Die Arbeiter-Wohnhäuser in ihrer baulichen Anlage und Ausführung sowie die Anlage von Arbeiter-Kolonien.

Deutsche Bautechnische Taschenbibliothek. 46. Heft.
Autor: Klasen, Ludwig (?-?) Architekt und Ingenieur in Wien, Erscheinungsjahr: 1879

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wohnungsnot, Wohnungsbau, Hausbau, Bauvereine, Baugesellschaften, Kapital, Baugesellschaften, Bauland, Baufinanzierung, Gesundheit, Baugesetze, Bauordnung, Bauarbeiter, handwerker, Bauherren, Mieter, Miete, Kapitalverzinsung, Bevölkerung, Baufreiheit, Gewerbefreiheit, Aktiengesellschaft, Aktionäre, Zinsen, Kapitaldienst, Kapitalerträge, Österreich, Wien, Doppelhaus
Mit 66 in den Text gedruckten Abbildungen.
Inhaltsverzeichnis
  1. Geschichtliche Vorbemerkungen. Erste Fortsetzung
  2. Arbeiter-Wohnhäuser für eine Familie
  3. Häusergruppen mit getrennten Wohnungen für zwei und drei Arbeiter-Familien
  4. Häuser in geschlossener Reihe mit getrennten Wohnungen für je eine Arbeiter Familie
  5. Häusergruppen mit getrennten Wohnungen für vier Arbeiter-Familien
  6. Arbeiter-Wohnhäuser für mehr als vier Familien
  7. Arbeiter-Kasernen
  8. Arbeiter-Wohnungen in großen Städten
  9. Baumaterialien für Arbeiter-Wohnhäuser
  10. Literatur über Arbeiter-Wohnhäuser
1. Geschichtliche Vorbemerkungen

Die Wohnungen derer, die in mühsamer Arbeit ihren Mitmenschen die Mittel zur freundlichen Gestaltung des Lebens schaffen, sind leider meistens ebenso unfreundlich wie ungesund. In Wien z. B. kommt es noch gegenwärtig vor, dass Arbeiterfamilien mit 2 bis 3 Kindern ein Kämmerlein von etwa 8 m2 Grundfläche bewohnen, welches ihnen Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche zugleich ist; für diesen Raum muss die Familie wöchentlich eine Miete von 3 Mark entrichten. In neuerer Zeit ist man an vielen Orten bemüht gewesen, das Los des Arbeiters in dieser Richtung zu bessern, und jene humanen Industriellen, die ihren Arbeitern entsprechend geräumige und gesunde Wohnungen verschafften, ernteten dadurch die besten Früchte, indem sie sich ein ordnungsliebendes, gesundes und kräftiges Geschlecht von Arbeitern heranbildeten.

Bei Anlage von Arbeiter-Wohnhäusern ist die Frage des Bausystems von besonderer Wichtigkeit; einerseits muss man so billig wie möglich bauen, andererseits aber doch den durch diese Bauten beabsichtigten wirtschaftlichen und sittlichen Zweck erreichen. Eine strenge Absonderung der Einzelwohnungen ist für ein behagliches Familienleben hauptsächlich erforderlich, weshalb das Cottage oder Einzelhaus-System als Ideal angesehen wird, welches sich aber, weil es zu teuer ist, nur bei besonders günstigen Verhältnissen durchführen lässt, und deshalb erscheint das isolierte Doppelhaus im Allgemeinen als das zweckmäßigste System. Im Minimum sollten in jeder Arbeiterwohnung 3 Räume vorhanden sein, nämlich Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche; in einzelnen Industriegegenden sind leider nur 2 Räume in jeder Wohnung vorhanden, indem dann meistens die Wohnstube auch zum Kochen benutzt wird. An Nebenräumen sind für den geordneten Haushalt noch ein Keller, etwas Bodenraum, ein Stall für Ziege und Schwein, sowie Abort und Dunggrube erforderlich. Eine wertvolle Beigabe ist ein Gärtchen von 150 bis 500 m2 kulturfähigen Landes für Gemüse- und Kartoffelbau.

Von Seiten der Arbeiter wird allgemein gewünscht, die Wohnung derartig eingerichtet zu erhalten, dass die Wohnstube vor dem Schlafzimmer liegt und dass mit der vorgelegenen Küche das Ganze seinen Abschluss findet. Für die Küche genügt ein Raum von 6 bis 8 m2 Fläche. Bei Wohn- und Schlafräumen, wo eine Ventilation durch die vom Zimmer aus geheizten Öfen bewirkt wird, bietet erfahrungsmäßig ein Zimmerraum von 11 — 12 Kubikmetern für jeden darin lebenden erwachsenen Menschen hinreichende Luft zu einem normalen Atmungsprozess; rechnet man nun für Arbeiterwohnungen eine Zimmerhöhe von 3 m, so ergibt sich die minimale Grundfläche für jede Person zu etwa 4 m2. Es müsste demnach, wegen des Luftbedarfes für die Gesunderhaltung einer Familie, der Wohnraum so viel mal 4 m2 Grundfläche haben, als Familienglieder vorhanden sind, während der Schlafraum so viel mal 4 m2 Grundfläche erhalten muss, als Köpfe darin schlafen.

Bequem und in Krankheitsfällen erwünscht ist es jedenfalls, den Abort mit der Wohnung in Verbindung zu bringen; indes werden hierdurch die Bauten nicht unerheblich verteuert, weshalb man die Aborte meistens in Verbindung mit dem Stallraume von den Wohnhäusern isoliert anlegt.

Der Einfluss, den gut eingerichtete Familienhäuser auf die Arbeiter ausüben, ist nach allen Äußerungen, sowohl in Bezug auf Gesittung wie auf den Wohlbestand, ein ganz vortrefflicher, und es sind Fälle bekannt geworden, in welchen Arbeiterfamilien einen vollständig veränderten Charakter angenommen haben und eine früher nie gekannte Sauberkeit und Sparsamkeit im Familienleben obwaltete.

In mehreren Fällen, wie z. B. in Mühlhausen, Beaucourt etc., haben sich Aktien-Gesellschaften gebildet, welche Arbeiterwohnhäuser erbauen, um diese durch geringe Ratenzahlungen nach 11 bis 15 Jahren zum Selbstkostenpreise in das Eigentum der Arbeiter übergehen zu lassen. Dieses Prinzip ist vor Allem geeignet, die moralische Erhebung des Arbeiters zu fördern; es lässt sich aber nur in sehr günstigen Fällen durchführen und ist für die Arbeiterhäuser einzelner großer industrieller Etablissements aus naheliegenden Gründen meistens nicht ausführbar. Denn hier ist es erforderlich, dass die Häuser im Besitze des Etablissements verbleiben, welches die Arbeiter beschäftigt, weil sonst die Arbeiter, nachdem sie die Häuser an sich gebracht haben, andere Industrien aufsuchen könnten, wodurch das Etablissement benachteiligt würde. Bleibt dagegen die Unternehmung die Besitzerin einer Kolonie, so kann sie das Baukapital amortisieren, wodurch sie freie Gebäude erhält, für welche nur die Erhaltungskosten und Steuern zu tragen sind. Die Unternehmung ist daher in der Lage, den Arbeitern dadurch einen Gewinn zuzuwenden, dass sie ihnen die Wohnungen zu sehr niedrigen Preisen gibt.

Eigentliche Arbeiterkasernen sind gewöhnlich nur durch besondere Verhältnisse hervorgerufen worden, so z. B. für unverheiratete oder auswärts wohnende Arbeiter, deren Bedürfnis sich vorzugsweise bei denjenigen Industrien herausstellte, welche, wie Zuckerfabriken und Ziegeleien, ihre Tätigkeit hauptsächlich nur zu bestimmten Jahreszeiten entfalten. Unter diesen Verhältnissen sind seitens der Arbeitgeber und der gemeinnützigen Baugesellschaften Kasernen in mehr oder minder vollkommener Weise gebaut worden. Eine sehr gelungene Durchführung des Kasernensystems ist das ,,Hotel Louise“ der Kohlenwerks-Gesellschaft „Hasard“ in Micheroux bei Lüttich, wovon weiter unten die Rede sein wird. Die Gesellschaft hatte bereits Gruppenhäuser ausführen lassen, um Arbeitskräfte in die von bevölkerten Punkten weit entfernte Gegend heranzuziehen. Es zeigte sich aber, dass diese Häuser sich nur schwer vermieten ließen, weshalb man ein Haus errichtete, wo für alle Bedürfnisse der Arbeiter in völlig ausreichender und billiger Weise gesorgt wird, wodurch man auch einen sehr günstigen Erfolg erzielte. Im Magdeburger Kreise sind von den 81 Zuckerfabriken etwa 55 im Besitze von Kasernen und Familienwohnhäusern, und zwar bestehen 68 Kasernen, welche zusammen etwa 30.000 ledige Arbeiter und 200 Familien aufnehmen können; ferner sind hier noch 102 Familienwohnhäuser vorhanden, welche 932 Familien aufzunehmen im Stande sind.

In den Kohlendistrikten von Oberschlesien und Saarbrücken sind für die Bergleute, welche nur die Arbeitstage bei dem Werke zubringen, am Sonnabend aber wieder zu ihrer entfernt wohnenden Familie zurückkehren, häufig sogenannte Schlafhäuser erbaut, wo die Arbeiter gegen eine geringe Vergütung nicht nur Obdach und Schlafstätte, sondern auch gemeinschaftliche Versammlungszimmer und Einrichtungen zum Selbstbereiten ihres Essens aus den mitgebrachten Lebensmitteln vorfinden, oder wo nach Art der Volksküchen gemeinschaftlich für sie gekocht wird. Durchschnittlich werden die Schlafhäuser im Saarbrücker Bezirk von 22 bis 25% der Gesamtbelegschaft benutzt, und die Bewohner dieser Häuser zahlen im Durchschnitt pro Monat 2 Mark, wofür sie ein Bett mit Überzügen, gemeinschaftliche Heizung und Beleuchtung, sowie das zum Kochen erforderliche Brennmaterial erhalten. Für die genannten Bezirke sind die Schlafhäuser seit Einführung der Arbeiterzüge auf den Eisenbahnen sehr zweckentsprechend geworden, weil die Arbeiter dadurch ihr Domizil ohne erhebliche Kosten erreichen können, indem in Saarbrücken die Bahn jeden Bergmann für 0,1 Mark hin- und zurückbefördert, während in Oberschlesien pro Meile 0,1 Mark zu zahlen ist.

Schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts, als in Oberschlesien die fiskalischen Hüttenwerke gegründet wurden, wendete man den Arbeiterwohnungen volle Aufmerksamkeit zu; so wurden im Jahre 1787 auf der Friedrichs-Blei- und Silberhütte bei Tarnowitz 10 Häuser für Arbeiter erbaut, 1798 — 1822 auf der Königshütte 31 Häuser und 1843 — 1854 daselbst 13 Häuser, 1800 auf der Gleiwitzer Hütte 16 Häuser, 1848 — 1852 auf der Louisen-Grube bei Zabrze 10 Häuser, also zusammen 80 Häuser, die 339 Familienwohnungen enthalten, meist einstöckig aus Stein für 2 — 5 Familien eingerichtet sind und 356.679 Mark oder durchschnittlich für jede Wohnung 1.052 Mark kosteten. Nach einem Berichte des Bergamtes zu Tarnowitz vom 4. Jan. 1818 fanden die Wohnungen anfänglich bei den heimischen Arbeitern wenig Anklang, denn wenn ein Bergmann in Zabrze auch nur eine kleine Stube von Holz mit Lehmboden für sich, seine Familie und sein Vieh zur Miete bewohnte, seine Feuerung sich mühsam verschaffen und den eine starke halbe Meile langen Weg beim schlimmsten Wetter zu und von der Arbeit gehen musste, so tauschte er doch nur in den seltensten Fällen mit der besseren, nahe gelegenen freien Wohnung in einem Koloniehause zu Klein-Zabrze, wo er das Brennmaterial fast ganz umsonst hatte. Der Grund hiervon lag darin, dass er in dem Koloniehause sein Kraut und seine Kartoffeln nicht in der Stube vergraben konnte und genötigt war, sein Vieh außerhalb der Stube zu halten, er daher aus dem Hause gehen musste, um es zu versehen; auch war ihm die Wohnung zu gut und er war nicht daran gewöhnt, mit mehreren anderen Parteien, die oft Deutsche waren, mit denen er nie gut übereinstimmte, in einem Hause zu wohnen.

000 Arbeiter-Wohnhäuser Titelblatt

000 Arbeiter-Wohnhäuser Titelblatt

006 007 Doppelhaus für Weichensteller und Arbeiter der Berlin-Küstriner Eisenbahn

006 007 Doppelhaus für Weichensteller und Arbeiter der Berlin-Küstriner Eisenbahn

011 012 Doppelhäuser in Lüttich

011 012 Doppelhäuser in Lüttich

015 016 Ansichten und Grundrisse in Lüttich

015 016 Ansichten und Grundrisse in Lüttich

020 Mühlhausen

020 Mühlhausen

031 Häuser im Arbeiter-Quartier der Hannoverschen Maschinenbau-AG

031 Häuser im Arbeiter-Quartier der Hannoverschen Maschinenbau-AG

035 Ansicht eines Vierhauses

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036 037

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024 Arbeiterquartier zu Kuchen (Lageplan)

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