Feststellung des Grundtypus; roheste Tendenzkomik

Ihren charakteristischsten, zugleich rohesten Ausdruck hat diese Satire, die schon bei Nachfolgern Neidharts wie Heseloher*) immer stärker hervortritt und bis ins 17. Jahrhundert hinabreicht, in den Fastnachtspielen des 15. Jahrhunderts**) gefunden, an denen die Bevölkerung süddeutscher Städte, besonders Nürnbergs, sich belustigte. Die Hauptverfasser sind Folz und Rosenblüt. Die Phantasie dieser Handwerker geht ganz in der wüsten, satirischen Tendenz auf und versteigt sich, dem allgemeinen Charakter der Fastnachtspiele gemäß, zu den maßlosesten Untätigkeiten. Nirgends erheben sie sich über das Niveau der allerniedrigsten Komik***); der Gedanke, in der Karikatur wenigstens einen Schimmer von Lebenswahrheit durchblicken zu lassen, liegt den Verfassern fern. Aber dies unmögliche Zerrbild des Bauern bestimmt seine traditionelle Figur in der späteren Dichtung.

*) Bolte, Der Bauer im deutschen Liede. Acta Germanica, I, S. 223.
**) Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts, hgg. v. A. v. Keller, 4 Bde. Lit. Verein Nr. 28—30. 46.
***) vgl. Weinhold, Über das Komische im altdeutschen Schauspiel, Gosches Jahrbuch für für Literaturgeschichte 1—44, bes. 23 ff.


Über die Bauernszenen im einzelnen lässt sich nur wenig sagen: schon die Personennamen*) verraten, worauf es dem Verfasser ankam; und auch der Dialog ist lediglich auf die Befriedigung der Lachlust eines Publikums von staunenswert urwüchsigen Kunstansprüchen berechnet. Aneinandergereihte Monologe, in denen ein Bauer den andern an Unflätigkeit zu übertrumpfen sucht, Trunksucht und Gefräßigkeit, Prügeleien, Eheskandale, lächerliche Brautwerbungen und Liebesabenteuer, Unzucht, Gerichtsszenen, in denen der Bauer von den Richtern gefoppt wird, Bauernprellereien durch Quacksalber oder Krämer, endlich der Streit mit Ritter Neidhart von Reuenthal, dem legendarischen Bauernfeind, und dessen grausame Rache, das sind die in immer neuen , Variationen wiederkehrenden Motive; auch in dem Markolf-Spiel Fokens überwiegt noch das Vergnügen an der Verspottung der wort- und sinnverdrehenden Unwissenheit und Tölpelhaftigkeit des Bauernlümmels die volkstümliche Tendenz zur Verherrlichung seiner Schlagfertigkeit und seines Mutterwitzes, die gleichzeitig in dem Stoffe lag und die von den späteren Markolfdichtern mehr herausgearbeitet wurde.

*) Um einige der dezenteren zu nennen: Molkenfrass, Milchfridl, Hans Mist, Rubenschlunt von Sauferei, Knot in der Kotgass, Trottentanz, SangdieKlauen, Ackertrapp, Votzpart, Lüllars, Nasentropf. . .

In der Tendenz und manchen Einzelheiten der Schilderung den Fastnachtspielen ähnlich, aber durch seinen grotesken Humor ihren platten Witzen weit überlegen ist das Epos des Schweizers Heinrich Wittenweiler, der „Ring" (1453). Wittenweiler schildert mit überlegenem Spott und oft grimmiger Satire die Heldentaten des Bauernburschen Bertschi Trieftias, eines ins Groteske gesteigerten Meiers Hehnbrecht und entwirft, besonders im ersten und zweiten Teil ein drastisches Zeit- und Sittenbild, wobei er freilich mit demselben Behagen wie die Verfasser der Fastnachtspiele mit den vollsten Schmutzfarben malt.

Für den zweiten Teil, die Schilderung der Bauernhochzeit hatte Wittenweiler ein Vorbild an dem schwäbischen Gedicht „Metzen Hochzeit" aus dem 14. Jahrhundert. Dasselbe Motiv einer Bauernhochzeit mit wüsten Gelagen und Raufereien behandeln außerdem: „Von Mayr Betzen und auch von seiner Metzen", „Von der pauren chirchweihe" „der bawrn hofart" und „Von einer Paurnhochzeit und gefächt" von Johann Heseloher; eine Bauernprügelei auch der Meistergesang: „Von dem yppigen Pawren"*) (um 1500).

Szenen dieser Art sind es auch hauptsächlich, welche die bildende Kunst der Zeit zur Darstellung gereizt haben**).

*) Goedeke 2, 86 „Von uppiglichen Dingen so wil ich heben an“ . . Facsimile: A. Bartels, Der Bauer in der deutschen Vergangenheit, Leipzig 1900, S. 94.
**) vgl. Berthold Riehl, Gesch. des Sittenbildes i. d. deutschen Kunst bis zum Tode Pieters Breughel d. Ä. — van de Velde, der Bauer i. d. Malerei: „Insel" II. Jg. Nr. 1—3. — Th. Lamprecht, der Bauer i. d. Kirnst, Breslauer Ztg. 1900 Nr. 747. — Die Kunst bietet übrigens für unseren Gegenstand wenig Parallelen zur Literatur.