Tragödie in Trojanowo

Gleichzeitig mit dem Schitomirer Blutbad bemächtigte sich die Pogromepidemie auch der umliegenden Ortschaften, wie Ssokolowski, Berjosowka u. a. Goryschnewoer Bauern rechtfertigten sich vor einem jüdischen Müller, dessen Mühle sie demoliert hatten, also: „Wir sind nicht schuld, uns hat unser Ssotski und unser Starosta es zu tun befohlen. Sie ritten im Dorfe Timher und sagten: „Fahrt schnell nach Schitomir, die Juden zu prügeln; sie überfallen die Christen." Wir gehorchten und brachen auf, und mit uns kamen unsere Oberen — der Ssotski und der Starosta." Im Flecken Goroschki war die Erregung der Bauern infolge der wilden Gerüchte so groß, dass sie ihre jüdischen Mitbewohner samt und sonders umgebracht hätten, wenn nicht eine gut bewaffnete Abteilung deutscher Kolonisten für die Juden eingetreten wäre.

So war die ganze Umgegend von Schitomir aufs äußerste aufgewühlt. Bis zur Raserei jedoch stieg der emporgeschnellte Hass in Trojanowo, das gleichzeitig mit Schitomir eine furchtbare Tragödie erlebte. Als nämlich die Kunde vom Schitomirer Exzessausbruch sich verbreitet hatte, eilten aus den benachbarten Orten, selbst aus dem ca. vier Stunden entfernten Berditschew Gruppen von Jünglingen hilfsbereit zu ihren bedrohten Brüdern. Eine solche Abteilung von 14 Mann hatte sich auch aus Tschudnowo aufgemacht und musste den Ort Trojanowo passieren, wo die bäuerliche Bevölkerung in einer wahnwitzigen Mord- und Rachestimmung sich befand. Vergebens war das Häuflein schon unterwegs vor dem Betreten Trojanows gewarnt worden. Getragen vom hohen Ziel, gingen die Selbstwehrleute und merkten erst in Trojanowo selbst, wo sie anhielten, in welcher Todesgefahr sie schwebten. Schleunigst eilten sie nun weiter, nach Schitomir zu, aber kaum hatten sie einige Schritte gemacht, als die Sturmglocke zu läuten begann und eine Menge mit Beilen, Sensen, Pieken bewaffneter Bauern zusammenströmte. Wütend jagten diese der Selbstwehrschar nach und stürzten sich auf sie, wichen jedoch vor dem kühnen Angriff der Bedrohten zurück. Der erste Anprall war zurückgewiesen. Indessen läutete die Sturmglocke immer weiter und lockte eine tausendköpfige Menge aus den Nachbardörfern herbei. Verloren, wie sie sich sahen, wollten die Juden ihr Leben nicht leichten Kaufes hingeben und machten sich schussbereit. Da redeten ihnen Juden des Ortes zu, dass sie, wenn sie die Waffen fortwürfen, nur verhaftet, aber nicht totgeschlagen werden und auch sonst kein Unheil anrichten würden. Ein verhängnisvoller Rat! Nachdem die Jünglinge sich ihrer Waffen entledigt hatten, war ihr Schicksal besiegelt. Ihr Führer versuchte noch naiverweise, sich durch Worte mit den rasend gewordenen Bauern zu verständigen, wurde jedoch sofort niedergestreckt, und eine erschreckend grausame Orgie begann. So wurden zehn Tschudnower Jünglinge und ein zufällig hinzugekommener Arbeiter aus Berditschew unter entsetzlichen Foltern hingemetzelt. Einem von ihnen war es gelungen, auf dem Boden der Synagoge sich zu verstecken. Die Bauern hatten aber überall herumgesucht und fanden ihn schließlich am nächsten Tage. Der Unglückselige wurde herabgeschleudert und von der untenstehenden Menge bestialisch ermordet. Dabei spielte sich eine Szene höchster Verwilderung ab. Der orthodoxe Ortsgeistliche weidete sich am Vorgang in der Synagoge und war so entzückt, dass er den entmenschten Bauern Beifall klatschte. *) Die Trojanower Tragödie hatte noch ein eigenartiges Nachspiel. Die Juden ringsherum beschuldigten ihre Trojanower Brüder, dass sie die Tschudnower Jünglinge verraten hätten, und boykottierten sie. Die jüdische öffentliche Meinung sprach sich gleichfalls in der allerschärfsten Form gegen die Boykottierten aus. Erst ein von ihnen angerufenes Ehrengericht befreite die „Trojanower" von ihrer verzweifelten Lage. Vor dem einzigartigen Tribunal erwies es sich, dass sie bei weitem keine Helden, aber auch keine Verräter waren.


*) Die Namen der getöteten Jünglinge waren: I. Brodski (22 Jahre alt), A. Bilenkin (18), A. Fleischer, P. Horowitz (18), J. L. Fleischer (17), J. Musik (17), B. Solotar (24) M. Schoiter (20), J. Scherman (24). Fünf von ihnen waren Arbeiter, vier Gebildete. Der Name des lehnten Ermordeten ward nicht eruiert.