Gneisenau an den König Friedrich Wilhelm III.

... Es sind nicht immer die stehenden Heere gewesen, die Throne und Staaten gerettet haben, häufig war es die Liebe eines für seinen Herrscher begeisterten Volkes. König Alfred von England hatte nichts mehr übrig als ein Bauerngewand, und dennoch rettete er Thron und Volk aus der Gewalt der damals allfurchtbaren Dänen.

Ew. Majestät werden mir, indem ich dieses sage, abermals Poesie*) Schuld geben, und ich will mich gern hiezu bekennen. Religion, Gebet, Liebe zum Regenten, zum Vaterland sind nichts anderes als Poesie, keine Herzenserhebung ohne poetischen Schwung. Wer nur nach kalter Berechnung handelt, wird ein starrer Egoist. Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet. Wie so mancher von uns, die wir mit Bekümmernis auf den wankenden Thron blicken, würde eine ruhige, glückliche Lage in stiller Eingezogenheit finden können, wie mancher selbst eine glänzende erwarten dürfen, wenn er statt zu fühlen nur berechnen wollte. Jeder Herrscher ist ihm dann gleichgültig. Aber die Bande der Geburt, der Zuneigung, der Dankbarkeit, des Hasses gegen die Fremdlinge fesseln ihn an seinen alten Herrn, mit ihm will er leben und fallen, für ihn entsagt er den Familienfreuden, für ihn gibt er Leben und Gut ungewisser Zukunft preis. Dies ist Poesie, und zwar der edelsten Art. An ihr will ich mich aufrichten mein lebelang, und zur Ehre will ich mir es rechnen, der Schar jener Begeisterten anzugehören, die alles daran setzen, um Ew. Majestät alles zu retten, denn wahrlich, zu einem solchen Entschluss gehört Begeisterung, die jede selbstsüchtige Berechnung verschmäht. Viel sind der Männer, die so denken, und weit siehe ich ihnen an Adel der Gesinnungen nach, aber ich will mich bestreben, ihnen ähnlich zu werden.


(Aus einer Denkschrift Gneisenaus vom September 1811.)



*) Der König hatte zu dem Abschnitt „über die Milizen“ in einer früheren Denkschrift Gneisenaus die Randbemerkung beschrieben. "Als Poesie gut."

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Befreiung 1813 - 1814 - 1815. Teil 4