Aus Gneisenaus Denkschrift über die Notwendigkeit, die Kräfte des ganzen Volkes zu entfesseln.

Ein Grund hat Frankreich besonders auf diese Stufe von Größe gehoben, die Revolution hat alle Kräfte geweckt und jeder Kraft einen ihr angemessenen Wirkungskreis gegeben. Dadurch kamen an die Spitzen der Armeen Helden, an die ersten Stellen der Verwaltung Staatsmänner, und endlich an die Spitze eines großen Volkes der größte Mensch aus seiner Mitte.

Welche unendlichen Kräfte schlafen im Schoße einer Nation unentwickelt und unbenutzt! In der Brust von tausend und tausend Menschen wohnt ein großer Genius, dessen aufstrebende Flügel seine tiefen Verhältnisse lähmen. Während dem ein Reich in seiner Schwäche und Schmach vergeht, folgt vielleicht in seinem elendesten Dorfe ein Cäsar dem Pfluge, und ein Epaminondas nährt sich karg von dem Ertrag der Arbeit seiner Hände. Warum griffen die Höfe nicht zu dem einfachen und sichern Mittel, dem Genie, wo es sich auch immer findet, eine Laufbahn zu öffnen, die Talente und die Tugenden aufzumuntern, von welchem Stande und Range sie auch sein mögen? Warum wählten sie nicht dieses Mittel, ihre Kräfte zu vertausendfachen, und schlossen dem gemeinen Bürgerlichen die Triumphpforte auf, durch welche der Adlige jetzt nur ziehen soll? Die neue Zeit braucht mehr als alte Namen, Titel und Pergamente, sie braucht frische Tat und Kraft . . Die Revolution hat die ganze Nationalkraft des französischen Volks in Tätigkeit gesetzt, dadurch die Gleichstellung der verschiedenen Stände und die gleiche Besteuerung des Vermögens, die lebendige Kraft im Menschen und die tote der Güter zu einem wuchernden Kapital umgeschaffen und dadurch die ehemaligen Verhältnisse der Staaten zueinander und das darauf beruhende Gleichgewicht aufgehoben. Wollten die übrigen Staaten dieses Gleichgewicht wieder herstellen, dann mußten sie sich dieselben Hilfsquellen eröffnen und sie benutzen. Sie mußten sich die Resultate der Revolution zueignen und gewannen so den doppelten Vorteil, daß sie ihre ganze Nationalkraft einer fremden entgegensetzen konnten und den Gefahren einer Revolution entgingen, die gerade darum für sie noch nicht vorüber sind, weil sie durch eine freiwillige Veränderung einer gewaltsamen nicht vorbeugen wollen.


(Denkschrift vom Juli 1807.)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Befreiung 1813 - 1814 - 1815. Teil 4