein.

Das Germanentum, die Gesamtheit der Germanen erscheint äußerlich zunächst in zwei Formen: in der der Kirche und der des Staates.

Die Kirche musste ich im historischen Theile dieser Abhandlung berühren; ich habe es mit Achtung getan; hier hätte ich sie gerne aus dem Spiele gelassen. Aber Herr Marr zwingt mich zum Gegenteil er spricht ja von Kirche, Katholizismus, Protestantismus, Credo und Dogma, der „konfessionslose“ Herr Marr. Nun glaube ich aber, dass die Kirche noch immer den mächtigsten Einfluss auf die Gemüter der Germanen ausübt. Dass sie hierbei von Juden beeinflusst werde, dass sie ihren Einfluss in besonders judenfreundlicher Weise ausübe – das müsste erst bewiesen werden!

Aber, Herr Marr, Sie sollen nicht sagen, ich sei ein Sophist – ich weiß es wohl, Sie haben das nicht so gemeint – ich verstehe Sie. Sie meinen, ein großer Teil der Germanen stehen ausgesprochen oder unausgesprochen außerhalb der Kirche, sind „konfessionslos“ und das belieben Sie Verjudung zu nennen.

Eigentlich bräuchte ich hierauf keine Antwort zu geben. Herr Marr macht am Schlusse seiner zweiten Broschüre die Kirche hierfür verantwortlich, aber auch das Judentum, das für alles Unglück verantwortlich, demnächst auch für Coloradokäfer, Rebläuse und Trichinen. Ich aber werde beweisen, dass die Juden an diesem Zustand nicht nur nicht Schuld sind, sondern auch, dass Juden ihm sogar entgegen gewirkt haben.

Seit mehr denn 150 Jahren kämpfen Germanen gegen das Lehrgebäude der Kirche. Es kann nicht meine Aufgabe sein, die Ursache und die Geschichte dieser Kämpfe darzustellen. Wollte ich nur die Haupthelden in diesem Kampfe nennen, so würde es sich bald zeigen, dass fast alle, Lessing ausgenommen, entschiedene Judenfeinde waren. Ich konstatiere bloß die Tatsache, dass der Materialismus (Darwin, Häckel,) das Ergebnis dieses Kampfes ist.

Nach diesem Systeme gibt es keinen Gott, keine unsterbliche Seele, keinen Weltenrichter und kein Weltgericht. Schöpfung und Regierung der Welt sind nichts anderes, als glücklich zusammengetroffene zufällige Einwirkungen auf die Materie.

Das ist ungefähr die Dogmatik dieser Lehre, welche mit einem Eifer verbreitet wurde, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Populäre Zeitschriften trugen sie in die höheren und mittleren Stände, illustrierte Jugendschriften vergifteten damit die Herzen der Kinder, schmutzige, zu Schundpreisen verkaufte Romane verpflanzten sie in die Waschküche und den Pferdestall.

Und die Moral dieser Lehre ? Was kann sie anders sein, als Selbst-Genuss- und Habsucht, rohe und raffinierte Sinnenlust und in deren Folge eine schaudererregende Zunahme der Selbstmorde, der Meineide und der Verbrechen aller Art! Ein neues epikuräisches Heidentum ist entstanden, ein giftaushauchender Sumpf inmitten der Menschheit. Und diesen Zustand beliebt man keck Verjudung zu nennen.

Aber wir danken recht schön. Zum Glück können wir beweisen dass wir an der Ehre, Gott entthront zu haben, keinen Antheil haben. Der erste Anfang dieser Unheilslehre weist uns auf eine Zeit zurück, als die Juden mit Germanen noch wenig in Berührung kamen und wenn dies geschah, nicht ohne von ihnen verhöhnt zu werden.

Es wird heute wohl auch vom Materialismus angefressene Juden geben, aber zu seinem Eindringen in die jüdische Masse war keine Veranlassung. Der Glaube des Juden steht unter keiner kirchlichen Kontrolle; der Jude hat sein ganzes Leben hindurch außer Gott Niemandem ein Glaubensbekenntnis abzulegen, und ebendarum viel weniger Versuchung zu einer kirchlichen Opposition. Deshalb hat auch Reymond, der aus seiner Abneigung gegen das gläubige Judentum kein Hehl macht, in der Hauptsache und in seiner Weise ausgedrückt das Richtige getroffen, wenn er gegen Herrn Marr behauptet; „Die Juden, von den „konfessionslosen“ abgesehen, sind bis auf den heutigen Tag, dem Glauben ihrer Väter treu geblieben, selbst die sogenannten Reformjuden haben nur an den gesetzlichen Formen nicht aber an dem Grundgedanken des Judentums zu rütteln gewagt.“

Noch mehr. Der erste Jude, der in der neueren deutschen Literatur auftritt, Mendelssohn, wirkte dieser verderblichen Richtung entgegen. Zu seiner Zeit – ich schreibe diese Zeilen am Abend nach seinen 150. Geburtstage – zu seiner Zeit beherrschte der von Franzosen importierte Atheismus bereits die höheren Gesellschaftskreise. Die gebildeten Germanen hatten Gott entthront. Da schrieb Mendelssohn seinen Phaedon. Schrieb er ihn für Juden, von denen damals nur Wenige deutsch lesen konnten? Nein; für Germanen schrieb er ihn. Er wollte ihnen den Glauben an Gott und an Unsterblichkeit retten. Die Germanen empfingen dieses Buch wie eine neue „Heilsbotschaft“ und richteten ihren gesunkenen religiösen Mut daran auf. Die bedeutendsten Männer aus der Gelehrtenwelt, sowie aus Adelskreisen dankten Mendelssohn für seine Tat. Zwei Benediktinermönche wendeten sich mit ihren Zweifeln an den Juden Mendelssohn, um sich von ihm Unterweisung zu erbitten. (Grätz, 11. Bd. 20 ff) Das Buch war bald in alle europäischen Sprachen übersetzt. Seine letzte Kraft verwendete Mendelssohn an die Bekämpfung des Spinozismus, dessen man seinen verstorbenen Freund Lessing beschuldigt hatte. Das brach ihm das Herz, er starb darüber.

Nein Herr Marr, der Geist oder besser der Materialismus, der heute in Deutschland herrscht, ist „der Herren eigener Geist.“ Ihn mit dem so klassisch deutschen Wort „Verjudung“ zu bezeichnen, ist einfach eine Lüge. Die Ehre, die Konfessionslosigkeit erfunden zu haben, müssen wir bescheiden den Germanen zuerkennen. Ich legte Wert darauf, das zu konstatieren, da ich in dem geschilderten Zustande den Ursprung aller heutigen Kalamitäten erblicke.

Hier möcht ich noch Folgendes anfügen. Herr Marr scheint, wie manche andere, unter dem vieldeutigen Wort „Verjudung“ auch die heutzutage ziemlich allgemeine Sitten - Verderbnis, den Luxus, die Genusssucht begreifen zu wollen. Die Deutschen der „besseren“ Stände verachteten schon die Sitteneinfalt ihrer Landsleute und studierten „Pariser Sittlichkeit“, als noch lange kein Jude Zutritt in der germanischen Gesellschaft hatte; den Luxus, die Mode hatten die Germanen längst von den Franzosen importiert, als in den Statuten der jüdischen Gemeinden noch eine „Kleiderordnung“ für die verschiedenen Steuerklassen vorgeschrieben war; und wenn die Witze des Kladderadatsch die Ohren des Herrn Marr verletzen, so dürfte ich ihn doch daran erinnern, dass der frivole französische Witz die Germanen ergötzte, noch lange bevor „Judenwitze“ gedruckt wurden. Oder haben die Germanen von Juden gelernt, Sonn- und Festtage – überhaupt fast jede Mußestunde – in Schenken und Kneipen zu verleben, sich zu berauschen, zu prügeln, Messer in den Leib zu rennen? Sind Goethe zu seiner Ostersonntagsszene Juden gesessen? Ist der blaue Montag eine jüdische Tradition? Das Proletariat hat sich verzehnfacht, sagt Herr Marr; kein Wunder für den, der gewisse „Volkssitten“ kennt. Pessimistisch resignierter strenger Sittenrichter für Juden! Suchen Sie doch einige Splitter auch bei Ihren eigenen Stammesgenossen! Die Sitten der Juden waren rein und patriarchalisch einfach, bevor Viele von der Torheit befallen wurden, „der germanischen Gesellschaft würdig zu erscheinen.“ Eure Sitten sind nicht verjudet, nein, unsere aber leider, leider vielfach „vergermanisiert.“

So viel von der Verjudung bezüglich der Kirchen und der öffentlichen Moral, kommen wir nun zu der auf der Grenzscheide zwischen Kirche und Staat liegenden Schule.

Ist die Schule verjudet? Meines Wissens hat noch kein Jude Pädagogik geschrieben, und die Namen, welche mit mehr oder weniger Recht beschuldigt werden, den antikirchlichen Geist in die Schule getragen zu haben, sind keine jüdischen.

Da wo die konfessionslose Schule zwangsweise eingeführt worden, beklagen sich die übernommenen jüdischen Lehrer häufig über dienstliche Zurücksetzung und sind Feindseligkeiten gegen sie selbst in liberalen Schulgemeinden konstatiert. Neue jüdische Lehrer gelangen schwer zur Anstellung. Wo jüdische Gemeinden für freiwillige Einführung dieser Schulen gestimmt haben, kamen die Juden in Nachteil. Die Existenz der konfessionslosen Schule hat für Juden gar kein Interesse, da diese Schulen das, was beiden christlichen Konfessionen gemeinschaftlich ist, denn doch lehren. Die Rücksicht, welche die Schule auf die jüdischen Schüler nimmt, ist höchstens negativ; man zwingt sie nicht zum Schreiben am Sabbath; dabei gibt's nicht selten Quälereien. So weit geht nirgends die Rücksicht, dass man, wo es auch möglich wäre den Stundenplan im Interesse der Juden einrichtet. Das ist von Juden auch nirgends als Recht, sondern immer nur als Begünstigung, wenn ohne Nachteil für die Anderen, gefordert worden. An Mittelschulen gelangen nur wenig Juden zur Anstellung; – es ist bekannt, wie lange welche warten mussten, – wo es geschieht, haben die Juden es dem Lehrermangel oder ihrer persönlichen Tüchtigkeit zu verdanken. Kurz, die Schule ist trotz des in ihr herrschen den Liberalismus außer allem Einfluss der Juden.

Zum Staate übergehend, beginne ich mit dessen starkem Knochenbau, dem Heere. Ist das Heer verjudet? „Donner und Doria“, wie da die Säbelrasseln. „Verjudet“, wer sagt's? ruft's bis zum jüngsten Fähndrich. Beruhigen Sie sich gütigst, meine Herren; ein paar Reserve-Lieutenants und Ärzte, das ist Alles. Es ist boshafter Sarkasmus, wenn Herr Marr fragt: „Wie viele gingen zum Militär, wie viele gingen zur Marine?“ gar keine, allerdings; wer hätte sie gehen lassen? Das Heer ist sicherlich nicht verjudet, *) ist pure germanisch und das will in der Tat was hei0en in einem Staate, von dem Herr Marr behauptet, dass er unrettbar u e die Juden verloren sei. Wer lacht?

*) Der „Messager von Tahiti“, offizielles Organ der französischen Kolonie berichtet am 23. April 1879: Am 21. d. M. starb im Militärhospitale zu Papinton Herr Mosse, zweiter Kommandant des „Orohena“, Israelite, und wurde am 22. mit allen üblichen militärischen Ehren begraben. Alle Zivil- und Militärbehörden der Kolonie waren zugegen. Der Schiffsleutnant Herr Augarde hielt eine rührende Grabrede. Obschon ein Geistlicher von der Konfession des Verstorbenen nicht anwesend war, wurden doch alle Gebräuche derselben beobachtet. Das Blatt schließt: „Dieser junge Marineoffizier ist eines ruhmreichen Todes gestorben, indem er die französische Fahne bei den Antipoden hochhielt, und seine trostlose Familie im südlichen Frankreich wird die Befriedigung haben, zu vernehmen, dass die militärische Familie des Verblichenen nicht vergessen hat, dass er Israelite gewesen ist.“ Sie sehen, Herr Marr, dass Juden denn doch zur Marine gehen, wenn man sie gehen lässt.

Sehen wir nach der Justiz. Ist sie verjudet? Lassen wir den „jüdischen Referendar“ antworten. Dieses Pamphlet gegen bereits im Justizdienst verwendete Juden wurde, als sieben Auflagen vergriffen waren, endlich konfisziert und der Verleger um Hundert Mark gestraft. Der Redakteur oder Berichterstatter eines Blattes, welchem die Anklage des Staatsanwaltes etwas zu lax erschienen war, zahle Zweihundert Mark. Derselbe fand es geraten, zu seiner Verteidigung vorzubringen, er stamme von urangelsächsischen Protestanten ab. Ich will damit nicht mehr sagen, als das: die Justiz ist nicht verjudet.

Herr Marr behauptet, die Juden stimmen Jubelhymnen an, so oft ein Jude Kreisrichter werde. Es wäre von Interesse gewesen, seinen Lesern zu sagen, wie oft sie schon Gelegenheit hatten, diesen Jubel anzustimmen. Ich denke, nicht allzu oft. Und sollten sie sich nicht freuen, wem man ihnen Menschenrechte einräumt. Die anderen Rechte, die sie genießen, sind am Ende, wie Börne sagt, doch nicht mehr als Tierrechte; denn das Recht, Nahrung zu suchen, die selbe zu verzehren, sich fortzupflanzen, hat auch das Tier des Waldes.

In der Verwaltung sind wohl fast keine Juden angestellt und im Finanzwesen ebensowenig außer dem badischen Finanzminister. Diesen Posten bekleideten in Spanien sehr häufig Juden, sogar im Augenblick der Vertreibung. Sicher wird man aber behaupten können, dass die wenigen Juden in Staatsdiensten ihre Stellen nicht erhalten haben, weil sie Juden, sondern obschon sie Juden sind. Ich will damit sagen, dass sie ihre Stellen ihrer persönlichen Befähigung verdanken.

So haben wir denn die Kirche, die Schule und alle Branchen des staatlichen Lebens durchmustert, nirgends fanden wir einen merklichen Einfluss der Juden, nirgends einen ihnen spezifisch eigenen Geist, nirgends eine Bevorzugung, viel eher eine Zurücksetzung derselben. Wie lächerlich, wie unaussprechlich lächerlich ist nun die Behauptung, eine solche Gesellschaft sei verjudet, ein solcher Staat liege als wehrlos besiegter gefesselt zu den Füssen des Judentums. Ich überlasse es dem Leser, das nicht absurd zu finden. Noch wäre in diesem Abschnitte der Einfluss der Juden in den gesetzgebenden Körperschaften zu betrachten. Da diese Betrachtung aber mit dem ziemlich enge zusammenhängt, was den Einfluss in der Presse betrifft, so mögen denn diese beiden Gegenstände den Inhalt eines besonderen Abschnitts bilden.