Abschnitt 8

Sonntags, den 21. Juni, trafen nun die Schiedsrichter von allen Seiten in Wismar ein. Der Landesherr kam mit seinem Sohne Herzog Magnus und seinen Secretären Hermen Widenbrügge, Hinrich Benzin und Thomas Rode. Ihm folgten sein Rath Bischof Werner von Bützow mit seinem Kanzler Arnold Mese, so wie von der Mannschaft der Ritter Johann Vieregge, Joachim v. Pentz, Eggert v. Quitzow, Hinrich v. Bülow, Sivert v. Oertzen und Bernd v. Plessen. Rostock sendete den Bürgermeister Gottschalk Buk, den Rathmann Radeloff Toyte und den Protonotar Johann Pickardes. Von Abend aber kamen mit einander die Sendeboten Lübeks und Hamburgs; dorther erschienen die Bürgermeister Hinrich Kastorp und Hinrich v. Stiten, der Syndikus D. Johann Osthusen, der Rathmann Hinrich v. Hacheden sammt dem Rathsschreiber Hans Arendes, von Hamburg der Bürgermeister Hinrich Mürmester und der Rathmann Gödeke Tode, und mit ihnen unter ihrem Schutze kam bis vor die Stadt Herr Peter Langejohann. Zugleich stellte sich auch wegen der etwa vorzunehmenden Sache M. Johann Langejohanns der Dompropst von Lübek D. Diderich v. Kalven ein 16). Dieser großen und ansehnlichen Versammlung präsidirte der Herzog, den Ausspruch derselben hat der Lübische Syndicus concipirt.

Klage und Antwort sind uns erhalten. Jene war kurz gefaßt. Es sei bekannt, hatte Herr Peter geschrieben, daß er bis zum 14. December 1463 in Ehren, Ruhe und rechtmäßig ältester Bürgermeister zu Wismar gewesen sei und Haus und Hof alldort in Frieden besessen habe. An dem gedachten Tage aber sei er von der Gesammtheit des Rathes wider Gebühr aus dem Rathsstuhle gedrängt worden und durch Drohungen gezwungen, wider Willen zu resigniren und eidlich und mit Bürgen zu versichern, daß er nimmer deswegen klagbar werden wolle. Dazu habe man ihn im Februar des folgenden Jahres unverschuldet in schmählicher Weise verfestet. Er bitte, daß die Schiedsrichter Resignation, Eide und Bürgschaften machtlos erkennen und ihn wiederum nicht allein in den ruhigen Besitz seines Eigenthums, sondern auch in den Bürgermeisterstuhl einführen möchten, indem er ihnen zugleich die Genugtuung für die erlittene Schmach und den Ersatz seines Schadens anheim gebe.


Allem Ansehen nach ist das Schriftstück von Peter Langejohann selbst abgefaßt, die Antwort des Rathes dagegen, ebenso durch ihre Länge in die Augen fallend, wie die Klage durch ihre Kürze, von einem Römisch-rechtlich gebildeten Manne. Möglicherweise könnte der Rathmann Marquard Langediderik, welcher Baccalaureus beider Rechte war, oder auch der Stadtschreiber M. Gottfridus Perseval - denn bis Mitte des 16. Jahrhunderts fungirten die Stadtschreiber zugleich als Syndici - sie verfertigt haben, wo man sich nicht eines fremden Rechtsgelehrten bedient hat, was am Ende wahrscheinlicher ist. Uebrigens hatte man nicht versäumt Material zu sammeln, um sich gegen Peter Langejohann zu wehren.

Daß Peter Langejohann, entgegnete der Rath, behauptet, er sei in Ehren bis zum gedachten 14. December Bürgermeister gewesen, an diesem Tage aber wider Gebühr aus dem Rathsstuhle gestoßen, ist nicht wahr, und wenn er weiter sagt, er sei durch Drohungen zum Resigniren gezwungen worden, so widerspricht diese Behauptung der vorigen. In der That verhält sich die Sache anders. Erstlich nämlich ist es 1463 um den 17. Juni geschehen, daß Peter Langejohann nach Kopenhagen abgeordnet war, um dort die Bestätigung der städtischen Privilegien und Geleite in des Königs Landen, besonders aber für Schonen, bei diesem zu suchen. Nach seiner Rückkehr hat er dann nach gewöhnlichem Brauche vor der ganzen Gemeinde auf dem Rathhause Relation gethan und gesagt, daß die Wismarschen von dem Könige geleitet seien und gleich denen aus den anderen Städten die Schonreise antreten könnten, während doch die Bürgermeister von Lübek ihm schriftlich mitgetheilt hatten, der König wolle uns kein Geleite geben, wie auch Wismar in dem für die Städte ausgestellten Briefe nicht genannt sei. Somit hat er es verschuldet, daß die Bürger und Einwohner von Wismar mit unverwindlichem Schaden von Schonen wieder abziehen mußten, zur größten Schmach für Rath und Stadt, und hat ehrlos und treulos gehandelt. Um aber diese Treulosigkeit zu bemänteln, hat er die Gemeinde auf das Rathhaus gefordert und vor derselben im Rathsstuhle sitzend gesagt, die in Kopenhagen anwesenden Lübischen Bürgermeister, Herr Hinrich Kastorp und Herr Hinrich Lipperade, hätten Geleite vom Könige für Wismar ihm zugesichert; wenn der König ihm keinen Glauben halten wolle, was solle er dabei thun? Ferner: der älteste Bürgermeister hat bei uns auf seinen Rathseid der Stadt Insiegel und Secret, womit er jedoch ohne Bewilligung des Rathes nichts versiegeln darf. So auch Peter Langejohann, der aber seinen Eid aus den Augen gesetzt und in seinem und seiner Freunde Interesse einen von ihm selbst gestellten Brief wegen Schiff und Gut, von Herrn Olafs (Axelssons?) Freunden beim Schagen genommen, ohne Wissen des Rathes versiegelt und an Lübek gesendet hat. Endlich: Peter Langejohann hat im Jahre 1460 unter dem 22. December einen offenen Brief an den Rath zu Assensen aufstellen lassen, besagend, daß Hinrich Warendorp d. ä. und Tidke Malchin, unsere Bürger, eidlich versichert hätten, daß Meienborg, Peter Langejohanns Hausfrau, nächste Erbnahme sei zu dem Nachlasse des in Assensen verstorbenen Hermen Meiger und daß dieselbe Hermen Witterock zur Erhebung der Erbschaft die nöthige Vollmacht gegolten habe; der Rath bitte um dessen Förderung und stehe dafür, daß die Ausantwortung des Nachlasses keinen Schaden bringen solle. Hernach ist aber der leibliche Bruder des Erblassern, Hans Meiger, nach Assensen gekommen und hat seine Ansprüche auf die Erbschaft geltend gemacht, die ihm hat zuerkannt werden müssen, während der mit dem Secrete unserer Stadt versehene Brief zu Schanden wurde und es dahin kam, daß man Wismarsche Schiffe zu Assensen mit Beschlag belegte. Am 7. December 1463 präsentirte darauf ein Bürger von dort Namens Hans Sniddeker, Hermen Meigers Nachfolger in der Ehe, einen offenen Brief, welcher sich als Transsumpt des durch Witterock nach Assensen überbrachten Zuversichtsbriefes auswies. Als man den Ueberbringer, welcher während des Lesens abtreten mußte, wieder hereingerufen, erhub sich Peter Langejohann, ging bei jenem stehen und fragte ihn, ob er sich mit ihm in Lübisch Recht geben wolle. Sniddeker erwiderte, er müsse zuvor noch eine Frage thun und wolle wissen, ob der Rath den gelesenen Brief bei Macht theile oder nicht. Darauf gestand Peter Langejohann, daß er allerdings Witterock mit einem Zuversichtsbriefe nach Assensen abgefertigt und Hermen Meigers Erbgut habe fordern lassen, wenn es auch des Briefes nicht bedurft hätte, da es ja bekannt, daß seine Hausfrau Nächsterbe gewesen, und daß er geglaubt habe, Hans Meiger sei längst todt. Diesen habe er, wie das Zeugebuch ausweise 17), abgefunden. Zwei Puncte in dem Briefe seien schon abgethan, nämlich das Zeugnis und die Gewährschaft: jenes wie diese seien verjährt 18). Als der Rath dann beide Theile auf den 9. Decbr. wieder vorbeschied, bat Sniddeker, daß man auch die Nächstzeugen vorfordere, wogegen Peter Langejohann einredete, es sei keine Weise, wenn ein Zeuge geschworen, daß man ihn hernach noch ein Mal ausforschen wolle. Inzwischen hat Peter Langejohann vor dem angesetzten Termine, nämlich früh am 9. December, unter Vermittelung der dazu deputirten Rathmannen Meinert Amesford und Johann Krevet sich dahin mit sniddeker vertragen, daß er diesem 500 Gulden in Rheinischem Golde geben solle, nämlich 100 Gulden sofort und den Rest, für den Herr Meinert und Peter Langejohann d. j. Bürgschaft leisteten, wenn Sniddeker ihm das Original des Zuversichtsbriefes und sämmtliche sonst noch existirende Transsumpte ausgeliefert haben würde, wie es denn auch geschehen ist. Zu den ersten 100 Gulden hat Hans Sniddeker noch ein graues Pferd obenein erhalten. Hinrich Warendorp d. ä. und Tidke Malchin aber haben, wie durch ihre in Gegenwart einer Rathsdeputation vor Notar und Zeugen am 30. December 1463 und hernach vor dem sitzenden Rathe gemachten Aussagen festgestellt ist, niemals das Nächstzeugniß abgelegt, die Hausfrau Peter Langejohanns hat zu keiner Zeit Hermen Witterock als Bevollmächtigten bestellt, der Rath hat weder die Erbschaft verbürgt, noch seine Einwilligung gegeben, jenen Brief zu versiegeln. Alles Vorgebrachte läßt sich auf Erfordern mit Briefen, Instrumenten und Zeugen erweisen, wenn auch das, was offenkundig, landrüchtig, was nicht zu verhehlen und was zugestanden ist, keines Beweises bedarf. Wenn Peter Langejohann behauptet, er sei im Februar 1464 unverschuldet auf schmähliche Weise verfestet, so ist das vielmehr mit allem Fug und Recht geschehen seines Ausweichens wegen, um daß er die Bürger auf Schonen verrieth, der Stadt Siegel seinem Eide entgegen auf unbewilligte Schriftstücke setzte und falsche Briefe machte. Wir bitten, so schließt der Rath, daß wir von allen Ansprüchen Peter Langejohanns frei erkannt und wegen seiner Verrätherei, Fälscherei und Eidbrüchigkeit nicht etwa genöthigt werden, ihn auf der Stadt Freiheit, bei Haus und Gut oder gar im Rathsstuhle wieder aufzunehmen, daß man ihn in die Kosten verurtheile und zum Schadensersatze an Rath und Bürgerschaft und ihm endlich ein ewiges Stillschweigen auflege.




16) Nach dem Wismarschen Weinregister ad ann. p. 95 seq. (Jahrb. XXXIII, S. 80) war auch der Prior von Ratzeburg in Wismar, doch tritt derselbe in den Documenten nicht auf. Eine Verwechselung mit dem Lübischen Dompropste ist nicht anzunehmen, denn dessen fnpage Wein ist offenbar in den Ansätzen für die Lübischen mit enthalten. Sollte der Prior etwa der Rechtsbeistand des Wismarschen Raths gewesen sein?
17) Die Schrift ist vom 15. Juli 1463. Zeugeb. ad ann. p. 101.
18) Dat twe articule in deme breue al doet weren, alse de tuchnisse vnde dat touorsicht, wente dat were ouerlangk gescheen.