Die Frau, das Genussobjekt des Mannes.

Bei den Frauen, die durch ihre pecuniäre und soziale Lage freier gestellt sind, macht sich meist wieder die angeführte falsche einseitige und oberflächliche Erziehung, in Verbindung mit den ererbten weiblichen Charaktereigenschaften sehr nachdrücklich geltend. Sie haben nur Sinn für reine Äußerlichkeiten, sie bekümmern sich nur um Tand und Putz und suchen in der Ausbildung eines verdorbenen Geschmackes und in der Frönung üppig wuchernder Leidenschaften ihre Tätigkeit und Befriedigung. Selbst für die Kinder und die Kindererziehung haben sie oft wenig Sinn, sie überlassen diese vielmehr so rasch und soviel als möglich der Amme und den Dienstboten, und überantworten sie in späteren Jahren der Pension.

Aus diesem Zustand der Frau haben sich Charaktereigenschaften herausgebildet, und von Generation zu Generation immer vollkommener vererbt, über welche die Männerwelt sich mit Vorliebe aufhält, obgleich sie durch die Art, wie sie das weibliche Geschlecht erzogen hat und beherrscht, die Hauptschuld daran trägt. Dahin gehören die so viel getadelte Zungenfertigkeit und Klatschsucht, die Neigung über die nichtigsten und unbedeutendsten Dinge unendliche Unterhaltungen zu führen, die Gedankenrichtung auf das rein Äußerliche, die Putz- und Gefallsucht und der daraus folgende Hang für alle Modetorheiten, ferner leicht erregbarer Neid und Eifersucht gegen die Geschlechtsgenossinnen.




Es sind dies Eigenschaften, die sich fast durchgängig, wenn auch im Grade verschieden, bei dem weiblichen Geschlecht schon im jugendlichsten Alter bemerkbar machen, also in hohem Grade als ererbte Anlagen angesehen werden können und durch die Erziehung weiter entwickelt werden. Ein selbst unvernünftig Erzogener kann schwer Andere vernünftig erziehen.

Schärfer noch, als es schon geschehen, muss hier abermals betont werden, dass, wenn wir uns über den Grund und die Entstehung uns sonst unverständlich erscheinender, guter oder schlimmer Eigenschaften der Geschlechter, oder auch ganzer Völker, klar werden wollen, wie dabei dieselbe Methode anwenden und dieselben Gesetze zu Rate ziehen müssen, welche die moderne Naturwissenschaft für die Untersuchung über die Entstehung und Ausbildung der Gattungen und Arten und ihrer Charaktereigenschaften, in der organischen Welt in Anwendung bringt. Also jene Gesetze, die nach ihrem Haupt-Entdecker vorzugsweise die Darwin’schen genannt werden und sich aus den materiellen Existenzbedingungen, der Vererbung und Anpassung, resp. Züchtung erklären.

Was in der ganzen Natur für alle Lebewesen gilt, davon kann der Mensch keine Ausnahme machen, denn der Mensch steht nicht außerhalb der Natur, er ist nichts als das höchst stehende Tierwesen. Aber das will man in bezug auf den Menschen heutigen Tages noch wenig gelten lassen, und doch hatten die Alten schon vor Jahrtausenden, obgleich sie die moderne Naturwissenschaft nicht kannten, in vielen menschlichen Dingen vernünftigere Anschauungen als die Modernen, und, was die Hauptsache ist, sie wandten ihre Erfahrungen praktisch an. Man hört heute so oft mit enthusiastischer Bewunderung von der hohen Schönheit und Kraft der freien Männer und Frauen Griechenlands sprechen, vergisst aber gar zu leicht, dass es nicht bloß das glückliche Klima und die bezaubernde Beschaffenheit des Landes in Verbindung mit dem buchtenreichen Meere war, das auf die Gestalt und Entwickelung der Bevölkerung einwirkte, sondern die unter der freien Bevölkerung allgemein von Staatswegen mit Konsequenz durchgeführten Körperausbildungs- und Erziehungsmaximen, die alle darauf berechnet waren, körperliche Schönheit, Kraft und Gewandtheit mit Elastizität und Schärfe des Geistes zu verbinden. Und wenn in geistiger Beziehung auch das Weib im Vergleich zum Manne vernachlässigt wurde, so sicher nicht in Bezug auf körperliche Entwickelung*). In Sparta, wo man in der körperlichen Ausbildung beider Geschlechter am weitesten ging, wandelten Knaben und Mädchen bis ins mannbare Alter nackt, sie übten sich gemeinsam in körperlichen Exerzitien, Spielen und Ringkämpfen. Der Staat suchte durch die nackte Darstellung des menschlichen Körpers die sinnlichen Überreizungen zu verhindern. Ein den damaligen Zuständen entsprechend durchgeführter Kommunismus ermöglichte die freie Liebeswahl, welche unpassende und darum unnatürliche Eheschließungen erschwert.



Bei uns herrschen, insbesondere über weibliche Erziehung, himmelweit verschiedene Begriffe. Dass auch die Frau körperliche Kraft, Mut und Entschlossenheit haben müsse, das wird vorläufig noch als etwas sehr ketzerisches und als ,,unweiblich“ angesehen, obgleich allein schon durch diese Eigenschaften die Frau sich vor hundert verschiedenen kleinen und größeren Unbilden und Unannehmlichkeiten besser zu schützen wüsste, als es jetzt der Fall ist. Dahingegen wird die Frau in ihrer körperlichen Entwickelung, genau wie in ihrer geistigen, mehr gehemmt und unterdrückt. Die strenge Scheidung der Geschlechter im geselligen Verkehr, bevor sie noch das Kindesalter eigentlich überschritten haben, eine Erziehungsmethode, die ganz den spiritualistischen Anschauungen entspricht, welche das Christentum in Bezug auf alles was menschliche Natur betrifft, uns tief eingepflanzt hat, begünstigt diese Hemmungen.

*) So fordert Plato in seinem „Staat“: „Dass die Frauen den Männern ähnlich erzogen werden“, und für die Herrscher seines Idealstaats verlangt er sogar eine sorgfältig vorgenommene Zuchtwahl, er kannte also die Wirkung sorgfältiger Auslese auch für die Entwickelung der Menschen. Aristoteles stellt als Erziehungsgrundsatz auf: „Erst muss der Körper und dann der Verstand gebildet werden.“ Und er führt weiter aus: „Die Jugend darf aus dem Gesamtgebiet nützlicher Tätigkeit nur diejenige üben, die sie nicht herabwürdigt . . . Für herabwürdigend ist jede Tätigkeit, Kunst und Wissenschaft zu achten, welche den Leib, die Seele oder den Verstand freier Menschen zur Anwendung und Ausübung der Tugend verhindert.“

Die Frau, die nicht zur Entwicklung ihrer körperlichen Anlagen gekommen ist, in der Ausbildung ihrer geistigen Fähigkeiten aber geradezu verkrüppelt wurde, die im engsten Ideenkreis gefangen gehalten wird und nur in Verkehr mit ihren nächsten weiblichen Angehörigen kommt, kann sich unmöglich über das Alltäglichste und Gewöhnlichste erheben. Ihr geistiger Gesichtskreis dreht sich ewig um die engsten häuslichen Dinge, um verwandtschaftliche Beziehungen und was damit zusammenhängt. Die breitspurige Unterhaltung um die größten Nichtigkeiten, die Neigung zur Klatschsucht wird dadurch mit aller Macht gefördert, denn die in ihr lebenden geistigen Eigenschaften drängen nach Betätigung und Übung. Und der solchergestalt in allerlei Unannehmlichkeiten verwickelte und zur Verzweiflung getriebene Mann verflucht und verwünscht Eigenschaften, die er, das „Haupt der Schöpfung“, hauptsächlich auf dem Gewissen hat.

Da die Frau auf die Ehe mit allen Fasern ihrer Existenz hingewiesen ist, so bilden Ehe- und Heiratsangelegenheiten einen so wesentlichen Teil ihrer Unterhaltung und ihrer Aspirationen.

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Auch ist für sie, die physisch schwächere, durch die Sitten und Gesetze dem Manne Unterworfene, die Zunge die einzige Waffe, die sie in Anwendung bringen kann, und diese benutzt sie natürlich reichlich. Ganz ähnlich verhält es sich mit der bei ihr so heftig getadelten Putz- und Gefallsucht, die in den Modetorheiten ihre so abschreckende Höhe erreicht hat und Väter und Ehemänner bis zur Verzweiflung treibt, ohne dass sie dagegen etwas ernstliches vermögen.

Auch hierfür liegt die Erklärung nahe.

Die Frau ist für den Mann in erster Linie nur Genussobjekt: ökonomisch ohnmächtig und abhängig ist sie genötigt in der Ehe ihre Versorgung zu erblicken, sie hängt darum von dem Manne ab, sie wird ein Stück Eigentum von ihm. Ihre Lage wird dadurch noch ungünstiger, dass die Zahl der Frauen in der Regel größer ist, wie jene der Männer — ein Kapitel, das näher noch beleuchtet werden soll. Durch dieses Missverhältnis steigt die Konkurrenz der Frauen unter sich, die noch mehr verstärkt wird, dass eine Anzahl Männer aus irgend welchen Gründen nicht heiraten. So ist die Frau genötigt, durch möglichst günstige Darstellung ihrer äußeren Erscheinung, den Wettbewerb um den Mann gegen alle ihre Geschlechtsgenossinnen in gleicher Lage aufzunehmen.

Man beachte nun, dass diese Missverhältnisse fast von Anfang jedes geregelten Gesellschaftszustandes an, also viele Hunderte von Generationen hindurch schon existieren, und man wird sich nicht mehr wundern, dass nach den natürlichen Vererbungs- und Entwickelungsgesetzen, diese Erscheinungen bei fortwährenden wirkenden gleichen Ursachen ihre heutige extreme Gestalt angenommen haben. Und zwar trägt heute dazu noch ganz wesentlich der Umstand bei, dass in keinem Zeitalter der Konkurrenzkampf der Frauen um die Männer so heftig war wie jetzt, weil teils die bereits angeführten, teils die später noch zu erörternden Ursachen, die Zahl der Frauen über jene der ehesuchenden Männer mehr vermehrt haben als je zuvor, und die Schwierigkeit der Existenz für die Frau, wie die gesellschaftlichen Anforderungen, sie mehr als je zuvor auf die Ehe, als einer „Versorgungsanstalt“ hinweisen.

Die Männer lassen sich, wie sie einmal in der Mehrzahl sind, diesen Zustand gern gefallen und ziehen die Vorteile daraus; es sagt ihrem Stolz und ihrer Eitelkeit zu, die Rolle des Stärkeren und des Herrn zu spielen, und sie sind in dieser Herrscherrolle schwer Vernunftgründen zugänglich. Umsomehr liegt es im Interesse der Frauen sich für die Herstellung von Zuständen zu erwärmen, die sie aus dieser entwürdigenden Stellung befreien. Die Frauen dürfen nicht auf die Männer warten, so wenig wie die Arbeiter auf die Bourgeois warten dürfen.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frau und der Sozialismus.