Dritte Fortsetzung

Eine interessante Arbeiter-Kolonie hat die Georgs-Marien-Hütte bei Osnabrück angelegt. Dieses im Jahre 1856 als Aktien-Gesellschaft gegründete Hüttenwerk ist nur von kleineren Dörfern umgeben und konnte man die aus größeren Entfernungen herangezogenen Arbeiter in der schwach bevölkerten Umgegend nicht unterbringen. Zur Unterkunft der Arbeiter errichtete man zunächst sog. Logierhäuser und erbaute dann Wohnhäuser für zwei Familien. Nachdem die dringenden Bedürfnisse in dieser Richtung befriedigt waren, glaubte die Direktion, den Weiterbau der Kolonie den Arbeitern überlassen zu können, indem sie jedem Arbeiter, der sich ein Haus bauen wollte, einen Bauplatz mit Gartenfläche von 420 m2 zu billigem Preise überließ und demselben einen Bauvorschuss mit 4% gewährte, der, auf eine 15jährige Tilgungsfrist berechnet, in monatlichen Raten zurückgezahlt werden musste. Hierbei stellte die Hüttendirektion nur die Bedingung, dass der Plan des Hauses von dem Architekten des Hüttenwerkes gebilligt und unter seiner Kontrolle ausgeführt werde, um so den Arbeiter gegen Übervorteilung von Seiten der Bauhandwerker zu schützen und die Interessen des Werkes in Betreff der Verwendung der Geldvorschüsse wahren zu können. Diese Idee schien guten Erfolg zu haben, da sich bald mehrere Arbeiter zum Bauen meldeten. Indes bestätigten sich die gehegten Erwartungen nicht, weil die Arbeiter sich durch verschiedene Anordnungen und Zutaten den Bau derartig verteuerten, dass sie die regelmäßigen Ratenzahlungen nicht einhalten konnten, dann das Haus mitunter an ganz Fremde verkauften und dafür eine Mietwohnung bezogen. Dadurch war natürlich der von der Direktion beabsichtigte Zweck ganz vereitelt und die Opfer waren umsonst gebracht. Als man einige Verschärfungen in Bezug auf das eigene Kapital eintreten ließ, hörte die Baulust der Arbeiter ganz auf, weshalb die Direktion sich veranlasst sah, den Bau der Arbeiterwohnungen selbst wieder in die Hand zu nehmen. Man baute nun auf Grund vielfacher Erfahrungen ebenerdige Häuser mit Kniestock, welche 2 vollständig isolierte Wohnungen enthalten und zwar je Küche, Stube und Kammer zu ebener Erde und 2 Kammern im Dachraume. Zu jeder Wohnung gehört noch ein Keller unter der Küche, ein Stall für ein Schwein und eine Ziege, ein Abort und ein an das Haus anschließender Garten von 200 — 280 m2. Die Umfassungsmauern der Häuser sind aus Schlackensteinen mit einer Luftschicht gemauert, in Folge dessen die Wohnungen auch an der Wetterseite völlig trocken sind. Ein solches Doppelwohnhaus kostet ohne Grund und Boden bei 97 m2 Grundfläche nur 4.380 Mk. und die Nachfrage nach diesen Wohnungen ist so rege, dass die Überweisung einer derselben als eine Art Belohnung angesehen wird.

Diese Kolonie wurde schon 1860 als selbstständige politische Gemeinde erklärt; sie hat alle Einrichtungen, die zum behaglichen und billigen Leben der Arbeiter beitragen können; so besitzt sie einen Konsumverein mit Bäckerei und Schlächterei, ein Gesellschaftshaus, eine Turnhalle, ein Menagehaus, eine Badeanstalt, ein Krankenhaus mit Apotheke, evangelische und katholische Schulen und Kirchen, Fortbildungs- und Industrieschulen, eine Volks- und Jugend-Bibliothek etc. Der Knappschafts-Verein sorgt für Kur und Arznei in Krankheitsfällen, für Krankengelder, für Beihilfe zu den Begräbniskosten, für Invaliden- und Witwen-Pensionen und für Erziehungsbeiträge verwaister Kinder. Besonders hervorzuheben ist der Friedens-Verein der Georgs-Marienhütte, der 1865 ein Friedensgericht gründete, um Prozesse zu verhüten und eine vergleichsweise Beilegung von Rechtsstreitigkeiten herbeizuführen. Zur Schlichtung der Streitigkeiten wählen die Mitglieder aus ihrer Mitte 9 Friedensrichter auf die Dauer eines Jahres. Alle Arbeiter der Gewerkschaft sind nach § 7 der Arbeiterordnung Mitglieder des Friedensvereins; alle sonstigen Bewohner des Hüttenwerkes und der Umgebung können ebenfalls Mitglieder werden. Außerdem hat die Kolonie einen Orchesterverein, ein Hüttenmusikchor, eine Liedertafel, einen Turnverein und einen Schützenverein, der jährlich ein Preisschießen gibt, welches förmlich den Charakter eines Volksfestes angenommen hat.


Die Bergwerksgesellschaften in Rheinpreußen, bei Aachen etc. haben ebenfalls Arbeiter-Kolonien gegründet; auch die berühmte Firma Friedrich Krupp in Essen legte im Jahre 1871, als in dieser Stadt Wohnungsmangel eintrat, eine große Arbeiter-Kolonie an, wo in humanster Weise für alle Bedürfnisse und für Behaglichkeit der Arbeiterfamilien gesorgt wird. Ebenso hat die Hannover'sche Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, die in den Jahren 1868 — 1871 im Besitze von Dr. Strousberg war, damals eine bedeutende Arbeiter-Kolonie angelegt, in der etwa 3.000 Personen Unterkunft finden. Hier ist aber nicht beabsichtigt, die Wohnungen nach und nach in den Besitz der Arbeiter übergehen zu lassen, sondern dieselben bleiben Eigentum der Gesellschaft. Die Arbeiterfamilien dürfen unverheiratete Arbeiter als Kostgänger aufnehmen. In dieser Kolonie sind Häuser für eine, für zwei und für vier Familien ausgeführt, die incl. Grund und Boden, Wege, Kanalisation etc. 2.952 Mark, 6.756 Mark und 10.300 Mark kosten. Im Mittelpunkte der Kolonie befindet sich ein Marktplatz und um diesen sind 4 Geschäftshäuser gruppiert mit je 2 Verkaufsgeschäften für Lebensmittel und Haushaltgegenständen, nämlich zwei Spezereihandlungen, eine Bäckerei, eine Schlächterei, eine Restauration, verschiedene Kleinhändler und Handwerker, welche ihre Geschäfte für eigene Rechnung führen.