Abschnitt 7

Das war also dies Mal ein betrübter Neujahrsabend für den Rath, welcher jetzt König Christiern als erklärten Feind sich gegenüber sah und der Herzog wird die schlimme Nachricht, die man ihm mittheilte, auch mit nicht geringem Verdrusse aufgenommen haben. Er drückte Lübek seine Ueberraschung aus über die unvermuthete Kriegserklärung, welche nur etwa durch ein Mißverstehen des Recesses von Seiten des Raths veranlaßt sein könne, da dieser demselben bisher nachgekommen zu sein glaube und auch weiter nachzukommen Willens sei. Der Rath habe aber von Peter Langejohann so wenig bezügliche Anträge erhalten, wie er selbst eine Anzeige vom Könige, oder Bittgesuche die Sache in die Hand zu nehmen von jenem. Dem entgegen versicherte Herr Peter aber den Herren zu Lübek, daß er allerdings eine unterthänige Bitte um Uebernahme des Schiedsrichteramtes dem Herzoge zu Bantzkow durch einen eigenen Boten habe behändigen lassen, wie er denn auch gleiche Gesuche an die sämmtlichen Städte gerichtet hatte, welche jedoch ihm gegenüber nicht eher sich gewierig erklären wollten, als bis auch von seinem Widerparte ein derartiger Wunsch ihnen zu erkennen gegeben sei; das war aber bis dahin noch nicht geschehen. Solcher Mittheilung nach richtete nunmehr Wismar am 3. Februar 1467 die Bitte an die im Recesse benannten Städte, ihre Sendeboten zu dem vom Herzoge auf den Sonntag Reminiscere, Februar 22, angesetzten Tage zu Mittag nach Grevesmühlen abfertigen zu wollen, doch ist allda aus einer Zusammenkunft nichts geworden, und es liegt der Verdacht nahe, daß man durch den Vorschlag jenes Ortes zum Stelldichein, von welchem man wußte, daß die Städte ihn dafür nicht geeignet hielten, nur Frist hat gewinnen wollen, um inzwischen neue Wege zu suchen, den König umzustimmen und ihn zu bewegen, seine Hand von dem Flüchtlinge abzuziehen. Einen neuen Weg schlug man in der Weise ein, daß der Herzog am 12. Februar von Güstrow aus durch einen reitenden Boten ein Schreiben an den Markgrafen Friedrich von Brandenburg, den Bruder der Herzogin und Oheim von König Christierns Gemahlin, abfertigte, in welchem er diesem seinem Schwager eine ausführliche Darstellung der Sachlage gab und ihn ersuchte den König zu bewegen, daß er den Handel vor ihn als Landesherrn weise, der sich so haben wolle, wie sich von Rechts wegen gebühre, oder daß er doch wenigstens die Hemmung der Wismarschen auf ein Jahr wieder aufhöbe, wo er, der Herzog, denn inzwischen dem Könige mündlich darzuthun gedenke, wie die gegen Wismar angeordnete Maaßregel unverschuldet sei. Das Schreiben stellt aber mehrfach die Dinge schief dar und enthält dazu Unrichtigkeiten, welche sich kaum dadurch erklären lassen, daß derselbe nicht am Sitze der Kanzlei ausgestellt ist, wie z. B. die Behauptung, daß Peter Langejohann weder bei dem Herzoge noch bei den Städten um Uebernahme des Schiedsrichteramtes angehalten habe, oder die Andeutung, als wären die Städte dem Rathe feindlich gesinnt. Er, der Herzog, war Peter Langejohann feindlich gesinnt, das leidet keinen Zweifel; unterzog er sich doch persönlich der Mühe den Entwurf zu jener Depesche durchzubessern und verschwor sich schließlich, er werde nun und nimmermehr in die Restitution des ehemaligen Bürgermeisters willigen oder gar sich darum bekümmern, nicht um den Preis von hunderttausend Gulden. Man versprach sich viel von diesem Briefe, doch ist, mag auch immer der Markgraf der Zumuthung gewillfahrt haben, Herr Peter so wenig vor jenen würdigen Richter verwiesen, wie die Hemmung der Wismarschen aufgehoben, und der Rath mußte sich entschließen, weitere Schritte in der vom Könige verlangten Richtung zu thun, um die Bürgerschaft nicht noch mehr aufzuregen, als es ohnehin zweifellos der Fall gewesen ist. Die Herren vereinbarten daher mit denen von Lübek, daß eine Zusammenkunft zu Schlutup stattfinden solle, womit der Herzog sich einverstanden erklärte und wozu er den 27. April ansetzte. Der Rath theilte den Lübischen dies alsbald mit und bat außer um Beschickung des Tages zugleich um eine Fürbitte beim Könige, den Arrest auf die Wismarschen Güter, unter denen namentlich drei mit Bier nach Flandern bestimmte Schiffe hervorgehoben werden, nunmehr, wo sie doch gewiß sich willig zeigten, in seinen Reichen aufzuheben. Dies Anliegen erfüllte man in Lübek und fertigte mit dem Schreiben einen eigenen Boten auf dem kürzesten Wege, nämlich über Warnemünde und Gester, an den König ab. Jetzt aber sein Verbot schon aufzuheben, schien diesem doch zu früh, was einen für den Gang der Verhandlungen freilich wohl vortheilhaften, dem Rathe aber keineswegs angenehmen Einfluß hatte, welchem so sehr um Beendigung des Kriegszustandes zu thun war, daß er schon zwei Tage nach seinem ersten Schreiben wiederum anmahnte, man möge doch ja den Brief an den König ablassen.

Bei so bewandten Umständen wurde denn auch der festgesetzte Tag in Schlutup pünktlich inne gehalten, auf welchem außer den Parteien Herzog Heinrich und die Sendeboten von Lübek, Hamburg und Rostock erschienen, aber man entschloß sich bald, wenn nicht sofort, lieber die Sache in Lübek selbst vor die Hand zu nehmen. Hier sprachen die erkorenen Schiedsrichter ihre Bereitwilligkeit aus zur Uebernahme der Mühwaltung und die Parteien ihre Unterwerfung unter die Bestimmungen in Betreff der Art und Weise des Verfahrens sowohl, wie unter den Ausspruch, den jene thun würden. Der Wismarsche Rath documentirte, daß er die gewählten Schiedsrichter anerkenne. Peter Langejohann solle binnen vierzehn Tagen seine Klage dem Rathe zu Lübek behändigen, welcher dieselbe in acht Tagen nach Wismar einsenden und die Beantwortung wiederum innerhalb vierzehn Tagen erhalten, auch die Copien beider Schriftstücke den anderen Schiedsrichtern zufertigen solle. Dann sei nach mündlicher Verhandlung, wenn solche nöthig, in vier Wochen der Schiedsspruch zu Schlutup oder in Lübek zu verkündigen, dem sie sich unterwürfen, sie möchten erscheinen oder nicht. Die Schiedsrichter sollten Macht haben, die Fristen zu verlängern, und bei Stimmengleichheit solle als Oberrichter der Rath vom Stralsunde sprechen. Den Bestimmungen solle Folge geleistet werden bei einer Pön von 3000 Gulden Rheinisch, halb dem Kaiser und halb dem gehorsamen Parte. Gleichzeitig erklärte der Rath sich bereit, die Sache mit M. Johann Langejohann, wenn diejenige mit dem Vater beigelegt sei, von denselben Schiedsrichtern mit Zuziehung des Propstes von Lübek zur Entscheidung bringen zu lassen 15). Conform dieser Versicherung wird auch Peter Langejohann eine ausgestellt haben. Der Herzoge welcher mehrere Tage in Lübek blieb und in der herrlichen Stadt mit seinem Schwager, dem Markgrafen, dessen Schwiegersöhne, Herzog Johann von Lauenburg, den Grafen von Ruppin, Mansfeld und anderen Herren, welche am 2. Mai dort eintrafen, sich gewiß trefflich wohl befand und jetzt die angenehme Seite seines Richteramtes, welches er nach dem Erzählten mit nicht geringem Widerwillen übernommen haben muß, genossen hat, verpflichtete sich am 5. desselben Monats im Burgkloster zur Uebernahme des schiedsrichterlichen Amtes, beziehentlich bei Behinderung durch Krankheit zur Abordnung von Bevollmächtigten, und anberahmte Termin zur Handlung auf den 1. Juni, und zwar in Wismar, wie man inzwischen übereingekommen war. Als die Sache so weit gediehen, ersuchten die Wismarschen Sendeboten die Städte, beim Könige gemeinschaftlich die Aufhebung der Feindseligkeiten zu befürworten, welches auch geschah, während Herr Peter, an den ein gleiches Ansinnen gerichtet wurde, solches vorsichtig ablehnte, obwohl er sich bereit erklärte, nach Beendigung des Handels mit Briefen und Botschaften in aller Weise zu dienen, wie man sie von ihm begehren würde. Bis zu diesem Zeitpunkte vertröstete denn auch der König die Städte mit der Zurücknahme der gegen die Wismarschen angeordneten Maaßregeln.


Am 21. Mai schickte Lübek Herrn Langejohanns Klage nach Wismar und forderte zugleich auf, die nöthigen Geleitsbriefe vom Herzoge zu besorgen. Von diesem aber drohten Zögerungen zu erwachsen, wenn auch nicht beabsichtigte; er ersuchte die Lübischen Herren den Kläger zu bestimmen, daß er in eine Aussetzung des Termins zur Handlung bis zum 14. oder 15. Juni willige, da um die verabredete Zeit eine Tagefahrt wegen seiner Fehde mit Herzog Ulrich von Stargard gleichfalls stattfinden solle; sei das aber nicht zu erreichen, so werde er rechtzeitig zur Stelle sein. Es war natürlich leicht darzuthun, welche Nachtheile Wismar von einem solchen Hinausschieben habe und wie viel größer sich diese noch in der Folge gestalten könnten. Als aber der Wismarsche Rath selbst, der inzwischen von Lübek wieder an die Geleitsbriefe erinnert wurde, kurz vor dem angesetzten Tage bat, wegen Behinderung des Herzogs den Tag auf den 22. Juni hinauszusetzen, erklärten auch die Lübischen, nachdem Herr Peter seine Zustimmung ausgesprochen, sich mit der Prorogation einverstanden, versäumten aber wiederum nicht bei dieser Gelegenheit wegen der noch nicht erhaltenen Geleitsbriefe Anmahnung zu thun, welche man auch dem Atteste über den Empfang der am 4. Juni in Lübek eingetroffenen Wismarschen Verantwortung sorglich beifügte.




15) Am 8. Mai sendete Lübek die vom Rathe unter dem 30. April zu Lübek versiegelte Urkunde zurück, da sich in derselben zwei Löcher gefunden und einige Worte ausgelassen seien, und forderte zur Ausstellung eines neuen Exemplares auf, welches auf gutes, festes Pergament zu schreiben und mit dem Datum des 10. oder 11. Mai zu versehen sei. Die Gründe dafür sollten mündlich mitgetheilt werden.