Vorherrschen der Satire

Das Bild dieser Entwicklung, das uns die Wirtschaftsgeschichte liefert, spiegelt sich deutlich in der Literatur wieder, wie ein kurzer Rückblick auf die Dichtung des ausgehenden Mittelalters, in der uns zuerst in der deutschen Literatur Bauern entgegentreten, zeigt.

Neidhart und seine Nachfolger, wie Goeli, der Taler, Steinmar, Hadlaub, der Tannhäuser, hatten in ihrer höfischen Dorfpoesie das Landleben in seiner frischen, lebensvollen Natürlichkeit erfasst und als einen gesunden Gegensatz zur höfischen Unnatur der sinkenden Minnepoesie empfunden, hatten noch liebenswürdige, humorvolle Schilderungen des Landvolkes, an dessen Festlichkeiten sie selbst gern teilnahmen, geschaffen, in denen sie nur das um sich greifende Protzentum der wohlhabenden Bauern, ihre affektierte Nachahmung höfischen Wesens, vor allem den Kleiderluxus (Meier Helmbrecht, Seifrit Helbling) in seinem lächerlichen Kontrast mit den bäurischen Manieren in gerechter, oft freilich auch roher Satire verspotteten; die Literatur der folgenden Jahrhunderte, soweit sie sich mit den Bauern beschäftigt, kennt nur einen schroffen Gegensatz zwischen Stadt und Land. Die soziale Tendenz, sei es für oder gegen den Bauernstand, drängt sich hervor und lässt eine künstlerische Behandlung nur selten aufkommen. Hängt das Vorherrschen der Tendenz überhaupt mit den allgemeinen literarischen Zuständen zusammen, so ist der Grund für die bei weitem überwiegende bauernfeindliche Tendenz, für die rohe, hochmütige Verspottung des ungeschlachten Bauerntölpels (dörper : tölpel) in den oben angedeuteten sozialen Verhältnissen zu suchen. Der Wechsel in dem Träger der Poesie wirkte mit: die höfischen Dichter betrachteten die Bauern mit dem selbstverständlichen Überlegenheitsgefühl des Aristokraten; ein bewusster Klassengegensatz, verbunden mit dem Bildungsdünkel des Plebejers, konnte erst in dem Träger der neuen, bürgerlichen Dichtung, Nahrung finden.