Luther und das Zölibat.
Gab es nicht auch Millionen von Sklaven, welche die Sklaverei natürlich fanden und sich nie befreit hätten, wenn nicht aus der Klasse der Sklavenhalter selbst die Befreier erstanden wären?
Und ist es bei der gegenwärtigen sozialistischen Bewegung anders? Wie viel Arbeiter lassen sich nicht noch von ihren Unterdrückern nasführen?
Der Unterdrückte bedarf des Anregers und Anfeuerers, da ihm selbst die Macht und die Fähigkeit zur Initiative fehlt. So war es bei der Sklaverei, so war es bei der Leibeigenschaft und Hörigkeit, so war und ist es bei dem modernen Proletariat und so ist es bei der Befreiung und Emanzipation der Frau. Selbst dem in seinem Befreiungskampfe vergleichsweise günstig gestellten modernen Bürgertum brachen adelige und geistliche Wortführer die Bahn.
Welche Mängel und Fehler auch immer das Mittelalter hatte, wahr ist, dass es von einer gesunden Sinnlichkeit beseelt war, dass ihm die heuchlerische Gespreiztheit und Blödigkeit und versteckte Lüsternheit unserer modernen Zeit, die sich scheut und spreizt die Dinge beim rechten Namen zu nennen und über natürliche Dinge auch natürlich zu sprechen, fremd war. Es kannte auch nicht jene pikante Zweideutigkeit, worin man Dinge, die man aus mangelnder Natürlichkeit und aus Sitte gewordener Prüderie nicht offen nennen will, einhüllt und damit nur um so gefährlicher macht, weil diese Sprache reizt aber nicht befriedigt, nur ahnen lässt aber nicht klar ausspricht: Unsere gesellschaftliche Unterhaltung, unsere Romane und unsere Theater sind voll dieser pikanten Zweideutigkeiten und die Wirkung liegt zu Tage. Dieser Spiritualismus, welcher nicht der Spiritualismus des transcendenten Philosophen, sondern der des Roué ist, und sich überall auch hinter den religiösen Spiritualismus versteckt, hat heute eine gewaltige Macht.
Die gesunde Sinnlichkeit des Mittelalters fand in Luther ihren klassischen Dollmetsch. Mit dem religiösen Reformator habe ich hier nichts zu tun, über diesen lautet mein Urteil anders wie über Luther als Mensch. In letzterer Beziehung trat Luther’s kräftige urwüchsige Volksnatur unverfälscht hervor; diese zwang ihn rückhaltlos und treffend sein Liebes- und Genussbedürfniss auszusprechen.
Ihm hatte seine Stellung als ehemaliger römischer Geistlicher die Augen geöffnet; er hatte die Unnatur des Mönchs- und Nonnenlebens aus der Praxis, so zu sagen am eignen Leibe, kennen gelernt, und daher die Wärme, womit er das priesterliche und klösterliche Cölibat bekämpfte. Seine Worte gelten auch heute noch allen Jenen, die da glauben wider die Natur sündigen zu dürfen und welche meinen es mit ihren Begriffen von Moral und Sittlichkeit vereinigen zu können, wenn die staatlichen oder die gesellschaftlichen Einrichtungen Millionen verhindern ihren Naturzweck zu erfüllen; darum seien sie hier nochmals erwähnt. Er sagt:
„Ein Weib, wo nicht die hohe seltsame Gnade da ist, kann eines Mannes ebenso wenig entrathen als essen, schlafen, trinken und andere natürliche Notdurft. Wiederum also auch ein Mann kann eines Weibes nicht entrathen. Ursach ist die: es ist ebenso tief eingepflanzt der Natur Kinder zu zeugen, als essen und trinken. Darum hat Gott dem Leib die Glieder, Adern, Flüsse und Alles was dazu dient, gegeben und eingesetzt. Wer nun diesem wehren will und nicht lassen gehen, wie Natur will und muss, was thut er anders denn er will wehren, dass Natur nicht Natur sei, dass Feuer nicht brenne, Wasser nicht netze, der Mensch nicht esse, noch trinke, noch schlafe?“
Treffender kann kein Arzt und Physiologe die Notwendigkeit der Befriedigung des Liebesbedürfnisses im gesunden Menschen, das durch den Geschlechtstrieb erweckt wird, bezeichnen. Es ist ein Gebot des Menschen gegen sich selbst, das er mit Strenge erfüllen muss, wenn er in normaler und gesunder Weise sich entwickeln will, kein Glied seines Körpers in der Übung zu vernachlässigen, keinem natürlichen Trieb seine Befriedigung zu versagen. Jedes Glied soll die Funktionen, für die es von Natur bestimmt ist, vollziehen, bei Strafe der Verkümmerung und der Schädigung des ganzen Organismus. Die Gesetze der physischen Entwickelung des Menschen müssen ebenso genau studirt und befolgt werden, wie die Gesetze der geistigen Entwickelung. Die geistige Tätigkeit des Menschen ist der Ausdruck der physischen Beschaffenheit seiner Organe, die volle Gesundheit der ersteren hängt mit der Gesundheit der letzteren auf das innigste zusammen; eine Störung in dem einen Teil muss auch störend auf den andern wirken. Die sogenannten tierischen Leidenschaften nehmen keine tiefere Stufe ein wie die sogenannten geistigen, die einen wie die andern sind Wirkung desselben Gesammtorganismus und die einen sind von den andern beständig beeinflusst.
Und ist es bei der gegenwärtigen sozialistischen Bewegung anders? Wie viel Arbeiter lassen sich nicht noch von ihren Unterdrückern nasführen?
Der Unterdrückte bedarf des Anregers und Anfeuerers, da ihm selbst die Macht und die Fähigkeit zur Initiative fehlt. So war es bei der Sklaverei, so war es bei der Leibeigenschaft und Hörigkeit, so war und ist es bei dem modernen Proletariat und so ist es bei der Befreiung und Emanzipation der Frau. Selbst dem in seinem Befreiungskampfe vergleichsweise günstig gestellten modernen Bürgertum brachen adelige und geistliche Wortführer die Bahn.
Welche Mängel und Fehler auch immer das Mittelalter hatte, wahr ist, dass es von einer gesunden Sinnlichkeit beseelt war, dass ihm die heuchlerische Gespreiztheit und Blödigkeit und versteckte Lüsternheit unserer modernen Zeit, die sich scheut und spreizt die Dinge beim rechten Namen zu nennen und über natürliche Dinge auch natürlich zu sprechen, fremd war. Es kannte auch nicht jene pikante Zweideutigkeit, worin man Dinge, die man aus mangelnder Natürlichkeit und aus Sitte gewordener Prüderie nicht offen nennen will, einhüllt und damit nur um so gefährlicher macht, weil diese Sprache reizt aber nicht befriedigt, nur ahnen lässt aber nicht klar ausspricht: Unsere gesellschaftliche Unterhaltung, unsere Romane und unsere Theater sind voll dieser pikanten Zweideutigkeiten und die Wirkung liegt zu Tage. Dieser Spiritualismus, welcher nicht der Spiritualismus des transcendenten Philosophen, sondern der des Roué ist, und sich überall auch hinter den religiösen Spiritualismus versteckt, hat heute eine gewaltige Macht.
Die gesunde Sinnlichkeit des Mittelalters fand in Luther ihren klassischen Dollmetsch. Mit dem religiösen Reformator habe ich hier nichts zu tun, über diesen lautet mein Urteil anders wie über Luther als Mensch. In letzterer Beziehung trat Luther’s kräftige urwüchsige Volksnatur unverfälscht hervor; diese zwang ihn rückhaltlos und treffend sein Liebes- und Genussbedürfniss auszusprechen.
Ihm hatte seine Stellung als ehemaliger römischer Geistlicher die Augen geöffnet; er hatte die Unnatur des Mönchs- und Nonnenlebens aus der Praxis, so zu sagen am eignen Leibe, kennen gelernt, und daher die Wärme, womit er das priesterliche und klösterliche Cölibat bekämpfte. Seine Worte gelten auch heute noch allen Jenen, die da glauben wider die Natur sündigen zu dürfen und welche meinen es mit ihren Begriffen von Moral und Sittlichkeit vereinigen zu können, wenn die staatlichen oder die gesellschaftlichen Einrichtungen Millionen verhindern ihren Naturzweck zu erfüllen; darum seien sie hier nochmals erwähnt. Er sagt:
„Ein Weib, wo nicht die hohe seltsame Gnade da ist, kann eines Mannes ebenso wenig entrathen als essen, schlafen, trinken und andere natürliche Notdurft. Wiederum also auch ein Mann kann eines Weibes nicht entrathen. Ursach ist die: es ist ebenso tief eingepflanzt der Natur Kinder zu zeugen, als essen und trinken. Darum hat Gott dem Leib die Glieder, Adern, Flüsse und Alles was dazu dient, gegeben und eingesetzt. Wer nun diesem wehren will und nicht lassen gehen, wie Natur will und muss, was thut er anders denn er will wehren, dass Natur nicht Natur sei, dass Feuer nicht brenne, Wasser nicht netze, der Mensch nicht esse, noch trinke, noch schlafe?“
Treffender kann kein Arzt und Physiologe die Notwendigkeit der Befriedigung des Liebesbedürfnisses im gesunden Menschen, das durch den Geschlechtstrieb erweckt wird, bezeichnen. Es ist ein Gebot des Menschen gegen sich selbst, das er mit Strenge erfüllen muss, wenn er in normaler und gesunder Weise sich entwickeln will, kein Glied seines Körpers in der Übung zu vernachlässigen, keinem natürlichen Trieb seine Befriedigung zu versagen. Jedes Glied soll die Funktionen, für die es von Natur bestimmt ist, vollziehen, bei Strafe der Verkümmerung und der Schädigung des ganzen Organismus. Die Gesetze der physischen Entwickelung des Menschen müssen ebenso genau studirt und befolgt werden, wie die Gesetze der geistigen Entwickelung. Die geistige Tätigkeit des Menschen ist der Ausdruck der physischen Beschaffenheit seiner Organe, die volle Gesundheit der ersteren hängt mit der Gesundheit der letzteren auf das innigste zusammen; eine Störung in dem einen Teil muss auch störend auf den andern wirken. Die sogenannten tierischen Leidenschaften nehmen keine tiefere Stufe ein wie die sogenannten geistigen, die einen wie die andern sind Wirkung desselben Gesammtorganismus und die einen sind von den andern beständig beeinflusst.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frau und der Sozialismus.