Die Gewerbe

Die Gewerbe haben sich in Persien [Iran] noch wenig entwickelt. Es bestehen nur Kleinbetriebe, deren Arbeiter lediglich Familienmitglieder sind. Selten sind es ganze Korporationen von Handwerkern, welche die Arbeiten ausführen. Ein großer Teil der Bevölkerung beschäftigt sich mit der Anfertigung von seidenen und baumwollenen Gegenständen, mit dem Gerben von Häuten, mit dem Weben von Teppichen und der Bearbeitung von Gold- und Silbersachen. Trotz der primitiven Werkzeuge und auch der nicht einfachen Arbeit sind die Seiden- und Baumwollgegenstände wegen ihrer Stärke und Güte weltbekannt. Die von den Persern hergestellten Gewebe sind meistens mit sehr hellen und schönen Farben vortrefflich gefärbt, und in dieser Beziehung ist das Verständnis, die verschiedenartigen Farben herzustellen und zu mischen, ihnen als besonderes Verdienst anzurechnen, wenn man bedenkt, dass chemische Mittel ihnen nicht zu Gebote stehen. Dazu kommt, dass die meisten Gegenstände sehr billig sind und infolgedessen in großer Menge in Iran selbst und auch jenseits seiner Grenze verbreitet sind. So wurden nach Russland über den Kaukasus im Jahre 1892 14.500 Pud von Baumwollgeweben ausgeführt.

Noch hoher steht die Anfertigung von Teppichen, die besonders ihrer Farben wegen sehr wertvoll sind, zumal diese selbst bei heißem Sonnenschein nicht ausbleichen. Die Teppiche werden in den Bezirken hergestellt, in denen die Viehzucht vorherrscht. Die Stickerei wird hauptsächlich von den Frauen ausgeführt. Am bekanntesten sind die Teppiche, die in Isfahan, Kirman und Jesd angefertigt werden.


Nach Russland wurden Teppiche ausgeführt:

im Jahre 1891 im Werte von 400.000 Rubel, 1892 im Werte von 250.000, 1893 im Werte von 232.000, 1894 im Werte von 271000 Rubel.

Auf die Teppiche entfallen annähernd 25 Prozent der ganzen Ausfuhr aus Persien. Bei der kunstvollen Arbeit, der Sorgfalt und Akkuratesse der Stickerei ist auch in Zukunft für die Teppiche kein Wettbewerb zu befürchten.

Die Lage der Weber ist aber nicht beneidenswert: sie müssen in Schuppen, Kellern und überhaupt in den schlechtesten Räumen arbeiten, wo sie sich vor der Sonne schützen und ein Wasserbassin anlegen können, damit das Material biegsam und elastisch bleibt. Diese ungünstigen Verhältnisse schädigen die Gesundheit von Hunderten von Arbeitern, und dennoch ist der Arbeitslohn nur gering. Für das Weben eines Schals im Werte von 1.000 Franken beträgt die reine Einnahme nicht über 400 Franken. Drei Weber arbeiten zusammen ein Jahr daran und erhalten dafür höchstens 35 Centimes für den Tag.

Sehr viele Leute sind auch Schuhmacher und haben als solche eine außerordentliche Fertigkeit erlangt. Ihre Arbeiten, besonders die Pantoffeln, sind mit Stickereien versehen. Das zu der Anfertigung der Fußbekleidung verwendete Leder ist besser als das türkische. Für die Pantoffeln und leichten Schuhe nimmt man Chagrinleder. Die daraus angefertigten Arbeiten sind billig und werden gern von den Stadtbewohnern gekauft.

Die Herstellung von Papier aus Baumwolle ist seit lange bekannt. Der Hauptbestandteil des Papiers ist Baumwolle, der man, je nachdem das Papier mehr oder weniger grob sein soll, Reisstroh, Hanfsamen, Nesseln zusetzt; bei besonders gutem Papier besteht die obere Lage aus Seidenkokons. Der letztere Umstand hat dazu geführt, dass die Europäer annehmen, dass das persische und auch das chinesische Papier aus Seide gemacht würde. Das persische Papier ist weiß und außerordentlich glatt; damit die Tinte nicht durchdringt, wird es mit einer dicken Lage von Beize versehen.

Besonders hervorzuheben ist auch die Kunst der Perser, Säbelklingen, Metall- und andere Arbeiten mit Gold oder Silber auszulegen, Besonders berühmt sind in dieser Beziehung die chorassanschen Klingen, welche, wenn auch nicht ihrer Güte, so doch dem Preise nach höher stehen als die in Damaskus hergestellten.

In letzter Zeit haben die Europäer die Perser auch in der Anfertigung von Feuerwaffen unterwiesen, mit deren Fabrizierung nach und nach in den einheimischen Arsenalen der Anfang gemacht wird.

Die Gold- und Silberarbeiter fassen Edelsteine in sehr kunstvoller Weise. Die Bewohner von Isfahan und Schiras verstehen es besonders, die Nargilehs mit getriebenem Gold und Silber, das mit Edelsteinen ausgelegt ist, zu verzieren.

Tischlereien und Glasarbeiten sind wohl vorhanden, aber die Perser leisten in dieser Beziehung nichts Hervorragendes, was zu beachten sein dürfte.

In der Herstellung von wohlriechenden Essenzen übertreffen die Perser alle Asiaten. Sie wenden alle möglichen Mischungen an, um deren Eigenschaften zu vervielfältigen, so dass es außerordentlich viel Sorten gibt. Am meisten wird Rosenwasser gemacht, das für das beste in der Welt gilt. Es wird in großer Menge verkauft und steht hoch im Preise, so dass große Einnahmen erzielt werden. Ganze Felder sind mit Rosen bepflanzt. Das Rosenöl wird destilliert, indem eine gewisse Menge Rosenblatter mit 1 ½ mal mehr Wasser begossen wird. In diese Masse gießt man dann noch destilliertes Wasser, schüttet es in flache Gefäße und setzt diese der Luft aus. Nach einiger Zeit bildet sich auf der Oberflache Rosenöl, das dann sehr vorsichtig abgeschöpft wird.

Trotz all dieser verschiedenartigen Zweige der Erwerbstätigkeit ist sie im allgemeinen im Niedergange begriffen und ist nicht imstande, mit den europäischen Fabrikaten in Wettbewerb zu treten. In den letzten Jahren wurden Versuche gemacht, die persische Industrie zu heben; es wurden Fabriken in der Umgegend von Teheran und in anderen Städten angelegt; ihre schlechte Organisation aber, die Trägheit der Bevölkerung, die Teuerung des Brennmaterials und endlich die hohen Abgaben und die drückende Einwirkung der Verwaltung führten dazu, dass die Fabrikate teuer und schlecht wurden, was die Nachfrage verminderte, so dass das Unternehmen missglückte. Unter solchen Umständen überfluteten ausländische Fabrikate Persien, und trotz ihrer bisweilen schlechten Beschaffenheit wurden sie in allen Städten gekauft.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Beziehungen Russlands zu Persien / Iran