Zueignung an meine Söhne.

Welche heiligere Verpflichtung könnte ein Familienvater haben, als für das Wohl seiner Kinder zu sorgen! Das Wohl aller künftigen Geschlechter beruht aber auf den moralischen, wissenschaftlichen und irdischen Gütern, welche die Väter auf sie vererbten! Auch Euch, meine geliebten Söhne, wünschte ich ein solches Vermächtniß zu hinterlassen; und habt Ihr auch keine irdischen Glücksgüter von mir zu erwarten, so wollte ich Euch doch wenigstens mit den Grundsätzen vertraut machen, wonach sich die Vertheilung dieser Glücksgüter in der menschlichen Gesellschaft regelt: damit Ihr, davon Gebrauch machend, entweder sie zu erwerben dereinst im Stande seyd; oder wenn Euch dieß nicht gelingen sollte, in der beschränktern Stellung, welche Euch das Schicksal dann angewiesen hat, Euch bescheiden lernen und in einer nützlichen Thätigkeit dennoch einen ehrenvollen Platz in der menschlichen Gesellschaft einnehmen möget! So entstanden diese Bogen, die vereinte Frucht des Studiums fremder Schriften, so wie eigener Beobachtung und Erfahrung während eines Vierteljahrhunderts; und wenn ich gleich sehr wohl weiß und diesen Gesichtspunkt immer festhielt, daß das Streben nach Glücksgütern nicht das letzte und wichtigste Ziel der menschlichen Thätigkeit ist: so wird es dagegen doch erlaubt seyn, es als das erste und darum vielleicht nothwendigste anzusehen, indem wenigstens die intellectuelle und sittliche Vervollkommnung, wie die Erfahrung lehrt und das vorliegende Buch auf jeder Seite bestätigt, ohne einen gewissen materiellen Wohlstand, seltene Fälle vielleicht ausgenommen, nicht wohl gedacht werden kann. Wie sollte auch der Mensch zu höherer intellektueller und sittlicher Vollkommenheit sich erheben können, ohne daß sein irdisches Dasein gleichen Schritt mit dieser Verbesserung hielte, wenn er nun einmal, und so lange er als Mensch an den irdischen Körper und an die Erde gefesselt ist? Was daher auch strenge Moralisten sagen mögen: das Streben nach irdischen Gütern ist eine notwendige Zwischenstufen durch welche allein der Mensch sich zu einem höhern Standpunkte erheben kann, um endlich zu den Sternen einzugehen!

Bei diesem wichtigen Einfluß, den die Lehre von den irdischen Gütern und den Gütern des Lebens überhaupt – sonst auch die Lehre von der Volkswirthschaft genannt – auf das Wohl der Menschheit ausübt, so daß fast alle Erscheinungen des geselligen Lebens sich aus ihr erklären lassen, und ohne sie unerklärlich sind, hat man sie auch wohl die Wissenschaft der Gesellschaft genannt und füglich so nennen können: und doch gibt es so Wenige, welche sich auch nur die Elemente derselben zu eigen machen, obgleich ihre allgemeine Verbreitung äußerst wünschenswert wäre; schon darum, weil sie uns zeigt, wie in dem höchst merkwürdigen Organismus der menschlichen Gesellschaft jedes Glied, jeder Einzelne, trotz dem, daß er nur sein eigenes Interesse verfolgt, dennoch nicht bloß neben jedem Andern, ohne dessen Nachtheil, seine Stellung zu behaupten vermag, sondern zu dessen Wohl und dadurch zum Wohle der Gesammtheit wesentlich mitwirkt. Nur erst, wenn diese Lehre die ganze Menschheit durchdrungen haben wird, ist es möglich, daß der zerstörende Kampf unter den Nationen, unter den verschiedenen Klassen der Gesellschaft und unter den Individuen, welcher in blutigen Streifen die ganze Weltgeschichte durchzieht, sich in einen Wettstreit wohlthätiger Kräfte auflöse, welche, unter der Palme des politischen und bürgerlichen Friedens, einträchtig nach einem Allen erreichbaren Ziele streben!


Noch seyd Ihr zu jung, meine Söhne, als daß sich voraussehen ließe, auf welche Lebensbahn Euch das Schicksal und eigener Beruf führen werde; aber welches auch diese Laufbahn sey, und welche Stellung Ihr dereinst in der menschlichen Gesellschaft einzunehmen bestimmt syn möget: das vorliegende Buch wird Euch überall als leitender Faden dienen und Euch zugleich mehr oder weniger für jedes besondere Lebensverhältniß eine Menge Aufschlüsse und nützlicher Fingerzeige geben; sey es, daß Ihr Euch der gewerblichen Thätigkeit als Landwirth, Fabrikant, Kaufmann, Künstler; sey es, daß Ihr Euch dem Gelehrten- und Beamtenstande als Staatsdiener, Lehrer, Arzt, Soldat, Sachwalter etc. widmet. Aber es genügt nicht, daß Ihr dieß Buch bloß einmal flüchtig durchleset, sondern Ihr müsset es im Ganzen und in seinen einzelnen Theilen wiederholt durcharbeiten, es täglich auf die Erscheinungen des geselligen und politischen Lebens anwenden und niemals glauben, die tausend und abermal tausend Triebsfedern der menschlichen Thätigkeit vollkommen und erschöpfend erkannt zu haben!
Auf diesem Wege wird auch das fortgesetzte Studium dieses Buchs und der volkswirtschaftlichen Schriften überhaupt (deren es viele und vortreffliche gibt, und denen sich die vorliegende hauptsächlich nur zugesellte, um dieser Wissenschaft in gemeinfaßlicher Form einen größern Eingang unter den Gebildeten jedes Standes zu verschaffen) immer lehrreicher werden und immer anziehender erscheinen und Euch Eure Laufbahn am Ende derselben mit der frohen Zuversicht überschauen lassen, sie nicht ungenützt gewandelt vielmehr die Zwecke Eures Lebens, sowohl die untergeordneten, als die höhern, sicher und mit klarem Blicke verfolgt zu haben.

Und so mögen diese Bogen ein Vermächtniß für Euer ganzes künftiges Leben seyn, begleitet von den herzlichsten und inbrünstigsten Segenswünschen

Eures treuen Vaters.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden