Schwester Irmgart von Eystet
Eine Schwester hieß Irmgart von Eystet, die war gar ein minnesamer Mensch und hatte die Tugend, dass sie gern lernte, was zu Gottes Dienst gehörte. Nun wurde die vor ihrem Tode bettlägerig und lag schon das zweite Jahr, so dass Löcher in sie brachen und das Blut von ihr rann, und die Frauen, die bei ihr waren, voll Jammer zu ihr sprachen, sie sollte doch unsern Herrn bitten, er möchte sie erlösen von ihren Schmerzen. Da sprach sie: „Könnt ihr nicht erleiden, was ich doch wohl erleiden kann? Ich will ihn nicht bitten, dass er's mir benehme; denn es ist nie keine Ungeduld in mein Herz kommen bei all meinen Schmerzen.“ Und wie sie das sprach, lachte sie gar minniglich. Eines Tages sprach eine Frau zu ihr: „Du bist mit Recht geduldig: eine Schwester hat dich gesehen, wie du im Schlafhaus in einem Licht gelegen bist.“ Da sprach sie: „Konnte sie das nicht verschweigen? Ich hab' große Gnade verschwiegen. Ich habe die heilige Dreifaltigkeit in dreier Personen Form gesehen und sie wandelten sich in eine Person; und habe unsere Frau Maria gesehen, wie sie unsern Herrn auf dem Schoß hatte, und sie sprachen, sie wollten mir so gütlich tun wie andern. Das verstund ich so: er wollte mir so gütlich tun wie andern heiligen Jungfrauen. Da soll mir gar wohl dran genügen.“ Danach starb sie eines heiligen Endes und kam wieder her und sprach, sie wäre gar schnell in den Himmel gefahren. Ihre Geduld hatte sie lange vorher geweissagt, indem sie gesprochen hatte: „Ich werde noch liegen wie ein Lamm.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben