Von 1270 bis 1410 oder dem ersten Recesse

Von 1270 bis 1410 oder dem ersten Recesse

Hamburg verblieb auch in dieser Periode dem Schauenburger Grafen als untergebene Stadt, doch gelangte es in den Besitz bedeutender Freiheiten; die Bürger, sich allmählich durch den zunehmenden Handel bereichernd, benutzten die steigenden Geldverlegenheiten ihres Landesherrn und seines Adels dazu, immer mehr Hoheitsrechte und Landbesitz an sich zu bringen. In der Regel waren es einzelne hervorragende Mitglieder des Rates, welche den Vorschuss leisteten und sich dafür Pfandbesitz und Einkünfte zusichern ließen, welche dann später unter Erstattung des Verausgabten der gemeine Säckel an sich brachte, oder aber von vorn herein das Geld, aber nicht den Namen dazu hergab. Die Grafen waren bei diesen Geschäften um so weniger behindert, seitdem Erzbischof Gerhard II. ihnen aus verwandtschaftlichen Rücksichten, freilich unter Widerspruch des Bremer Kapitels, seine Rechte, welche er an die Stadt besaß, verkauft hatte. Von den Erwerbungen der Stadt und einzelner ihrer Einwohner durch die Grafen, sowie von den darüber geschlossenen Verträgen, wollen wir die besonders wichtigen und folgenreichen ausführen, zugleich damit die Geschichte des Grafenhauses, soweit sie Hamburg interessiert, verbindend. Wir erinnern uns, dass die beiden Söhne Adolfs IV., als ihr Vater ins Kloster ging, noch minderjährig waren und für die ihr Schwager, der schleswigsche Herzog Abel, unter Mitwirkung des holsteinischen Overboden Markward und in Beirat Adolfs IV. die Regierung Holsteins führte. Während dem verweilten die beiden jungen Grafen ihrer Ausbildung wegen in Paris, von wo sie 1246 heimkehrten. Die Grafen Johann I. und Gerhard I. beteiligten sich, von den Hamburgern wiederholt mit Geld unterstützt, an den Kriegen ihres Schwagers Erich gegen König Abel. Graf Johann starb 1263, sein Land den Söhnen Adolf V. und Johann II. hinterlassend, welche zu Segeberg und Kiel residierten, während ihr Oheim Gerhard sich gewöhnlich in Hamburg oder Itzehoe auszuhalten pflegte. Erst 1273 kamen sie auf den Gedanken, eine Teilung des bis dahin gemeinsam besessenen Landes vorzunehmen, welche bis diesen Tag die Grundlage der holsteinischen Ämterteilung geblieben ist. Hamburg blieb allen Dreien gemeinsam und jeder von ihnen bezog daraus jährlich 50 F Pfennige, die der gräfliche Vogt einzukassieren hatte.


Im Jahre 1276 vereinigten sich die Bürger und der Rat unserer Stadt, dass künftig nicht mehr als Ein Rathaus und Eine Dingbank sein sollten; die Verwaltung und Rechtspflege konzentrierte sich nunmehr in dem Rathause an der Trostbrücke, das ursprünglich nur den Neustädtern gehört hatte und so wurde die Absicht der Letzteren aus eine dauernde Trennung der beiden Gemeinden durch Nachgeben des Rates der Altstadt vereitelt. Das Ordels- oder Stadtbuch wurde bei dieser Gelegenheit durchgesehen und um einige Artikel vermehrt, auch die Bestimmung der Vereinigung beider Städte hinzugeschrieben und in den späteren Überarbeitungen unverbrüchlich festgehalten. Zu gleicher Zeit begann man die Bürger und Bürgerinnen, wie sie in den Gemeindeverband eintraten, in ein eignes Ausnahmeprotokoll, das bis 1452 fortgeführt ist, zu verzeichnen. Es ward von dem Herrenschreiber geführt, welcher die Neuaufzunehmenden nebst ihren Bürgen und den Gebühren verzeichnete. Über das alte Rathaus am Fischmarkt geriet die Stadt mit Graf Gerhard I. in Streit. Er hatte dasselbe einem Arnold von Blomenthal zur Lehn gegeben, was die Stadt aber nicht leiden wollte und deshalb sogar in eine Fehde verwickelt wurde, bis man die Gegner mit 200 F Silber abfand. Sehr feindselig bewiesen sich auch die Grafen, als 1281 fast ganz Hamburg abbrannte, indem sie den Bürgern das nötige Holz zum Wiederbauen verweigerten, freilich ohne Erfolg, indem Graf Helmold von Schwerin gegen gutes Hamburger Geld mit dem Gewünschten aushalf.

Graf Gerhard I. von Itzehoe starb 1290, seine Söhne und Nachfolger waren Gerhard II., der zu Plön, Heinrich I., der zu Rendsburg und Adolf VI., der aus der Schauenburg residierte; sie regierten vor der Hand gemeinschaftlich ihr Erbteil. Zwei Jahre später erhielten die Hamburger von ihren fünf Landesherren ein wichtiges Privilegium, bei Gelegenheit der Bestätigung aller früher der Stadt zugestandenen Freiheiten. Die Grafen gestanden der Stadt nämlich das Recht der Köre zu, das heißt, das Recht Statuten zu machen, Edikte nach Gefallen zu erlassen und solche zu widerrufen, wie es der Gemeinde gefallen würde. Dazu die Erlaubnis, dass die Hamburger Recht und Urteil nirgends anders, als aus dem Rathause und nach Inhalt ihres Stadtbuches zu empfangen und zu geben nötig hätten, jedoch unter der Bedingung, dass jedem sich wider solche Urteile Beschwerenden, dieselben aus Verlangen schriftlich mitzuteilen wären. Dazu erhielten die Hamburger volles Recht und Gewalt, in Streitfällen, worüber ihr Stadtbuch nichts besage, ein neues Recht zu gründen und festzusetzen, in Gemäßheit gemeiner Einwilligung der Ratspersonen, nach deren freien Willen. Jedoch so, dass dies solchergestalt neugeschaffene Stadtrecht in das Stadtbuch eingeschrieben und als beständiges Recht von ihnen und ihren Nachkommen später gehalten werde. Indessen solle das Recht selbst oder ein solcher Beschluss nicht zum Schaden oder zur Anfechtung derjenigen Ansprüche und Gerechtsame, welche die Grafen jetzt nach erblichem Rechte besäßen oder in Zukunft besitzen würden, in irgend welcher Weise ausgedehnt werden. Diese hochwichtige Anerkennung der Autonomie der städtischen Rechtspflege und Gesetzgebung durch die Landesherren veranlasste die Hamburger zu einer neuen Redaction ihres Statutes oder Ordenbuches, das gegen das frühere sehr vermehrt und bereichert ward, um nun ein authentisches Exemplar zu besitzen, aus welchem die etwa begehrten Abschriften erteilt werden konnten. Ausgehoben wurde nunmehr jeder Unterschied zwischen der Alt- und Neustadt, sogar der Name, und wiederholt, dass es künftig für alle Bürger nur Ein Rathaus, das an der Trostbrücke und nur Eine Gerichtsstätte geben solle, woselbst der vereinigte Rat beider Stadtteile zu residieren und Recht zu sprechen habe. Behufs Auszeichnung der Urteile und Bußen erhielt das Vogteigericht einen Schreiber; das Ansehen des gräflichen Vogtes wurde sehr vermindert durch die geschehene Zuordnung der Richtherren und stand er fortan unter städtischer Gerichtsbarkeit: doch konnte er nicht eher an Hals und Hand gerichtet werden, bis ein anderer Gerichtsvogt ernannt war. Seine Befugnisse beschränkten sich fortan aus die Leitung des gerichtlichen Verfahrens, das aber die Ratsmänner ihm immer mehr abnahmen, und aus Erhebung von Bußen oder Strafgelder, deren Ertrag aber durch Verpfändung der Brüche immer weiter in die Hände der Bürger gelangt ist. Beabsichtigten doch die Grafen schon in demselben Jahre, sich mit der Stadt über die Bußen gründlich zu vereinigen, dergestalt, dass der Vogt, welcher bis dahin ? derselben bei peinlichen Vergehen und für falsches Maß und Gewicht einzunehmen hatte, auch einen Anteil der Bußen von drei Pfund erhalten sollte in den Fällen, welche nicht etwa an Hals und Hand gingen, sowie den Halbscheid der Strafen von 3 bis 10 F Silber. Aber darauf wollte sich die Stadt nicht einlassen, wahrscheinlich, weil sie dem Vogt nicht mehr als das herkömmliche Drittel gönnen wollte.

Der Vogt, welcher ein in der Johannisstraße belegenes städtisches Haus bewohnte, das der Rat 1413 verkauft hat, war weder bei Entscheidung der zivilrechtlichen noch bei schweren Kriminalfällen interessiert.

An der Spitze des Gemeinwesens stand fortan der aus den Lübecker und Soester Statuten herübergenommene Rat, welcher die zweite und höchste Entscheidung in allen Streitfällen abgab und auch die reisigen Vögte zu Wasser und zu Lande einsetzte, um statt des gräflichen Vogtes den Kriegsbefehl zu führen. Die Wittigsten, eine Elite von erfahrenen Bürgern, welche früher neben dem Burmeister in minderwichtigen Angelegenheiten und Marktsachen entschieden und die Verlassungen abgehalten hatten, traten, als die den Handel der Neustadt nach Lübecker Weise zuerst vertretenden Ratmänner die wichtigsten Stadtangelegenheiten führten, immer mehr zurück und behielten nur in Dingen, die alle Bürger angingen, eine Mitentscheidung; doch die Verlassungen der Grundstücke nahm alsbald der Rat an sich. Derselbe war nicht blos Appellations-Instanz über dem Volksgerichte (Niedergerichte), sondern traf eigentlich die Entscheidung in allen Zivil- und Kriminalfällen, und war um so mächtiger, als er sich nach alter Weise selbst ergänzte. Er bestand aus 20 Mitgliedern, einschließlich zwei Bürgermeistern, welche jährlich, nach einer im städtischen Weinhause gehaltenen Vorberatung, am Petritage zusammentraten und 16 Ratmänner wählten, von denen zwei noch nicht im Rat gesessen hatten. Diese 16 wählten dann wieder 4 aus den nicht wieder erkornen alten Ratmännern. Der abgehende Bürgermeister durfte in 7 Jahren nicht wiedergewählt werden. So ward es bis 1292 gehalten, in welchem Jahre ein Fortschritt darin gemacht wurde, dass die Ratmänner aus Petri 14 alte Kollegen wählen sollten, wogegen es ihnen überlassen blieb, ob sie zu den übrigen sechs wiederum alte wählen wollten, oder neue Männer; auch sollten fortan nur die 14 alten Ratmänner und nicht wie früher die neu hinzugekommen die Bürgermeisterwahl für das anstehende Jahr vornehmen. Der abgehende Bürgermeister aber trat im dritten Jahre ordnungsmäßig wieder in sein Amt, falls die Ratmänner ihn nicht ausschlossen. Vater und Sohn durften den Rat nicht gleichzeitig besuchen, wohl aber zwei Brüder mit einander.

Die Bürger besaßen seit alten Zeiten her das Recht, in einem gewissen Kreise um die Stadt herum Holz fällen, die Eichelmast gebrauchen und ihr Vieh für die Tageszeit austreiben zu dürfen, ferner die Fischereigerechtigkeit auf einige Meilen in den nahegelegenen Flüssen, Zollfreiheit in den gräflichen Landen und aus der Elbe bis zu ihrer Mündung, endlich die Freiheit, in ganz Holstein nach städtischem Rechte beurteilt zu werden. Der Nachlass der Bürger sollte Jahr und Tag ihren Erben aufbewahrt bleiben, ehe sich der Fiskus des Gutes bemächtigen dürfe. Geld könne auch außer dem Münzhause gewechselt werden und die Münzprüfung stehe den Bürgern zu. Binnen zwei Meilen von der Stadt durfte keine Burg aufgeführt werden, ohne Bewilligung der Gemeinde und kein Ritter solle im Weichbilde derselben wohnen dürfen; die Bürger waren frei von der Kriegsfolge, außer zur städtischen Verteidigung. Spreche ein Holsteiner einen Hamburger als unfrei an, so genüge es, wenn dieser den Beweis führe, dass er Jahr und Tag unangesprochen in der Stadt gelebt habe. Der Bürge für den neuauszunehmenden Bürger musste übrigens dafür Gewähr leisten, dass jener nicht leibeigen oder wendischer Abkunft sei. Das Verbot des ältesten Statutes, dass die Bürger gräfliches Gut an der Mühle, Zoll oder sonst in der Stadt weder durch Kauf noch Versatz an sich bringen dürften, ward sehr bald abgeschafft, indem mit der zunehmenden Wohlhabenheit der Bürger immer mehr die gräflichen Besitztümer, wie wir sehen werden, in deren Hände gelangten.

Nach den alten Statuten lässt sich ein ungefähres Bild der ältesten Rechtszustände unserer Stadt etwa folgendermaßen zusammenstellen. Das Recht des Ungebornen ward dadurch gewahrt, dass man die Frau, welche ein Kind unter dem Herzen trug, bis zu dessen Geburt nicht aus dem gemeinschaftlichen Gute nach des Mannes Tode ausweisen durfte. Die kinderlose Witwe aber musste sich den Einzug des nächsten Erben ihres verstorbenen Mannes in das Haus und seine Aufsicht über dessen Gut, sowie seinen Rat hinsichtlich des Begräbnisses und der Haushaltungskosten während des ersten Monats, gefallen lassen. Die Stellung der Frauen war, trotz des Züchtigungsrechtes, das dem Ehemanne zustand, und ihrer Unfähigkeit zu Bürgschaften, eine selbstständigere, als später, und auch Frauen konnten das Bürgerrecht erwerben. Kranke konnten Teilungen und Vergabungen vornehmen, doch galt Krankheit als Ehehaft. Wichtig waren die Rechtsvorschriften für die Fremden und Gäste, die sich vorübergehend hier aushielten. Sie konnten nur wegen Raub, Mord, Kirchenbruch, Mordbrand, innerhalb des geschlossenen Weichbildes verübt, kriminell verfolgt werden, und wegen Geldforderungen an Ihresgleichen nur dann hier klagen, wenn sie solche mit hamburgischen Bürgern, als Eideshelfern, zu beschwören vermochten. Deutsche sollten wegen eines in Folge des Fehderechtes außerhalb des Weichbildes verübten Todschlags innerhalb des Weichbildes keine Not leiden. Der wegen eines Verbrechens hier angeklagte Gast musste drei Mal vorgeladen werden, um verhaftet werden zu können, während gegen den Bürger eine Vorladung genügte. Der Bürger konnte den Gast hier belangen, Selbsthilfe war gegen denselben vergönnt, die Zahlungsfrist für die Schuld eines Bürgers an den Gast war von 14 Tagen aus eine Tagdingung über Quernacht abgekürzt. Bewies der Wirt mit Zeugen, einen Gast in Kost gehabt zu haben, so konnte er die Forderung eines Jahres durch seinen Eid erlangen. Von dem einem Gast Geraubten oder Gestohlenen erhielt das Gericht für das Wiederschaffen desselben ein Drittel. Armut und Reichtum störte in nichts die Rechtsgleichheit unter den Bürgern, außer bei Zeugnissen. Von religiöser Duldung war keine Rede: wer vom Lehrbegriff der katholischen Kirche abwich und dies äußerlich zu erkennen gab, war, auf frischer Tat ertappt, wie der Hochverräter, Giftmischer, Zauberer, dem Feuertode verfallen. Kein Bürger durfte aber vor das geistliche Gericht gestellt werden. In gerichtlichen Handlungen trat der Eid an die Stelle der alten Ordalien und Geistliche konnten ohne Vormund nichts gerichtlich vornehmen. Jeder Bürger war frei und schöffenbar, hatte Rechtsfreiheit und vollen Anteil an der Rechtsgenossenschaft, die keine Adligen mit Standesvorrechten und keine Leibeigenen in der Stadt duldete, doch den früheren Herren der letzteren einen Entschädigungsanspruch zuerkannte. Schuldhast bewirkte keine Leibeigenschaft und Freiheitsstrafen waren unbekannt; das Gesinde, vorzüglich das der Bürger, ward mit großer Liberalität behandelt, trotz des Züchtigungsrechts der Herrschaft; Zeugnis ablegen konnte gültig nur in der Regel der Erbgesessene, außer in Kriminalfällen. Überwiesen falsches Zeugnis führte zum Verluste dieses Rechtes und der Unbescholtenheit; Diebe, Räuber und Leute mit geminderter Ehre, z. B. wer auf falsches Maß ertappt war, konnten zum Eide nicht zugelassen werden, von Berufenheit ganzer Stände wusste man nichts. Die Familie umfasste neben den Blutsverwandten auch die Ehegatten, bei Heiraten und Erbteilungen musste ein Familienrat zugezogen werden; wurden die Verwandten nicht einig, so gab der Rat die Entscheidung ab. Das Rechtsverhältnis der Familienglieder unter einander ruhte aus dem Begriffe eines Schutzrechtes und einer Schutzpflicht nach Außen hin, jedoch ohne den Nebenbegriff einer Gewalt nach Innen, und die Gemeinschaft unter Ehegatten war in jeder Beziehung selbstverständlich. Für das Selbständigwerden der jungen Leute galt nicht etwa für Alle ein bestimmtes Stufenjahr: wer die Zeichen der Selbständigkeit an sich trug, etwa durch eignen Haushalt, galt als selbständig, selbst das Weib; es wurden aber die Umstände jedes einzelnen Falles dabei erwogen. Die Ehe ward, wie alle Matrimonialsachen, vor den geistlichen Gerichten behandelt; sie galt als ein wichtiges Ereignis für die ganze Familie und während ihrer Dauer entschied der Wille der Eltern über das Los der Kinder; nach dem Tode derselben wirkten die Verwandten in dieser Beziehung ein. Eines Vormundes für das Weib oder einen Minderjährigen bedurfte es daher nicht. Mit der Trauung begann die Schutzherrschaft des Mannes über die Frau, welche aber den freien Willen und im gewissen Sinne die Dispositionsfähigkeit der Frau nicht ausschloss, indem der Mann nicht der Herr des Weibes wurde. Zur Zucht sollte er sie anhalten, was bis zum Einsperren und zu Schlägen gehen konnte; aber ungerechte Behandlung konnte die Frau zu Kunde der Nachbarn und des Rates bringen, wo dann der Mann von Haus und Hof entfernt und die Verwaltung der Frau übergeben ward. Das Vermögen der Gatten dachte man sich ungetrennt und in Schutz, aber nicht in unbedingter einseitiger Disposition des Mannes, während die Frau für ihr Mitgebrachtes unbeschränkter war. Der Mann vertrat die Frau außerhalb des Hauses überall da, wo es ihr die hergebrachte Sitte untersagte; nach seinem Tode hatte sie die Gewehre und die Disposition über das Gesamtgut, wobei sie einen Vormund zuzog. Nach unbeerbter Ehe ward das Eingebrachte zurückgenommen und der Überlebende teilte das übrige Gut mit den Blutsfreunden des Verstorbenen; Verbesserungen und Schaden am Eingebrachten blieben zu dessen Besten. Bei beerbter Ehe dauerte die Gemeinschaft des Überlebenden mit den Kindern fort. Der Nachlass ausgesonderter Kinder ward ohne Rücksicht auf die frühere Gemeinschaft geordnet, außer wenn diese Kinder keine Erben hatten. Bei zweiter Ehe musste abgeteilt werden und wenn dies geschehen war, so erbten nur die Kinder zweiter Ehe. Eine Frau konnte nach ihrer bloßen Willenserklärung Handelsgeschäfte treiben, Gewinn und Verlust aus derselben traf das Gesamtgut. Vergabungen aus den Todesfall, oft mit vorbehaltenem Zinsbrauch, geschahen durch Auflassung vor dem Rat, oder in Verhinderungsfällen vor erbetenen Ratmannen, und waren solche Akte unwiderruflich. Ebenso gegenseitige Vergabungen unter Eheleuten, und konnte die Frau ohne Einwilligung des Mannes nichts resignieren. Eine Witwe disponierte häufig ohne ihren Vormund und ihre Kinder, und die Sitte pflegte über diesen Gebrauch zu entscheiden. Die Persönlichkeit der Kinder ging niemals in die des Vaters auf, weshalb sie auch mit ihm Verträge, nur in besonderen Fällen unter Zuziehung eines Vormundes, schließen konnten. Zur Eingehung einer Ehe bedurften selbst die mündigen Kinder der Zustimmung ihrer Eltern und nach deren Tode des Familienrates, welcher überhaupt dann in die elterlichen Rechte eintrat. Mit und ohne Zustimmung der Eltern konnte ein Kind ausgesondert werden aus dem Mundium, welches nach dem Tode des Vaters von selbst aus die Mutter überging; dasselbe hörte auf nach dem Erachten der Eltern, der Verwandten oder des Rates, mit einer Heirat oder einem Dienstantritt des Kindes. Für Unmündige und Hilflose sorgte die Familie oder der Rat; für die gewöhnlichen Fälle bedurfte es dabei keines Vormundes, den auch selbständige Weiber nicht bedurften. Das Wesentliche der Vormundschaft war die Vertretung vor Gericht, und der Rat hatte nunmehr statt des gräflichen Vogts die Obervormundschaft. Im Sachenrecht galt durchweg noch das Prinzip der Selbsthilfe und Selbstpfändung, der Fehde, doch ward es an gewisse Formen und Bedingungen gebunden, die das Zusammenleben der Menschen in der Stadt und das heilige Recht der Gewehre nötig machten. Für die Form der erlaubten Selbsthilfe und die an ihre Stelle tretende Rechtsverfolgung enthielt das Statut eine Menge einzelner Vorschriften, und besonders genau war das Verhältnis der Kaufleute zu einer Abstreitung ihres Eigentums an Gütern bestimmt. Ebenso finden sich eine Reihe zweckmäßiger Einzelbestimmungen über Auflassungen, die nicht bloß durch Realrechte beschränkt waren, über genossenschaftliches Eigentum, Arrest- und Schuldverfolgung, sowie über die wichtigen Dienstbarkeiten an Grundstücken. In Bezug aus die Verfolgung eines Schadensanspruches galt, außerhalb des Schiffsrechtes, der altsächsische Grundsatz: was man nicht vor Gericht tut, dem kann man mit seinem Eide sich entziehen, und es gilt kein Zeugnis wider solchen Eid. Unser Statut kannte drei Kontrakts-Arten: Aufbewahrung, unentgeltliches Leihen und Faustpfand, und enthält über die dabei in Frage kommenden Rechtsgrundsätze eine Menge einzelner Verfügungen. Wichtig waren auch die Bestimmungen über die Vorsate, wozu alle Beleidigungen tätlicher Art gerechnet wurden; von Verbal-Injurien kamen nur öffentlich ausgestoßene in Betracht. Was das gerichtliche Verfahren anlangte, so war dasselbe durchaus mündlich und öffentlich, obschon die Anwesenheit der Bürger im Gerichte nicht überall notwendig erachtet ward; aus Befragen des Vogtes fanden die Ratmannen oder die Dingleute das Urteil; von Schriftlichkeit und Protokollen wusste man nichts bis ins 15 te Jahrhundert, doch mussten auf Verlangen die Ordeele in das Buch eingetragen werden. Diese kurzen Umrisse mögen nun für unseren Zweck genügen, den Lesern ein flüchtiges Bild unserer ältesten Rechtszustände zu gewähren, auf das sehr wichtige Seerecht wird weiter unten bei Schilderung der Handelsbeziehungen Hamburgs ein Blick zu werfen sein.

Wir wenden uns nunmehr speziell zu den Beziehungen zwischen Hamburg und den Schauenburger Grafen zurück. Im Jahre 1293 verglich sich mit ihnen der Rat über die von den Landesherren ihm verpachtete Münze und erklärte u. A.: Der gräfliche Münzer, welcher für Hamburg und ganz Holstein dies Amt bekleidete, solle die Pfennige so an Güte halten, dass zwei Talente derselben genau einem Pfund Silbergewicht gleich kämen, wobei ein halbes Loth Abzug erlaubt war; für das Untersuchen von Münzen solle der Münzer aus jedes Gewicht einer Mark zwei Pfennige zu seiner Ergötzlichkeit haben. Die Strafe aus Münzfälschung war das Sieden in Öl auf offenem Markte, und in der Tat bringen unsere Stadtrechnungen bis zu Ende des 14 ten Jahrhunderts immer genau die Ausgabepöste für die zu solchem Zwecke angeschafften Eisernen und kupfernen Pfannen; war doch die Versuchung zur Falschmünzerei, trotz dieser barbarischen Strafe, sehr groß bei der Leichtigkeit, mit welcher die damals üblichen Hohlmünzen und selbst die ersten zweiseitigen Münzen nachgebildet werden konnten.

In den Jahren 1294 bis 1296 nun teilten die Grafen Gerhard II., Heinrich I. und Adolf VI. das Erbe ihres Vaters Gerhard I., wobei Adolf das Schauenburger Gebiet und einige Striche nördlich von der Elbe, Gerhard vorzüglich Wagrien mit Plön und Heinrich das westliche Holstein mit Rendsburg bekam. Graf Adolf verlieh deshalb seiner Gemahlin Helene von Sachsen-Lauenburg die halbe Stadt Hamburg, 400 F aus dem Gorrieswerder, die Kirchspiele Nienstädten, Eppendorf, Sarau und eine Wohnung in Hamburg zum Leibgeding. Im Jahre 1302 verglichen sich die Grafen Gerhard, Adolf und Heinrich mit den Hamburgern über die Brüche und Strafgelder, welche der dem Gerichte beisitzende gräfliche Vogt zu kontrollieren hatte. Die Plöner Erbteilung von 1304 wies dem Grafen Adolf u. A. ein Drittel von Hamburg, den Gorrieswerder, Eppendorf, Nienstedten nebst einigen Wagrischen Kirchspielen zu, während die Itzehoer Linie die Anwartschaft auf die Länder zwischen Elbe und Bille erhielt. Nach dem Tode des Grafen Heinrich übertrug 1306 Graf Adolf Bürgermeister und Rat den vierten Teil der Alster käuflich für 225 K, abgesehen von den Bächen Eilbeck und Barmbeck, und seine Frau erhielt als Leibgedinge die halben Einkünfte seines Zolles, der Brüche und Mühlen. Ein zweites Viertel der Alster kam 1308 um 200 F an Hamburg, das zwei Jahre nachher die andere Hälfte dieses Flusses für 600 K ebenfalls von Graf Johann erworben hat. Mit dem Tode Waldemars, des ältesten Sohnes von Gerhard II., im Jahre 1310, trat der Bruder des Verstorbenen, Gerhard IV., aus dem geistlichen wieder in den Laienstand zurück, verbrachte aber sein Leben ruhig in Lübeck, als Inhaber der älteren Plöner Linie; die jüngere behielt sein Bruder Johann III. bis 1359. Den beginnenden Zwist gegen Gerhard II. wegen der Landesteilung, beseitigte sein 1314 erfolgter Tod und Gerhard IV. verkaufte seinen Landesteil an Johann III. Der traurige Ausgang der Kieler Linie durch den raschen Tod beider Söhne des Grafen Johann II. brachte dessen Besitz an Gerhard III. und Johann III., während der Schauenburger Adolf VII., welcher 1315 seinem Vater gefolgt war, nach einer unglücklichen Fehde, mit Wedel und der Hatzeburg, gegen deren Befestigung die Hamburger vergebens 1311 protestiert hatten, und einem Teil von Uetersen abgefunden wurde. Zu derselben Zeit entstanden Zwistigkeiten unter dem holsteinischen Adel und Hamburg, indem sich beide Teile beschwerten, kein Recht bei einander finden zu können, weshalb sich Gerhard III. anheischig machte, jedem Hamburger zu seinem Rechte verhelfen zu wollen gegen seine Untertanen, oder die Sache gütlich zu vertragen, unter dem Versprechen Hamburgs, gegen den Grafen und die Seinigen ebenso handeln zu wollen. Auch versprach der Graf, den Hamburgern beistehen zu wollen gegen jeden widerrechtlichen Angriff. In der nun folgenden unruhigen Zeit des Aufkommens von Gerhard, den man den Großen nannte, finden wir Hamburg vielfach mit ihm im Bunde, wie u. A. gegen die Dithmarschen, mit denen unsere Stadt sich 1323 vertrug. Zwei Jahre später erhielt die Stadt von Gerhard, Johann und Adolf die gräfliche Münzstätte, nebst allen Gerechtsamen, Nutzbarkeiten und Zubehör, wobei ausgemacht wurde, es dürfe sonst nirgends in Holstein Geld geschlagen werden. Damals galt die löthige Mark Silber 41½ ß, woraus 16 Schillinge geschlagen wurden; auf die Mark gingen drei Gulden. In der nächsten Zeit wusste Gerhard es dahin zu bringen, dass Dänemark großenteils zerstückelt in deutsche Hände fiel, und als 1330 der Dänenkönig Gottorp belagerte, entsetzte Gerhard es mit Hilfe der Hamburger. Die glorreiche Schlacht aus der Lohheide vernichtete für lange Zeit die dänische Macht und im Kieler Frieden erlangte Gerhard Nordjütland, Fühnen und andere Landesteile zu Pfandbesitz. Unter mannigfachen Kämpfen dauerte das Übergewicht Gerhards des Großen in Dänemark, bis ihn 1340 zu Randers Niels Ebbesen ermordete. König von Dänemark ward im Spandauer Frieden freilich Waldemars, doch musste er Schleswig in den Händen von Heinrich II. und Claus, den Söhnen Gerhards, lassen. Von den vielfachen Fehden dieser Zeit blieben die Hamburger nicht unberührt, zumal die unruhigen Verhältnisse von dem Landesadel und den vielen Söldnern der Grafen benutzt wurden, um die Straßen unsicher zu machen, wogegen die wiederholten Landfrieden zwischen den Städten Hamburg-Lübeck und den Fürsten keine dauernde Abhilfe gewährten. Endlich wurde die Sache 1341 so arg, dass die Städter zu den Waffen griffen und gegen den Grafen Heinrich, welcher seinen Rittern beistand, die Hilfe Kaiser Ludwigs von Baiern anriefen. Daraus entstand, indem der Reichsmarschall Friedrich von Lochau den Städten zu Hilfe kam und dagegen der Schwedenkönig Magnus aus Graf Heinrichs Seite trat, ein gewaltiger Krieg zu Wasser und zu Lande. Vergebens suchten Graf Günther von Schwarzburg und der Markgraf von Brandenburg die Sache beizulegen. Endlich machte der Lübecker Frieden 1343, welcher zu Gunsten der verbündeten Städte (Rostock, Stralsund, Wismar und Greifswalde standen treulich zu ihren Schwestern) ausfiel und das Ansehen der Städte sehr hob, ein Ende, da die Holsteiner die Verwüstung ihres Landes nicht länger aushalten konnten. Wir finden gegen den lauenburgischen Räuberadel die Städte sogar alsbald mit den holsteinischen Grafen im Bunde, jedoch war letzterer offenbar nicht sehr vorteilhaft, indem der Kampf der Städte gegen die Straßenräuber noch bis 1357 fortwütete, wo ein allgemeiner Landfrieden zwischen den Städten und den Fürsten von Lüneburg, Lauenburg, Pommern, Mecklenburg, Schleswig, Brandenburg und Holstein zu Stande kam. Kaiser Friedrich IV. gab 1359 Hamburg eigends die Befugnis zur Vertilgung der Land und Seeräuber, was die Stadt seitdem unermüdlich benutzte. Zunächst war es der lauenburgische Adel, welcher besonders von Bergedorf aus, unter Vorschub seines Herzogs, die Landstraßen und die Kaufleute der Städte beunruhigte. Einen Bund zur Bezwingung dieser Feste, woran selbst die lauenburger Herzöge sich beteiligten, vereitelte die große hansische Fehde mit König Waldemar und ein Streit über Hoheitsrechte in Hamburg mit den holsteinischen Grafen, den vergeblich Kaiser Karl IV. zu Gunsten der Grafen zu beseitigen strebte, indem unsere Bürger an ihren teuererkauften Privilegien und Freiheiten festhielten. Später trat ein freundlicheres Verhältnis zu den Grafen ein, die das Hamburger Geld bei ihren fortdauernden Fehden nicht entbehren konnten, und ihren Vorteil dabei sahen, die Kaufleute der Städte zu befrieden. Nach der entscheidenden holsteinischen Landesteilung von 1397, unter Gerhard VI., Albrecht und Heinrich III., fielen 1404 die beiden erstern, unmündige Söhne hinterlassend, gegen die vergeblich bekriegten Dithmarschen, wobei Hamburg die Partei der Holsteiner nahm, und Heinrich, Gerhards Bruder, musste das Bischofsgewand ablegen, um die Rechte seiner Neffen gegen den holsteinischen Adel, und die fünfte Bramstedter Landesteilung, den Frieden mit Dithmarschen zu erlangen; der Dänenmacht, welche allen Einfluss in Holstein und Schleswig an sich riß, erwehrte sich Graf Heinrich, besonders mit Hamburgs Hilfe, und erfocht 1410 den entscheidenden Sieg bei Eggebeck.

In dieser ganzen, soeben skizzierten unruhigen Zeit hat unsere Stadt manche Privilegien und manche wertvollen Besitztümer erworben, besonders von den holsteinischen Grafen. Im Jahre 1319 bekam Hamburg die Gerichtsbarkeit über Horn, Dale, Boize, den Hammer Wald (den Hersebruch), die Wiese Billhorn, den Hammerbrook sammt dem dortigen Deichbanne von Graf Adolf für 200 F, ferner die Gerichtsbarkeit über Eppendorf und über den ganzen sehr umfangreichen Sprengel der Jakobi-Kirche. Dazu kam 1320 die Volksdofer Mühle und Zehnten im Hammerbrook, 1323 die Gerichtsbarkeit in Winterhude, 1325 der Meierhof die Berne. Drei Jahre nachher erteilte Graf Adolf VII. den Hamburgern die Zusicherung, dass von dem Orte Delf, oder anderen Orten in Ochsenwärder, über die Elbe nach dem südwärts belegenen Lande weder durch ihn, noch durch seine Erben ein Damm sollte angelegt werden; eine Verfügung, welche aus dem damals sehr verwilderten Zustand der Elbe sich erklärt, wie auch die 1332 vorgenommene Verlegung der dortigen, dem Wasser zu nahe liegenden Kirche weiter in das Land hinein. Von dem Grafen Erich von Schauenburg erstand 1334 der hiesige Bürger Witte den Jnwärder (die Billwärderinsel) nebst drei Fischerei-Vörden bei Ochsenwärder, nämlich Utmorowe (Moorwärder-Vorland), To der Lade und Tatenberghe. Hamburger Ratsherren erwarben in den nächstfolgenden Jahren die großen Höfe in Hamm, in Boyzene und den Hersebruch, ferner Landbesitz aus dem Grieswärder in der Veddel, Gärten und Wiesen in der Gegend to dem Eickholt, zwischen Schiffbeck und dem Hammerbrook, in Horn von der Geest bis zur Bille; ein Daniel von Bergen Winterhude, Ohlsdors, Farmsen, zwei Höfe in Hamm, den Zehnten zweier Husen in Horn und zwei Joch Landes im Hammerbrook. Das Gebiet von Winterhude erwarb 1357 ein hiesiger Ratsherr Heino vom Bogen, welcher wenige Jahre später auch Farmsen an sich brachte. Ter Grafenschoß aus dem Moorwärder kam 1371 teilweise an Hamburg, in Folge der Fehde mit König Waldemar, indem der Herzog von Braunschweig-Lüneburg ihn der Stadt verkaufte; im folgenden Jahre erwarb Hamburg von den Dynasten von Lappe den Pfandbesitz der Kirchspiele Groden und Wolde, und die Zusicherung, dass ihm stets die Ritzebüttler Burg offen stehen sollte, welche aber nicht gehalten wurde. Das Hamburger Kapitel verkaufte für eine Rente 1373 das Brunofeld oder Scherfenbergsfeld beim Reesendamm, einen Garten, an den Hamburger Rat; das Feld lag an der Alster, zur Rechten aus dem Wege nach dem Kloster Harvestehude, und umfasste die jetzige Dammthorstraße, den Kamp, Gänsemarkt und die Königsstraße; wegen der dort liegenden Windmühle hieß noch im 16. Jahrhundert der vor dem Dammthore belegene Teil der großen Bleichen der Mühlenkamp; 1377 erwarb der Rat Besitz im Alten Moor und in der Rethwisch (Moorburg). Den Billwärder Ausschlag überließ der Graf von Schauenburg 1375 einigen Bürgern zu Hamburg und Landleuten von Billwärder gegen die gewöhnlichen Abgaben an Zehnten, Schoß und Rauchhühnern, unter der Vergünstigung, an jedem St. Peterstage sich einen Vogt unter obrigkeitlicher Bestätigung selbst wählen zu dürfen. Eine wichtige Erwerbung machte der Rat 1383 von Adolf VII. für 660 F. Es war dies der Hammerbrook mit dem Dorfe Hamm, den beiden Wärdern Billhorn und Boitzenwärder, nebst dem Hamme genannten Walde, dem Vorlande außerhalb der Landesdeiche an der Bille, auch mit der Fähre, die nach dem „Utslag“ ging, mit dem höchsten und niederen Rechte, ein Vertrag, welcher 1392 und 1419 erneuert worden ist.

Unter dem Hamme ist die 1319 verpfändete und wohl nicht wieder eingelöste Hölzung zu verstehen, die nördlich von der Kirche, östlich vom Papenbrook, noch im vorigen Jahrhundert Hammerwald genannt wurde; das Billhorn ist derjenige Teil des Billwärder-Ausschlags, der zwischen dem alten Ausschläger- und dem Billhorner- oder Billwärder-Neuendeiche liegt. Dort hatten die Grafen, ähnlich wie beim Spadenlande, einen Ausschlag, d. h. ein für sich eingedeichtes Vorland angelegt, welches Friedeburg hieß. Die ursprünglichen Deiche sind teilweise noch im alten Ausschläger-Teiche und in dem alten Elbdeiche, von Rothenburgfort bis zur sogenannten Freiheit in der Nähe der Tiefenstack-Schleuse, wieder zu erkennen. Der Billdeich lag zum Teil weiter landeinwärts, als der jetzige, und der Deich nach dem Billwärder zu ist schon seit Jahrhunderten verschwunden, seitdem der Ausschlag 1397 mit dem Billwärder in einen gemeinsamen Teichverband gebracht ward. In der oben angeführten Übertragung des Grafen Adolf, in Betreff des Ausschlages, war das ganze Billhorn außerhalb der Deiche, als Vorland bis an Elbe und Bille mit begriffen. Wenn nun 1381 die Gerichtsbarkeit über das Billhorn an Hamburg übertragen ward, so ist darunter nicht nur der kleine, noch jetzt so genannte Teil des Ausschlags, sondern dieser selbst in seiner ganzen Ausdehnung zu verstehen. Der Ausschlag war kein Zubehör des Billwärder Gerichtsbezirks, sondern hatte noch 1395 seine abgesonderte Gerichtsbarkeit und eigene Landesverwaltung, wovon jene aber durch die Ausnahme in den allgemeinen Deichverband verloren ging. Letzterer wurde aber notwendig durch die 1395 von dem Grafen bei Übertragung des Billwärders gestellte Bedingung, die Bille zu überdeichen, was mittelst der Anlegung der Bullenhusener Schleuse geschehen ist. Der oben gleichfalls genannte Voitzenwärder lag wohl an der Elbe, die ihn 1383 bis aus einen Wärder weggespült haben mag, nämlich den Grandeswärder, nicht aber den Entenwärder, welcher vielmehr, früher mit dem Festlande verbunden, erst durch Ziehung des s. g. neuen Grabens 1724 entstanden ist.

Im Jahre 1383 hat ein Hamburger Bürger, für die verhältnismäßig geringe Summe von 100 F, den Pfandbesitz aus dem Gorrieswärder von den Grafen Otto und Bernhard erworben, vermutlich, weil die Insel durch die große Flut von 1380 sehr gelitten und deshalb an Wert verloren hatte. Zwei Jahre darauf verkaufte Graf Adolf VII. den ganzen Billwärder mit der Fähre beim Eichbaum und dem höchsten und niedersten Gericht um 2400 F an zwei Hamburger Ratsherren. Das wohlhabende Ländchen, wohl schon im 12. Jahrhundert von friesischen und holländischen Kolonisten bevölkert, hegte, außer dem altadligen Geschlechte derer von Mildehovet, nur freie Bauern, und hatte 1331 schon alle drei Kirchspiele, die zu Bergedorf eingepfarrt waren, dem Hauptorte des alten sächsischen Allodiums Gamme. Die Stadt zog nicht unbedeutenden Schoß und Zehnten aus dem Billwärder, aber auch die Erhaltung der Deiche und Schleusen kostete sehr viel. Es galt dort ein noch vorhandenes, in mancher Beziehung eigentümliches Landrecht außer dem Sachsenspiegel, und manche dortige Einrichtung deutete auf den friesischen Ursprung der Bewohner hin, wie u. A. die bei uns ungewöhnliche Einteilung in Quartiere. Einer der Mildehovets verkaufte 1387 seine Besitzungen in Horn an unsern Rat, nämlich vier Höfe, die zwischen dem Mittelwege und der Straße oben in Hamm lagen. Es mag hiebei erwähnt werden, dass der Rest der Hammer Gemarkung in die Hände des Domkapitels gekommen war, von dem derselbe erst 1566 an die Stadt Hamburg gelangte. Auf den Hammerbrook schuldeten die holsteinischen Grafen der Stadt bereits 1392 3000 F, und 1395 verkauften sie an Hamburg den Ochsenwärder sammt dem Moorwärder für 1000 F. Der Hof des Propstes Bernhard von Schauenburg zu Borstel gelangte 1388 ebenfalls in den Besitz eines Hamburger Bürgers; die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg übertrugen 1396 dem Rate ihren Teil von Finkenwärder, Altenwärder, Kattwiek, die Harburger Weide und den Grefenwärder. Den Einwohnern von Gorrieswärder, vom Park an bis zur Dradenau und die nachherige Grenze der Kaltenhose, und den Finkenwärdern ihres Anteils gewährten die holsteinischen Grafen besondere Begünstigungen, um die Eindeichung des Landes zu fördern.

Sein besonderes Augenmerk hatte aber die Stadt ihrer Schifffahrt wegen aus die Mündung der Elbe gerichtet, wo sie fürs Erste nichts besaß, als den Turm von Neuwerk, welcher von einer Burg umgeben war und 1380 niederbrannte, jedoch alsbald wiederhergestellt wurde. An der Elbmündung saß ein Rittergeschlecht, die von Lappe, in Groden und der Burg von Ritzebüttel, ein unruhiges Geschlecht, welches durch seine Wegelagereien die Kaufleute und Schiffer stark belästigte. Endlich wurde dies den Hamburgern zu viel und sie schlossen 1393 einen Vertrag mit den Wurstfriesen, welche 800 Mann zu der Eroberung Ritzebüttels zu stellen übernahmen und die Benutzung des Schlosses, nach Maßgabe einer darüber zu treffenden Vereinbarung, den Hamburgern überließen. Den vereinten Angriffen vermochten die Lappen und ihre Genossen, Hoya'sche Ministerialen, nicht zu widerstehen, da sie auch vom Sachsenherzog, ihrem Lehnsherrn, welcher die Demütigung so unruhiger Vasallen nicht ungern sehen mochte, nicht geschützt wurden. Das Schloß Ritzebüttel ward noch in diesem Jahre mit stürmender Hand genommen und das Landgebiet der Lappen besetzt. Im folgenden Jahre wurde diese Angelegenheit durch Verträge geordnet. Die Lappen mussten bekennen, dass Hamburg ihnen in rechter Fehde abgenommen habe Schloß und Dorf Ritzebüttel, Salenburg, Dunen, Steinmarne, Weiterdöse, Osterdöse, Nordwisch, Süderwisch, Stykenbüttel, und dass sie den Hamburgern nunmehr solche für 2000 F überlassen hätten. An demselben Tage noch verpfändeten die Wer auch Altenwalde und Groden noch dem Hamburger Rate dazu. Der Lehnsherr Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg entsagte 1400 ebenfalls allen seinen Rechten aus Ritzebüttel und anerkannte die Veräußerung desselben. In dem Schlosse und Flecken gab es damals noch keine Kirche, wohl aber eine solche zu Groden, sondern nur einen tragbaren Altar für den Burgpfaffen, wozu Papst Bonifaz 1395 die Erlaubnis erteilte, nachdem Erzbischof Albrecht von Bremen ein Jahr früher die Erwählung des dortigen Priesters bestätigt hatte. Um die neue Besitzung besser verteidigen und die Elbeinfahrt kräftiger befrieden zu können, schloß Hamburg 1397 mit den Hauptleuten und der Gemeinheit des Hadeler Landes eine Defensiv Allianz auf fünf Jahre, sowie 1399 einen ähnlichen Vertrag mit den Bewohnern des Landes Wursten. Für Ritzebüttel ward 1404 eine eigene Bergelohn-Verordnung erlassen, und 1406 und die folgenden Jahre verpfändeten sogar die Herzöge Erich IV. und Erich V. ganz Hadeln nebst Otterndorf, freilich nur vorübergehend, an den Hamburger Rat, mit dem sich die Einwohner über die von ihnen zu entrichtenden Abgaben noch besonders einigten.

In den letzten Dezennien des 13. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis des Hamburgischen Domkapitels zum Erzstifte zu immer größerer Selbständigkeit und Unabhängigkeit von demselben herausgebildet; der beträchtliche Erwerb des Kapitels an liegenden Gründen, nicht bloß in der Stadt, sondern auch in Holstein, die weltliche Richtung seiner Kirchenfürsten und der Umstand, dass die Dompropste immer mehr aus angesehenen Familien, wie aus den jüngeren Schauenburger Grafensöhnen genommen wurden, trugen mächtig zur Förderung jenes Verhältnisses bei. Dem nach mancherlei Stürmen 1273 gestorbenen Erzbischof Hildebold, welcher seine Kirche in Frieden und bereichert hinterließ, folgte in dieser Würde ein Neffe, Gieselbrecht von Brunkhorst, ein reicher und schlauer Mann, dabei so weltlich gesinnt, dass er Sold nahm für die Ausstellung von Kriegsknechten und sich fast bei jeder Fehde der holsteinischen Grafen, insonderheit gegen Dänemark, beteiligte. Gegen einen so gewaltigen Herrn schlossen die Kapitel von Bremen und Hamburg alsbald einen ihre Rechte wahrenden Vertrag. In diesem ward festgesetzt, dass der Erzbischof die Rechte und Privilegien der Kapitel erhalten und wahren, den Sprüchen des Propstes und Dechanten und ihrer Kapitel gegen Kirchenfeinde Kraft verleihen, sich in die Angelegenheiten der Domherren und ihrer Präbenden nicht mengen, die Kirchengüter nicht veräußern und dagegen die Gerichtsbarkeit der hamburgischen Pröpste und Dekane, selbst bei eigenen Streitigkeiten mit Domherren, respektieren sollte. Gieselbrecht war der letzte Bremische Erzbischof, welcher in der deutschen Geschichte eine Rolle spielte. Von gefeierter Persönlichkeit, verschwägert mit den holsteinischen und oldenburgischen Grafenhäusern, griff er in alle politischen Verhältnisse seiner Zeit ein. Er war kraftvoll und sehr weltlich gesinnt, überwältigte listig, mit Hilfe der Hamburger, die Kehdinger, kriegte mit den Friesen, baute Burgen, dämpfte auf grausame Weise mit dem Stiftsadel, den Herzögen von Lauenburg und Sachsen sowie den holsteinischen Grafen, die zur Erlangung größerer Selbständigkeit ausgestandenen Bauern in den Elbmarschen, zu denen sich die streitlustigen Dithmarschen gesellt hatten und hinterließ sein Stift nach 30 jähriger (1306) Regierung reich und glücklich. Seinen Versuch, den unter Hildebold niedergelegten Streit über Hoheitsrechte unserer Stadt, wieder ausnehmen zu wollen, vereitelte die Dazwischenkunst der holsteinischen Grafen Gerhard I. und Gerhard II., welche jene Rechte sich abtreten ließen, wogegen freilich das Bremer Kapitel Protest erhob. Als der Erzbischof dem hiesigen Kapitel die Propstwahl bestreiten wollte, entschied Papst Honorius IV. für das letztere. Wichtig ward für Hamburg der Vergleich, welchen die Sachsenherzöge mit Gieselbrecht wegen der Insel Neuwerk, sowie den Städten Bremen, Stade und Hamburg, 1286 betreffs Ausübung der Gerichtsbarkeit über die bei Hadeln des Fischsanges wegen zusammentreffenden Leute, und die von den Hamburgern aus der Insel für ihre Kosten zu unterhaltende Feuerbake abschloss. In das Eigentumsrecht über Neuwerk teilten sich der Erzbischof und die Herzöge, und sie verbanden sich mit den Städten zum gemeinsamen Schutze der Kaufleute, Schiffer und Fischer, besonders gegen Seeraub und Strandrecht. Zu gleicher Zeit vermittelte der Erzbischof den Hamburgern die Abstellung der Wegelagereien, welche einige Insassen der dithmarsischen Kirchspiele gegen die Kaufleute zu üben pflegten. Vom Papste Bonifaz VIII. erhielten bald darauf, auf Anhalten des Rates und der Gemeinde, unsere Stadt die Befugnis, an einem tragbaren Altar Gottesdienst halten zu lassen. Das Recht der Hamburger und ihrer Handelsfreunde auf die Errichtung des Leuchtturmes, sowie das Strandrecht und den Seesund betreffend, anerkannte und erweiterte übrigens das Privilegium der Sachsenherzoge von 1299. Erzbischof Gieselbrecht bestätigte und erweiterte 1301 die Rechte der Hamburger Kirche, in Anerkennung des Bremer Vergleichs von 1273, und gestattete die Beschränkung der Canonicate auf 12 große und 4 kleine, weil die vorhandenen Mittel nicht gestatteten, dass alle Präbendaten zur Residenz gelangen konnten. Unter den Hamburgischen Geistlichen jener Zeit war einer der einflussreichsten der Schauenburger Bruno, erst Propst unseres Kapitels, sodann Bischof von Olmütz, ein Sohn Adolfs III., der Gründer der Stadt Braunsberg in Preußen und Schiedsrichter zwischen Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen, welcher 1281 zu Cremsier gestorben ist. Dem Erzbischof Gieselbrecht verdankt Hamburg seine erste Volksschule, zu deren Gründung in der Nikolai-Neustadt um diese Zeit der Verfall der alten Domschule die Veranlassung gegeben hat. Mit Genehmigung ihres Kirchenfürsten ging eine Hamburgische Gesandtschaft nach Rom und holte die Bestätigungsbulle zur Errichtung einer Grammatikschule für die Jugend der Neustadt, an welcher die Kirchenjuraten und Geschwornen nach Gutdünken den Lehrer einzusetzen hätten. Gegen diese erste Lese-, Schreib- und Rechnenschule der Stadt opponierte freilich das Kapitel und sein Scholastikus, wegen ihres angeblichen Schulprivilegiums; aber die Bürger kehrten sich nicht daran. Den Streit vermittelte 1289 der Erzbischof: der Scholastikus bekam seinen alten Einfluß auf die neue Schule wieder, die fortan nur aus den Elementarunterricht beschränkt blieb; eine Bestimmung, welche den alten Zwist unter den Bürgern und der Geistlichkeit, der sich sogar in den Prügeleien der Dom- und Nikolai-Schüler offenbarte, stets lebendig erhielt und welcher später zu Mord und Totschlag unter den Erwachsenen geführt hat.

Es mag bei dieser Gelegenheit der Beschaffenheit und Einrichtungen unserer Domschule gedacht werden. Die Domschüler standen nur unter der Gerichtsbarkeit des Kapitels und wurden gewöhnlich vom Rector oder vom Scholastikus, die Erwachsenen bei gröberen Vergehen vom Dechanten bestraft. Durch den nächtlichen Chordienst, die Festlichkeiten (Kinder-Bischofswahl und Gregorstag), Gastmähler, das Almosensammeln vor den Bürgerhäusern, die Begräbnisse, wurden Gelegenheiten zu öfteren Exzessen der Schüler gegeben. So erfahren wir, dass bei den Frühmessen die jungen Leute in der Kirche auf dem Chore Unfug und Lärm getrieben, falsch gesungen, Nachts die Gassen durchschwärmt haben, in Türen und Häuser eingebrochen sind, dabei allerlei Unfug getrieben und sogar die Kirchen verunreinigt haben, so dass man mit der Exkommunikation sie bedrohen musste. Oft wurden die Schüler zu Currenden und Vicarien befördert und der älteste von ihnen hatte immer eine solche; in ihrer Jugend erhielten sie bis zum 14. Lebensjahre einen sogenannten Prokurator. Das Schulgeld für die Wohlhabenderen betrug 100 H jährlich (8 F 6 ß.), die Schulstunden dauerten von 8 bis 4 Uhr Nachmittags und die lateinische Grammatik bildete neben Schreib- und Leseunterricht, etwas Dialektik, Rhetorik und Gesang Hauptaugenmerk des sich wesentlich im Vorsagen und Nachsprechen des zu Lernenden bewegenden Lehrganges. Hauptsache war der geistliche Gesang; es gab drei Gesanglehrer und drei Eingelassen. Die eigentlichen Chorschüler, die, acht an der Zahl, auch Schlafschüler hießen, waren von den Schülern der Domschule verschieden. In den ältesten Zeiten versahen die Domherren selbst den Chordienst, unter Hinzuziehung einiger Schüler, aber nach Aufhebung der Klausur in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts, machten sie sich, wie der Scholastikus vom persönlichen Unterricht, allmählich von diesen Pflichten los und selbst der Cantor erschien nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten, übertrug aber die tägliche Direktion des Chores einem Succentor, welcher sich wieder durch den Präfekten des Chores assistieren und vertreten ließ, wie sie auch den Gesangunterricht leiteten. Die Schlafschüler wurden vom Dechanten eingesetzt und mussten eine schöne Stimme haben und gut lesen können. Da sie abwechselnd beständig in der Kirche beschäftigt waren und Morgens früh bei der Hand sein mussten, so war ihnen das am Kattrepel belegene, sogenannte Schlafhaus eingeräumt. Bei allen kanonischen Horen und Messen mussten sie zugegen sein, bei den Frühmetten, wenn novem lectiones gelesen oder Te Deum gesungen ward, zu vier wenn bei Nacht gelesen wurde, und sie sangen auch die sogenannten kleinen Vigilien. Die ihnen angewiesenen Einkünfte erhielten sie wöchentlich durch den dazu verordneten Vicar, am Michaelistage graue Röcke, Stiefel und Schuhe, außerdem musste ihnen jeder Pfründner, wenn er abwesend war und nicht aus eigene Kosten lebte, jährlich durch den Dechanten ½ Chor Weizen, jeder andere Pfründner aber täglich 2 Pfennige zukommen lassen. Auch musste jeder Domherr, wenn ihn die Reihe traf, am Weihnachtstage zur Vesper jedem Schlafschüler ½ und ebensoviel am folgenden Tage bei der Messe geben. Übrigens erregten sie bald durch rohes, unsittliches Betragen den öffentlichen Unwillen, so dass das Institut der Schlafschüler 1446 schon ein Ende nahm. Auch an den anderen Kirchen der Stadt gab es Chorschüler. Der Domscholastikus hatte die Oberaufsicht über die Domschule, die beim Schultore nahe der Kirche lag, besorgte in den ältesten Zeiten den Unterricht selbst, hatte die 1277 gestiftete Kantorei zu besorgen, musste also an Sonn- und Festtagen den Chor dirigieren, führte die Aussicht über alle Schulen der Stadt und ernannte die Rektoren an denselben, jedoch mit Zustimmung des Kapitels, und besoldete sie, übte die Gerichtsbarkeit über Lehrer und Schüler, hatte für die Abschriften der Schulbücher und der Singbücher zu sorgen, wie für die Bibliothek, war des Kapitels Kanzler und Archivar, besorgte die Ausfertigung der Erlasse desselben, und hatte eine Stimme bei der Wahl des Erzbischofes. Präsentiert ward er aus den Domherren dem Kapitel vom Erzbischof und von dem Kapitel eingeführt. Seine Einkünfte bestanden in dem Schulgelde der Domschule, Zehnten aus dem Gorrieswärder, einer Rente aus einem Borsteler Gehöft und der Hälfte der Zehnten aus Kudensee, Elversfleth und Sandow; außerdem erhielt er bei der Ausnahme eines neuen Canonikus von diesem und jedem der anderen Prälaten 4 ß. Er hatte noch die Präsentation zu zwei Vicarien, außer den Patronatsrechten, die mit jeder größeren Pfründe verbunden waren. Er wohnte abgabenfrei in einer der 11 Domcurien, doch musste er dieselbe unter Freilieferung des nötigen Bauholzes aus eigene Kosten unterhalten.

Der Nachfolger des Erzbischofs Gieselbrecht ward nach heftigen Streitigkeiten der bejahrte Bremer Domdechant Heinrich Golthorn, welcher aber schon nach 4 Monaten starb. Nun wählten einige Domherren den Propst von Bremen und Magdeburg Bernhard, aus dem Wölpe'schen Grafengeschlecht, andere den Domscholaster Florentin von Brunkhorst, den Enkel Gieselbrechts. Einen Dritten ernannte der Papst und setzte den Brunkhorst ab; sodann wurde der Bremer Domscholaster Johann von Lüneburg Administrator des Stiftes, der die Zwistigkeiten mit Hamburg und seinem Kapitel beilegte, aber schon 1327 in Avignon starb. Endlich bestieg Bernhard von Grelle, gegen dessen Wahl das Hamburger Kapitel protestierte, den erzbischöflichen Stuhl, den er bis 1344 besaß. Dieser, aus angesehener bürgerlicher Familie, bestätigte die vom Hamburger Kapitel 1328 angeordnete Verteilung der Pfründen, verfügte über einige Einkünfte zum Besten unserer Kirche, wies den Dekan an, aus Ordnung unter der Geistlichkeit, Kirchenzucht und regelmäßige Verteilung der Pfründen zu sehen und vermittelte den langjährigen Streit des Rates mit dem Kapitel durch einen 1337 geschlossenen Vergleich, welcher freilich die Sache nicht zu Ende brachte. Die Hamburgischen Geistlichen müssen damals einen aller Ehrbarkeit und Zucht Hohn sprechenden Lebenswandel gebührt und ihre kirchlichen Pflichten gröblich vernachlässigt haben. Sie liefen im Mummenschanz zu Fastnacht verlarvt in den Kirchen umher, bankettierten auf der Alsterinsel und zogen zum Ärger der Bürger nackt beim hellen Tage durch die Gassen. Da setzte es natürlich Streit und Tätlichkeiten von Seiten der Bürger, sogar in der Domkirche, deren Gottesdienst wiederholt gestört ward, so dass der Erzbischof mit dem Banne dazwischen fahren musste. Noch schlimmer wurden die Zustände, als das Kapitel sich anmaßte, wider der weltlichen Obrigkeit Recht den Ehebruch zu strafen, auch für die Geistlichen bürgerliche Rechte in Anspruch nahm, was der Rat und die Gemeinde nicht leiden wollten. Die Sache wurde so arg, dass man Geistliche in den Kirchen misshandelte, wogegen das Kapitel den Bann über die Stadt verhängte, den Priestern das Messelesen verbot und aus der Stadt zog. Aber die Franziskanermönche des Marien-Magdalenen-Klosters, ohnehin gegen die Päpste in Opposition, kehrten sich an nichts und besorgten trotz des Bannes ihren Gottesdienst. Das Kapitel erbat sich den Magdeburger Domdechanten zum päpstlichen Kommissar und begann nun eine langwierige Protzesverhandlung. Unterdessen verhöhnten die Bürger durch Aufzüge und Mummenschanz ihre Pfaffen, bis das Kapitel der Sache überdrüssig ward und sich zu dem oben erwähnten Vergleich mit dem Rat herbeiließ. Aber alsbald beklagte es, dass die Bürger den Vertrag nicht beobachteten und dagegen die Freiheiten der Kirche kränkten. Die Bürger meinten, die Pfaffen täten ihre geistliche Schuldigkeit nicht und sei es ihnen mehr um ihre Pfründen und Einkünfte, als um ihre Pflichten zu tun. Das Kapitel erhob nun wieder seinen Prozess vor dem Papste gegen die Stadt, trotzdem dass Erzbischof Burchard wiederholt in Folge von Kirchenvisitationen die Ausrechthaltung der Kirchenzucht und die Abschaffung eingerissener arger Missbräuche der Domherren befehlen musste. Der Papst entschied aber für das Kapitel, woran sich indessen die Bürger nicht kehrten, sondern Repressalien gegen die Geistlichkeit anwandten. Bei der Fehde der wendischen Städte mit Holstein plünderten die Hamburger die ohnehin von den Feinden hart mitgenommenen Kapitelsdörfer aus, und richteten einen Schaden an, der aus 2255 F veranschlagt wurde. Der Prozess vor dem Papste, die Kommissionen in Lübeck und Bremen kosteten ungeheure Summen, während die kirchlichen Einkünfte in Hamburg fünf Jahre lang so gut wie aufgehört hatten zu fließen. Darüber starb denn der Erzbischof Burchard hin. Er hatte, um gegen die aufsässigen Kehdinger und die 7 Kirchspiele in der Haseldorfer Marsch Krieg führen zu können, letztere an die holsteinischen Grafen verpfändet; seine Geldnot brachte ihn u. A. dazu, 1/11 aller geistlichen Einkünfte und noch dazu einen Zehnten von den Geistlichen zu verlangen, worüber er mit dem hiesigen Kapitel in Streit geriet.

Sein Nachfolger ward Otto, geborner Graf von Oldenburg, der aber schon 1348 starb. Von ihm erlangte das Kapitel, dass er die erst neuerdings errichteten acht kleineren Canonicate aus den Fall ihrer Vakanz aufhob, ihre Einkünfte aber für die acht Schlafschüler am Dom oder zu anderen geistlichen Zwecken anwenden hieß. Der nächstfolgende Erzbischof war der Neffe des Vorigen, Moritz Graf von Oldenburg und Bremer Dechant; der Papst setzte ihm den Osnabrücker Bischof Gottfried Grafen von Arnsberg entgegen. Es erhob sich ein Krieg im Stifte, welcher mit weltlichen wie geistlichen geführt und erst 1361 durch die Resignation Gottfrieds beendet ward; sein Nebenbuhler Moritz ist vier Jahre später mit den Grafen Gerhard und Christian von Oldenburg nebst 700 Rittern bei Blexen von den aufständigen Rüstringer Bauern erschlagen worden. Hamburg ward 1349 wieder einmal vom Papste Clemens VI. gebannt, wegen Verbrennung und Beraubung einer Kirche und der Ausplünderung der Kapitelsdörfer in der holsteinischen Fehde. Die gewalttätigen Auftritte in der Stadt müssen bald nachher arg zugenommen haben, denn es verlautet, dass 1352 Erzbischof Gottfried die durch Blutvergießen entheiligte Dom- und Petri-Kirche mit ihren Altären wieder zu sühnen und zu weihen gestattete, bei welcher Gelegenheit auch eine Bulle von ihm erlassen ward zur Best?tigung der Privilegien der Kirche und der Annexion der Vicarien zu den Präbenden. Der Kaiser Karl IV. scheint übrigens, wie der Papst, ganz aus die Seite des Kapitels getreten zu sein, indem er die benachbarten Fürsten zur Untersuchung des Streites kommittierte und dem Kapitel einen Schutzbrief erteilte, in welchem Jeder, der die Rechte der kaiserlichen Schutzbefohlenen antasten würde, mit dem Interdikt bedroht ward, und auch die von den Hamburgern rücksichtlich der Geistlichen und ihrer Güter gefassten Beschlüsse ausdrücklich missbilligte. Da gelang es einem Bremer und einem Hamburgischen Geistlichen endlich 1355, einen Vergleich herbeizuführen. Darin wurden die Domcurien von Abgaben befreit, doch sollte die Stadt von den städtischen Besitzungen der Geistlichen Schoß und Schuld beziehen, mit Ausnahme der 11 Curien, der Einkünfte für die vom Schauenburger Grafen im Dom gestiftete ewige Lampe und der Einkünfte der Vicarien und Domherren aus Mühle und Zoll. Die Curien- und Vicarienhäuser sollten die Abgaben, welche sie von jeher bezahlt, auch fernerhin entrichten. Werde ein Geistlicher auf ein Verbrechen ertappt, sei er sogleich dem geistlichen Gerichte zu überliefern; würden Geistliche aber von Laien insultiert, wolle der Rat die Täter sofort nachdrücklich strafen. Arreste auf Einkünfte der Geistlichen sollten nicht gewährt werden, wogegen die geistlichen Gerichte den Laien prompte Justiz zu üben versprächen. Wolle ein Geistlicher einen Laien wegen Zivil- oder Geld-Ansprüche belangen, so müsse das vor dem weltlichen Richter geschehen. Schüler habe nicht der Rat zu bestrafen, sondern das geistliche Gericht. Der Rat wolle ebenso wie das Kapitel Privilegien und Rechte genau gegen einander beobachten; jeder solle die Seinigen zum Frieden ermahnen und bei einem Streite zwischen Geistlichen und Laien sei derselbe zuvörderst vor ein Schiedsgericht von zwei Ratmännern und zwei Domherren zu bringen. Die Domherren wollten für die Pfarrkirchen taugliche und gebildete Pfarrer und Kaplane, die dem Volke an Gelehrsamkeit, Sitte und Beispiel vorstehen könnten, anstellen, eben so solle der Scholaster die Schulen mit tüchtigen und gescheiten Lehrern versehen, die mit dem althergebrachten Lohne zufrieden wären, denselben nicht steigerten, noch neue Kollekten auferlegten. Die vom Kapitel wider die Stadt am päpstlichen Hofe oder sonst ausgebrachten Bullen, Briefe und Urteile sollten niemals der Stadt zu einigem Nachteil ausgeführt, sondern für immer aufgehoben werden, wogegen die Stadt allen Argwohn wider das Kapitel schwinden lasse, das Vergangene vergesse und verspreche, das Kapitel in seinen Rechten und Freiheiten ungekränkt zu lassen. Dies der Inhalt des Vergleiches; einige Nebenpunkte, welche sich die Geistlichen noch auszubedingen suchten, wurden abseiten der Stadt nicht angenommen. Der Kirchenbann ward nun aufgehoben, welcher 5 Jahre aus der Stadt gelastet, und die Domherren kehrten wieder zurück; der Erzbischof bestätigte deren Statuten. Auch zwischen dem Kapitel und den St. Petri-Juraten wurden einige Jahre nachher die obwaltenden Irrungen ausgeglichen, der Kaiser aber erteilte der Hamburgischen Kirche ein Protektorium, das die ihr 1355 verliehenen Rechte noch erweiterte.

Der aus Erzbischof Gottfried folgende Kirchenfürst (seit 1360) war Albrecht, ein Sohn des Herzogs Magnus von Braunschweig, ein gelehrter Herr, der fast immer Latein sprach, viele Grundstücke und Schlösser an die Stadt Bremen verpfändete und sich viel mit dem Kapitel zankte; er starb 1395. Vielen Kummer bereiteten ihm die Ansprüche seines Nebenbuhlers Moritz von Oldenburg, der sich aber doch 1363 mit einem Schlosse abfinden ließ. Noch ein Vorfall wird von diesem Erzbischof aus dem Jahre 1376 erzählt, welcher aus die damalige Sittengeschichte ein grelles Licht wirft. Als nämlich der Kirchenfürst von seinem Domdechanten Johann von Zesterfleth beschuldigt wurde, er sei ein Zwitter und missbrauche seinen weiblichen Teil zur Unzucht, ließ sich der also Verleumdete anfangs im Bade zu Bremen, in Gegenwart vieler Prälaten und mehrerer Ratsdeputierten, untersuchen, die nach genommenem Augenschein ihn für unschuldig erklärten. Das Experiment soll hernach in einer Hamburger Badstube wiederholt worden sein. Nachher hat der Erzbischof in Hamburg bei einem prächtigen Bankett, in Gegenwart vieler Prälaten und Edlen, sich zu erneuerter Besichtigung ausgestellt. Als aber seine Widersacher dennoch behaupten wollten, diese Prozedur sei nicht aus rechtliche Weise vorgenommen worden, kam die Sache vor den Papst, der in Rom den Erzbischof wiederum von zwei Bischöfen untersuchen ließ, die ihn ebenfalls für unschuldig erklärten. Der Dechant Zesterfleth, welcher später Bischof von Verden geworden ist, musste in Gegenwart von hundert guten Männern dem Verleumdeten Abbitte tun. Während der Regierung Erzbischofs Albrecht ward am Johannisabend 1391 der Grundstein zur Gertruden-Kapelle gelegt, welche der Rat am 1. November des folgenden Jahres bestätigte. Aus dem 1399 geweihten Gotteshause bedang sich das Kapitel ein Drittel aller Opfergaben und Einkünfte, ein zweites Drittel bekam der Rat für den Platz und der Rest sollte halb zum Bau der Kapelle, halb zum Bau der Jakobi-Kirche bleiben, während die Opfer der Altäre dem Pfarrer zu St. Jakobi anfielen.

Nach dem Abgange des Erzbischofs Albrecht, welcher in seiner Neigung zum üppigen Leben manches Besitztum der Bremer Kirche verpfändet oder verkauft hatte, ließ Papst Bonifaz IX., um das Stift wieder zu Kräften zu bringen, aus 8 Jahre allen Denen Ablass zusagen, die solchen in Bremen für die gesetzliche Gebühr suchen würden. Um den erzbischöflichen Stuhl zankten sich zwei Parteien: die Einen wählten Otto, Bischof von Verden, einen Bruder Albrechts, Andere den Johann Monnick, Dompropst von Bremen; jener, Otto II., ward vom Papste bestätigt.

Eine sehr folgenreiche Verfügung traf 1408 der Magister und Canonikus Johann Fritze, welcher sich stark der Lehre Hussens zugeneigt haben soll. Er setzte nämlich eine ziemlich bedeutende Summe aus zur Dotation einer praebenda doctoralis et lectoralis für einen überzähligen Domherrn, der zugleich Doktor oder doch Baccalaureus der Theologie sein, und den übrigen Kapitelgenossen, sowie den Geistlichen anderer Kirchen und allen Literaten, welche sich weiter ausbilden wollten, regelmäßige theologische Vorlesungen halten und deshalb den Titel eines Lektors führen sollte. Zugleich mit dieser Lektur gründete er eine ewige Vicarie im Dom und dotierte sie reich mit Salz- und andern Renten. Von diesen Einkünften waren ¾ für die Lektoralpfründe und der Rest für die Vicarie bestimmt. Der Inhaber der letzteren, welcher die Zinsen eintreiben sollte, damit der Lektor desto ungestörter seinen gelehrten Beschäftigungen nachginge, erhielt zur Wohnung eine große Curie, die Doktorei genannt, 1406 gebaut, und neben der curia sutoria, mit einem Ausgang nach dem Schopenstehl zu, liegend. Außerdem vermachte Fritze noch 900 F, um mit den Zinsen vier Domprediger zu besolden, welche den Vorlesungen des Lektors beiwohnen, alle Sonnabend während der Fasten Nachmittags in der Domkirche, an allen Freitagen, an welchen in den Parochialkirchen nicht gepredigt ward, und an den drei Ostertagen predigen sollten. Das Kapitel wollte erst von diesem lector primarius nichts wissen, musste aber nach neunjährigem Widerstreben die Stiftung genehmigen.

Die Einkünfte und Besitzungen unseres Domkapitels haben sich in diesem Zeitraume sehr vermehrt: 1271 besaß es bereits Hufen zu Bramfeld, Barmbeck, Mellingstedt, Lehmsahl und Duvenstedt; die Meldorfer Kirche war eine Pertinenz des Domes; 1273 erwarb das Kapitel Ländereien zwischen Großensee, Siek und Trittau durch Kauf, 1277 Zehnten in der Wilstermarsch, 1279 die Fischerei in Großensee und Grundbesitz in Grevenkop, 1286 Zehnten daselbst, 1288 Grundbesitz in Neustapelfeld, in Reusdorf, in Neu-Rahlstedt und in Hamm, 1293 Zehnten in Steinbeck, Hanevalle und Boberg, 1299 Rechte in den Dörfern Mönsen, Grabau, Groß-Pampau und Brunsdorf im Sachsenwalde, so wie Husen in Wiershop, Gut Gülzau im Lauenburgischen, 1301 den Hasselhorst unweit Beimoor, 1302 den Meierhof Spitzerdorf, 1306 eine Hufe in Hamm, 1319 Zehnten und Butterzins von Grönland und aus der Kremper Marsch, 1324 das sogenannte Brunofeld jenseits des Reesendamms an der Alster, das aber 1372 an die Stadt gekommen ist, 1331 Einkünfte aus Schmalenbeck und Bargteheide, 1333 das Patronat über die Moorburger Kirche. Dazu kamen die allmählich erworbenen oder geschenkten Salzrenten aus der Lüneburger Saline und Einkünfte aus dem Hamburger gräflichen Zoll, und aus der hiesigen Mühle.

Im Jahre 1342 bestätigte Graf Johann von Holstein dem Kapitel seine Besitzungen in Wulfsdorf, Sprenge, Todendorf, Hoyersdorf, Großensee, Papendorf, Kronenhorst, Stemwarde, Wedingbusch, Ostersteinbeck, Barkesbüttel und die Mühle in Schiffbeck; 1363 erwarb das Kapitel noch zwei Höfe in Hamm, Zehnten aus Billwärder und die Parochie Wilster, 1377 Einkünfte aus dem Georgswärder.

Auch die übrigen milden Stiftungen und religiösen Anstalten der Stadt haben in dieser Zeit manchen Besitz und Einkünfte erhalten, allen voran das Harvestehuder Zisterzienserinnen-Kloster zum Jungfrauenthale. Dasselbe erwarb 1275 15 Hufen in den Dörfern Barmbeck, Eimsbüttel, Ohlsdorf, Bramfeld, Mellingstedt, Lehmsahl, Tuvenstedt, Steinbeck und Schiffbeck, eine Geldrente und Anteil am Muränenfang in der Bille, 1276 Besitzungen in Laden, Geren, Tinsdal und Mellingstedt, 1278 die Gerichtsbarkeit über einen Teil des westlichen Finkenwärders, 1286 das nördliche Reiherstiegsland, wo sich der Klosterpropst ein Haus baute. Ein bedeutender Erwerb aber wurde 1293 gemacht. Die holsteinischen Grafen befreiten nämlich die den Nonnen gehörigen Äcker neben dem Kloster von allen Abgaben, so wie, falls die Klosterfrauen nach der Grafen oder anderer Freunde Rat und ihres Vorteils wegen eine Niederlassung an einem andern Orte beabsichtigen würden, die Anbauer des bisherigen Klostergebiets von allen Dienstbarkeiten und Leistungen; auch verkaufte Graf Heinrich an demselben Tage dem Kloster, zu welchem der Hamburger Rat wohl schon damals in einem Patronatsverhältnisse gestanden haben muss und welches in diesem Jahre in die Alstergegend zu verlegen beschlossen ward, die Felder beim Dorfe Heimichhude und die des Dorfes Odersvelde mit allem Zubehör abgabenfrei, und endlich übertrug Erzbischof Gieselbrecht mit seinem Kapitel das Eigentum seines Hofes zu Heimichhude an das Kloster. Die Wiesen von Heimichhude, d. h. jetzt unsere Wiesen und Plätze vor dem Dammthore bis zur klösterlichen Grenze hinter dem modernen Fontenai, waren unserer Stadt schon 1256 von den Grafen bestätigt worden, und bildete der Hundebeck bis zum Ausfluss in die Alster damals die Grenze des städtischen Weichbildes. Das eigentliche Dorf Odersvelde war seit 1276 städtisches Eigentum. Der Umzug des Klosters von der Elbgegend in die neue Besitzung Erfolgte 1295, wohl aus dem Grunde, dass die alten Häuser verfallen waren, der Bach, der die Mühle trieb, zu versiegen drohte, und weil die Gegend an der Elbe Räubern schutzlos preisgegeben war, die auch das Dorf zerstört hatten. Odersvelde ward nun vom damaligen Propsten Johann von Nortorp Frauenthal genannt, ein Name, dessen Bedeutung man noch an dem aus die Klostergebäude nach der Alster zu führenden Hohlwege erkennen kann. Während in der Elbgegend der Name Herwardershude nach und nach vergessen ward, pflanzte er sich mit dem Umzuge des Klosters aus die Alstergegend über. Schon im folgenden Jahre wurden dem Kloster von den Grafen die Zehnten in 14 holsteinischen Dorfschaften bestätigt, dazu kamen alsbald Renten aus der gräflichen Münze, dem Zolle und aus den Stadtmühlen, Ländereien im Hammerbrook und in Bramfelde. Mit dem Kloster ward 1307 eine Jnfirmaria, eine Anstalt für arme und kranke Nonnen, verbunden, welche der Rat durch zwei seiner Mitglieder verwalten ließ und das Kloster durch eine Schanze und einen wohlbewachten Nennbaum vor Überfällen schützte. Aber im folgenden Jahre traf Herwardershude ein hartes Unglück: in der Nacht des 27. November zündete ein Blitz das vermutlich hölzerne Klostergebäude an, welches mit allem Kirchengerät, Kirchenschmuck, den Büchern, ja mit zwei Nonnen, bis auf die Kammer des Propstes verbrannte. Dieser Verlust fiel um so empfindlicher, als in demselben Frühjahr die Meierei des Klosters mit 67 Pferden und anderem Vieh durch eine Feuersbrunst vernichtet worden war. Doch bereits 1310 begann man das Kloster von Stein neu zu erbauen, und vollendete noch in demselben Jahre den Keller, den Umgang, den Reventer, die Proviantkammer und bis zur Hälfte den gemeinsamen Schlafsaal der Nonnen. Mit dem Rate vereinbarte sich der Propst bei dieser Gelegenheit über die beiderseitigen Gebietsgrenzen am Rovekamp und der aus beiden Seiten des Baches liegenden alten Villa Herwardershude. Es wurde die Grenze, da wo der Bach aushörte, vom Heerwege an bei Rovekamp zum Gehölz Grindel, und von da zur Alster durch Gräben bezeichnet und lief vom Grindel zur Alster hinab, durch den Bach beim Dorfe Heimichhude. Diesseits der Grenze blieb Alles der Stadt, mit Ausnahme des Privateigentums in Heimichhude, doch dies unter städtischer Gerichtsbarkeit. Die Nonnen erklärten, näher als Ottensen und Eimsbüttel zur Stadt und auch im alten Herwardershude kein Kloster oder Gebäude errichten, im letzteren Orte aber nur Mühle, Müllerhaus und ihre Äcker als Privatbesitz behalten zu wollen. Der Hof Heimichhude war vielleicht das jenseits des Hundebeck belegene Klostervogts-Gartenland und der quellenreiche Grindel bildete die Grenze zwischen dem Weichbilde der Stadt und dem Klostergebiet. Später hat Hamburg es unterlassen, obgleich ihm Gelegenheit dazu oft geboten ward, die Felder des Klosters (vielleicht die Freiheit in Altona) jenseits des Baches an sich zu kaufen, wodurch man die Gründung einer Stadt dort vielleicht hätte verhindern können. Denn das Kloster ließ sich vom Grafen Adolf schon 1313, weil es von seinen Gütern im alten Dorfe Herwardershude, wegen Zerstörung desselben und eingetretenen Wassermangels, den gehörigen Nutzen nicht ziehen könne, ein Stück Land bei Ottenhusen verleihen, um dort, gegen die mit der Stadt getroffene Vereinbarung, geeignete Häuser zu bauen, zur Kultivierung der dortigen Felder, mit aller Gerichtsbarkeit, Rechten und Nutzungen, Abgabenfreiheit der zu bauenden Häuser, Weiderecht, Holzschlag und Sodenstich. Diese Häuser der Klosterbauern bildeten den Anfang der späteren Stadt Altona, entweder von seiner Lage an der Alten Aue so benannt, oder durch Wortspiel mit jener vom Kloster eingegangenen Verpflichtung, nicht näher an die Stadt heran als Ottensen zu bauen. Unter den Erwerbungen des Klosters in dieser Periode nennen wir noch Zehnten und Ländereien im Wedeler Bruch, in Tatenberg, Tinsdal, Alsterdorf, Groß-Borstel, das Eppendorfer Moor an der Tarpe, in Twielenfleth, das Dorf Eimsbüttel, die Eppendorfer Mühle, Kirche und Dorf Eppendorf, Hufen und Fischerei in Gorrieswärder, das Dorf Rissen, Hufen in Niendorf, das Dorf Winterhude und Ohlsdors, die Dörfer Ottensen und Othmarschen, Lockstedt und Niendorf, Bilsen nebst seinem Walde. Die Stiftung ward so durch die Gunst der Grafen und klugen Haushalt eine der reichsten unserer Stadt.

Neben derselben ist eine mehr weltliche zu nennen: das 1247 zuerst erwähnte, vielleicht von Minoriten gegründete Heilige-Geistspital am Millernthore, welches zur Ausnahme von Kranken und Pilgern
bestimmt war. Seit 1264 hatte der Rat Anteil an der Verwaltung desselben und 1288 bestätigte das Kapitel einen vom Rate dem Hospital angewiesenen Kirchhof. Außer Renten aus dem Schauenburger Zolle, erwarb dasselbe Höfe in Hansdorf, Zehnten aus verschiedenen holsteinischen Dörfern, Renten aus den Mühlen in Hamburg, Salzrenten aus der Lüneburger Saline, einen Hof in Horn, das Klütjenfeld bei der Veddel, das Dorf Barmbeck, ein zwischen Barmbeck und Frischenfelde belegenes Holz und Moor, Kyfhorn genannt u. A. Das Hospital St. Georg, bis 1410 zur Ausnahme von Aussätzigen bestimmt, ward auch mit mannigfachen Schenkungen bedacht und erlangte nach und nach nicht unerheblichen Landbesitz, zunächst 1288 die Georgsweide und einen Teil des Rövekamps, welcher sich bis in die Gegend der nachherigen Spitaler- und Lilienstraße erstreckte, ferner Mühlenrenten und Zehnten aus verschiedenen Ortschaften. Im Jahre 1296 gaben Kapitel und Rat gemeinschaftlich Statuten für die Stiftung, in denen die Rechte der Siechen und des Priesters bestimmt und die Aussätzigen von den Gesunden, den s. g. Prövenern, gesondert wurden. Das Dorf Langenhorn gehörte später zu den Besitzungen des Stiftes, nachdem R. von Bergen es 1332 vom Grafen Adolf erstanden hatte, ferner Ländereien in Hamm und aus dem Boitzenwärder, verschiedene Salzbriese aus der Lüneburger Saline, sodann das Gut die Berne, welches 1385 mit den Dörfern Langenhorn, Klein-Borstel und Strukholt den Landbesitz der Stiftung bildete. Ratsherren, nachmals der zweite und der dritte Bürgermeister, standen derselben als Patrone und Verwalter vor, es selbständig regierend; in Langenhorn hatten sie ein Herrenhaus und als erster Beamter fungierte der Hofemeister, der auch mit seiner Frau die Ökonomie des Siechenhauses verwaltete. Die Siechen, „die armen Elenden,“ wurden von allem Menschenverkehr fern gehalten, und waren ihnen außer ihrem Priester noch eine Anzahl Pfleger und Pflegerinnen beigegeben, barmherzige Brüder und Schwestern, welche als wahrhaft „gude Lüde“ die Krankenpflege besorgten, oder die innere Ökonomie des Hauses, und nach bestimmten Vorschriften und Vorsichtsmaßregeln die nötige Zufuhr der Lebensmittel besorgten. Vermutlich bezeichnete der Ehrentitel „Unserer lieben Frau Magd“ ursprünglich die Oberpflegerin des Spitals. Später ward die so benannte Schaffnerin auch mit der Sorge für die Reinhaltung und Erleuchtung der Kirche betraut. Die „Korf-“ oder „Kiepenträger“ sammelten in der Stadt zwei Mal wöchentlich die Almosen ein, meistens Lebensmittel und Brot.

Was die städtischen Kirchen in dieser Periode betrifft, so ist die zu St. Peter als städtische Pfarrkirche wohl schon zwischen 1139 und 1195 erbaut worden; der Turmbau wurde erst 1342 angefangen und 1516 vollendet. Die Nikolai-Kapelle wurde seit 1168 allmählich zur Kirche erweitert und 1384 mit einem Turm geziert. Die Katharinen-Kirche, zwischen 1250 und 1260 als Kapelle für die Wandbereiter, Fischer und Brauer errichtet, ward erst 1430 zur Kirche erweitert und erst 1433 legte man den Grund zum Turm. Um dieselbe Zeit ungefähr ist die Jakobi-Kapelle entstanden, welcher aber erst 1268 Erwähnung geschieht. Im Laufe des 14. Jahrhunderts vermehrte sich die Zahl der Bewohner umher, so dass eine Vergrößerung des Gotteshauses notwendig ward. Da jedoch die Gemeinde zu den Kosten nicht zu raten wußte, wandte sich der damalige Bürgermeister Heinrich von Barghen an Papst Innocenz VI., welcher 1354 einen Ablassbrief für die Kirche ausfertigen ließ, wodurch ihr größere Geldmittel zuflossen und der Bau vorgenommen werden konnte, der aber erst 1391 vollendet wurde. Die Familie von Barghen, von der der Barkhof den Namen erhalten, hatte von jeher viel für diese Kirche gethan, u. A. schrieb man ihr die Erbauung des Chores der Kirche zu. Die Katharinen-Kirche erwarb 1290 als Dotation für ihren Altar und den dabei angestellten Priester, außer einer städtischen Rente, 14 Morgen Landes im Gorrieswärder. Mit den Eingepfarrten und den Juraten von St. Petri schloß das Kapitel unter Vermittlung des Rates 1327, zur Beilegung der bisherigen Irrungen, einen Vergleich, wobei eines eignen, der Kirche gehörigen Predigerhauses gedacht wird. Im Jahre 1350 erwarb die Petri-Kirche Ländereien in Steinbeck und erhielt 1384 eine Glocke, so wie bald nachher eine zweite.

Die Beguinen im Convente standen unter einem eignen Propst, welcher für seine Pflegbefohlenen 1304 einen Teil der Fischereigerechtigkeit in der Elbe erwarb. Das Wesen dieser milden Anstalt läßt sich am Besten aus ihren 1360 vom Erzbischof Gottfried vereinbarten Statuten erkennen. Die Beguinen waren weltliche Vereine von Jungfrauen, die sich mit Krankenpflege, Kindererziehung u. dergl. beschäftigten; sie mussten zwar das Gelübde der Keuschheit ablegen, konnten dasselbe aber jeden Augenblick durch ihren Austritt wieder aufheben und sich verheiraten. Sie trugen eine gleichförmige und gleichfarbige Tracht, blaue Kleider und weiße Schleier, und das Volk nannte sie davon „de blauen Süstern“.

Eine eigentümliche Einrichtung war der Caland, eine geistliche Brüderschaft, die den Zweck hatte, für lebende und verstorbene Schwestern und Brüder Messen und Gebete zu lesen. Sie existierten schon 1236 in Hamburg, 1294 erhielten sie in St. Nikolai einen eignen Altar, 1322 wurden diese mit denen in St. Petri vereinigt und die Zahl der Brüder aus 50 beschränkt, 1372 aber ans 70 vermehrt. Ihr Vorsteher hieß Calandsdechant.

Das beim großen Stadtbrande 1281 mit vernichtete Johannis-Kloster ward nebst der Pfarrwohnung zu St. Petri erst 1314 wieder ausgebaut, wozu der Rat 400 F beisteuerte. Zum Behuf des Baues schloß der Rat mit den Predigermönchen und den Minoriten zwei Verträge, offenbar in der Absicht, um Vorkehrungen gegen das etwaige Eindringen einer feindlichen Mannschaft in die kleine Alster hinter dem Altenwalle zu treffen, indem die Mauer hinter den beiden Klöstern gegen die Alster hin einen wesentlichen Teil der alten Befestigungswerke bildete. Wir werden beim Schlusse dieser Periode bei einer Schilderung der damaligen Stadt aus diesen Gegenstand noch zurückkommen müssen.

Die Handelsbeziehungen Hamburgs zum Auslande lehnen sich in dieser Periode stark an den Hansabund an, in dem freilich unsere Stadt noch keine so bedeutende Rolle spielte, wie späterhin, wo ihr die zweite Stelle nach Lübeck nicht abzusprechen sein dürfte, doch finden wir unsere Stadt in den mannigfachsten Beziehungen zum Auslande begriffen und zwar oft in sehr selbständiger Weise. Was nun zunächst das Verhältnis Hamburgs zu Lübeck betrifft und den durch dieses vermittelten Ostseehandel, nach Dänemark, Schweden, Norwegen, Gothland, der preußischen und russischen Küste, so ward das Band zwischen den beiden Schwesterstädten immer fester geknüpft und besonders wandten sie ihre vereinten Kräfte aus die Befriedung der Land- und Wasserstraßen, durch Landfriedens- und andere Verträge mit Landschaften und Fürsten, so wie durch Aussendung gewaffneter Scharen behufs Vertilgung der Räuber und Zerstörung ihrer Burgen. Es waren die Städte darin großenteils aus sich selbst angewiesen, da die immer mehr verfallende Reichsgewalt den fast ganz unabhängigen Landesfürsten und Dynasten gegenüber gar keinen Schutz zu gewähren vermochte, und die Fürsten das Emporblühen der freien Städte mit Neid ansahen. Das traurige Zwischenreich nach dem Untergange des Hohenstaufengeschlechtes, 1250 bis 1273, hatte ohnedies eine Verwirrung in die Reichsverhältnisse gebracht, welche auch Rudolf von Habsburg, trotz aller seiner Bemühungen, nicht wieder zu beseitigen vermocht hat. Auf den Tod dieses Kaisers (1291) folgte bekanntlich die unruhige Zeit Adolfs von Nassau und Albrechts von Österreich, der Streit zwischen den Baiern und den Habsburgern, das unglückselige luxemburgische Kaiserhaus, und in diese Zeit fällt auch das Aufblühen und der Untergang der städtischen Freiheit in Deutschland, von dem nur die Landesfürsten den Vorteil zogen. Die kleineren unter ihnen trieben auch wohl selbst gelegentlich Straßenraub, wie Graf Günzel von Schwerin, der im s. g. Mönchenbrook aus der Hamburg-Lübecker Straße eine förmliche Wegelagerei etabliert hatte; gegen ihn brachten nun 1273 die Hamburger den Herzog Albrecht von Braunschweig-Lüneburg, mit dem sie in vielfacher Beziehung standen, in Bewegung, und der Herzog benutzte die gute Gelegenheit, um die Schwerinischen Besitzungen jenseits der Elbe für immer an sich zu ziehen. Im Jahre 1284 vereinigten sich Hamburg und Lübeck mit dem Bremer Erzbischof und dem größten Teile des holsteinischen Adels auf 8 Jahre, um gemeinsam den Straßenräubereien einiger Edlen ein Ende zu machen, die von ihren Burgen aus die nach Lübeck und Hamburg ziehenden Kaufleute anfielen und gegen welche bei ihrem Oberherrn, dem Sachsenherzog, weder Schutz noch Recht zu finden war. Auch die wendischen Fürsten hielten es für geraten, dem Bunde beizutreten, und so ward von diesem Ratzeburg überfallen, und durch Zerstörung der Burgen Walrade, Aleckstorp, Karbau, Mosin, Dussow, Slawstorp, Linow und Hammendorf für einige Zeit wenigstens Ruhe geschafft. Aber schon 1289 mussten die Städte wiederum zu Felde ziehen gegen lauenburgische Stegreifritter. Ein gewisser Peter Ribe nämlich, Besitzer der Riebenburg im Kirchwärder und mit seinem Geschlechte dort hochangesehen und begütert, ward endlich auf einem seiner Raubzüge von den Lübeckern gefangen und ohne Weiteres hingerichtet. Sein Verwandter, Ritter Herrman Ribe, welcher in der Burg zu Kirchwärder saß und den Yslinger Zoll innehatte, suchte nun aus Rache die adligen Genossen gegen die Städte zu schützen und benutzte seine Stellung als Rat des schwachen Herzogs Albrecht II. von Lauenburg, dem Raubadel Vorschub zu leisten. Wider einen so gestärkten Gegner suchten nun die Städte anderweitige Hilfe und verbündeten sich ihrer vier, nämlich Hamburg, Lübeck, Wismar und Lüneburg mit den mecklenburgischen Fürsten. Da eilte man, Frieden zu machen, und Erzbischof Gieselbrecht mit 11 Vasallen, die Herzöge Albrecht von Lauenburg und Waldemar von Schleswig, nebst den Geschwornen Holsteins, vereinbarten mit den Städten einen einjährigen Landsrieden. Doch mit den Ribes scheint die Fehde fortgedauert zu haben und erst 1291 gelang es den holsteinischen Grafen zu Dartzow eine Sühne herbeizuführen. Herzog Albrecht bestätigte nun auch den Hamburgern die von seinem Vater und Bruder verliehenen Vorrechte, und setzte für sie den vom Lüneburger Salz zu Eslingen erhobenen Zoll herunter. Die Harmonie zwischen Lübeck und Hamburg ward einigermaßen dadurch getrübt, dass unsere Stadt, gleich den sächsisch-westphälischen Handelsstädten, sich weigerte, nach dem von 23 slavischen und sächsischen Kommunen unterstützten Verlangen Lübecks, dasselbe als Oberhof für die Urteile des Nowgoroder Kaufmannshofes, statt Wibys, anzuerkennen. Doch zwang das Bedürfnis die beiden Städte zu gegenseitiger Unterstützung, weshalb denn auch die Hamburger u. A. 1298 den Lübeckern, zu deren Gunsten damals der schauenburgische Zoll herabgesetzt ward, einen Strandrechtsvertrag mit den Hadelern vermittelten. Im Jahre 1304 finden wir abermals einen aus 2 Jahre geschlossenen Vertrag mit Lübeck, der einen doppelten Zweck verfolgte, nämlich die Bewirkung gemeinsamer Münzeinrichtungen und die Sicherung der Landstraße zwischen beiden Städten zum Schutz aller Kaufleute, nebst dem ihren Frachtwagen zu gebenden Geleite. Beide Städte wollten nur Einen Münzmeister haben, der die Pfennige so im Wert halten sollte, dass die Mark Silber zu 40 ß 18 H mit einem halben Heller Legierung auszumünzen sei, alles auf halbschiedliche Kosten und zu gleichem Vorteil. Ferner sollte jede Stadt reisige Knechte halten, zum Schutz der Landstraße, Lübeck 32, Hamburg 8; das Geleitsgeld betrug 1K pr. Wagen und mussten in der Regel 10 Wagen zusammenfahren; ein Fünftel des Geleitsgeldes bekam Hamburgs, Lübeck das Übrige. Dieser Vertrag ward, als die Haseldorper und andere Marschleute gegen den Erzbischof und die holsteinischen Grafen fehdeten, wobei sich fast alle nordelbischen Fürsten und sogar Lübeck beteiligten, 1306 aus 4 Jahre erneuert und zugleich eine Vereinigung aus 10 Jahre geschlossen zur Zerstörung der lauenburgischen Burgen Arnesfelde, Westdorf, und des den Lübeckern lästigen, in Händen Graf Gerhards befindlichen Travemünder Turmes. König Erich Menwed gelang aber 1307 die Beilegung jener Marschenfehde durch Vertrag des Landadels und Lübecks mit dem Holstengrafen zu Gunsten des Letzteren, wodurch Lübeck sogar, sehr zum Nachteil seines Ansehens unter den Städten, vorübergehend unter die Schutzherrlichkeit der Dänen kam. Mit Hamburg und Bremen geriet man in Eifersüchtige Händel, deren Hauptursache wohl der Handelsneid gewesen ist, und besonders mit Lübeck erwuchs Hamburg 1309 eine Zwistigkeit, weil unsere Stadt sich von Lübecker Kaufleuten hatte eine Beisteuer geben lassen, zum Bau eines im Elbhafen zum Nutzen der Schifffahrt errichteten Turmes, entweder beim Winserthore oder an der Hohen Brücke. Dies ward durch den Schiedsspruch des Ritters Detlev Wolf zu Hamburgs Gunsten erledigt und beide Städte erneuerten ihren Vertrag über das Geleit aus der Heerstraße von 1306 mit einigen Änderungen. Als zwei Jahre nachher die holsteinischen Grafen gegen die kaiserlichen Privilegien die Hatzeburg bei Wedel errichteten, wohl um die unruhigen Marschbewohner im Zaum zu halten, musste Graf Adolf feierlich zusagen, vom Schlosse herab die reisenden Kaufleute nicht beschweren zu wollen, und selbst für den Fall eines Kriegs mit dem Bremer Erzbischof oder dem Herzog von Lüneburg den Hamburgern und Lübeckern freies Geleit zu gewähren. Dasselbe erteilten Gerhard III. und Adolf III. 1324 für die Hamburg-Lübecker Landstraße, was vorzüglich gegen den Lauenburgischen Adel gemünzt schien. Dieser benutzte denn auch die unruhige Zeit Gerhards des Großen, als Herzog Erich von Sachsen mit den Dänen gegen die Holsteiner verbunden war, zu Raubzügen gegen die Städter. Von dem festen Linow und ähnlichen Nestern herab, wurde der Straßenraub methodisch betrieben, und wenig half es, dass Graf Johann zum Schutze des östlichen Holsteins aus dem vom Kloster Reinfelde erkauften Areale das Schloß Trittau erbaute. Da schlossen die Städte 1327 mit Gerhard dem Großen und Graf Johann einen Vertrag auf ein Jahr zur Erhaltung des Landfriedens, in welchem jeder Friedensstörer geächtet und das Geleitsgeld festgesetzt ward. Diesem Vertrage schlossen sich ein Jahr nachher die lauenburgischen Fürsten an. Diese hatten kurz vorher Bergedorf, Curslak und Hachede gegen Kirchwärder und Neuengamm von Graf Adolf eingetauscht; die Möllner oder Bergedorfer Linie besaß damals Vierlanden, Bergedorf, Geesthacht, Marschacht, mit Ausnahme der Riebenburg und des Krauel, welche der Lüneburg-Ratzeburger Linie verblieben waren. Ein Teil des Sachsenwaldes gehörte zu Bergedorf, aber nicht die acht Reinbeck'schen Dörfer, noch Teile vom Amt Lauenburg; Hadeln, welches 1330 von Albrecht III. in den Pfandbesitz Gerhards des Großen kam, gehörte großenteils zu Bergedorf; Wolde, Groden, Northlede und Ritzebüttel aber zu Lauenburg; Herzog Erich pflegte in Kirchwärder zu residieren. Im Jahre 1333 finden wir abermals einen Landfrieden zwischen den beiden Schwesterstädten, den sächsischen und holsteinischen Fürsten gegen die Straßenräuber, der freilich nachher prolongiert ward, aber so wenig half, dass 1338 abermals mit Zuziehung von Rostock und Wismar und deren Landesfürsten ein umfassenderer Vertrag der Art vereinbart werden musste. Im folgenden Jahre wurde derselbe noch erweitert durch die Fürsten von Sachsen, Braunschweig, Pommern, Lauenburg, Brandenburg, Holstein, Mecklenburg, den Kirchenfürsten von Bremen, Brandenburg, Havelberg, Verden und Ratzeburg. Als aber nach Gerhards des Großen Ermordung dessen Söhne 1341 den Wegelagerern Vorschub leisteten, ungeachtet ihre Oheime mit Hamburg und Lübeck im Geleitsvertrage standen, griffen die Städte zu den Waffen gegen die beiden Grafen und erhielten sogar vom Grafen Johann die Einräumung der Feste Segeberg als Stützpunkt ihrer Unternehmungen. Aber Graf Heinrich überfiel die städtische Besatzung der Festung mit Hilfe der dortigen Bürger, was zu dem obenerwähnten, durch Günther von Schwarzburg beigelegten Kriege führte. Die Unsicherheit der Zustände im Reiche nach Kaiser Ludwigs Tode, wirkten auch hierauf zurück und noch lange Jahre mussten die städtischen Reisigen zu Felde liegen, eine Menge Raubnester zerstören und deren Insassen hinrichten, wobei 1352 die Lübecker 1300, die Hamburger 1000 Mann unter Waffen hatten, bis zu dem allgemeinen Landsrieden von 1357. In Folge desselben sagten die Herzöge von Sachsen den Hamburgern von der See an, die Elbe hinaus bis Hamburg und umgekehrt, Schutz gegen die in Hadeln hausenden Räuber zu, sowie die Beschirmung des Neuwerker Turmes, und bestätigten den Hamburgern die früheren Freiheiten, selbst für den Fall eines etwaigen Krieges mit ihnen. Da von Bergedorf aus die Räubereien an der Landstraße fortgesetzt wurden, so verbanden sich die beiden Städte zur Niederwerfung dieses Raubnestes schon 1366 mit dem Erzbischof von Bremen, den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg, dem Grafen Adolf und einigen Städten; doch kam dieser Bund über die große Fehde der Hansen gegen Waldemar nicht zur Tätigkeit und man musste sich einstweilen mit Erneuerungen des Landfriedens begnügen.

Besondere Erwähnung verdient noch die Sorge um Erhaltung einer guten Landesmünze, zu welcher seit 1379 sich Hamburg mit Wismar und Lübeck vereinigten, und welche oftmals, unter Hinzutritt anderer Städte, wie Lüneburg und Hannover, erneuert worden ist. Der für den damaligen Zwischenhandel wichtige Kanal zwischen Stecknitz und Elbe entstand um das Jahr 1391.

Die Beziehungen unserer Stadt mit den westlichen Ländern Deutschlands, mit Holland und Flandern wurden auch in dieser Periode fortgesetzt und sorgfältig unterhalten. Hamburg erhielt schon 1277 von Graf Florenz von Holland Handelsfreiheiten; ein zwei Jahre später mit Harderwyk und Zütphen wegen Getreideausfuhr aus Holstein entbrannter Streit, an welchem die holsteinischen Grafen, Rendsburg und sogar Stendal beteiligt waren, wurde 1280 durch Schiedsspruch von Zwoll, Deventer und Campen beigelegt. Mit Mastricht trieben die Hamburger starken Holzhandel, und überall, wo die Lübecker Kaufleute im Verkehr mit holländischen und flandrischen Städten, Brügge voran, genannt werden, finden wir Hamburger ihnen zugesellt, u. A. hatten auch sie Teil an den Willküren der deutschen Kaufleute, wie solche vor 1347 im Brügger Karmeliter-Kloster abgefasst zu werden pflegten. In Brügge nicht nur waren die Hamburger an der Niederlage und dem Wägehaus der sächsischen und westphälischen Städte beteiligt, sondern auch an der hansischen Residenz in Sluis. Sie teilten überall dort die Schicksale der Hansen in ihren verschiedenen Niederlagen zu Brügge, Dortrecht, Ardenburg, Amsterdam und anderen Städten. Im Jahre 1365 finden wir Hamburger Brauer in Hansen vereinigt zu Stavern, Deventer und Amsterdam, die behufs der Bierausfuhr nach jenen Städten brauten. Für die Amsterdamer Tuche ward Hamburg der Exportplatz; aber nicht immer gelang es, den Frieden mit den Flanderern zu erhalten, wie denn 1399 die weiter unten zu erwähnende friesische Seeräuberfehde auch zu einem Kriege mit Herzog Albrecht von Holland führte; doch ward die Sache durch den Rat von Flandern, nach dem Kriegsglück der Hamburger in Ostsriesland, glücklich beigelegt. Ehe wir aber zu diesen kommen, ist es nötig, der Beziehungen unserer Stadt zu den skandinavischen Reichen zu gedenken.

Unter den Seestädten, welche die norwegischen Könige Hakon VI. und Erich II. mit Privilegien begabten, findet sich Hamburg, das auch schon 1282 durch Besitz einer Bitte am Schonischen Strande an dem damals wichtigsten Heringsfang und Handel beteiligt war. Besondere Vorzüge gewährte unserer Stadt 1296 König Erich, damit sie ungestört sein kulturarmes Land mit Nahrungsmitteln und ersten Lebensbedürfnissen versorgen könnte. Doch entstand Zwist mit den Norwegern, den erst 1318 Hakon VII. durch Erneuerung der Privilegien beseitigte. Hamburg hals Erich V. in Gemeinschaft mit mehreren Fürsten und Städten 1284 den Kalmarer Frieden erkämpfen, stand 1312 im Kriege der wendischen Kommunen mit Erich Menved auf Seiten des Letzteren und wurde deshalb von ihm begünstigt, und nahm Teil an der Fehde Lübecks gegen den Norweger Olav III. Nachdem die Seestädte schon lange über die Unsicherheit ihrer Schifffahrt in den nordischen Gewässern Klage geführt hatten, gab die Unternehmung Waldemars III. gegen den Stapel der Städte in der Ostsee, die alte Stadt Wisby auf Gothland, das Signal zu einem allgemeinen Seekriege mit den Dänen. Hamburg und seine acht Schwesterstädte verboten zunächst den Ihrigen allen Verkehr mit Dänemark und ließen zur Rüstung einen Pfundzoll erheben. Die Könige von Schweden und Norwegen verbanden sich mit den Städten, die eine Macht von 2000 Mann aufbrachten, mit Hilfe des Herzogs von Sachsen und Graf Heinrichs von Holstein die dänischen Küsten verheerten und König Waldemar aufs Haupt schlugen. Aber sie erlitten eine Schlappe durch die Schuld ihres Admirals, des Lübecker Bürgermeisters Wittenburg, was 1362 einen Waffenstillstand mit einstweiliger Verkehrsfreiheit, und drei Jahre später die Sühne herbeiführte, in Folge welcher Hamburg neue Konzessionen für seinen Verkehr auf Schonen erhielt. Nachdem man sich einige Jahre über die Kriegskostenverteilung herumgezankt hatte, entstand, als Waldemar sich in den Zwist der beiden Schwedenkönige mischte, ein großer Städtebund mit Albrecht von Mecklenburg, dem einen dieser Könige, welcher mit Hilfe der Holsteiner, Mecklenburger und des Jütischen Adels keine geringere Tendenz verfolgte, als eine Teilung des dänischen Reichs herbeizuführen. Waldemar entwich, als die Städte sein Inselreich verheerten, Kopenhagen stürmten und Schonens wie des Sundzolls sich bemeisterten, aus seinem Land, und die dänischen Großen schlossen Frieden mit den Städten, die 1369 Schonen aus 16 Jahre in Pfandbesitz zur Entschädigung bekamen. Eine scharfe Verheerung der norwegischen Küsten brachte auch die dänischen Bundesgenossen Magnus und Hakon 1370 zum Frieden. Waldemar aber musste den Städten, unter denen Hamburg sich nach Kräften beteiligt hatte, einen schimpflichen Frieden 1371 gewähren, welcher sogar die künftige Besetzung seines Königsstuhls von ihrer Zustimmung abhängig machte.

Noch stärker wurden aber die Kräfte Hamburgs in Anspruch genommen durch die Bekämpfung der Vitalienbrüder und ihrer Bundesgenossen, der Friesen. Von jeher waren die friesischen Stämme an der Nordsee für den seefahrenden Kaufmann gefährliche Leute gewesen, wegen ihrer schonungslosen Ausübung des Strandrechts, und Hamburgs Geschichte während des ganzen 13. und 14. Jahrhunderts bringt fast in jedem Jahre Erzählungen von Fehden und Verträgen darüber mit den einzelnen friesischen Landschaften und Stämmen, besonders mit den Dithmarschen, die, zu einer fast unabhängigen Bauernrepublik vereinigt, fast niemals Landfrieden und geordnete Rechtszustände respektierten. Die schärfsten Kirchenstrafen und selbst Handelssperren wollten nichts verfangen, bis die allmähliche zunehmende Gesittigung der Bewohner und ihr Anteil am Verkehr jene Küstenbewohner zu der Einsicht brachte, dass die Ungestörtheit des Handels und die Rechtssicherheit des fahrenden Kaufmanns ihrem eigenen Vorteile entsprächen. Ein großer Teil der Verschuldung ist aber auch den holsteinischen Grafen beizumessen, welche das reiche Land der freien Bauerngemeinden zu erobern trachteten, und deren Übergriffe natürlich auch an der stets zu ihrer Hilfe bereiten Stadt Hamburg von den Dithmarschen gerächt wurden.

Als der von den hansischen Städten zum schwedischen König eingesetzte Albrecht von Mecklenburg die deutschen Kaufleute zum Nachteile der Schweden übermäßig begünstigte, boten seine hierüber empörten Untertanen der nordischen Margerethe 1383 die Krone an, welche in dem darauf begonnenen Kriege ihren Gegner Albrecht bei Falköping besiegte und gefangen nahm. Zu ihm aber hielt das großenteils von Deutschen bewohnte, von der Königin belagerte Stockholm in unverbrüchlicher Treue, so wie sein Bruder Johann nebst den Städten Rostock und Wismar, die zur Verproviantierung der schwedischen Hauptstadt Kaperbriefe gegen die Dänen ausgaben. Der zu diesem Zweck sich allmählich ansammelnde Hause von Abenteurern, die Vitalienbrüder oder Liekendeeler, führten nun alsbald Krieg gegen Alle, die eine gute Beute versprachen, ohne das Recht der neutralen Handels- oder übrigen Städte zu respektieren. Sie hatten ihren Sitz auf Wisby, plünderten von dort aus Schonen und Bergen, Oesel und die livische Küste; der ganze Handel in der Ostsee lag in Folge dessen darnieder, bis sie aus der Ostsee in die Nordsee verscheucht wurden. Hier setzten sie mit Hilfe der parteienden Häuptlinge Ostsrieslands, durch Rache und Not gestachelt, ihr altes Gewerbe fort und fielen besonders den Hamburgischen Englands- und Flandernfahrern beschwerlich. Die Häuptlinge von Rüstringen, Broek, Emden, Norden, Larrelt u. A. öffneten den Piraten ihre Schlösser und Häfen, versorgten sie mit Mundvorrat und teilten dafür die Beute mit ihnen, unter deren Anführern sich Gödeke Michelsen, Claus Störtebeker und Wigbald, ein früherer Rostocker Magister, hervortaten. Verhandlungen, welche Hamburg mit den friesischen Häuptlingen und dem Grafen von Oldenburg jahrelang führten, halfen, trotz wiederholter Verträge, nichts, und gegen die Macht der friesischen Häuptlinge reichten die Kräfte Hamburgs allein nicht aus; es galt die übrigen Seestädte für gemeinsame Rüstungen zu gewinnen. Endlich faßte man 1377 in Lübeck den Beschluss, mit Hilfe des Pfundzolles sogenannte Vredekoggen (Friedensschiffe) gegen die Piraten auszurüsten; man wiederholte diesen Beschluss noch mehrere Male in den folgenden Jahren, konnte sich aber über die Art der Ausführung nicht einigen und fürchtete auch wohl die Macht der Königin Margarethe, die aus Handelsneid den Piraten in ihren seeländischen Schlössern noch Zuflucht gewährte. Dazu kamen Zwistigkeiten mit Flandern, König Richard von England und Rangstreitigkeiten zwischen Hamburg und Bremen. Man musste sich sogar 1382 entschließen, auf der Tagfahrt zu Wismar mit einzelnen Piratenhäuptlingen, unter der Vermittlung und der Bürgschaft dänischer Großen, einen Seefrieden auf ein Jahr abzuschließen, um nur einigermaßen Ruhe zu haben. Auf der Lübecker Tagfahrt von 1384 schlossen sich die preußischen Städte und selbst Dänemark dem Bunde wider die Piraten, die ihr Unwesen erneuert hatten, an; Lübeck und Stralsund erhielten den Auftrag, auf Kosten der Verbündeten zwei große und zwei kleinere Schiffe auszurüsten und im folgenden Jahre säuberte der tapfere Bürgermeister von Stralsund, Wulf Wulflam, mit einem Gehalt von 5000 A dazu angestellt, auf seine Kosten die Ostsee. Aber der Nyborger Frieden 1386 half mehr als alles Andere, als Dänemark und der preußische Ordensmeister die Hand den Städten boten. Eine Unterbrechung in den hansischen Maßnahmen gegen die Piraten ward in den nächsten Jahren durch einen Zwist mit den Engländern, denen man die Ostsee und sogar den Brügger Stapel verwehren wollte, und den Flanderern bewirkt. Erst nachdem dies geordnet und die Verhältnisse mit Norwegen und Schweden wieder in das alte Geleise gebracht waren, kam man 1399 in Lübeck zu einem kräftigen Beschlusse, zumal es verlautete, dass Rostock und Wismar in Gemeinschaft mit Michelsen und Störtebeker sogar englische Schiffe aufgebracht hätten. Die Städte Hamburg und Lübeck voran wollten viele Schiffe mit 3500 Mann gegen die Piraten aussenden, deren Kosten durch ein genau geregeltes Pfundgeld auszubringen wären; aber die preußischen Städte versagten ihre Mitwirkung, so lange Albrecht von Schweden nicht aus der dänischen Gefangenschaft befreit sei. Hamburg ward übrigens von jenem Pfundgelde befreit, weil es Kosten genug für die Befriedung der Elbe aufzuwenden habe. Aber 1395 erwirkte der Hochmeister die Befreiung Albrechts, Stockholm ward als Pfand den Städten eingeräumt und die Dänen zogen ab. Nun ging es von allen Seiten über die Piraten her, die völlig zersprengt wurden: ein Haufen zog nach der Newa, ein zweiter nach Spanien, noch andere plünderten Bergen aus, die meisten aber wandten sich nach Friesland und richteten sich hier bei den Häuptlingen, ihren alten Freunden, ein. So ward die Nordsee ihr Beutefeld und der Hamburger und Bremer Handel litt am stärksten von ihnen. Während der Ordensmeister mit Hilfe der Lübecker und Hamburger, die bedeutende Summen beisteuerten, Gothland säuberte, musste unsere Stadt aufs Neue sich in Unterhandlungen mit dem Oldenburger Grafen und einzelnen friesischen Häuptlingen einlassen; zu gleicher Zeit ward in Lübeck verhandelt, zwischen Rostock und Wismar mit den dänischen Königen Versöhnung gestiftet und gemeinsame Maßnahmen gegen die Piraten verabredet. Endlich brachte das Jahr 1400 die Sache zur Entscheidung, bei welcher wir gegen Störtebeker und seine friesischen Häuptlinge die Hamburger im Vorkampfe erblicken. Freilich suchten Störtebeker und sein Schwiegervater, Keno ten Broek, erschreckt von dem heranziehenden Ungewitter, zunächst den Weg der täuschenden Unterhandlung. Die Hamburgischen Ratmannen Schrey und Nanne schlossen wirklich mit Keno einen Vertrag, in welchem er und andere fünf Häuptlinge gelobten, alle Vitalienbrüder von sich zu lassen und sie fürder nicht zu unterstützen. Wie die Sage berichtet, hätte Störtebeker die Verhandlung in einem Nebenzimmer mit angehört und gleich hinterher aus seine Vorwürfe von seinem Schwiegervater die Versicherung bekommen, er denke nicht daran, den eben geschlossenen Vertrag zu halten. Da wollte der Zufall, dass Einer der Hamburgischen, der seine im Gemach vergessenen Handschuhe zu holen, umgekehrt war, in die Tür trat und jene hinterlistige Äußerung des Keno vernahm. Natürlich kehrten nun die Gesandten heim und bald darauf erschienen die Schiffe der Lübecker, Hamburger, Deventer, Kamper aus der Oster-Ems. In einer blutigen Schlacht unterlagen ihnen Keno und seine Piraten, von denen 36 in Hamburg hingerichtet wurden. Dann wurden mehrere feste Schlösser erstürmt, wie Grotenhusen; viele Piraten fielen, oder wurden kurzweg ins Meer geworfen; ein Schwarm rettete sich nach Norwegen, ein anderer nach Helgoland, wo sich die Ratmannen Lange und Schocke mit ihnen herumschlugen. Die 28 ostsriesischen Häuptlinge verglichen sich mit Bremen, Hamburg und Lübeck wegen Abtuung aller Vitalier und Milderung des Strandrechts. Im nächsten Jahre zogen der Bürgermeister Schocke und Ratsherr Yenefeldt nach der Weser und Jahde, und fingen dort 73 Piraten, die teils an ihren Wunden starben, teils hingerichtet wurden. Der Hauptschlag fiel aber, und zwar durch Hamburger allein, im Jahre 1402; Sage und Lied haben die Kunde von dem Kampfe unserer mannhaften Vorfahren mit den Piraten, wiewohl entstellt und verschönert, weiter getragen. Die Räuberschar, welche dem Blutbade aus der Oster-Ems entkommen war, lag, nach Rache und Beute begierig, unter Führung von Godeke Michelsen und Claus Störtebeker, bei Helgoland, und lauerten dort auf unsere Englandfahrer. Gegen sie ward ein wohlbemanntes Geschwader ausgesendet, unter Befehl des Bürgermeisters Schocke und des Ratsherrn
Yenefeldt; das größte Schiff „die bunte Kuh aus Flandern“, von ihrem Bilde am Spiegel so benannt, führte der Schiffshauptmann Simon von Utrecht. Mit dunkelndem Abend erreichten sie das feindliche Geschwader. Beim Tagesanbruch wollte Störtebeker sein Schiff wenden; es war nicht möglich. Denn in der Nacht war in die Angelöhre des Steuerruders geschmolzenes Blei gegossen worden; die Sage will wissen, vom Steuermann der bunten Kuh, welcher Nachts sich in einem Boote an das feindliche Schiff hinangeschlichen habe. Also begann der Kampf und die Hamburger enterten; die Korsaren wurden, trotz harter Gegenwehr, besiegt. Nach einem Verluste von 40 Toten und 70 Gefangenen suchten sie das Weite; unter den letzteren war Störtebeker selbst und ein anderer Hauptmann, der Wichmann. Alle wurden nach Hamburg geführt und auf dem Grasbrook, am Tage nach St. Feliciani (10. Juni) enthauptet; den Räubern versagte man bürgerliches Gericht. Bald darauf erfolgte ein zweites Treffen. Auch hier führte der wackere Schocke die Hamburger, aber den Sieg errang vor Allen Simon von Utrechts Schiff, die „durch die See brausende bunte Kuh aus Flandern mit ihren starken Hörnern“, wie es im Liede heißt. Achtzig Gefangene sah die jubelnde Volksmenge in das Tor einbringen; unter ihnen ragt besonders hervor jener gefürchtete Godeke Michelsen, ein Adliger aus Daulsen im Verdenschen, oder, wie Andere wollen, aus Michaelisdorf bei Barth in Pommern; auch sah man Wigbald, den promovierten Rostocker Magister der Weltweisheit, „der seinen Stand auf dem Katheder mit dem auf dem Schiffskastell vertauscht hatte“. Die 80 Gefangenen wurden, wie ihre 70 Vorgänger, von dem Scharfrichter Rosenfeld auf dem Grasbrook enthauptet. „Er stand mit seinen geschnürten Schuhen bis zu den Enkeln im Blute“, das, wie das Lied meint, gefährliche Sandbänke in der Elbe verschwemmte, auf denen „manch stolzes Schiff“ gestrandet war. Die Sage behauptet weiter, der Scharfrichter sei ein gar trotziger Mann gewesen; denn als ihn nach geschehener Blutarbeit einer der Ratmannen befragt, ob er nun wohl müde sei, habe er übermütig erwidert: „O nein, ich könnte noch den ganzen hochweißen Rat abtun!“ Ob dieser gefährlichen Äußerung habe ihn selbst sofort der jüngste Ratmann, weil kein zweiter Scharfrichter zur Stelle gewesen, hinrichten gemusst. Die Häupter der Hingerichteten Piraten wurden längs des Strandes auf Pfähle gesteckt, zum Merkzeichen für etwaige Nachahmer ihres Tuns, wie zur Beruhigung des friedsamen Schiffers, ob der unnachsichtlichen Gerechtigkeitspflege der Stadt. Die genommenen Raubschiffe enthielten reiche Beute, und die Sage will wiederum wissen, Störtebekers Mast sei mit purem Golde gefüllt gewesen, daraus die Stadt eine goldene Krone habe anfertigen lassen. Die erbeuteten Waren bestanden in Tuchen, Wachs und Baumwolle, auch hatte man den Piraten eine Prise mit Wein, Hamburger Eigentum, wieder abgejagt, so wie die Gebeine des heiligen Vincent von Compostella, welche Bürgermeister Schocke wieder an ihren Ort zurückbrachte. Den Wurstfriesen musste man Geld geben, dass sie während des Seezuges nicht über Ritzebüttel herfielen. Mit Störtebeker, welcher doch neben Wichmann nur eine Nebenrolle gespielt zu haben scheint, beschäftigte sich mit Vorliebe die Volkssage, indem sein Trinkbecher in der Schiffergesellschaft, seine Halskette mit Befehlspfeife, seine 19 Fuß lange Feldschlange und das Schwert, mit dem er gerichtet war, noch lange an ihn erinnert haben. Auch zeigte man unter dem alten Rathause den Kellerkerker, in welchem der Räuber gesessen, und erzählte sich von seinen Schlupfwinkeln und Burgen bei Puttlos, aus Rügen, Fehmarn, bei Bülk unweit Kiel, wo so viele Reichtümer geborgen, dass der Pirat für Schonung seines Lebens eine Goldkette habe anbieten können, so lang, dass sie drei Mal den Dom umspannte. Sein Besieger, Simon von Utrecht, dem die Nachkommen einen bekannten Denkstein in der Nikolai-Kirche setzten, ward erst 1400 hier Bürger, trieb Kaufhandel und Seefahrt, wohnte im Rödingsmarkte und kämpfte noch als Bürgermeister wacker mit den Friesen und Dänen zu See und zu Land; er starb 1437 hochgeehrt, nachdem er für die Erhaltung seines Gedächtnisses durch eine Stiftung gesorgt hatte. Sein Geschlecht blühte bis 1612.

Nachdem die Stadt mit bedeutenden Geldopfern von den holländischen Herzögen für deren Lande aus 15 Jahre ein eigenes Handels-Privilegium erworben, und vergebens sich bemüht hatte, gemeinsam mit Lübeck die freiheitsliebenden Dithmarschen mit dem holsteinischen Fürstenhause, das mit der Blüte seiner Ritterschaft in dem Kampfe gegen die Bauern fast untergehen sollte, zu vergleichen, trachtete Hamburg darnach, auch mit den Friesen, welche sich der Überreste der Vitalier annahmen und deren Räubereien zu begünstigen fortfuhren, aus einen bessern Fuß zu kommen. Es ward viel darüber unterhandelt, aber ohne Resultat, das nicht erreichbar schien vor gänzlicher Säuberung des Meeres von den Piraten. Wieder ging 1407 deshalb ein Hamburgisches Geschwader, auf Kosten aller Bundesstädte, nach der Ems, die Piraten und ihre Helfershelfer, einige friesische Häuptlinge, zu züchtigen. Die von Norden, Vollradt und Osterhausen wurden angegriffen, besiegt, ihre Schlösser teils verwüstet, teils verbrannt; Keno ten Broek, welcher den Städten geholfen, erhielt reichen Anteil an der Beute und musste ein Schutz- und Trutzbündnis mit den Hansen schließen, so wie die Reinhaltung des Strandes zwischen Ems und Weser von Piraten übernehmen. Auch söhnte bei dieser Gelegenheit Hamburg die Friesen mit den Holländern wieder aus und stiftete eine Vereinigung mit den Bewohnern des Wilster- und Kehdinger Landes zur Befriedung der Elbe. Die wiederholten Expeditionen der beiden Jahre kosteten übrigens der Stadt die enorme Summe von 3,328 Talenten, die nur zum Teil von den Bundesbrüdern ersetzt ward, und der Hamburger Scharfrichter bekam wieder reichliche Arbeit. Ähnliche Züge wurden auch noch in den folgenden Jahren unternommen.

Für den Hamburgischen Handel ward außer dem Verkehr mit Flandern und Holland, der mit England immer wichtiger. Unsere Stadt war wohl nächst Bremen diejenige unter den deutschen, welche den lebhaftesten Handel nach England trieb, teils direkt, teils von Flandern aus. In London erfreuten sich die hansischen Kaufleute ganz besonderer Vorrechte. Für ihren Anteil an der Befestigung und Bewachung des bishopgate, hatten sie die Befreiung von den zur Erhaltung der Stadtmauern bestimmten Abgaben erhalten, so wie das Recht, das von ihnen nach London gebrachte Getreide 40 Tage lang in ihren Speichern zu lagern, sofern der König oder Magistrat nicht durch besondere Umstände veranlaßt wurden, den schleunigen Verkauf zu fordern. Über die Beiträge zur Erhaltung des genannten Tores entstanden 1282 Differenzen, die durch hansische Abgeordnete, worunter ein Hamburger genannt wird, alsbald wieder verglichen sind. Merkwürdig ist das Privilegium, welches König Philipp von Frankreich 1294 den Bürgern von Lübeck, Gothland, Hamburg u. A. erteilte, nämlich in seinem Lande handeln zu dürfen, unter der Bedingung, dass sie nicht Wolle, Leder und ähnliche Waren aus dem ihm feindlichen England einführten, vielmehr sich jedes Verkehrs mit demselben enthielten und dem Könige zum Seekriege gegen dasselbe Schiffe vermieten und verkaufen wollten. Unser ältestes Schiffsrecht gedenkt bereits der Fahrt durch die Hovede (den Kanal) und des Weinhandels mit La Rochelle. Den Schotten leisteten die Lübecker und Hamburger 1297 Zufuhr während der Kriege mit England. Doch scheinen die Städte darum die Freundschaft mit den englischen Königen nicht verscherzt zu haben, da ihnen 1303 Eduard I. sehr umfassende Handelsfreiheiten, Befreiung von einigen Zöllen und Abgaben und sogar einen eigenen Gerichtsstand gewährte. Eine eigene Hanse hatten die Deutschen in Lynn, wo ihnen der Magistrat besondere Freiheiten einräumte, so wie in Norfolk. Eduard II. bestätigte sogleich nach seinem Regierungsantritt die Privilegien der deutschen Gildehalle in London, ja er erweiterte dieselben 1317 noch bedeutend. Im Jahre 1351 erhob sich zwischen den Engländern und Hansen zu Brügge eine Zwistigkeit, veranlaßt durch Handelseifersucht Jener; doch bestätigte Eduard III. 1362 wieder der Hansa ihre Privilegien. Ein neuer Streit erhob sich 1379, weil die Engländer die alten Freiheiten nicht mehr achten und die Fremden mit neuen Zöllen und Abgaben belegen wollten, aber eine vom flandrischen Kontor an König Richard abgeordnete Gesandtschaft erreichte einen Vergleich, der die Sache wieder auf den alten Fuß brachte. Es ist bemerkenswert, dass während die Hansen die Engländer aus der Ostsee und sogar von den flandrischen Stapelplätzen zu verdrängen strebten, Hamburg schon 1391 bei der Sühne mit den Flanderern zu Gunsten der Huller die Idee der Verkehrsfreiheit vertrat. Durch die Fehden mit den Vitaliern litten die englischen Kauffahrer sehr, weshalb über den entstandenen Schaden 1405 mit König Heinrich IV. ein Abkommen getroffen ward; allein die Engländer sandten in den nächsten Jahren Kaper aus, welche allein den Hamburgern für 2,000 Rosenobel Schaden zufügten; ein Teil davon ward 1407 ersetzt und drei Jahre später sprach Hamburg aus dem hansischen Konvente für die Zulassung der Engländer zum Handel mit Skandinavien, entgegen dem Monopolgeiste seiner Verbündeten. Von der Einwirkung der deutschen Kaiser aus das Schicksal unserer Stadt in dieser Periode, weiß man nur Weniges, und eben nicht viel Rühmliches zu berichten. Norddeutschland war so ziemlich nach dem Untergange der Hohenstaufen sich selbst und seinen Fürsten überlassen; das Interesse und die Not führte zu Bündnissen der wehrhaften und verkehrstätigen Städte unter einander gegen räuberische Fürsten und Adel, und ein Glück war es, dass Handelsinteresse die Hansen zusammenhielt, weil dadurch allein die Bewahrung der deutschen Nordküsten vor dänischer Bedrückung und durch die Schauenburger ermöglicht ward. Gelegentlich fiel freilich auch ein kaiserlicher Blick auf unsere Stadt und deren Genossen; so von Rudolf von Habsburg, als er 1282 sich bei König Eduard von England für gestrandete deutsche Schiffe interessierte. Kaiser Ludwig der Baier, denn von seinen unmittelbaren Vorgängern im Reiche ist für Hamburg gar nichts zu melden, konnte nur durch Brandenburg, das sein Sohn erwarb, aus unsere Gegend indirekt wirken, und bekannt ist der Zug des Reichsmarschalls von Lochau gegen Friedensstörer und die Dänen für die Städte. Der Pfaffenkönig Karl IV. dachte eine Weile daran, sich zum Haupte der Hansa zu machen, um darin einen festen Punkt gegen die auflösende Gährung der Reichselemente zu gewinnen; die Versuche dazu waren ungeschickt genug angelegt. Denn der Schutz, welchen der Kaiser dem Domkapitel zu Teil werden ließ, seine Parteinahme für die Erbansprüche der holsteinischen Grafen, wurden durch die Wochenmarktsprivilegien, die unfruchtbaren Verordnungen zum Schutz des Hamburgischen Seehandels, nicht aufgewogen, und das Privilegium von 1359, zur Verfolgung der Land- und Seeräuber, war nur eine Form, welcher die Kraft unseres Bürgertums erst den Inhalt verschaffte.

Bei diesem mangelhaften Schutze des Reiches und den vielfachen die Stadt umlagernden Gefahren, verdient die Tätigkeit ihrer kleinen Bürgerschar, deren Zahl sich kaum auf 12,000 belaufen haben kann, volle Anerkennung; Hamburg hat seine Existenz und sein Ausblühen eben nur der Klugheit und Energie seiner Bürger zu verdanken gehabt. Die Stadt folgte, wie schon erwähnt, den Spuren ihrer Schwestern und war schon am Ausgange des 13. Jahrhunderts lebhaft an dem gewinnreichen Handel nach Livland, Curland, Preußen, und über Nowgorod und Pleskow nach Rußland hinein, beteiligt, welcher damals noch großenteils über Wisby betrieben wurde, später über Lübeck, als dasselbe, nicht ohne Widerspruch Hamburgs und anderer Städte, statt Wisbys Oberhof für Nowgorod wurde. Zur Beförderung des Handels taten sich 1392 hier 34 Kaufleute zusammen und gründeten die Gesellschaft der Flandernfahrer, und drei Jahre später entstand neben derselben die Gesellschaft der Schonenfahrer; der Handel nahm damals nämlich einen besonders lebhaften Aufschwung. Der Bierhandel, welcher eifrig nach Flandern und Burgund betrieben ward, ebenso der Woll- und Tuchhandel mit Flandern und England, und der Heringsfang aus Schonen, brachten große Summen ein.

Aus unserm ältesten Seerechte, das seinem Hauptinhalte nach wahrscheinlich schon in den Jahren 1256—61 von den Kaufleuten der Nikolai-Neustadt zusammengestellt ist, vernehmen wir die deutlichsten Beweise von der Lebhaftigkeit unseres Verkehrs mit Flandern. Wahrscheinlich befanden sich aus Hamburgern bestehende Kaufmannsverbindungen zu Ostkerken und Utrecht, aus deren seerechtlichen Satzungen, nachdem sie vom neustädtischen Rate in Hamburg rezipiert waren, das Seerecht erwachsen ist. Die Glieder jener Verbrüderungen bildeten eine wohlorganisierte Körperschaft, unter einem selbstgewählten Oldermann, der in den Morgensprachen mit ihnen Gericht hielt, und sie zahlten regelmäßige Beiträge zu dem gemeinsamen Zwecke, die, zum Teil aufbewahrt, einen Fond zu größeren Ausgaben der Verbrüderungen bildeten. Diese letzteren, im Besitze von Niederlagen, s. g. Contore, wachten eifersüchtig über ihre Selbständigkeit, wollten nicht leiden, dass ihre Streitigkeiten vor die ausländischen Baillifs und Schöffen gebracht wurden, und wahrten den Zusammenhang mit der Heimat und deren Einrichtungen durch den Appellationszug nach Hamburg. Nicht jeder seehandelnde Kaufmann fuhr damals mit eigenem Schiffe, sondern er bediente sich wohl eines Lohnschiffers, pflegte aber seine Ware selbst zu begleiten. Von Bodmerei war noch keine Spur vorhanden; doch band die Mannschaft und die Befrachter des Schiffes ein innigeres und gemeinsames Interesse, da jener eine beträchtliche Führung (Güter, welche die Mannschaft für sich mitnimmt) gestattet war, die eine Rolle bei allen Zufällen zur See und bei den darüber etwa sich erhebenden Streitfragen spielte. Auch eine gemeinsame Befrachtung von Schiffen muss damals schon gewöhnlich gewesen sein. Wichtig war vor Allem die Fahrt noch auf Norwegen und Gothland, der Fische und anderer nordischen Produkte wegen, z.B. Holz, welche der Kaufmann zum Teil direkt nach Flandern führte, um sie dort, wie die aus dem Inlande bezogenen Waren, wie Metalle, Asche, Korn u. dgl. gegen andere Waren, z. B. Tuch, Mandeln, Feigen u. dgl. umzusetzen. Wolle bezog man aus England, und man weiß, welche Mühe sich im fiskalischen Interesse die Plantagenats gaben, diesen Produktionszweig zu fördern, der ihnen fast allein die Mittel zu den großen französischen Kriegen geliefert hat; Wein erhielt man aus Frankreich und aus Flandern, wo die Kölner den vom Rhein nach dem flandrischen Stapel brachten; Öl ward aus den großen Messen Binnenfrankreichs nach den Hafenstädten gefördert. Einen besonders wichtigen Ausfuhrartikel nach dem Westen bildete der im deutschen Inlande produzierte Waid, der in Flandern, wo damals die Woll- und Tuchmanufaktur in höchster Blüte stand, zum Tuchfärben gebraucht ward, und nicht minder das Wachs aus den Ostseeländern, besonders aus Preußen, dessen man allerorten zum Kirchendienst benötigt war. Ebenso war der Hering eine unentbehrliche Fastenspeise, und dagegen konnte der Nordländer, dessen raues Land wenig produzierte, der deutschen Getreide- und Lebensmittelzufuhren gar nicht entraten. Wichtig war für jene entlegenen Länder auch der Export an Metallwaren, besonders Geschirren, und der mannigfachen aus Leder gefertigten Artikel, weshalb in den deutschen Städten diese Industriezweige frühzeitig in hoher Blüte standen und vielfach die Sorge der Obrigkeiten herausforderten. Der Gerber- oder Gehrhof war ein öffentliches Institut und gelangte wohl weit später in die Hände des Schustergewerks; rücksichtlich der Grapengießer und der Qualität der von diesen zu liefernden Waren haben wiederholt die wendischen Städte gemeinsame Statute erlassen und die Erhaltung der Güte des Fabrikats durch Androhung scharfer Strafen gesichert. Ähnlich ging es in Bezug auf die für den Schonischen Heringshandel so wichtigen Böttcherarbeiten.

Es gab 1376 in Hamburg (die älteste Ämterrolle datiert aus diesem Jahre) 1.075 Meister der Gewerkt und Zünfte, die kaufmännischen mitgerechnet. Diese hießen: die flandrischen, die englischen Kaufleute, die Brauer von Amsterdam, die Lübecksfahrer, die Brauer von Stavern, die im Rödingsmarkt, die in der Bäckerstraße, die im Jakobi-Kirchspiele, Goldschmiede, Wollenweber, Bäcker, Carpentarii, Makler, Kerzengießer, Heringswascher, Siebmacher, Pelzer, Kannengießer, Drechsler, Fischer, Schmiede, Böttcher, Leinweber, Maler, Schuster, Schneider, Schlachter, Gerber und Wandschneider. Daneben finden sich um diese Zeit noch Kohlenhändler, Speermacher, Hutwalker, Kupferschmiede, Steinspalter, Lehmdecker, Wechsler, Müller, Teerkocher, Schenkwirte, Speckschneider, Vogelsteller, Taschenmacher, Helmschläger, Stuhlmacher, Sattler, Bartscheerer, Kistenmacher, Bootmacher, Riemenschneider, Armbrustmacher, Spindeldreher und Säger.

Es ist bekannt, wie im 14. Jahrhundert fast in allen deutschen Städten die Gewerke sich gegen das Regiment der herrschenden Geschlechter aufgelehnt haben. Zwar kannte man in Hamburg keine eigentlich stadtadligen Geschlechter, wie in den süddeutschen Städten, und selbst in Lübeck; aber sie wurden hier reichlich ersetzt durch die kaufmännische Geldaristokratie, auf deren Handelsbetrieb freilich vornehmlich der Flor des Gemeinwesens beruhte. Den Anstoß gab für uns der Braunschweiger Ämteraufstand von 1375, und die Bewegung pflanzte sich um so eher nach Hamburg fort, als unsere Stadt im Namen der Hansa mit den Aufständischen unterhandelte, diese durch Sendbriefe in den andern Hansestädten gleiche Unruhen anzustiften suchten und in Hamburg der Stoff und die Vorbedingungen in dem Missvergnügen der Zünfte über das Stadtregiment gleichfalls vorhanden waren. Zwar nahm der Rat noch in demselben Jahre eiligst eine Revision der Ämterrollen vor, aber dies ersparte der Stadt den Aufstand keineswegs. Das Hauptverlangen der Ämter, außer den Kramern, Böttchern, Kerzengießern und Heringswaschern, welche vier am meisten vom Kaufmanne abhingen, ging aus Milderung der durch die Piratenverfolgung gemehrten hohen Abgaben, auf Erlass des s. g. halben Schosses, wozu sie den Rat zu zwingen gedachten. Die aufrührerischen Gewerke verbanden sich eidlich zu diesem Zweck und wollten auch sonst noch allerlei Beschwerden abgestellt haben. Sie teilten dies einigen Bürgern mit, welche die Sache zur Kunde des Rates bringen durften. Letzterer beschloß nun, durch Einige aus seiner Mitte im Remter des Marien-Magdalenenklosters die Wünsche der Ämter entgegen zu nehmen und ihnen inzwischen Sicherheit gegen Gefährdung anzugeloben; die Ämter taten das Gleiche. Am bezeichneten Orte verhandelte nun Donnerstag nach Jnvocavit der Bürgermeister Wighersen nebst 3 Ratmännern und 24 Deputierten der Kaufleute mit den Ämtern. Diese brachten ihre Begehren vor und wollten sie schriftlich übergeben. Dessen weigerten sich Jene, wollten aber dem Rate das Vernommene hinterbringen. Die Antwort lautete: Der Rat könne wegen Notdurft der Stadt des halben Schosses unmöglich entraten, wolle ihn aber, sobald er nicht mehr erforderlich sei, gern den Ämtern erlassen; sie möchten solches der Ehre und dem Eide des Rates anheim stellen. Damit waren die Ämter nicht zufrieden, sondern drangen darauf, der halbe Schoß möchte ohne Widerrede abgeschafft werden. Da fragten die Ratsdeputierten: ob die Ämter vielleicht Ursach' zu haben vermeinten, wegen unrichtiger Verwaltung des Schosses zu argwöhnen; dann möchten sie 6—8 Personen wählen, denen der Rat für die letzten 26 Jahre, für die Amtszeit der ältesten Ratsmitglieder, Rechnung legen wolle. Sie würden daraus ersehen, wie die Abgabe nicht zu entbehren sei. Die Ämter wollten auch das nicht, noch den Ratsdeputierten Zeit gönnen, um davon Meldung zu tun, woran auch vernünftige Vorstellungen der Kaufleute anfänglich nichts zu ändern vermochten, und es kam zu heftigen Drohungen. Durch fortgesetzte Bemühungen gelang es endlich, den begehrten Aufschub zu erwirken und das Versprechen der Ämter, sich inzwischen der Tätlichkeiten zu enthalten. Am folgenden Freitag ließ nun der Rat alle Kaufleute, Kramer, Böttcher, Kerzengießer und Heringshändler in die Katharinen-Kirche fordern, wo er ihnen durch seine Deputierten kund gab, was mit den Ämtern verhandelt worden sei. Wie die letzteren dies hörten, traten sie in der Johannis-Kirche zusammen, schickten ihre Werkmeister in die Katharinen-Kirche und begehrten, dass man Deputierte zur gütlichen Verhandlung, wozu sie bereit seien, ernennen möchte. Darauf sandte der Rat wiederum seine vier Abgeordnete, denen 24 aus den Kaufleuten beigeordnet wurden. Da wurde man einig, die Ämter sollten vor dem Rate erscheinen und um Erlass des Schosses bitten, was die Kaufmannschaft ebenfalls tun wolle, doch dürfe der Rat in seinem Beschlusse nicht beschränkt werden. Was die anderen Beschwerden anlange, so sollten deswegen innerhalb 14 Tagen in jedem Amte Morgensprachen gehalten und die Beschwerden schriftlich den Morgensprachherren übergeben werden. Endlich sollten die Eide und Pflichten, mit denen sich die Ämter unter einander gebunden hätten, aufgehoben und aller Groll über das Geschehene vergessen sein. Als nun die Ämter mit den Kaufleuten dem Rate den Vergleich vortrugen und die Ämter um Erlass des halben Schosses baten, schlug der Rat dies wiederum ab, wegen Unentbehrlichkeit der Auflage. Das verdross die Handwerker und einige von ihnen ließen verlauten: die Kaufleute wären ja oft auf Reisen, ihrer Nahrung wegen, und da würde sich wohl Gelegenheit finden, eine Zeit abzupassen, in welcher man den Handel noch einmal besser versuchen könne. Als dem Rate diese und ähnliche Drohungen hinterbracht wurden, ließ er die Kaufleute und die mit ihnen haltenden Gewerke aus Donnerstag nach Judica wieder berufen, beschickte sie durch seine vier Deputierten und teilte ihnen das Vorhaben der Ämter mit. Da beschlossen die Kaufleute mit einem Eide, dem Rate wider die Ämter beizustehen. Am folgenden Freitag wählten die Kaufleute 24 aus ihrer Mitte und ließen die Werkmeister der Ämter berufen und verlangten eine Versammlung aller Ämter am nächsten Sonnabend im Marien-Magdalenen-Kloster; dort sollten Alle das zu halten schwören, was zwischen dem Rate und den gemeinen Ämtern verglichen und abgehandelt worden, um Ruhe und Frieden zu halten. In dieser Versammlung weigerten sich die Ämter heftig des Eides; allein die Kaufleute wußten sie doch zu überreden und die Ämter traten sogleich vor den Rat und legten den begehrten Eid ab. So ward wieder Ruhe und Frieden in der Stadt; allerdings nur für kurze Zeit, da die Ursachen zur Unzufriedenheit geblieben waren und der Argwohn über die Verwaltung der Abgaben sich einmal geregt hatte. Hamburg hatte damals ungefähr 16.000 Einwohner, darunter 2.643 Bürger. Der Aufruhr der Ämter entbrannte dafür desto heftiger alsbald in Lübeck, weshalb Hamburg für einige Zeit den Vorsitz der hansischen Städte übernehmen musste und mit vieler Mühe die weggejagten Lübecker Ratsherren wieder zu ihren Stellen verhalf, bis 1410, nicht ohne Zusammenhang mit diesen Lübecker Händeln, auch in Hamburg wieder ein zufälliges Ereignis den Funken des Argwohns und der Unzufriedenheit zur Flamme anfachte. Die Bestrebungen der Magistrate, ihre Macht zu behaupten gegen Bürgerschaften, die, in den reichen Steuerzahlungen, wie in den unaufhörlichen Kämpfen mit den Feinden des Gemeinwesens allmählich ihres Schwergewichtes und ihres Wertes in den letzteren inne geworden, auch mit zu raten begehrten in den allgemeinen nicht sowohl, wie in den finanziellen Angelegenheiten, das natürliche Verlangen, die Verwendung der von den Bürgern geforderten Gelder kennen zu lernen und das natürliche Misstrauen gegen die Ehrlichkeit der Verwaltenden, als diese aus höheren Rücksichten die Art der Verwendung geheim hielten, waren die Zündstoffe im Kreise der Bürger, der nur eines zufälligen Funkens wartete, um auch bei uns in Flammen auszubrechen. Hatten doch in Lübeck die Gewerke die Teilnahme an der Verwaltung ertrotzt und sogar einen Teil des Rates aus der Stadt getrieben, der sich bei den befreundeten Ratsfamilien in Hamburg aufhielt und mit ihnen über Mittel zur Rache und Wiederherstellung der alten Zustände sann! Die hiesigen Gewerke, ohnedies mit den Lübeckern in altgewohnter geschäftlicher Verbindung, sahen die Parteiung ihres Rates für die Lübecker Stadtjunker ungern. Da ereignete sich, dass Herzog Johann von Lauenburg nach Hamburg kam, wie üblich mit sicherem Geleite, und dessen ungeachtet von einem hiesigen Gläubiger, Brand, dem er eine beträchtliche Summe schuldete, auf offener Straße gemahnt, und als er nicht zahlte, geschimpft ward. Der Herzog suchte nun mit Manier wieder rasch aus der Stadt zu kommen und verklagte, heimgekehrt, den Brand beim Rate wegen Schimpfens und Friedensbruches. Der vorgeforderte Brand meinte, man müsse wohl Eidesworte, nicht aber Mahnworte sonderlich erwägen; aber der Rat wollte dies nicht gelten lassen, sondern ließ Brand durch acht Ratsherren, da man seinen Anhang fürchten mochte, in den Bürgergewahrsam, den Winserthurm, führen. Da versammelten sich alsbald die Bürger im Remter vom Marien-Magdalenen-Kloster oder im Schafferhause am Neß, und wählten einen Ausschuß von 60 Personen, die Brand'sche Sache zu untersuchen und darüber mit dem Rate zu traktieren. Die Gewählten erachteten, die Hastnahme Brands sei wider das vom Rate 1405 gegebene Gelöbnis, als er den Handel mit den gegen die Holstengrafen siegreichen Dithmarschen den Bürgern verbot, nämlich keinen Bürger künftig unerkannten Rechtens wegen gefangen setzen zu wollen; die Sechsziger setzten es durch, dass die acht Ratspersonen den Brand wieder aus dem Turm holen und feierlich in die Bürgerversammlung geleiten mussten, wogegen sich der Rat das weitere Rechtsverfahren vorbehielt. Nun ward im Beisein des Ausschusses die Sache nochmals verhandelt und durch Zeugen Brands Benehmen gegen den Herzog vergewissert; doch kam kein Schluß in die Sache und man wagte nicht, gegenüber der drohenden Stimmung der Bürger, dem Brand sofort wieder etwas anzuhaben. Bei dieser Gelegenheit hatten die Sechsziger freilich noch andere Forderungen gestellt: der Rat solle die Parteinahme für die abgesetzten Lübecker abtun und diese aus der Stadt entfernen, auch den Gerd Quickborn seines Ratstuhles entsetzen. Daraus konnte und wollte der Rat nicht eingehen, brachte aber doch einen sogenannten Receß mit den Bürgern zu Stande, d.h. einen feierlichen Rat- und Bürgerschluss, der in einer bestimmten, aus Regulierung der innern Verhältnisse zielenden Absicht entworfen und gefaßt, und sodann in die Hände der Bürger niedergelegt ward. Die Sechsziger hatten die vier Bürgermeister vor sich gerufen und ihnen zu erkennen gegeben, dass einzelne vom Rate Ungebührliches gegen die Bürger verübt hätten, und vereinbarten, dass solche sich rechtfertigen und dergleichen in Zukunft unterbleiben sollte. Sie versprachen darauf, Namens der Bürgerschaft, dass sie dem Rate nach aller Redlichkeit beiständig sein wollten, wenn er in Rechtssachen, Kriminalverbrechen ausgenommen, die nicht verbürglich, stets ein Urteil vorausgehen lassen werde, ehe Jemand gefänglich eingesetzt werden könne. Sie vereinten sich daraus mit dem Rate u. A. darüber. dass die Lübecker Ratsherren sammt ihrem Anhange nicht in Hamburg geduldet werden sollten; dass der Rat in hansischen Angelegenheiten nichts Wichtiges ohne Mitgenehmigung der Bürger abschließe, keinen offenbaren Krieg anfange, Niemandem, der einem Bürger schuldig sei, ferner freies Geleit erteile, und die Bekümmernisse der Freiheit der Stadt binnen wie außen — wahrscheinlich durch Bebauen, Umzäunen u. dgl. — nicht mehr ohne Vollbort der Bürger dulde. Auch sollten die Abgaben in Kriegszeiten und sonstigen Bedrängnissen nach Übereinkommen mit den Bürgern bestimmt, diesen schleuniges Recht, gegen Ratsmitglieder selbst, gesichert, auch kein Leibeigener seinem früheren Herrn ausgeliefert werden. Die Abgabe der Bürger ward auf 8 ß 1 (Pfennig) von der Mark Silber für gewöhnliche Zeiten bestimmt. Außerdem wurden Verfügungen vereinbart über Bierbrauen, die Beförderung der Englandsfahrer, die Münze, Untreue der städtischen Beamten, Verpflegung der Kranken im Spital St. Georg und Vertretung der Bürger im Auslande. Die Münze anlangend, so sollte nach dem Münzreceß dieses Jahres zwischen den vier Städten, ein englischer Nobel 36 Lübecker Schillinge gelten, eine französische Krone 17 Schillinge, ein rheinischer Gulden 13½ Schillinge, ein polnischer Gulden 8 Schillinge, der Lübecker Gulden 17 Schillinge, und 100 Schillinge sollten ein Loth wiegen. Nach dem über solche Vereinigung abgefassten Rezesse, welcher jedem der vier Kirchspiele abschriftlich, und dem Rat mit dem großen Stadtsiegel versehen, mitgeteilt ward, war also fortan die Teilnahme der Bürger an der höchsten Gewalt gesichert, während der Rat die vollziehende Gewalt, den Schutz der Bürger, die äußere Gewalt behielt, ohne dass solche Befugnisse genau abgegrenzt wurden. Die Folge war, dass beide Parteien, wie der Verfolg lehren wird, ihre Befugnisse weiter auszudehnen strebten.

Wie aus einem Lübecker Zeugnis über die Stadtverfassung von 1340 hervorgeht, hatte allerdings von jeher die dem Rate gegenüberstehende Gemeinheit der Bürger eine Art Verfassung besessen. Während die sogenannten Wittigsten, d. h. die Vorsteher der Zünfte und die Kirchgeschwornen, bei Angelegenheiten zugezogen wurden, wo es sich um wichtige Rechte und Verträge, so wie um den Grund und Boden der Stadt handelte, traten die erbgesessenen Bürger, die gemeinen Bürger, dem Rate gegenüber, wenn es sich um wichtigste Staatsangelegenheiten handelte. Diese Berechtigung war es nun, deren Feststellung und Erweiterung der erste Receß versuchte. Im Übrigen ist an der Stadtverfassung in dieser Periode nichts Wesentliches geändert worden. In Hamburg, das um die Mitte derselben eine städtische Einnahme von 7000 F, bei einer Ausgabe von ca. 2000 F hatte, stand nämlich die gesamte Verwaltung, nach der ältesten Ratsrolle, dem Rate zu. Unter den 18 Ratmännern und 2 Bürgermeistern waren die Ämter geteilt; so hatten zwei davon die Kämmerei unter sich und verwalteten die Stadtgelder. Ihnen wurden die Überschüsse abgeliefert, die sie mit den Privilegien in der Staatskiste bewahrten. Die Urkunden der Threse, wohin auch Privatleute ihre Urkunden zu legen pflegten, befanden sich in einem mit Bildern verzierten und mit vier Schlössern versehenen Schranke, zu denen jeder der Bürgermeister einen Schlüssel hatte. Eine Abgabe ward unter dem Namen Bede durch dazu deputierte Bürger erhoben und den beiden Schoßherren eingeliefert. Auch die milden Stiftungen waren nicht steuerfrei, wohl aber die Curien der Domherren. Eine Abgabe ward von den Testamenten erhoben und zwar von den Deputierten zu Wegen und Stegen, eine andere aus Nachlässen Verstorbener, die 1359 den vierten Teil aller Staatseinkünfte ausmachte. Die Stadt besaß eigene Ziegelhäuser und eine Kalkfabrik, um Feuersgefahr möglichst zu verhüten; doch brachten diese Institute wenig ein. Ein Ratsherr bewahrte damals das Stadtsiegel. Das Bauwesen stand unter den Kämmereiherren, welche auch die Abgaben der Handwerker, den Ertrag des Weinkellers, der Mühlen, Mühlsteine, der Wedde, der Kalk- und Ziegelbrennereien, des Krahnes und der Waage einzuziehen hatten. Es finden sich um diese Zeit Einkünfte vom alten Wein und andere vom neuen, und die Weinherren vermieteten Keller für jährliche Heuer, so einen unter der Münze im Petri-Kirchspiel und einen andern unter den Weinbuden. Außer den Mühlenherren finden wir Mühlensteinherren, die Geld und Mühlsteine zu liefern hatten, die Umschaffung und Bearbeitung der rohen Steine zu leiten, auch wohl andere für städtische Zwecke erforderliche gehauene Steine zu besorgen hatten. Das Rechtsprechen war in den Händen zweier Ratsherren, seit 1312 Prätoren, auch wohl Vögte genannt; sie hatten die Aussicht über das Weichbild der Stadt, auch wohl eine Kontrolle über die Mühlen und den Mehlhandel. Nicht bedeutend war die städtische Einnahme von Zöllen, indem der Schauenburgische der Stadt zur Hälfte wenigstens lange bestritten ward, und der vom Turme zu Neuwerk 1350 nur 51 Thaler einbrachte, 1353 85 Thaler. Schon früh kommt eine Kriegssteuer vor, die aber später zu friedlichen Zwecken benutzt ward. Accise und Wedde sind sehr alte Ratsämter: jene, die Ziese auf fremdes Bier, kommt schon im vierzehnten Jahrhundert vor. Im Jahre 1350 kommen zuerst Münzherren vor, die große Summen, z. B. 1351 und 1354 600 Thaler einzuliefern hatten. Das älteste Kriegswesen der Stadt stand ebenfalls unter der Leitung zweier Herren des Rates; 1350 finden wir ein Wapenhaus (Muserey) in der Spitalerstraße; zu Diensten der Stadt wurden 8 besoldete Krieger (die späteren Reitenden Diener) zu Roß gehalten, an deren Spitze der reitende Vogt stand. Diesem versprachen die Herren, auf den Fall, dass er gefangen würde, ihn mit 200 F auszulösen, im Alter erhielt er 200 F und freie Wohnung; 1308 finden wir einen städtischen Marstall, 1350 eine Ausgabe von 230 F für die Pferde der Ratsherren, die per Stück 3 F 4 Schillinge kosteten. Das Schützenwesen der Stadt war wichtig: so findet sich ein magister pilorum, der (Richard Schütter) 1352 ein Gehalt von der Stadt bezog. Daneben für das grobe Geschütz (Bliden, Serpentin) ein balistarius; der größte Teil der von der Stadt zu stellenden hundertachtunddreißig Schützen bestand aus Bürgern, die ihr Schützenhaus am Stadtgraben, unweit des Perleberger Thores besaßen (1387 in der Depenau); sie erhielten 1350 12 F von der Stadt, und ihre Hauptleute waren Ratsherren. Für die Sicherheit der Stadt sorgten auch die auf den Tortürmen postierten 12 Wächter und der 1350 zuerst genannte Boomschluter.

Das oben als Versammlungshaus der Bürger angeführte Schafferhaus, auch Gildehaus genannt, an der Ecke vom Neß und Brotschrangen belegen, der ältesten Stadtapotheke gegenüber, und 1560 an Privatleute verkauft, hätte der Stadt im 14. Jahrhundert beinahe Händel mit dem Erzbischofe und den holsteinischen Grafen verursacht. Die Bürger wollten dort eine Kapelle errichten, was aber die Geistlichen nicht duldeten, und die Grafen wie der Erzbischof unterstützten diese in Ausrechthaltung des Allein-Rechtes der Petri-Kirche für diese Gegend.

Der älteste Teil der Stadt, das Petri-Kirchspiel, hat in dieser Zeit eben keine großen Veränderungen erlitten, nur dass es ferner noch mehr ausgebaut ward, als früher. Der Speerfort, damals noch ein Marktplatz, hatte an der Nordseite die Petri-Kirche, deren Turm man 1342 anfing und erst 1516 vollendete, südwärts den Dom und mündete nach Osten zu im Schul- oder Marienthore, dem Endpunkte der alten bischöflichen Stadt, gegen die gräflichen Besitzungen im jetzigen Jakobi-Kirchspiele. Vom Dome führte zum ältesten Markt, dem Fischmarkte, eine Treppe hinab, der Domstegel. An diesem Markte lag das älteste Rathaus, etwa an der Ecke des Schopenstehls, der den Marstall, die Aschenhude (freier Platz zur Aufbewahrung von Holzasche), das Hering- oder Salzhaus, das Physikatshaus des Kapitels enthielt und ostwärts mit dem Perlebergerthore abschloss. Auf dem Fischmarkte stand das Hehlhaus, worin herrenloses Gut bewahrt ward (vielleicht auch das Verkaufshaus der Schuster), und die Herberge der Schuster. Vom Speerfort gelangte man zum damaligen Hauptmarkte der Stadt, dem Berg, wo das Bödelhuus oder Kathuus sich fand, die Wohnung des Scharfrichters mit dem Gefängnis für die verurteilten Verbrecher, die von hier zur Hinrichtung geführt zu werden pflegten. Von hier nach der kleinen Bäckerstraße ging der älteste Fleischschrangen, den die Stadt 1265 gekauft hatte und 1387 pflastern ließ; bei diesem Gebäude ging die Filterstraße oder Hutmacherstraße ein, die aus den Dom zuführte und die Herbergen mehrerer anderer Ämter enthielt. Vom Berge kam man südwärts durch die Pelzerstraße, wo die Englandsfahrer und die Schonenfahrer ihre Gesellschaftshäuser besaßen, die s. g. Ober- und Niedergesellschaft, nach der kleinen Bäckerstraße einer-, und nach dem Dornbusch andererseits, damals Garbraderstraße genannt. Hier lag das Münzhaus und der Ratsweinkeller, und das Eimbeckische oder Hohe Haus, eine Niederlage für Eimbecker Bier, seit 1325. Nach dem Fischmarkte hinab führte die Riemenschneider- oder Schmiedestraße, deren unteres Ende die Sattlerstraße hieß, eine der ältesten Gassen der Stadt; die große Bäckerstraße, jünger als ihre gleichnamige Schwester, aber schon 1268, die kleine Johannisstraße, schon 1248 genannt, und die große Johannisstraße, früher die lange Brückenstraße, weil ihr unterer Teil eine lange Brücke war, die über das sumpfige Terrain nach der Mühlenbrücke führte und schon 1250 ziemlich bebaut war, stießen in einem Dreieck zusammen. Wir finden sodann noch die Straße der Knochenhauer, welche zum Küterhause an der Alster hinabführte, ferner die Mühlenbrücke mit der Niedermühle und dem Mühlenthor, das aber 1292 bei Vereinigung der Alt- und der Neustadt verschwand; das alte Mühlenthor lag neben der Wassermühle am Ende der Straße hinter St. Peter, am Anfang des Reesendamm. Der Platz vor dem Johanniskloster und seiner Kirche scheint damals noch unbebaut gewesen zu sein, da die Straße hinter dem breiten Giebel, anfangs Gärberstraße oder Gärberplatz genannt, erst im 16. Jahrhundert angeführt wird. Die nach der Alster hin von der Petri-Kirche unbebaute abfallende Fläche hieß Rame und bildete einen Teil des Heidenwalles; eine Straße war hier schon gepflastert und führte wohl vom Thore zu dem dortliegenden Wandhause. Nördlich von der Niedermühle lagen hart an einem Alsterarm die Gebäude des Marien-Magdalenen-Klosters und seiner Kirche, von Gärten, wie das Johannis-Kloster, umgeben. Ein Wegedamm ging vom Kloster westwärts über einen Alsterwärder, der Mönchsdamm gehießen, zu einem Pförtchen an einer Brücke, Schliekut genannt, zum alten Milderenthore. Von diesem Damme, ebenfalls aus einer Alsterinsel, erstreckte sich der 1246 angelegte Alte Wall, mit dem Blauen Turme am Ostund einem eigenen Thore am West-Ende. Westlich von dieser Altstadt erstreckte sich nun die älteste Neustadt, das Nikolai-Kirchspiel, und südwärts bis zur Elbe hin. Der Wall oder die Mauer zum Schutz derselben ging über den Rödingsmarkt, so dass das jetzige Fleet den Wallgraben bildete, während gegen die Elbe und Alster die Deiche längs der Deichstraße und Kajen hinreichenden Schutz gewährten. Die Nikolai-Kirche erhielt 1384 einen Turm; bebaut waren die Neue Burg, der Hahntrapp (von den Hühnerhändlern), der kleine Burstade, auch Schmiedestraße genannt, mit dem Weinkeller der Neustadt, der große Burstade, früher eine Landstraße, seit 1362, und der Hopfen- oder Neumarkt, ferner die Holz- oder Grütztwiete; der große Deich (Deichstraße) und die Kajen (kleiner Deich) waren noch ohne Häuser, ebenfalls die Steintwiete, die am westlichen Ende ein Tor hatte. Die Westseite des Rödingsmarktes, wo die meisten Brauer wohnten, lag noch außerhalb der Stadtmauer, an seinem nördlichen Ende vor dem Milderenthore war der Schweinemast, deshalb Swinshörn genannt. Das heilige Geistspital lag außerhalb der Stadt, ebenso wie die Strand- (Schaar-) Kapelle der heiligen Marie eben außerhalb des Schaarthores. Noch im 13. Jahrhundert hatte man begonnen, die Insel südlich von der Altstadt zu bebauen, und im 14. Jahrhundert bildete sie ein städtisches Quartier, wenigstens bis zum Hopfensack; es entstanden dort außerhalb des Hadeler Thores die Reichenstraßen, nebst der ersten Brandstwiete, die Wohnstätte vorzugsweise der Kaufleute, ostwärts vom Hopfenthore begrenzt. Zur Verbindung diente die Milchbrücke, so wie die von der großen Reichenstraße nach dem Fischmarkt führende Schuhbrücke oder Schusterbrücke. An der Ecke vom Neß und Brotschrangen lag das Gilde- oder Schafferhaus, das Schauenburgische Zollhaus vor der Zollenbrücke, dem Rathause gegenüber an der Stelle der alten Börse das Niedergericht. Die Trostbrücke, von einem Kruzifix so genannt, führte nach der Neuenburg. Im 14. Jahrhundert wurde nun der Wärder zwischen Dovenfleet und Gröningerstraße ebenfalls angebaut, welcher übrigens schon am Ende des 13. Jahrhunderts zur Stadt gerechnet wurde. Aus dem Katharinenkirchhof blieb indessen die Süd- und Westseite noch ohne Häuser und die Kirche selbst war noch eine bloße Kapelle, ohne Turm, an den Mühren (Mauern) hatte nur die Nordseite Häuser, ebenso wie beim Neuen Krahn. Die Einfahrt an der Hohen Brücke war durch zwei starke Türme gedeckt. Der Mattentwiete gegenüber lag das Schalhus- oder Brookthor, neben dem Barenthurm, wo der Brookvogt wohnte. Bierbrauer haben besonders den Cremon, welcher anfangs bis zur Reimerstwiete ging, und die Catharinenstraße bebaut; mit Häusern besetzt waren schon der Steckelhörn (von einem Stack so genannt), der Grimm, die älteste Straße dieser Gegend, die alte Gröningerstraße; dagegen waren bloße Wege die zweite Brandstwiete, an deren unterem Ende das Bauthor lag, der Hüxter, welcher mit dem Levenbergerthor gegen die Brauerstraße abschloss. Die Einfahrt beim Winserbaum war durch zwei mächtige Türme gesichert; der eine lag am Meßberg, der andere am Ende des Dovenfleets, von dem eine Mauer mit einzelnen Türmen, wie den Hakenthorn bei der Lembkentwiete, längs des Dovenfleets und dem nachherigen Zippelhause, längs den Mühren, beim Krahn, längs den Kajen bis zum Schaarthor die südliche Befestigung der Stadt bildete. Was das Jakobi-Kirchspiel endlich betrifft, so wurde seine Kirche 1354—1391 gebaut, seit 1308 ging am Alsterthor eine Mauer, dem Heidenwall folgend, in der Richtung der spätern Raboisen, der kurzen Mühren nach dem Spitalerthore, von hier längs der langen Mühren zum Steinthore oder Lübeckerthore, von wo sie sich in der Richtung der Neustraße und der Pumpen nach dem Meßberg hinabzog und dort mit dem Dovethor, zwischen einem großen Billbrack und der Elbe ihren Abschluß erhielt. Um die Mitte des Jahrhunderts wurden die Hauptgassen dieses noch viele wüste und selbst verrufene Plätze enthaltenden Stadtteiles gepflastert. Früh angebaut waren der Pferdemarkt, die Steinstraße, die Breitestraße, die Barkhöfe und die Spitalerstraße. Zwischen der Spitalerstraße und den Raboisen lag der Nichtplatz mit dem Schindanger und dem Gassenkummerplatz, am Ende der Rosenstraße der wüste Kirchhof der Verwiesenen. Die Gertruden-Kapelle entstand am Ende des 14. Jahrhunderts, der Schweinemarkt lag noch außerhalb der Stadt, indem die letztere am Orde der Steinstraße, beim alten Steinthore, zu Ende war. Die Springeltwiete, wie die Fuhlentwiete, sind ursprünglich Bäche von Wasserabflüssen gewesen, die von der hohen Geest nach der Elbe hinabführten, und waren in dieser Zeit wohl nur von Gärten eingefaßt; wenigstens war die dortige Besitzung der Schauenburger Grafen von solchen umgeben. Einzelne Häuser mögen am Klingberg und in der Depenau, wo damals der Schützenhof lag, schon existiert haben. Die Elbwärder südlich von den Mühren und dem Dovenfleet waren unbebaut, bis aus wenige Häuser in der Gegend des jetzigen alten Wandrahmen, wo der Kalkhof lag und die Wandbereiter ihre Rahmen hatten zum Trocknen der Tücher.

Das westliche Alsteruser jenseits der Stadt, auf dessen Abhang jetzt das Michaelis-Kirchspiel liegt, war in dieser Zeit noch ziemlich wüst. In das Eichholz, wo einst König Waldemars Burg gestanden (daher hieß die ganze Gegend am Feendsberg), hatte man 1375 den Schützenhof verlegt, und zwischen dem Gehölz und der Gegend des jetzigen Bleichergangs lagen die Reeperbahnen, mit ihrem Trockenhaus (Dröge). Vor dem Walle lag an Elbe und Alster entlang ein niedriges Wiesenland, die Gegend zwischen den Vorsetzen und dem Bleichergang und Schaarsteinweg, und die jetzigen Großen Bleichen. Aus der Hochfläche waren öde Sandstrecken, die Gegend des Spielbudenplatzes und der Sternschanze, oder Weideland, wie das Heilige-Geistfeld und der sich am Alsterufer entlang ziehende Brunokamp. Einzelne zerstreute Gehöfte, von Landwirten bewohnt, zeigten sich hier an den noch durch Hauptstraßen markierten Reddern, wie der Rosenhof, von dem 1375 die Bürger eine Wasserleitung nach der Stadt zu anlegten, die ihren Brunnenhof am Teilfeld (Ziegelfeld) hatten, von welchem ein Bach, der Teilbeck, hinabfloss zum jetzigen Pferdeborn. Überhaupt war die ganze Hochfläche sehr quellenreich, und Wasserläuse und Redder, noch jetzt im Gängeviertel angedeutet, durchfurchten den Abhang. Dieser in seiner ganzen Ausdehnung zwischen dem alten Steinweg und dem großen Bäckergang, hieß das Teilfeld, und die Hamburger legten, die gute blaue Tonerde zu Ziegeln verwertend, aus der Hügellehne zwischen dem Hohlenweg und der großen Michaelisstraße Ziegelhütten an, die unter besonderer Aussicht des Rates standen. Die Gegend an der andern Seite der Alster, die jetzige Vorstadt St. Georg, damals Rövekamp genannt, war unbebaut, oder höchstens zu einzelnen Feldern eingeteilt, mit Wald bestanden, durch den der Weg zum Spital tom Stege führte, oder Weide, wie die Gegend vor dem Stein- und Spitalerthor, der Borschesch oder Borgesch (Bürgerweide) genannt. Der sumpfige Hammerbrook, schon gegen die Elbe durch Deiche geschützt, ging hart bis an die Neustraße und Depenau hinan; die Bille ergoss sich durch ein großes Brack beim Dovethor in die Elbe. Die Anlage des Stadtdeiches bewirkte, dass der Wasserpriel der Elbe, die Dove-Elbe genannt, alsbald sich mehr zum Strome verbreiterte, dem man nachher durch Kunst nachgeholfen hat, um den Strom mehr in die Stadt zu leiten und die Dove-Elbe längs der Stadtmauer schiffbarer zu erhalten. Im Süden der Stadt lag der Neue Brook, der jetzige Grafbrook, eine uneingedeichte größere Elbinsel, wohl nur zur Sommerweide benutzt, eine andere Elbinsel aber war beim Eichholze, zwischen den Vorsetzen und dem Bleichergang und Brauerknechtgraben; der 1831 zugeworfene Graben des Bleichergangs war wohl der Rest des früher dort vorhandenen Elbarmes.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Geschichte der Stadt Hamburg