Zweites Capitel. - Neue Angriffe auf Justines Tugend. – Wie der Himmel sie für ihr unverletzliches Pflichtgefühl belohnt.

Bevor wir fortfahren, erscheint es uns wesentlich die Leser vorzubereiten. Die meisten werden zweifellos erraten haben, daß der erwähnte Diebstahl ein Werk der Desroches war. Aber wovon sie vielleicht nicht überzeugt werden, ist, daß Dubourg an dieser Geschichte beteiligt war. Auf den Rat dieses Sünders hatte die Desroches gehandelt. „Sie ist uns unfehlbar ausgeliefert, wenn wir sie aller Hilfsmittel berauben,“ hatte er ihr gesagt und so grausam diese Berechnung war, so sicher stimmte sie. Als Dubourg mit der Delmouse zusammen speiste, erzählte er ihr von dieser kleinen Missetat, und ihr in diesen Dingen erfinderischer Kopf begeisterte sich lebhaft. Das Endergebnis der Unterredung war, daß die Delmouse versprach, alles aufzubieten, um Justine während der drei Monate zu sich nehmen zu können, während derer ihr Mann auf dem Lande war. Während dieser Zeit sollte Dubourg neue Angriffe auf sie versuchen und würden auch diese nicht gelingen, so wollte man furchtbare Rache nehmen, damit, wie Dubourg sagte, auch in diesem Abenteuer die Tugend so mißhandelt werde, wie sie es immer sein sollte, wenn sie dem Laster entgegenzutreten wagte. Von da an arbeitete die liebenswürdige Frau an der Verwirklichung dieses Vorhabens, und da ihr dei Gedanke, Justine in den Abgrund zu ziehen, großes Vergnügen bereitete, kam sie am nächsten Tag zur Desroches frühstücken. „Sie haben gestern mein Interesse erregt,“ sagte die Heuchlerin zu Justine, „ich glaubte nicht, daß man so außerordentlich keusch sein könne. Wahrhaftig Sie sind ein Engel der eigens vom Himmel geschickt ist, um die Menschen zu bekehren. Bisher habe ich mich vor Ihnen blos als ausschweifende Person gezeigt, aber, ich muß gestehen, ich habe mich durch ihr Beispiel plötzlich geändert. Und bei Ihrem Leben beschwöre ich, daß Sie mich von jetzt ab immer als Reuige und Tugendhafte sehen werden. O, Justine, willst du dich mit mir vor der Welt zurückziehen? Ich will immer dein großes Beispiel vor Augen haben, damit das Werk der Bekehrung rascher vollendet ist.“

„Ach Madame,“ erwiderte Justine, „ich bin nicht darnach angetan, als Beispiel zu dienen. Und wenn Ihre Aenderung aufrichtig ist, so verdanken Sie das dem höchsten Wesen und nicht mir. Ich danke Ihnen vielmals für die Zuflucht, die Sie mir anbieten und ich hoffe, daß meine Dienste ihre Woltat ausgleichen können.“ Die Desroches, die von der Delmouse eingeweiht war, hatte Mühe, bei dieser Komödie nicht in Lachen auszubrechen. Sie beglückwünschte Justine zu ihrem Erfolg und nachdem die Schuld beglichen worden war verließen Justine und die Delmouse das Haus.


Madame Delmouse bewohnte ein prachtvolles Haus. Dienerschaft, Pferde und die sehr kostbare Einrichtung zeigten Justine bald, daß sie bei einer der wohlhabendsten Frauen von Paris war.

„Weil ich älteren Dienstboten zu Dank verpflichtet bin,“ sagte die Delmouse, „ist es mir unmöglich, Sie gleich die obersten Stellen in meinem Haushalt einnehmen zu lassen. Aber Sie werden auch dazu gelangen, mein Engel, und glauben Sie, daß ich Ihnen trotz der Untergeordnetheit, in der Sie sein werden, nicht weniger Beachtung zuteil werden lassen werde. Sie werden in meiner Garderobe beschäftigt sein,“ fuhr die Delmouse fort, „und wenn Sie sich gut aufführen, erhebe ich Sie auf den Posten meiner dritten Kammerjungfrau.“ – „O, Madame,“ erwiderte Justine verwirrt, „ich hätte nicht gedacht ...“ – „Ach ich sehe Stolz an Ihnen, Justine; sind das die Tugenden, die ich von Ihnen erwartete?“ – „Sie haben Recht, Madame, Demütigkeit ist die erste Tugend. Befehlen Sie, daß man mir mitteilt, welcher Art meine Arbeit ist und seien Sie versichert, daß sie von mir genau ausgeführt werden wird.“ – „Ich werde Sie selbst einführen, mein teures Kind,“ erwiderte die Delmouse, indem sie Justine in zwei hinter den Glasnischen des Boudoirs angebrachte Zimmerchen führte. „Sehen Sie, hier ist der Ort, der auf Ihre Pflege wartet,“ sagte sie, indem sie ein mit Bidets und Badestühlen angefülltes Kabinet öffnete, „hier handelt es sich nur um die Instandhaltung. In jenem anderen,“ fuhr die Delmouse fort, „kommt noch ein etwas weniger anständiger Umstand dazu. Sie sehen, das ist ein Leibstuhl, es gibt derartige nach englischer Art, aber ich ziehe den hier vor. Sie werden schon erraten haben, welcher Art Ihre Dienste hier sind und daß Sie sich auch mit jenen Porzellangefäßen befassen werden müssen, die kleineren Bedürfnissen dienen. Aber ich muß Ihnen noch von einer Sache Mitteilung machen, die mir zur Gewohnheit geworden ist, und die ich nicht ohne Kummer vermissen würde.“ – „Und worum handelt es sich, Madame?“ – „Du mußt immer zugegen sein, wenn ich entleere und ... den Rest will ich dir ins Ohr sagen, mein Kind, denn ich erröte angesichts deiner Tugend ... du mußt mit diesem Koton hier die Flecken wegbringen, die diese schmutzigen Notwendigkeiten unbedingt mit sich bringen.“ – „Ich selbst, Madame?“ – „Ja, mein Kind, du selbst. Deine Vorgängerin tat noch viel Schlimmeres; aber dich, meine teure Justine, achte ich ja, du bist tugendhaft und das flöst mir Scheu ein.“ – „Nun, was machte denn meine Vorgängerin?“ – „Sie machte dasselbe, aber mit ihrer Zunge.“ – „Ah, Madame!“ – „Ja, ich fühle wohl, daß das hart ist, aber dahin führen uns die Verweichlichung, Schwelgerei und die Vernachlässigung aller sozialen Pflichten. Aber ich bessere mich, meine Teure, ich bekehre mich und dein erhabenes Beispiel wird das Wunder bewirken. Du wirst gut gehalten werden, Justine, du wirst mit meinen Frauen zusammen speisen und hundert Taler im Jahre erhalten. Genügt das?“ – „Ach! Madame,“ erwiderte Justine, „eine Verunglückte handelt nicht. Jede Hilfe, die ihr zuteil wird, ist ihr Recht.“ – „O, Sie werden mit allem zufrieden sein, Justine, ich verspreche es Ihnen,“ erwiderte die Delmouse. „Aber ich vergaß ganz Ihnen Ihr Zimmer zu zeigen. Es schlißt gleich an die beiden Kabinette an. Hier ist es. Es ist eine Art Festung; ganz abgeschlossen. Hier ist Ihr Bett, hier die Klingel, wenn ich Sie benötige. Ich lasse Sie jetzt allein, mein Herz, glücklich, daß ich etwas zu Ihrem Wohlbefinden beitragen konnte.“ Kaum war Justine allein, als sie in Tränen ausbrach. „Wie,“ sagte sie sich angesichts der eben ausgestandenen Erniedrigung, „diese Frau, die mich in ihr Haus aufnimmt, weil sie angeblich meine Tugend schätzt, gefällt sich darin, mich so tief zu demütigen. Ach warum muß es Leute geben, die gezwungen sind, anderen so erniedrigende Dienste zu leisten. O, süße Brüderlichkeit dei Natur, wirst du niemals unter den Menschen herrschen?“

Man rief Justine zum Mittagessen und dabei machte sie die Bekanntschaft ihrer drei Genossinen, die alle drei schön wie die Engeln waren. Am Abend begann sie ihre ehrenvolle Tätigkeit. Sie führte den Schwamm wusch und reinigte und alles geschah derart lautlos, daß sie sich sehr verwunderte. Es schien, als ob es unter der Würde der Frau Gräfin Delmouse läge, mit ihrer Dienerin zu sprechen.

Bald bemerkte die arme Waise, daß die Beispiele von Tugend, die man von ihr zu sehen gewünscht hatte, um sie nachzuahmen, noch keine Heilige aus ihrer verehrungswürdigen Herrin gemacht hatten. Die Schurkin zog aus der Abwesenheit ihres Gatten allen möglichen Nutzen und legte sich keinerlei Mäßigung auf. Wüste Orgien spielten sich ab und einmal schlüpften zwei oder drei junge Männer sogar in die Kabinette, in denen gerade Justine ihrem Dienst nachkam. Es kam zu Tätlichkeiten, aber als sich Justine darüber beklagte, hörte man ihr kaum zu. Eines Tages glaubte sie die Stimme Dubourgs zu hören. Sie lauschte, konnte aber nichts unterscheiden. Er war es, aber die Vorsichtsmaßregeln waren gut gewählt und so war alles, was sich gegen sie abspielte, mit dem dichtesten Schleier des Geheimnisses umhüllt.

Sie führte ungefähr zwei Monate dieses ruhige und gleichmäßige Leben, als Madame Delmouse, die sich nicht mehr halten konnte, eines Abends ganz erhitzt vom Weine, zu ihr herein trat. „Justine,“ sagte sie mit milder Miene, „die Stelle meiner dritten Kammerjungfrau wird bald frei werden. Suzanne, die sie inne hatte, hat sich in meinen ersten Bedienten verliebt. Ich verheiratete die Beiden. Aber, mein Kind, wenn Du vorrücken willst, mußt Du mir Gefälligkeiten leisten, die sehr verschieden von denjenigen sind, die bisher die Grundlage deines Dienstes bildeten.“ – „Und worum handelt es sich, Madame?“ – „Du mußt mit mir schlafen, Justine, Du mußt mich kitzeln.“ – „O, Madame, ist das die Tugend?“ – „Wie, Du bist von dieser Chimäre noch nicht abgekommen?“ – „Eine Chimäre, Madame? ... Die Tugend eine Chimäre?“ – „Sicherlich ist sie das, mein Engel. Die einzigen Naturgesetze sind unsere Leidenschaften. Einen Augenblick glaubte ich, die heftige Lieb, die du mir einflößt, besiegen zu können; ich glaubte, daß Deine bloße Anwesenheit die Schmerzen mildern könnte, die Deine Augen in meinem Herzen hervorgerufen haben; aber Deine Unempfindlichkeit regte mich umso mehr auf. Ich kann meine Leidenschaften nicht mehr zügeln, ich muß sie um jeden Preis befriedigen. Komm, folge mir nach, himmlisches Mädchen.“ Und die Delmouse zog Justine trotz ihres Sträubens in ihre Zimmer. Es gab nun nichts, was die Verführerin nicht anwendete, um das junge Mädchen von ihrer Tugend anzubringen. Geschenke, Versprechungen, Schmeicheleien, Alles wurde in Bewegung gesetzt. Aber vergeblich. Die Delmouse mußte einsehen, daß nichts fähig war, Justines Tugend umzustossen. Von diesem Augenblick an, wandelte sich aber, wie bei allen Personen ihres Schlages, die Wollust in Wut.4

„Niederträchtiges Geschöpf,“ sagte sie zu ihr, schäumend vor Zorn, „ich werde Dir mit Gewalt entreissen, was Du mir gutwillig nicht geben willst.“ Sie klingelte. Zwei Frauen erschienen, die schon vorbereitet waren. Fast nackt wie die Delmouse, mit aufgelösten Haaren, Bacchantinnen gleichend, er griffen sie Justine und entkleideten sie. Delmouse kniete nun nieder und, würde man es glauben? ... Die Niederträchtige! ... sie leckte Justine, indem sie ihr einen Finger ins Arschloch steckte. Eine der Frauen mußte ihr die Clitoris kitzeln, die andere die zwei kaum erblühten Brüste des bezaubernden Mädchens. Aber noch sprach die Natur nicht in dem unschuldigen Herzen der Waise. Kalt, unempfindlich gegenüber allen versuchten Angriffen, antwortete sie auf die Anstrengungen der lüsternen Frauen nur mit Seufzen und Tränen. Bald wurden die Stellungen gewechselt. Die schamlose Delmouise setzte sich rittlings auf die Brust des schönen Kindes und drückte ihr die Schamlippen auf den Mund. Eine der Frauen kitzelte sie gleichzeitig vorne und hinten, die andere half Justine zum Entladen zu bringen, deren hübsches Gesicht zweimal von den unreinen Samenergüssen der Delmouse überschwemmt wurde, die wie ein Mann entlud. Alles das war Justine ein Greuel. Nichts war imstande, sie aufzuregen. Aber dadurch wurde die Delmouse in noch mächtigere Wut versetzte. Sie ergriff Justine bei den Haaren, zerrte sie in ihr Zimmer und sperrte sie dort auf mehrere Tage bei Wasser und Brot ein. Bei alledem hatte Madame Delmouse nur an die Befriedigung ihrer Leidenschaft gedacht. Sie hatte ihr Uebereinkommen mit Dubourg fast aus den Augen verloren, aber die Hoffnung auf Rache brachte der Delmouse ihr Versprechen wieder in Erinnerung. Sie freute sich bei dem Gedanken, dieser Unglücklichen einen Feind mehr bereiten zu können.

Am achten Tag ließ die Delmouse Justine frei. „Nehmen Sie Ihre Tätigkeit wieder auf,“ sagte sie in ernstem Tone, „und wenn Sie sich gut aufführen, kann ich vielleicht das Geschehene vergessen.“ – „Madame,“ erwiderte Justine, „ich würde es gerne sehen, wenn Sie meine Stelle jemandem Anderen übergeben würden. Ich merke nur zu sehr, daß ich Ihr Gefallen nicht werde erringen können.“ – „Dazu bedarf ich zwei Wochen Zeit,“ sagte Madame Delmouse, „tun Sie Ihren Dienst bis dahin ordentlich, dann will ich Sie ersetzen lassen.“ Justine war zufrieden und die Ruhe war wieder hergestellt.

Ungefähr fünf Tage vor Ablauf dieser Frist befahl Madame Delmouse Justine vor dem Schlafengehen zu sich: „Haben Sie keine Angst, Fräulein,“ sagte sie zu ihr, da sie ihre Aufregung bemerkte, „ich will mich nicht ein zweitesmal Ihrer Mißachtung aussetzen.“ Justine trat ein. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie Dubourg halbnackt inmitten der beiden Weiber der Delmouse sah, die beide eifrig bestrebt waren, seine Leidenschaften zu befriedigen. Wie wurde ihr, als sie die Türen hinter sich schließen hörte und aus dem Ton der Reden und den Gesichtsausdrücken nichts wie Unheil entnahm! „Oh, Madame!“ rief sie aus, indem sie der verruchten Frau zu Füßen fiel, „welche neue Falle haben Sie mir gestellt? O großer Gott! Welch Verbrechen begehen Sie gegen alle menschlichen und göttlichen Gesetze!“ „O, das wird noch ganz anders werden!“ rief Dubourg aus, indem er seine unsauberen Lippen auf den zarten Mund Justines preßte, die mit Abscheu flüchtete. Aber man ergriff sie, riß ihr die Kleider herab und bald stand sie nackt vor den lüsternen Absichten Dubourgs da.

Der Finanzmann war sicher, heute zwei Nummern zu machen und wollte damit die beiden Entjungferungen an Justine verbinden. Zuerst wurde ihm die Scheide dargeboten. Er trat an Justine unter Führung der Delmouse heran, die sein Schwert in Händen hielt, um es selbst in das Opfer einzuführen. Aber der Schuft wollte zuerst sein Idol, den Hintern, sehen. Und der Justines war so schön! Man deckte ihn auf und er schlug und kniff, ohrfeigte sein Opfer und griff sogar die drei Schönheiten an, die ihn umgaben. Unglücklicherweise kitzelte man ihn während dieses Vorspiels sehr geschickt und ach! obwohl alles gut vorbereitet war und er noch Zeite hatte, sich auf Justine zu werfen, war Alles umsonst. Die Waffe knickte zusammen, sowie sich die Flüssigkeit entleerte, die ihr den Halt gegeben hatte. Dubourg, der mächtig entlud, verlor dabei den Kopf. Er besaß nicht mehr genug Geistesgegenwart und nicht genügend Kraft, um ihn geradeaus hineinzustecken. „Ah, Teufel noch einmal, verfluchte Schweinerei!“ schrie er, indem er die arme Justine mit Faustschlägen bearbeitete und ihre Scheide mit Samen übergoß, „mein Plan ist nicht gelungen.“

„Habe keine Angst, Dubourg,“ sagte die Delmouse, „der Gott oder der Teufel, der diese kleine Hure beschützt, wird nicht immer Sieger bleiben. Kräftige Dich, ich weiß dazu Mittel und Wege!“ Gleichzeitig rieb sie ihm die Hoden mit einer Flüssigkeit ein und ließ ihm eine Brühe verabreichen, deren Wirkung, wie sie behauptete, unzweifelhaft war. An diese Reizmittel schlossen sich neue Liebkosungen der drei Frauen an. Da diese nichts außeracht ließen, was zum Ziele führen konnte und man den schönen, nackten Körper Justines auch noch mitverwendete, gelang es bald, das Glied Dubourgs wieder zum Stehen zu bringen. Da er vorhin die Scheide als Ziel gewählt hatte, zeigte sie man ihm wieder. „Nein, nein, ich will den Popo haben!“ rief er aus, „diese Dreckscheide hat mir Unglück gebracht, ich hasse sie. Nur her mit dem Hintern, meine Freundinnen, nur den Arsch will ich ficken!“ Nachdem sein Wunsch erfüllt worden war, drückte der geile Bock vorerst einige Küsse auf die entzückenden kleinen Arschbacken Justines, die bewiesen, welche Macht dieser Körperteil über ihn besaß. Dann ergriff die Delmouse sein Glied und während die beiden Weiber die Arschbacken auseinanderhielten, trachtete sie, es einzuführen. Schon entlockten die ersten Angriffe Justine furchtbare Schreie, da entwand sie sich den Armen, die sie halten wollten, und stürzte sich unter schmerzlichem Schluchzen unter das Bett. Hier verteidigte sich unsere Heldin wie in einer Festung und gibt den Belagerern zu erkennen, daß sie eher umkommen wolle, als daß sie sich ergäbe. Der grausame Dubourg schlug mit einem Spazierstock nach ihr, aber sie war gewandter wie ein Aal und wich jedem Schlag aus. „Man muß sie erdrücken,“ sagte Dubourg. „Man muß sie unter den Matrazen ersticken.“ Aber die Natur machte zum zweitenmal die verbrecherischen Hoffnungen Dubourgs, der sich ununterbrochen das Glied rieb, zunichte. Er fand kaum Zeit, sich in den Popo des einen hübschen, siebzehnjährigen Mädchens zu stürzen und schon erlosch sein Feuer derart, daß Justine hoffen konnte, den Rest der Nacht in Ruhe zu verbringen. Aber noch immer zitterte die Unglückliche. Nichts könnte sie bewegen, ihre Zuflucht zu verlassen, bevor sie sich nicht bezüglich Dubourgs vergewissert hatte. Endlich flüchtete sie in ihr Zimmer, schluchzend und die Delmouse anflehend, sie aus einem Dienst zu entlassen, in dem ihre Tugend jeden Augenblick so harten Prüfungen ausgesetzt war. Die Delmouse antwortete überhaupt nicht.

Ohne zu bedenken, daß sich die Rache der Verbrecher unausbleiblich an ihrem Haupte vollziehen würde, nahm Justine auf Zureden ihrer Genossinnen ihre Tätigkeit wieder auf.

Madame Delmouse hatte die Gewohnheit, wenn sie in ihre Garderobe ging, ihre prachtvolle, mit Diamanten besetzte Uhr auf einen Schrank zu legen. Sobald sie fertig war, steckte sie sie wieder ein, vergaß sie auch öfters und dann brachte sie ihr Justine alsbald nach. Drei Tage nach dem Ereignis, das wir soeben erzählten, geriet die Uhr von Madame Delmouse in Verlust und fand sich diesmal nicht wieder. Man befragte Justine, die auf ihre bewiesene Redlichkeit hinwies. Die Delmouse sagte kein Wort. Aber am Abend des nächsten Tages hörte Justine, nachdem sie sich mit tränenden Augen auf ihr Bett geworfen hatte, um einige Augenblicke der Ruhe zu genießen, die Tür öffnen. Gerechter Gott! Es war ihre Herrin, die einen Kommissär und Schutzleute hereinführte. „Tun Sie Ihre Pflicht,“ sagte sie zu dem Diener der Gerechtigkeit. „Dieses unglückselige Mädchen hat meine Uhr gestohlen, Sie werden sie bei ihr oder in ihrem Zimmer finden.“ – „Ich – Sie bestohlen, Madame?“ sagte verwirrt Justine, indem sie sich verzweifelt auf ihr Bett warf. „Ah, wer könnte mehr von meiner Redlichkeit und meiner Unschuld überzeugt sein, wie Sie?“ Dabei fielen ihre erschreckten Augen unwillkürlich auf einen der vier Männer, die dem Kommissär als Begleitung dienten und – Großer Gott! – in ihm erkannte sie Dubourg. Er war es, dieser unersättliche Lüstling, der unter dieser Verkleidung selbst kam, um die Verzweiflung und den Schmerz seines Opfers zu sehen. „Ich bin verloren,“ sagte Justine, als sie ihn erkannte. Sie wollte weiter sprechen, allein die Delmouse machte solchen Lärm, daß man unsere unglückliche Waise nicht hörte. Nun forschte man nach und die Uhr fand sich wirklich. Dubourg, der sie selbst versteckt hatte, zeigte sie dem Kommisär unter der Matraze. Bei Beweisen von solcher Särke gab es nichts zu erwidern. Justine wurde ergriffen und Dubourg streitet sich mit seinen Kameraden um die Ehre, sie selbst knebeln zu dürfen. Dicke Stricke zerrissen, zerfetzten die Hände der Unschuld. Ja, der Verbrecher soll sogar die Kühnheit gehabt haben, die Hände, die er fesselte, seiner Hose zu nähern, um ihnen die Wirkung dieses grausamen Schauspiels auf seine erregten Sinne zu zeigen.

Ohne sich verständlich machen zu können, wurde Justine in einen Fiaker geworfen. Dubourg und sein Kammerdiener begleiteten sie unter der Maske von Soldaten nach den Gefängnissen, in die sie beide eher hineingepaßt hätten. Sobald Dubourg im Wagen war, verübte er Grausamkeiten, die man sich nicht vorstellen kann. Justine war wehrlos und Themis selbst beschützte das Verbrechen. Mit Hilfe des Kammerdieners wurden ihr die Röcke aufgeschürzt und Dubourg küsste, schlug und mißhandelte sie am ganzen Körper. Aber wieder wurde der Altar mit dem Opfertrank begossen, der fürs Heiligtum bestimmt war und den zu großer Eifer nicht an seinen Bestimmungsort gelangen ließ. Endlich langte der Fiaker an. Man stieg aus und unsere Heldin wird als Diebin eingesperrt ohne daß sie auch nur ein Wort zu ihrer Rechtfertigung vorbringen konnte.

Mit einem Unglücklichen, der keinen Einfluß hat, wird kurzer Prozeß gemacht Justine konnte sich soviel sie wollte verteidigen: Ihre Herrin klagte sie an, die Uhr hatte sich in ihrem Zimmer gefunden; es war klar, daß sie sie gestohlen hatte. Als sie vorbringen wollte, wie man ihre Ehre angegriffen habe wie sich Dubourg verkleidet und was er während der Ueberführung getrieben habe, hielt man ihr entgegen, daß Herr Dubourg und Madame Delmouse seit langem als achtbare, solcher Greuel unfähige Leute bekannt seien. Sie wurde also nach der Conciergerie gebracht, wo ihre Hartnäckigkeit mit Entziehung ihrer Freiheit belohnt wurde. Erst ein neues Verbrechen sollte sie retten. Alle Klagen und Beschwerden Justines über ihre Verderber waren vergeblich. Ja der Himmel überschüttete diese Schufte sogar im Gegenteil mit Glück. Die Delmouse erbte einige Tage später von einem Onkel 50.000 Pfund Rente und Dubourg erhielt von der Regierung eine neue Einnahmequelle, die seine Einkünfte um 400.000 Frank jährlich erhöhte.

Es ist also doch wahr, daß die Wohlfahrt das Verbrechen begleitet und belohnt und daß auch inmitten der Verderbnis und des Verbrechens das heimisch sein kann, was die Menschen Glück nennen. Wie viele Beispiele für diese traurige Wahrheit werden wir noch aufzuzählen haben!5




4 Bei allen ist die Grausamkeit entweder die Ergänzung oder das Mittel, zur Wollust. Es gibt keinen einzigen grausamen Mann, der nicht auch zugleich Lüstling gewesen ist; und umgekehrt keinen ausschweifenden Menschen, der nicht grausam wird. Im übrigen ist die Grausamkeit so wie der Schmerz nur ein Seelenzustand, der durchaus von uns unabhängig ist. Und wir sollten weder über den einen erröten, noch den anderen verherrlichen. Der Mensch strebt mit verschiedenen Mitteln nach der Glückseligkeit. Nero fand ebensoviel Lust darin, seine Opfer zu erwürgen, wie Titus darin, keinen Tag vergehen zu sehen, an dem er nicht Gutes getan hätte.

5 Diese Wahrheit ist entmutigend, sagen die Dummköpfe. Man soll sie den Menschen nicht mitteilen. Aber wenn es eine Wahrheit ist, warum sie verbergen. Es heißt die Menschen nicht lieben, wenn man ihnen so wichtige Wahrheiten vorenthält, was immer auch geschehen möge. (Anmerk. d. Verfass.)